Bochum - Kabelwerke Reinshagen:
'Rotes Kabel' - Zeitung der KWR-Betriebsgruppe der KPD/ML und des KJVD (1970)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 21.8.2018


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Es können hier nur wenige Ausgaben des 'Roten Kabel' der KPD/ML-ZB und ihres KJVD für die Kabelwerke Reinshagen in Bochum vorgestellt werden. Wir bitten um Ergänzungen.

Liste der als Scans vorhandenen Zeitungen

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

April 1970:
Die Nr. 1 des 'Roten Kabels' - Zeitung der KWR-Betriebsgruppe der KPD/ML und Roten Garde (RG) erscheint bei den Kabelwerken Reinshagen in Bochum (vgl. 4.5.1970). Es handelt sich hierbei um die erste Ausgabe überhaupt. Im Zuge der Spaltung der KPD/ML wird diese Zeitung fürderhin von der KPD/ML-ZB und ihrem KJVD herausgegeben. Im Leitartikel heißt es: "
'IM NEUEN WERK WIRD ALLES ANDERS'

In den letzten Tagen im alten Werk sagte meistens einer, wenn was nicht klappte: Im neuen Werk wird alles anders!

WAS ist denn anders geworden?
Klar, wir sind jetzt bald alle im neuen Bau, der ziemlich modern ist. Besonders von außen und die Zimmer der Chefs, die große Fenster, die dicke Teppiche und bequeme Sessel haben, damit die Firma ihren Geschäftspartnern und Konkurrenten imponieren kann.

Aber was hat sich hier drinnen für uns geändert?

Unsere Arbeit ist die gleiche geblieben! Der Lohn ist der gleiche geblieben.

Die Geschäftsleitung sagt, sie hat einen schönen Aufenthaltsraum bauen lassen - für wen denn? UNSERE Pausen sind um die Hälfte gekürzt worden. Und wir haben eine Klimaanlage, nicht, damit uns nicht mehr wie damals die Finger vor Kälte steif werden oder wie im Sommer bei 32 Grad Hitze nacheinander die Kolleginnen umfallen, sondern: damit wir bei gleichmäßiger Temperatur gleichmäßig viel arbeiten können, damit die Firma gleichmäßig steigende Profite machen kann. Bis jetzt allerdings funktioniert die Klimaanlage nicht einmal. Entweder ist sie auf 'kalt' gestellt, so daß wir frieren; oder auf 'warm', so daß wir schwitzen.

Wir arbeiten jetzt auch alle in einer Halle. Wir könnten uns jetzt besser kennenlernen. Aber von wegen! Wenn man mal wirklich wenig zu tun hat (- und wie oft läuft nicht was schief in der Planung, was dann unsere Akkordarbeit unterbricht?! -), unterhält man sich doch schon mal mit der Kollegin am Arbeitsplatz nebenan. Aber anscheinend werden wir von einem Radarauge aus dem Glaskasten beobachtet, denn es kommt meistens sofort ein Vorgesetzter und schnauzt uns an. Es ist wohl verboten sich zu unterhalten? Denn:
Zwei Mann im Betrieb sind schon eine Versammlung.

Und Versammlungen im Betrieb sind verboten, weil sie für die Geschäftsleitung gefährlich sind. Wenn nämlich mal jeder hier offen über die Mißstände reden würde und wenn wir uns gemeinsam über unsere Rechte und Möglichkeiten im Betrieb informieren würden, dann würden wir uns eher zusammenschließen und uns nicht alles gefallen lassen.

UND GENAU DAVOR HABEN DIE BOSSE ANGST!

Sie haben Angst davor, daß wir uns zu gut verstehen, unsere gemeinsamen Interessen erkennen und uns deshalb zusammentun.

Deshalb schreiben wir in dieser Zeitung offen, was wir denken. Diese Zeitung erreicht alle von uns. Wir aus dem Betrieb haben hier die Möglichkeit, alle unsere Kollegen und Kolleginnen zu informieren.

Wir fordern Euch auf, selbst Berichte einzuschicken über das, was Euch im Betrieb nicht gefällt!

Wir fordern Euch auf, zu uns zu kommen und mit uns, der Betriebsgruppe Reinshagen der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten und der Betriebsgruppe Reinshagen der Roten Garde, zu besprechen, wie wir die Mißstände bei Reinshagen abschaffen können.

WENN WIR UNSERE INTERESSEN WIRKLICH VERTRETEN WOLLEN, MÜSSEN WIR UNS ZUSAMMENSCHLIESSEN."

Festgestellt wird auch: "
BEI REINSHAGEN FLIEGEN DIE DAUMEN

EIN besonderes Kennzeichen der Kabelarbeiter von Reinshagen ist ein abgeschnittener Daumen oder Zeigefinger.

Die Geschäftsleitung hat schließlich auch gar kein Interesse daran, die Maschinen unfallsicher zu machen, weil das nur Kosten sind, und den Kapitalisten keine Profite einbringt. Deshalb ist es auch kein Wunder, daß sich zwei Jugendliche nacheinander an der GLEICHEN MASCHINE den Zeigefinger abgeschnitten haben.

Die Verbrecher von der Geschäftsleitung lassen diese Maschinen laufen, bis sie nicht mehr gehen, und es kümmert sie einen Dreck, ob wir dabei alle unsere Finger verlieren.

Im 'Kabelmännchen' März 1970 ist ein Photo vom sogenannten Sicherheitsbeauftragten Klaus Feick. Was tut er für uns?

Statt sich um die Ursachen der Unfälle zu kümmern, spürt er mit seinem Jagdhund das Wild auf. Dieser 'Sicherheitsbeauftragte' kümmert sich nicht um die Unfallursachen (die miserablen Maschinen), denn dafür wird er auch nicht von der Geschäftsleitung bezahlt. Er soll vielmehr 'Schriftführer des Sicherheitsausschusses, Kontaktmann zur Berufsgenossenschaft und zum Gewerbeaufsichtsamt' sein. Aber er sitzt nicht nur im Büro, um zu den Handlangern der Geschäftsleitung Kontakt aufzunehmen, sondern er 'leitet auch Prospektmaterial und Aufrufe der Berufsgenossenschaft an die Sicherheitsbeauftragten der einzelnen Abteilungen weiter'.

Aber Aufrufe allein nützen nichts. Zu zetern, es sollten nicht soviele Unfälle passieren, nützt überhaupt nichts.

WIR FORDERN:
MASCHINEN, DIE MINDESTENS DEN GESETZLICHEN UNFALLBESTIMMUNGEN ENTSPRECHEN!

Kollegen, ihr braucht nicht an Maschinen zu arbeiten, die euch verstümmeln!"

Bekanntgegeben wird: "
WIR LASSEN UNS NICHT LÄNGER UNTERDRÜCKEN!

Kolleginnen und Kollegen!

Bisher war es in unserem Betrieb so, daß niemand erfuhr, was los war. So konnte auch kein Zusammenhalt unter uns entstehen. Immer standen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen den Bossen allein gegenüber. Und die hatten - jedenfalls bisher noch, solange wir noch keinen festen Zusammenhalt unter uns gegen sie hergestellt haben!

Noch sind wir den Bossen ausgeliefert. Sie machen mit uns, was sie wollen. Und sie wollen immer etwas! Sie nützen ihre Position für ihre Position für ihre Interessen aus.

Zum Beispiel Kortebusch. Der ist von Ford nach Daimler-Benz versetzt worden. Weil er aber keine Lust hatte, sich von seinen engsten 'Mitarbeitern' zu trennen, nahm er kurzerhand alles mit. Das wäre auch gar nicht aufgefallen, hätte er nicht auch eine Vor'arbeiterin' mitgebracht.

Denn wo Frau Scharfstein hinkam, mußte die andere Vorarbeiterin weg, das war Frau Jeschke.

Kortebusch, der übrigens gerne vom guten Betriebsklima redet, bewies hier, was er darunter versteht. Er hielt sich im Hintergrund und schickte Frau Scharfstein vor. Die mußte einen Grund finden, warum sie ausgerechnet die Schicht von Frau Jeschke haben wollte.

Wißt ihr, was sie sagte?
Daß ihre Mutter kegeln geht und daß sie selbst gerade die Schicht und keine andere haben müßte.

So wollte Kortebusch Frau Jeschke, die seit vielen Jahren hier ist und ein echtes Vertrauensverhältnis zu den Kolleginnen hat, raustricksen. Aber da hatte er nicht mit den Kolleginnen der Schicht gerechnet.

KEINE UNTERSCHRIFTEN SONDERN STREIK

Wir haben eine Unterschriftensammlung gemacht, dafür, daß Frau Jeschke bleibt. Binkmann, der Handlanger von Kortebusch, kriegte den Zettel mit den Namen drauf, wo drüber stand: 'Wir geben unsere Mutti nicht ab!' Und was sagte Binkmann dazu?

'So einen Zettel habe ich schon einmal gekriegt, der war aber mit Schreibmaschine geschrieben.' Dann brachte er den Zettel zu Kortebusch. Nach kurzer Zeit brachte er den Zettel in die Abteilung zurück:
DER ZETTEL WAR ZERKNÜLLT!

Das war die Antwort von Kortebusch!

Frau Jeschke wurde versetzt… warum? Weil eine Unterschriftensammlung zwar gut ist, aber zu wenig! Wir dürfen nicht bitten, wir müssen kämpfen.

Es ist richtig, was eine Kollegin sagte: 'Wer sind wir denn, daß wir so behandelt werden. Für die da oben sind wir doch überhaupt keine Menschen!' Täglich bekommen wir das zu spüren. Es macht ihnen gar nichts aus, wenn wir durch ihre Schuld unsere Finger verlieren! Deshalb müssen wir zu Kampfformen greifen, die tatsächlich wirken, z.B. zum Streik. Denn durch den Streik gehen den Kapitalisten ihre Profite flöten, und um das zu verhindern, machen sie lieber Zugeständnisse! Der Streik war schon immer das bewährte Kampfmittel der Arbeiter und wir müssen es benützen, um den Kapitalisten ihre Profite abzuknöpfen.

DIE KAPITALISTEN DENKEN NUR AN SICH!

Am nächsten Tag hat Kortebusch dann eine Versammlung einberufen. Da sagte er, daß er keinerlei Verständnis dafür hat, wenn jemand persönliche über geschäftliche Interessen stellt.

'Ich habe überhaupt kein Verständnis für das, was da gestern passiert ist. Ich bin zwar gerne bereit mit jedem zu reden, wenn es die Schicht betrifft, aber so private Wünsche nach dem Motto 'Wir wollen zusammenbleiben' - dafür habe ich überhaupt kein Verständnis!' Die Angelegenheit war damit für ihn erledigt! 'Und wem das nicht paßt, der kann ja zu mir kommen, die Kündigung wird dann direkt ausgeschrieben.'

Kolleginnen, niemand aus der DAIMLER-BENZ Abteilung hat es gewagt noch etwas zu sagen. Hinterher sagten viele, 'wenn ich gewußt hätte, daß ich nicht allein dastehe, dann…' Jede Kollegin glaubt, daß sie letzten Endes allein dasteht.

Und deshalb lassen wir uns alles gefallen?!

GEMEINSAM SIND WIR STARK

Was glaubt ihr, wenn alle Kolleginnen ZUSAMMEN die Unverschämtheiten von Kortebusch beantwortet hätten? Wenn wir ALLE gestreikt hätten?! So etwas kann der Betrieb, können unsere Bosse nicht vertragen! Sie sind ja darauf angewiesen, daß wir für sie arbeiten, ohne unsere Arbeit machen sie keine Profite.

SIE SIND AUF UNS ANGEWIESEN - NICHT WIR AUF SIE!

Sie haben saubere Hände und weiße Krägen, und wir machen uns die Finger für sie schmutzig.

Diese Ungerechtigkeit nehmen wir nicht länger hin.

Kolleginnen und Kollegen entscheidet selbst, wer hier persönliche Interessen vertritt. Und was das für Interessen sind, ob es die Interessen einer Schmarotzerschicht sind, oder ob es unsere Interessen sind.

Es gibt zu viele Kortebüsche! Sie sitzen in allen hohen Positionen und verfolgen ihre Interessen, die Interessen einer kleinen Ausbeuterschicht! Ihr höchstes Interesse ist es, daß wir für ihren Profit arbeiten sollen, und dabei nicht für unsere Interessen kämpfen dürfen. Deshalb müssen wir zusammenhalten, sonst werden sie uns immer wieder einpacken. Setzt Euch mit uns zusammen, schreibt auf, was ihr bei Reinshagen erlebt, berichtet uns über die Mißstände im Betrieb! Wir werden Eure Berichte in der nächsten Nummer abdrucken, selbstverständlich ohne Eure Namen zu nennen."

Im nächsten Artikel heißt es: "
TYPISCH FÜR DIESE ANTREIBER

In der schon erwähnten Versammlung bei Arens hat der Antreiber Kortebusch zu den Kolleginnen auch noch folgendes gesagt: sie hätten bisher eine 'Schlafzimmerproduktion' gemacht.

Die Kolleginnen haben also jahrelang in einer Schlafzimmeratmosphäre produziert!

Typisch für diesen Antreiber! Wenn die Kolleginnen so schuften, daß im Sommer mitunter fünf am Tag ohnmächtig umgefallen sind, wenn sie angetrieben werden, um einen möglichst hohen Profit zu erzielen, dann hat dieser Nichtstuer die Frechheit, zu behaupten, die Kolleginnen täten zu wenig!

Wie die Kolleginnen in dieser 'Schlafzimmeratmosphäre' geschuftet haben, zeigt sich am besten daran, daß der Betrieb sich ständig erweitern konnte, daß jetzt eine neue Fabrik gebaut werden konnte.

Das Geld dafür ist nicht vom Himmel gefallen, sondern von den Kolleginnen und Kollegen erarbeitet worden. WIR haben dafür gesorgt, daß die Fabrik größer wurde, WIR haben dafür gesorgt, daß mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden, nicht die Kapitalisten, sondern WIR haben uns die Arbeitsplätze verschafft!

Dieser Kapitalistenknecht versucht uns so zu hetzen, daß wir tatsächlich nach den acht Stunden plus Überstunden ins Schlafzimmer MÜSSEN, und zwar direkt ins Bett!

Ja, man darf sich während der Arbeitszeit noch nicht einmal unterhalten. Geht es Euch nicht auch so? Wenn man sich mit einer Kollegin unterhält, , wenn man wenig zu tun hat, weil wieder einmal die Planung schief gelaufen ist; sofort kommt einer der vielen Vorgesetzten (manchmal weiß man gar nicht, auf wen man hören soll, denn jeder will was anderes) und der schnauzt einen an, ob man keine Arbeit hätte. Dabei ist es gar nicht unsere Schuld, daß wir keine Arbeit haben!

Überhaupt werden wir im neuen Werk immerfort und ständig beobachtet. Damit wir nur ja die ganze Zeit schuften und um Gottes willen nicht zu guten Kontakt miteinander haben! Das wäre ja gefährlich! Dann würden wir vielleicht über all diese Mißstände reden und am Ende noch auf die Idee kommen, etwas dagegen zu tun! Denn die Bosse wissen genau: In der Viertelstunde Pause können wir das nicht!

Wir werden den Bossen zeigen, daß wir trotz ihrer Tricks über die Mißstände reden werden und sie werden noch früh genug merken, daß wir uns nichts mehr bieten lassen!"

Im nächsten Artikel heißt es von der RG: "
UND DIE JUGENDLICHEN IM BETRIEB?
AN UNS VERDIENEN SIE AM MEISTEN

Die Bosse beuten schon die älteren Kollegen, aber uns erst recht!

Wir machen die gleiche Arbeit wie unsere älteren Kolleginnen, aber wir bekommen nicht den gleichen Lohn wie sie. Während wir durchschnittlich 2, 60 DM bekommen, kriegen die Erwachsenen, die die gleiche Arbeit machen wie wir, im Durchschnitt 4, 30 DM. Wir werden angefeuert, Akkord zu arbeiten, aber für uns Jugendliche ist es verboten, Akkord zu arbeiten; deshalb sagen auch die Bosse, weil ihr keinen Akkord arbeiten dürft, kriegt ihr auch nicht den Akkordlohn - obwohl wir den Akkordsatz schaffen.

Wir werden für jede Drecksarbeit angestellt.

Wir haben keinen festen Arbeitsplatz. Heuchlerisch sagt man uns, wir sollten alle Arbeiten 'kennen' lernen. Was wir aber in Wirklichkeit kennen lernen, sind Aushilfsarbeiten.

Wer ist an dieser Lage schuld?

Sind es die Erwachsenen? Nein, es sind die Bosse, die aus uns möglichst viel Profit herausschlagen und außerdem die Belegschaft spalten wollen. Wenn sie uns gegen unsere erwachsenen Kollegen ausspielen können, dann werden wir nie gemeinsame Aktionen unternehmen können, um unsere Lage zu ändern!

Die Bosse meinen, sie könnten mit uns machen, was sie wollen.

Wenn einzelne von uns was dagegen sagen, wird ihnen erst das Wort verboten; wenn sie sich dann immer noch beschweren, dann werden sie wegen 'mangelnder Arbeitsleistung' rausgeschmissen.

Deshalb dürfen wir nicht allein vorgehen, sondern wir müssen es genauso machen wie unsere älteren Kollegen, wir müssen in dieser Zeitung die Zustände aufdecken und die Bosse entlarven. Nur dann können wir unsere Situation verbessern, wenn wir uns gemeinsam gegen die Ausbeuter wehren. Aus diesem Grund müssen wir uns in einer starken Kampforganisation zusammenschließen.

A L L E I N E KÖNNEN WIR NICHTS AUSRICHTEN, G E M E I N S A M SIND WIR STARK!!!

JUNGARBEITER VEREINIGT EUCH IN DER ROTEN GARDE!"

Über und unter einem Comic ("Was haben Sie dem Mann gerade gesagt?" "Ich habe ihm gesagt, er solle schneller arbeiten." … "Und wer hat diese Schuhe gemacht?" "Pst, seien Sie still, ER könnte sie hören!") heißt es: "
KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN

VEREINIGT EUCH IN DER ROTEN BETRIEBSGRUPPE DER KPD/ML"

In der Rubrik "Die Arbeiterklasse kämpft und wird siegen" wird berichtet aus:
- Baden-Württemberg aus dem IGM-Bereich von John Deere Mannheim (vgl. März 1970), von Bäuerle Oberkochen (vgl. Feb. 1970), aus der Uhrenindustrie im Raum Schwenningen (vgl. Feb. 1970) und von Daimler-Benz Sindelfingen (vgl. 17.2.1970);
- Hamburg aus dem BSE-Bereich (vgl. Feb. 1970), aus dem CPK-Bereich von Beiersdorf (vgl. Feb. 1970) und aus dem IGM-Bereich von der Hansa MF (vgl. 1.5.1970);
und aus NRW aus Düsseldorf von der DÜWAG (IGM-Bereich - vgl. Feb. 1970) und aus Essen von der Lehrlingsausbildung bei Radio Marquardt (IGM-Bereich - vgl. Feb. 1970) bzw. dem Berufsschullehrer Rolf Freitag (vgl. Dez. 1969).

Auf der letzten Seite findet sich noch ein Aufruf: "
AN ALLE ARBEITER, LEHRLINGE UND ANGESTELLTE

Ihr werdet Euch fragen: wer gibt diese Zeitung heraus?

Die Zeitung wird von Kollegen und Kolleginnen aus dem Betrieb geschrieben, die in der Roten Betriebsgruppe (RBG, d.Vf.) der KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten) und in der Betriebsgruppe der Roten Garde organisiert sind.

Die KPD/ML ist die Partei, die kompromißlos die Interessen der Arbeiter und unteren Angestellten vertritt. Die Rote Garde ist die Jugendmassenorganisation, die für das gleiche Ziel kämpft.

Lest diese und die folgenden Nummern der Zeitung, damit ihr wißt, daß wir auch eure Interessen vertreten.

SETZT EUCH MIT UNS IN VERBINDUNG!
SCHREIBT UNS!
RUFT UNS AN!
KOMMT ZU UNS!

KPD/ML
ROTE GARDE

Bongardstr.13 …

Warum geben wir eine ZEITUNG heraus? Weil diese Zeitung alle Kollegen erreicht, weil wir so alle Kollegen informieren und alle Mißstände und hinterlistigen Handlungen der Geschäftsleitung bekannt machen.

Wir werden alle Kollegen über den Kampf der Arbeiter in den anderen Betrieben informieren, damit wir so aus den Erfahrungen der anderen Kollegen lernen können. Wir Arbeiter werden nämlich erst dann zu einer Macht, wenn wir nicht nur in unserem Betrieb gemeinsam kämpfen, sondern wenn sich alle Arbeiter aus allen Betrieben vereinigen und gemeinsam ihre Interessen gegen die Kapitalistenklasse vertreten.

Wenn wir aber jetzt anfangen, die Tatsachen beim Namen zu nennen und die Ursachen aufzudecken, dann müssen wir damit rechnen, daß die Kapitalisten uns mit allen Mitteln außer Gefecht setzen wollen. Sie werden nicht zögern, uns vor Gericht zu stellen und uns aus der Firma herauszuschmeißen, wenn sie uns zu fassen kriegen. Deswegen werden wir uns vorsehen. Wir können nicht offen auftreten, wie die DKP, gegen die die Kapitalisten nichts haben.

Wir können offen nur durch diese unsere Zeitung kämpfen. Ihr Kollegen und Kolleginnen müßt uns dabei unterstützen.

Schickt uns Berichte aus den einzelnen Abteilungen!
Nennt die Dinge beim Namen! Wir werden Eure Berichte in der nächsten Nummer abdrucken. Eure Namen werden wir selbstverständlich NICHT abdrucken.

Kolleginnen und Kollegen!
Vertraut einer Partei, die kompromißlos die Interessen der Arbeiter und Angestellten vertritt!
Nehmt Kontakt zu uns auf!
Arbeitet mit in der

ROTEN BETRIEBSGRUPPE DER KPD/ML UND ROTEN GARDE."
Quelle: Rotes Kabel Nr. 1, Bochum Apr. 1970

04.05.1970:
Die Nr. 2 des 'Roten Kabels' - Zeitung der Kabelwerke Reinshagen (KWR) Bochum Betriebsgruppe der KPD/ML (bzw. KPD/ML-ZB) und des KJVD erscheint vermutlich in dieser Woche (vgl. Apr. 1970, 11.5.1970) mit zehn Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Peter Weinfurth, Essen, mit folgendem Leitartikel: "
KLIMAANLAGE ZU UNSEREM WOHL?

Sechs Frauen sind bei uns umgekippt! Am Freitag vor vierzehn Tagen war die Luft wieder mal so stickig, daß es noch ein Wunder ist, daß nicht alle umgekippt sind!

Die Klimaanlage hat im neuen Werk von Anfang an nicht funktioniert. Wir müssen entweder schwitzen oder frieren. Dabei haben wir schon längst an den Betriebsrat die Forderung gestellt, er soll sich endlich um die Klimaanlage kümmern. Und was hat er gemacht? - Nichts. Jedenfalls haben wir nichts davon gemerkt.

Die Geschäftsleitung tut natürlich auch nichts. Denn solange wir bis zum Umfallen malochen, ist ja der Profit von Reinshagen gesichert. Und wenn mal sechs umfallen, das macht doch nichts! Nach zehn Minuten stehen die Kolleginnen wieder auf und malochen weiter. Die zehn Minuten Arbeitsausfall gehen doch von unserem Akkord ab! Und wenn Reinshagen uns wirklich eine Ausgleichszahlung dafür gibt, ist das immer noch billiger als die Reparatur der Klimaanlage.

Wir sind nur Arbeitstiere; wir sind für die Bosse nur Bündel von Arbeitskraft. Solange wir noch arbeiten können, stimmt die Profitrechnung der Kapitalisten. Solange pressen sie uns aus, bis es nicht mehr geht. Auf unser Wohlbefinden kommt es denen dabei gar nicht an, denn sie haben ja unsere Arbeitskraft gekauft und damit das 'Recht', sie solange zu gebrauchen, bis sie kaputt ist.

WIR FORDERN DEN BETRIEBSRAT AUF, SOFORT UNSERE FORDERUNGEN NACH EINER FUNKTIONIERENDEN KLIMAANLAGE BEI DER GESCHÄFTSLEITUNG DURCHZUSETZEN!

WIR FORDERN IHN WEITERHIN AUF, UNS SOFORT ÜBER DIE VERHANDLUNGEN ZU UNTERRICHTEN!

Und wenn er wieder mal nichts für uns tut, wählen wir ihn bei der nächsten Versammlung ab!"

Der nächste Artikel lautet: "
ROTES TUCH FÜR UNSERE BOSSE

Vor drei Wochen wurde das Rote Kabel Nr. 1 (vgl. Apr. 1970, d.Vf.) verteilt. Viele Kollegen freuten sich und sagten: Endlich macht mal einer den Mund auf!

Aber die Bosse von Reinshagen haben Angst bekommen, als ihnen das Rote Kabel auf den dicken Schreibtisch geflattert kam. Sie kriegten ein ganz schönes Muffensausen und wollten mit aller Macht verhindern, daß das Rote Kable verteilt und die Rote Betriebsgruppe (RBG, d.Vf.) noch stärker wird. Sie wollten uns ausschalten.

Das haben sie vor anderthalb Monaten (vgl. März 1970, d.Vf.) schon einmal versucht:
Sie haben zwei Kolleginnen aus dem Betrieb geschmissen, weil sie dem Kommunistischen Jugendverband Deutschland (gleich Rote Garde (KJVD bzw. RG, d.Vf.) angehören!

POLIZEI: FREUND UND HELFER DER KAPITALISTEN!

Es sind nicht nur die Bosse von Reinshagen, die jetzt Angst bekommen haben und nach Polizeihilfe schreien. Die Bosse von KRUPP-WIDIA in Essen haben die Polizei sogar in den Betrieb geholt. Dort sollten die Polizisten die Mitglieder der Roten Betriebsgruppe herausfinden. Aber das ist ihnen nicht gelungen! Die Rote Betriebsgruppe Widia kämpft in ihrer Betriebszeitung (vgl. 4.5.1970, d.Vf.) gegen den Mietwucher und unterstützt den Streik der Kollegen für höheren Lohn.

Sie vertritt die Interessen der Kollegen bei Widia und deshalb wollten die Krupp-Herren sie herausschmeißen.

Genauso wie die Bosse von Reinshagen!

Aber genauso wie die Zeitung bei Widia, der Rote Widia-Arbeiter, wird auch das Rote Kabel weiter verteilt!

DIE KAPITALISTEN HABEN ANGST UM IHRE PROFITE!

Bei Reinshagen fühlen sie sich durch das Rote Kabel bedroht. Es ist gefährlich für sie, weil es die Interessen der Kolleginnen und Kollegen bei Reinshagen vertritt. Weil es die Arbeiter im Kampf gegen die Kapitalisten organisiert.

Und die wissen genau:
GEMEINSAM SIND WIR ARBEITER STARK!

Die Angst der Bosse zeigt uns: Wir sind auf dem richtigen Weg! Wir haben berechtigte Forderungen, wir werden sie gemeinsam durchsetzen!

So schrieb uns eine Kollegin, daß die längst fälligen Abzüge inzwischen an mehreren Maschinen angebracht wurden.

Kolleginnen und Kollegen,
wir werden das Rote Kabel weiter verteilen, auch wenn die Geschäftsleitung mit Hilfe der Polizei uns daran hindern will!

Deshalb -
Schreibt uns!
Ruft uns an!
Kommt zu uns!"

Ein weiterer Artikel fragt: "
DDR?

Einige Kolleginnen fragten, ob wir von der DDR bezahlt würden. Sie fragten, ob wir das System der DDR für richtig halten.

Wie sieht es denn überhaupt aus in der DDR?

Die Fabriken gehören zwar nicht mehr den Kapitalisten wie in der Bundesrepublik. Nach dem Krieg wurden die Kapitalisten aus der DDR verjagt, in der Bundesrepublik haben sie sich jedoch wieder eingenistet. In der DDR hat zwar die Partei der Arbeiter die Macht übernommen, aber die Führungsclique dieser Partei vertritt längst nicht mehr die Interessen des arbeitenden Volkes.

In den ersten Jahren nach dem Krieg wurde der Sozialismus in der DDR wirklich aufgebaut. Die Fabrikbesitzer wurden enteignet, das Land der Großgrundbesitzer wurde an die Bauern verteilt. Alles, was das Volk erarbeitete, kam ihm selbst zugute. Zum ersten Mal war es allen Arbeiter- und Bauernkindern möglich, die Universitäten zu besuchen.

Jetzt allerdings kommen die Gewinne aus der Arbeit des Volkes nicht mehr dem Volk allein zugute. Die Ulbrichts und Stophs verschachern die Kollegen in der DDR ganz offen an die Kapitalisten. Das neueste Beispiel:

Brandt fuhr in die DDR (vgl. 19.3.1970, d.Vf.), um über 'menschliche Erleichterungen' zu verhandeln. Und was ist dabei herausgekommen? In Wirklichkeit wurde darüber verhandelt, daß die Salzgitter AG für 70 Millionen Mark in der DDR ein Stahlwerk aufbauen soll. Die 'menschlichen Erleichterungen' interessieren weder Stoph noch Brandt. Sie sind nur das Deckmäntelchen für das Profitinteresse der beiden Arbeiterverräter.

Die Fabriken gehören in der DDR zwar nicht mehr den Kapitalisten, und die Partei der Arbeiter hat auch die Macht. Nur haben die Arbeiter über die Führungsclique keine Kontrolle mehr, und diese Funktionärsclique nützt ihre Macht dazu aus, um den Kapitalisten wieder Tür und Tor zu öffnen. Und darüber kann uns auch das weit bessere Sozialsystem in der DDR nicht hinwegtäuschen.

Deshalb bekämpfen wir Kommunisten diese Clique. Deshalb bekämpfen wir alle Parteien, die die gleiche Politik machen wie die DDR. Deshalb bekämpfen wir die Deutsche 'Kommunistische' Partei (D'K'P (DKP, d.Vf.)).

Die D'K'P vertritt nicht unsere Interessen. Als zum Beispiel die Kollegen bei Widia Krupp (IGM-Bereich in Essen - vgl. 13.4.1970, d.Vf.) um 50 Pfg. Lohnerhöhung kämpften, unterstützte die D'K'P ihren Streik nicht. Sie rief die Kollegen nicht dazu auf, organisiert den Kampf gegen die Ausbeuter aufzunehmen, um die 50 Pfg. durchzusetzen und die Macht der Ausbeuter zu zerschlagen. Sie forderte stattdessen Salzstreuer auf jeden Tisch.

Wir Kommunisten setzen uns für alle Forderungen der Arbeiter ein. Wir sagen aber ganz klar, daß wir den Kapitalisten nur Teilerfolge abringen können. Unser Ziel, die von uns erarbeiteten Werte zu unserem eigenen Wohl einzusetzen, können wir erst dann erreichen, wenn wir die Macht der Kapitalisten gestürzt haben.

Um unser Ziel zu erreichen, müssen wir alle bekämpfen, die die Arbeiterklasse mit kurzfristigen Reförmchen ruhig halten wollen. An erster Stelle steht da die SPD. Die behauptet lügnerisch, daß sie unsere Interessen vertritt. Von 1968 auf 1969 hat sie unsere Steuern um 22% erhöht. Aber die Steuern der Unternehmer hat sie nur um 4% erhöht.

Dazu kamen noch wachsende Soziallasten, Verbrauchs- und Mehrwert-Steuern. So geht von unserem Lohn sofort ein volles Drittel ab.

Da ist es doch wirklich ein Hohn, zu behaupten, die SPD vertritt unsere Interessen! In Wirklichkeit ist sie der beste Handlanger der Kapitalisten.

Wir sind dabei, die KPD/ML aufzubauen, weil es bisher in Deutschland keine Partei gab, die wirklich für UNSERE Interessen kämpft.

Kolleginnen und Kollegen!
Deshalb müssen alle Arbeiter und unteren Angestellten eng zusammenalten und gegen die Ausbeutung kämpfen. Nur wenn wir gemeinsam für unsere Forderungen kämpfen, können wir sie durchsetzen.

DENN DIE CHEFS KÖNNEN HUNDERT VON UNS NICHT SO LEICHT FERTIGMACHEN WIE EINEN VON UNS!

Organisiert Euch in der Betriebsgruppe Reinshagen der KPD/ML und des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland (Rote Garde)"

Es folgt die Rubrik: "
LESERZUSCHRIFTEN

FRAUEN AUS DEM BETRIEB BERICHTEN

Liebes Rotes Kabel!

Im alten Werk waren die Lüftungsanlagen schon kaputt. Hat man davon was gesagt, so bekam man zur Antwort: 'Im Neubau wird es besser sein!' Was ist denn überhaupt besser geworden? Das Rote Kabel hat nämlich Recht. Es ist alles schlechter geworden. Und deshalb schreibe ich auch an euch.

Die Lüftungsanlagen sind vorhanden, aber sie funktionieren nicht. Die Luft ist dick im Werk! Löter, Spritzmaschinen und Zinntöpfe verpesten die Luft! Was wird dagegen unternommen? Gar nichts!! Da ist es kein Wunder, wenn an einem Tag in vier Stunden sechs Frauen aus den Latschen kippen und dem Kollaps nahe sind.

Hoffentlich ändert sich jetzt was durch die Zeitung!

Viele Grüße


An die Betriebsgruppe der KPD/ML und der Roten Garde!

Ich und die meisten anderen Frauen aus dem Betrieb fand eure Zeitung prima. Ihr habt gesagt, was alle denken. Ich glaube, nur die Chefs fanden sie nicht so gut…

Die Zinntöpfe bei uns sind verbraucht und alt. Aber sie werden äußerlich wieder aufgemöbelt, obwohl sie innerlich ziemlich mitgenommen sind. Warum werden keine neuen gekauft? Weil unser lieber, auf unser Wohl bedachter Arbeitgeber das von uns finanzierte Geld für andere Dinge braucht. Nämlich für die persönlichen Interessen eines Kapitalisten.

Die Luft ist zum Ersticken! Erst nach kurzer Zeit NACH der Erscheinung eurer Zeitung wurden endlich an mehreren Maschinen die wirklich notwendigen Abzüge angelegt!

Mir und meinen Kolleginnen scheint: eure Zeitung hatte wirklich Erfolg! Die höchsten Chefs von Reinshagen scheinen wirklich ein schlechtes Gewissen zu haben!

Einen schönen Gruß
……

AN DIE HAUSFRAUEN IM BETRIEB!

Viele von Euch sagen: 'Ich verdiene mein Geld und damit gut.' Aber ich meine, trotz aller Arbeit im Betrieb und der dazukommenden Hausarbeit solltet Ihr Euch doch ein bißchen Zeit nehmen.

Ein bißchen Zeit zum Nachdenken über die Arbeit. Denn Ihr macht Euch doch auf der Arbeit kaputt. Oder nicht? - Das wißt Ihr doch selbst!

Ihr arbeitet doch so hart, damit das Geld Eurer geliebten Familie zugute kommt. Für die lebt und arbeitet Ihr. Aber die Nerven, die Ihr auf der Arbeit zurücklaßt, fehlen Euch bei Eurer Familie.

Deshalb finde ich es gut, daß das Rote Kabel und die Betriebsgruppe sich dafür einsetzen, daß es auch Euch besser geht. Und deshalb müßt Ihr eigentlich alle dabei mitmachen.

Eine Kollegin aus dem Betrieb!"

Festgestellt wird: "
WER KRANK IST, WIRD GEKÜNDIGT

Vielen von uns ist bekannt, daß einer Kollegin, als sie noch krank im Bett lag, die Kündigung ins Haus kam. Die Bosse sagten einfach, sie hätte unentschuldigt gefehlt! Das war eine freche Lüge, die nur die Kündigung rechtfertigen sollte.

Wir können immer wieder feststellen:
WER KRANK IST, FLIEGT RAUS!

Deshalb werden auch so wenig Frauen krank, denn sie wissen: die Kapitalisten brauchen immer nur diejenigen von uns, deren Arbeitskraft am meisten hergibt. deshalb kaufen sie auf dem Arbeitsmarkt am liebsten die jungen und unverbrauchten Arbeitskräfte. Deshalb schmeißen sie auch die Kranken und Alten raus. Denn die Kranken produzieren ja nichts, und die Alten produzieren zu wenig. Und das bringt den Kapitalisten zu wenig Profit. Sie haben es schon immer verstanden, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen: die jungen gegen die alten, die kranken gegen die gesunden.

Den wahren Grund der Kündigung tarnen sie dann mit Worten wie: 'Weil Sie mehrmals unentschuldigt gefehlt haben…'

Schluß mit diesen Unverschämtheiten!

Bisher hat die Geschäftsleitung immer noch Erfolg mit ihren Tricks: Die Kolleginnen haben Angst vor der drohenden Kündigung und arbeiten so lange, bis sie umfallen. Neulich wieder sechs Frauen in vier Stunden.

Den Bossen ist das egal, das wissen wir. Deshalb liegt es an uns, uns dagegen zu wehren!

Wir werden nicht mehr arbeiten, bis wir umfallen!
Wir werden uns ins bett legen, wenn wir krank sind!
Wir werden uns nicht gefallen lassen, daß eine von uns gekündigt wird, weil sie krank ist!

Deshalb Kolleginnen und Kollegen:

Schreibt uns, wenn Euch mit fadenscheinigen gründen gekündigt wird."

Gefordert wird: "
SPITZEL RAUS!

Nach dem Lohnfortzahlungsgesetz bekommen wir, wenn wir krank sind, in den ersten sechs Wochen kein Krankengeld mehr, sondern unseren Arbeitslohn.

In dem Gesetz ist festgelegt, daß in diesen sechs Wochen die Krankenkasse keinerlei Befugnis hat, Beauftragte zu den kranken Arbeitern ins Haus zu schicken, die 'nach dem Rechten sehen sollen'.

Natürlich verschweigt Reinshagen uns diese Veränderung. Die Firma verteilte stattdessen eine völlig veraltete Krankenordnung aus dem Jahre 1952! Dort steht:

'Beratung und Überwachung der Kranken. - Zur Feststellung der besonderen Verhältnisse der kranken Mitglieder sind von der Kasse besonders beauftragte Personen bestellt, die die Kranken besuchen und ihr Wohl nach Möglichkeit zu fördern haben. Diesen Personen ist der Zutritt zu den Aufenthaltsräumen der Kranken jederzeit zu ermöglichen. Die Erkrankten sind verpflichtet, diesen Personen, die mit einem von der Kasse ausgefertigten Ausweis versehen sind, jede von der Kasse gewünschte Auskunft wahrheitsgemäß zu geben.'

Reinshagen versucht wirklich auf übelste Weise, uns unter Kontrolle zu halten! In den Strafbestimmungen drohen sie, daß wir bei Übertretung der Krankenordnung 'bis zum Dreifachen des täglichen Krankengeldes' Strafe zahlen müssen!

Nicht genug, daß die Bosse uns im Betrieb solange hetzen, bis wir umfallen! Wenn wir krank sind, schicken sie uns Schnüffler und Spitzel, die uns wieder zur Arbeit treiben! Stehen wir dann wieder halbkrank am Arbeitsplatz, geht die Hetze weiter!

Und der Betriebsrat? Er duldet schweigend diese Hetze und Schnüffeleien. Damit unterstützt er die Bosse und nicht uns! Er informiert uns noch nicht einmal über unser Recht!

Kolleginnen und Kollegen!
Nach dem Lohnfortzahlungsgesetz haben wir zumindestens in den ersten sechs Wochen das recht, den Spitzeln die Tür vor der Nase zuzuschlagen!

Wir fordern, daß das Spitzelwesen abgeschafft wird!
Wir fordern, daß sich die Gewerkschaft dafür einsetzt!"

In der Rubrik "Die Arbeiterklasse kämpft und wird siegen" wird berichtet aus Hamburg von der Hansa MF (IGM-Bereich - vgl. 1.5.1970) sowie aus NRW aus dem CPK-Bereich von Metzeler Dorsten (vgl. 18.4.1970) und aus dem IGM-Bereich von der Krupp-Gießerei Essen (vgl. 13.4.1970), von Gebrüder Claas Schloß Holte (vgl. Apr. 1970) sowie aus Wattenscheid (heute Bochum) von Krupp (vgl. 28.3.1970).

Auf der letzten Seite wird in großen Buchstaben aufgerufen: "
ORGANISIERT EUCH IN DER BETRIEBSGRUPPE REINSHAGEN".

Als Druckort wird der Verlag des KJVD angegeben.
Q: Rotes Kabel Nr. 2, Bochum Mai 1970

11.05.1970:
Die Nr. 3 des 'Roten Kabels' - Zeitung der Kabelwerke Reinshagen Bochum Betriebsgruppe der KPD/ML (bzw. KPD/ML-ZB) und des KJVD erscheint vermutlich in dieser Woche (vgl. 4.5.1970, 1.6.1970) als Sondernummer mit sechs Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Peter Weinfurth, Essen, mit folgendem Leitartikel: "
HITZEPAUSEN UND ERSCHWERNISZULAGE!

Kolleginnen und Kollegen!

Obermeit hat gesagt, wir sollen Verständnis und Schweiß dafür aufbringen, daß die Klimaanlage noch ein ganzes Jahr lang nicht funktionieren wird.

Schweiß müssen wir wohl oder übel aufbringen. Aber beim Verständnis hört es
auf!

Die Rote Betriebsgruppe der KPD/ML und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland fordert FÜR ALLE KOLLEGEN:
ZWEI ZUSÄTZLICHE BEZAHLTE HITZEPAUSEN VON ZEHN MINUTEN!

Wir müssen unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Daß wir in der Hitze unseren Akkord nicht schaffen, ist klar.

Sollen wir etwa wegen der Klimaanlage weniger Geld bekommen?

Überall in den Betrieben gibt es Erschwerniszulage pro Stunden, wenn die Kollegen unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen. Bei Graetz und Opel verdienen die Kolleginnen sowieso mehr als wir.

Wir schuften genauso viel. Auch wir haben ein Recht auf Erschwerniszulage!

ERSCHWERNISZULAGE VON 30 PFG. PRO STUNDE!"

Gefragt wird: "
WER IST DER FLEISSIGSTE MENSCH IN GANZ BOCHUM?

Obermeit meint: Kortebusch!

Das Rote Kabel aber hat diesen fleißigen Menschen einen Nichtstuer genannt.
Es hat geschrieben, daß Nichtstuer Kortebusch die Kolleginnen antreibt!

Obermeit meint aber, dieser arbeitsame Mensch soll für uns alle das Vorbild sein.

Was tut denn unser Vorbild den ganzen Tag?

Er steht vor unseren Arbeitsplätzen, 'rennt im Werk rum, schreckt Leute auf und treibt uns an', wie eine Kollegin sagte.

Unser großes Vorbild ist also die ganze Zeit sehr geschäftig. Doch was kommt bei seiner 'Arbeit' heraus? Produziert er Waren, schafft er durch seine 'Arbeit' Werte?

Nein, denn zwischen seiner 'Arbeit' und unserer Arbeit besteht ein himmelgroßer Unterschied!

WIR schaffen durch unsere Arbeit Werte. Jeden Tag können wir die Stückzahl angeben, die wir im Akkord geschafft haben. Wir produzieren die Waren, die die Reinshagen-Bosse mit hohem Gewinn auf dem Markt verkaufen. WIR arbeiten für den Profit der Bosse.

Je mehr wir arbeiten, desto mehr Profit für die Bosse. Deshalb brauchen sie Antreiber in jedem Betrieb, deshalb brauchen sie in jeder Abteilung eine rechte Hand - sprich Handlanger.

Und deshalb lobt Obermeit den Antreiber Kortebusch als den fleißigsten Menschen von Linden! Ja, sogar als den fleißigsten von ganz Bochum!

Von seinem Standpunkt aus, nämlich dem Profitstandpunkt der Kapitalisten, hat Obermeit ja völlig recht: Kortebusch verrichtet wahrhaft unermüdlich seine Handlangerdienste! Dafür bekommt er auch ein schönes Stück vom Profit ab, den die Bosse aus unserer Arbeit haben."

Im Zusammenhang mit diesem Artikel folgt ein Bild, auf dem eine Reihe schwitzender und arbeitender Frauen sowie ein Aufpasser zu sehen sind. Dazu gehört der Text: "
PREISAUSSCHREIBEN
?WER IST AUF DEM BILD DER FLEISSIGSTE?

Wer es rauskriegt, soll an das ROTE KABEL schreiben.
VIELE SCHÖNE PREISE WINKEN EUCH!

1. PREIS: Zweiwöchige Schiffsreise mit Kortebusch zu den Trauminseln im Karibischen Meer!
2. PREIS: Viertägige Rundfahrt mit Kortebusch im Herzen Frankreichs - Paris!
… (Rand nicht mitgedruckt, d.Vf.) PREIS: Erholungswochenende mit Kortebusch in den sauerländischen Bergen!
… (Ebd, d.Vf.) - 10. PREIS: Je eine viertelstündige Sonderpause mit Kaffee und Kuchen im Büro von Kortebusch."

Gefragt wird: "
WOHER KOMMEN DIE VIERZEHN MILLIONEN FÜR DAS NEUE WERK?

Das Rote Kabel hat gesagt: aus unserer Arbeit!
Obermeit meint jedoch: aus Berlin, Ronsdorf (heute Wuppertal, d.Vf.) und Neumarkt.

Wer von beiden lügt?

Woher kommt denn das Geld aus Berlin, Neumarkt und Ronsdorf? Haben es die Bosse auf der Straße gefunden oder ist es vom Himmel gefallen?

Oder kommt es daher, daß UNSERE Kolleginnen und Kollegen in den Reinshagen Werken jahrelang dafür geschuftet haben? Daß sie Kabel produziert haben, die die mit hohem Profit verkauft haben?

Alle Werte kommen nur daher, daß WIR, nämlich DIE ARBEITERKLASSE, produktiv arbeiten. Daß wir Waren produzieren, bei Reinshagen eben Kabel. Doch der Ertrag aus den Kabeln kommt nicht uns zugute. Uns bezahlen die Kapitalisten nur die Arbeitskraft, die sie von uns kaufen. Und sie stecken den größten Teil der von uns geschaffenen Werte in die eigene Tasche und geben sie nach ihren Interessen aus.

Ein paar Millionen der von unseren Kolleginnen geschaffenen Werte haben sie für das neue Werk ausgegeben. Sie haben es GERN ausgegeben, denn sie versprechen sich vom neuen Werk höhere Profite. Sie haben durch bessere Maschinen und höhere Antreiberei dafür gesorgt, daß sie unsere Arbeitskraft in Bochum noch besser ausbeuten können.

Dann können sie nämlich von den Profiten aus unserer Arbeit noch mehr neue Werke bauen und noch mehr Kollegen ausbeuten.

Davei ist es völlig egal, ob sie vier Millionen aus Bochum und sechs aus Berlin nehmen. Wichtig ist nur das:

- das Geld kommt nicht aus verschiedenen Städten, sondern aus der Arbeit unserer Kollegen in den verschiedenen Werken von Reinshagen!"

Berichtet wird von der Betriebsversammlung (BV - vgl. 5.5.1970) und abschließend festgestellt: "
MAN HAT ES GUT BEI REINSHAGEN!
…behauptet Obermeit! Und brüstet sich mit den angeblich so guten Sozialleistungen der Firma.

Wo sind die denn?

Was interessiert es uns heute, ob Reinshagen vor dem Krieg die Fünf-Tage-Woche eingeführt hat oder nicht?

Erstens hat Reinshagen dieses Zugeständnis nicht freiwillig gemacht, sondern die Arbeiterklasse hat es erkämpft. Denn kein Kapitalist schenkt uns freiwillig etwas.

Und zweitens versuchen die Kapitalisten mit allen Mitteln, diese Zugeständnisse zurückzunehmen. Deshalb haben auch alle Erfolge der Arbeiterklasse eine Kehrseite. Die Kapitalisten verstehen es immer wieder, unsere Erfolge mit Preissteigerungen, Mietwucher, Steuern usw. zunichte zu machen.

Sie brüsten sich mit der Fünf-Tage-Woche. Aber wie sieht es aus?

Fast jeden Samstag wird gearbeitet, denn mit dem Lohn von fünf Tagen kommen wir kaum aus.

Und daran ändert auch die 'echte Gewinnbeteiligung' nichts. Die ist längst in den meisten Betrieben üblich und soll uns nur Sand in die Augen streuen."

In einer Karikatur strahlt eine Arbeiterin, über der Zahl 4, 50 stehend, während zwei andere, mißmutige, über den Zahlen 5, 50 bzw. 6, 00 Stehende sagen, "Die hat's gut, die ist bei Reinshagen!!"

Im Text heißt es weiter: "
So gut haben wir es also!

Und wenn wir uns mal in anderen Betrieben umschauen, bekommen wir es noch besser:
bei Opel verdienen unsere Kolleginnen im Schnitt 6, 00 DM, bei Graetz 5, 50 DM. Und wir begnügen uns mit 4, 50 DM im Schnitt!"
Q: Rotes Kabel Nr. 3, Bochum Mai 1970; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 2, Bochum 18.5.1970, S. *

15.06.1970:
Bei den Kabelwerken Reinshagen in Bochum geben KPD/ML-ZB und KJVD vermutlich Mitte Juni ihr 'Rotes Kabel' Nr. 4 (vgl. 1.6.1970, Juli 1970) heraus, das uns leider noch nicht zugänglich war.
Q: Rotes Kabel Nr. 3 und 5, Bochum Mai 1970 bzw. Juli 1970

Juli 1970:
Bei den Kabelwerken Reinshagen in Bochum gibt die KPD/ML-ZB ihr 'Rotes Kabel' Nr. 5 (vgl. 15.6.1970, Aug. 1970) heraus mit dem Leitartikel "Frauenstreik im Kabelwerk" zum Streik bei Monette Marburg (IGM-Bereich - vgl. 1.7.1970).

Weitere Artikel sind:
- "Die SPD-Regierung bittet zur Kasse. Verschärfung der Lohnraubpolitik";
- "Kontrolle über die Lohnauszahlung";
- "Erfolgreiche Aktion der Verzinnerinnen";
- ein Leserbrief zu den ausländischen Frauen, der auch auf Griechisch, Italienisch und Spanisch erscheint;
- "Unverschämte Benachteiligung der ausländischen Kollegen!" zu dem Leserbrief, der auch auf Griechisch, Italienisch und Spanisch erscheint;
Q: Rotes Kabel Nr. 5 und 7, Bochum Juli 1970 bzw. Sept. 1970, S. 1ff bzw. S. 5; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 7, Bochum 18.6.1970, S. *

August 1970:
Bei den Kabelwerken Reinshagen in Bochum geben KPD/ML-ZB und KJVD vermutlich im August ihr 'Rotes Kabel' Nr. 6 (vgl. Juli 1970, 28.9.1970) heraus, das uns leider noch nicht zugänglich war.
Q: Rotes Kabel Nr. 7, Bochum Sept. 1970

28.09.1970:
Die Nr. 7 des 'Roten Kabels' (vgl. Aug. 1970) der KPD/ML-ZB und KJVD Betriebsgruppe Kabelwerke Reinshagen Bochum erscheint in dieser Woche datiert auf September mit acht Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Werner Fremd, Bochum, mit folgendem Leitartikel zur Metalltarifrunde (MTR): "
KAMPF FÜR DIE VOLLE DURCHSETZUNG DER FORDERUNGEN

Sage und schreibe 7% boten am vergangenen Montag (vgl. 21.9.1970, d.Vf.) die Kapitalisten als Lohnerhöhung für die Metallarbeiter in NRW wie auch in anderen Bezirken!

Diese Unverschämtheit wurde von den Kollegen richtig beantwortet: In zahlreichen Betrieben organisierten sie WARNSTREIKS, so bei HOAG, bei VW in Hannover, beim Schalker Verein (SV in Gelsenkirchen, d.Vf.), bei den Ford-Werken in Köln, in den Werken der Rheinstahl-Henschel AG in Kassel, in den Hüttenwerken Oberhausen (HOAG, d.Vf.), bei Opel Bochum, in Duisburg, Düsseldorf und in anderen Betrieben.

Die Gewerkschaftsvertreter nannten dieses Angebot eine Herausforderung und bleiben - noch - bei ihrer Forderung: 15%!

GEWERKSCHAFTSFÜHRUNG: KOMPROMISS ANSTATT KAMPF

In Wirklichkeit aber tut die IGM Führung schon die ersten Schritte, um von den 15% abzurücken. Bereits Anfang des Monats (vgl. 7.9.1970, d.Vf.) verkündete Willi Michels, der im IGM Vorstand ist und die Bezirksverhandlungen in NRW leitet, daß mindestens …12% ausgehandelt würden. Von vornherein streicht die IGM Führung einfach einen Teil der Forderungen der Kollegen weg! Und in der Stalindustrie (STR, d.Vf.) haben sie die Forderung in der Tat von 15 auf 11% in die Nähe des 9%igen Kapitalisten-Angebots gedrückt.

Auch wenn die IGM Führung bei den Verhandlungen noch auf 15% pocht, - sie ist jederzeit bereit, mit den Kapitalisten einen Kompromiß einzugehen. Aber auch dieses Mal muß wie bei den Septemberstreiks der IGM Führung das Verhandlungsergebnis nicht von den Kapitalisten, SONDERN VON DEN ARBEITERN diktiert werden!

Und vor der Annahme eines Ergebnisses muß
IN JEDEM BETRIEB DIE URABSTIMMUNG
durchgeführt werden!"

Der nächste Artikel lautet: "
REINSHAGEN - AM UNTERSTEN ENDE DER LOHNSKALA

Die Forderungen der IGM liegen auf dem Tisch:
1. 15% MEHR LOHN!

2. TARIFLICHE ABSICHERUNG DER EFFEKTIVLÖHNE!
Der Effektivlohn, den man tatsächlich in der Tüte hat, liegt überall höher als der Tariflohn, der einem zusteht. Die betrieblichen Zulagen können jederzeit gestrichen werden.

Damit überhaupt eine effektive Lohnerhöhung heauskommt, muß man von dem tatsächlich gezahlten Lohn ausgehen; deshalb fordert die IGM die Vorweg-Anhebung der Ecklöhne und die Erhöhung der tariflichen Leistungszulagen.

3. STREICHUNG DER UNTEREN LOHNGRUPPEN!
In den unteren Lohngruppen arbeiten vorwiegend Frauen für einen Lohn von 3, 35 DM gleich Lohngruppe 1 bis 3, 79 DM gleich Lohngruppe 4. Bei Reinshagen sind sogar fast alle in der ALLERUNTERSTEN Lohngruppe, die es gibt, nämlich 1, während bei Opel eine ungelernte Arbeiterin gleich in die 4.Gruppe kommt.

WEITERER ANGRIFF DER SPD-REGIERUNG

Kolleginnen, Kollegen, das wichtigste bei den Tarifverhandlungen ist, daß wir am Ende spürbar mehr Geld in der Tasche haben! Seit die SPD regiert, haben wir einen Angriff nach dem andern zu spüren gekriegt - immer mehr wird unser Lohn von den steigenden Preisen, Steuern, Mieten aufgefressen.

Das neueste: in einem Interview des Deutschen Fernsehen (vgl. 19.9.1970, d.Vf.) erklärte 'unser' Bundeskanzler Brandt unverblümt: DIE LÖHNE WERDEN BALD LANGSAMER STEIGEN.

…Und im Herbst kommt die nächste Preiswelle. Das Finanzministerium arbeitet an den Plänen zur Steuererhöhung.

DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER ZU KAMPFORGANISATIONEN MACHEN

Die Tarifverhandlungen sind die Gelegenheit, den Kapitalisten und der SPD Regierung den Kampf anzusagen. Kampf gegen die Preis- und Miet- und Steuer-Erhöhungen, Kampf für die Erhaltung unseres Lebensstandards.

KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN VON REINSHAGEN:

DER KAMPF IN DEN BETRIEBEN HAT BEGONNEN! ER WIRD ERFOLGREICH SEIN, WENN ER VON ALLEN ARBEITERINNEN UND ARBEITERN WEITERGEFÜHRT WIRD!

LEGT NICHT DIE HÄNDE IN DEN SCHOSS, WENN DIE ARBEITER IN ANDEREN BETRIEBEN FÜR DIE VOLLE DURCHSETZUNG DER 15% UND DER ANDEREN FORDERUNGEN STREIKEN! IHRE FORDERUNGEN SIND DOCH AUCH EURE FORDERUNGEN! IHR KAMPF IST AUCH EUER KAMPF!

Die Gewerkschaftsführung wird nicht von selbst für die Durchsetzung der Forderungen kämpfen. Nur unter dem Druck aus allen Betrieben können die 15% und die anderen Forderungen durchkommen.

BESPRECHT UNTEREINANDER UND MIT EUREN V-LEUTEN, WIE IHR DIESEN DRUCK VERSTÄRKEN KÖNNT!

Laßt Euch vom Betriebsrat und den V-Leuten täglich über den Kampf der Kollegen in den anderen Betrieben und den Stand der Verhandlungen informieren! Am Schwarzen Brett ist Platz für solche Nachrichten!

KAMPF UND SOLIDARITÄT ALLER METALLARBEITER UND ARBEITERINNEN KÖNNEN DIE TARIFVERHANDLUNGEN ZU EINEM ERFOLG GEGEN DIE KAPITALISTEN WERDEN LASSEN!"

Es folgt eine Rubrik, "Der Kampf in den Betrieben", deren Meldungen z.T. dem 'KND' Nr. 36 vom 25.9.1970 entnommen sind, aber auch aus Bochum von Krupp BV (vgl. 17.9.1970, 18.9.1970) und Opel (vgl. 24.9.1970) stammen.

In einem Leserbrief heißt es zur Nr. 5 (vgl. Juli 1970) bzw. dem Streik bei Monette Marburg (IGM-Bereich - vgl. 1.7.1970): "
LIEBES ROTES KABEL!

In der Nummer 5 stand zwar etwas über einen Streik von Frauen in einem Kabelwerk in Marburg, aber daß hier bei uns auch gestreikt wurde, hast du nicht gebracht.

Ich finde, so etwas müßte im Roten Kabel stehen, damit die anderen, die gar nichts mitgekriegt haben von dem Streik, auch wissen, daß sich hier nicht alle alles gefallen lassen. Man ist lange geduldig und wendet sich höflich an die zuständigen Leute, aber wenn man immer nur vertröstet wird, dann platzt auch dem Geduldigsten mal der Kragen. Wochenlang, ja noch länger, mußten wir die stinkigen Dämpfe vom Löten und Verzinnen einatmen, weil die Abzüge einfach nicht richtig absaugen, und man hat dauernd irgendwelche Beschwerden, entweder an den Bronchien, in der Nase oder im Magen. Manche mußten sogar zum Arzt deswegen. Jedenfalls haben einige Kolleginnen dann für 3/4 Stunde die Arbeit niedergelegt, andere, die nicht direkt über den Lötern und Zinntöpfen sitzen, haben sich angeschlossen, weil sie auch unter der verpesteten Luft leiden. Wenn noch mehr Kolleginnen mitgemacht hätten oder wenn aus den anderen Abteilungen die davon gewußt hätten und sich angeschlossen hätten, wenn wir alle zusammen 'Schluß' gesagt hätten, dann wäre sicher noch mehr erreicht worden. Immerhin sind Absauger angebracht worden, wo es noch keine gab, und einige sind ausgebessert worden. Aber das ist jetzt immer noch nichts hundertprozentiges.

Letzten Endes leiden wir doch alle unter der schlechten Luft und dafür müßten doch alle zusammenhalten, das ist meine Meinung!"

Auf eineinhalb Seiten wendet sich das 'Rote Kabel' auf Türkisch, Italienisch und Spanisch bezüglich der MTR "an die ausländischen Kolleginnen!".

In der zweiseitigen Jugendspalte fordert der KJVD: "
METALLTARIFRUNDE NICHT OHNE DIE ARBEITERJUGEND

Wenn die Arbeiter bei den Tarifverhandlungen die 15%ige Lohnerhöhung erkämpfen, dann werden auch die Löhne der Jungarbeiter und Jungarbeiterinnen um 15% mitangehoben. Für die Lehrlinge, die davon ja nicht betroffen sind, fordert die Gewerkschaft in NRW 'angemessene' Erhöhung der Lehrlingsvergütung.

Die Gewerkschaft stellt KEINE EXTRA JUGENDFORDERUNGEN!

Das heißt, sie findet es richtig, daß Jugendliche weniger Geld bekommen, wenn sie die gleiche Arbeit wie Erwachsene machen.

Während in Nordwürttemberg-Baden (NB/NW, d.Vf.) die Jugendabzüge schon abgeschafft sind, seiht das in NRW so aus:

Wenn für eine Arbeit eine bestimmt Lohngruppe gezahlt wird, dann wird Jugendlichen ein Teil vom Lohn dafür einfach abgezogen, und zwar -40% für 15, -40% für 16, -30% für 17, -20% für 18, -10% für 19, -5% für 20 Jahre.

Wenn Jugendliche in NRW Akkord-Arbeit machen, so gibt es keinen Altersabschlag.

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Der Kommunistische Jugendverband lehnt alle Altersabstufungen entschieden ab!

Im Kapitalismus verkaufen wir für Geld unsere Arbeitskraft an die Kapitalisten und sie ziehen aus unserer Arbeit ihren Profit. Gleiche Arbeit bringt ihnen gleich hohen Profit, egal, ob der, der sie macht, 40 oder 14 Jahre alt ist. Deshalb muß für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden.

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

WEG MIT DEN ALTERSABSCHLÄGEN UND ALTERSKLASSEN!

Bei den Lehrlingen ist das auch so: sie arbeiten einen Großteil ihrer Lehrzeit in der Produktion, machen die Arbeit eines angelernten oder Fach-Arbeiters. Deshalb:

FÜR LEHRLINGE IN DER PRODUTKION DEN VOLLEN FACHARBEITERLOHN!

Für die Zeit, wo sie ausschließlich ausgebildet werden, sollten die Lehrlinge einen Teil ihres späteren Facharbeiterlohns bekommen, und zwar für alle Lehrjahre gleich - denn warum soll der im 1.Lehrjahr für sein Lernen weniger bekommen, als der aus dem 3.?

FÜR LEHRLINGE IN DER AUSBILDUNG 60% DES SPÄTEREN FACHARBEITERLOHNS!

AUCH DIE ARBEITERJUGEND WIRD SICH IHRE FORDERUNGEN ERKÄMPFEN MÜSSEN!

Den Jugendlichen, die in einem Lehrverhältnis stehen, wird das einzige Kampfmittel - der Streik - sogar noch verboten bei Androhung der Kündigung des Lehrvertrags.

Sie fordern deshalb:
STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE!

Doch sie wissen, daß sie ihre Forderungen nur durch ihren

ZUSAMMENHALT MIT DEN ÄLTEREN KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN

durchsetzen können: das haben die Lehrlinge vom BV gezeigt.

DIE ARBEITERJUGEND IST EIN TEIL DER ARBEITERKLASSE!

Auch die Jugendlichen werden von den Angriffen der SPD betroffen. Die niedrigen Jugendlöhne sind geradezu ein Hohn, wenn man die steigenden Preise betrachtet. Gerade die Jugend ist für die Kapitalisten ein besonders billiges Arbeitsheer; und ob einer ausgebildet wird oder nicht, entscheidet nicht der einzelne, sondern der Bedarf der Kapitalisten: nach dem Krupp-Stufenplan können nur 30% aller Jugendlichen, die eine Lehre beginnen, voller Facharbeiter werden. Die anderen bleiben angelernte Hilfskräfte - das bedeutet wenig Lohn. Die SPD Regierung findet diese Verplanung vorbildlich und will den". Hier bricht der Text ein wenig unvermittelt ab.

Berichtet wird vom Lehrlingsstreik bei Krupp Bochumer Verein (BV - vgl. 18.9.1970) und in einem Kasten heißt es: "
Jugendliche von Reinshagen!

Bei den Tarifverhandlungen geht es auch um die Verbesserung der Lage der Arbeiterjugend!

Besprecht mit euren V-Leuten mögliche Kampfmaßnahmen.

Laßt euch über die Kämpfe der Kollegen informieren!"
Q: Rotes Kabel Nr. 7, Bochum Sept. 1970

Letzte Änderung: 04.11.2019