Rotes Kabel - Zeitung der KWR-Betriebsgruppe der KPD/ML und des KJVD, Jg. 1, Nr. 7, Sept. 1970

28.09.1970:
Die Nr. 7 des 'Roten Kabels' (vgl. Aug. 1970) der KPD/ML-ZB und KJVD Betriebsgruppe Kabelwerke Reinshagen Bochum erscheint in dieser Woche datiert auf September mit acht Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Werner Fremd, Bochum, mit folgendem Leitartikel zur Metalltarifrunde (MTR): "
KAMPF FÜR DIE VOLLE DURCHSETZUNG DER FORDERUNGEN

Sage und schreibe 7% boten am vergangenen Montag (vgl. 21.9.1970, d.Vf.) die Kapitalisten als Lohnerhöhung für die Metallarbeiter in NRW wie auch in anderen Bezirken!

Diese Unverschämtheit wurde von den Kollegen richtig beantwortet: In zahlreichen Betrieben organisierten sie WARNSTREIKS, so bei HOAG, bei VW in Hannover, beim Schalker Verein (SV in Gelsenkirchen, d.Vf.), bei den Ford-Werken in Köln, in den Werken der Rheinstahl-Henschel AG in Kassel, in den Hüttenwerken Oberhausen (HOAG, d.Vf.), bei Opel Bochum, in Duisburg, Düsseldorf und in anderen Betrieben.

Die Gewerkschaftsvertreter nannten dieses Angebot eine Herausforderung und bleiben - noch - bei ihrer Forderung: 15%!

GEWERKSCHAFTSFÜHRUNG: KOMPROMISS ANSTATT KAMPF

In Wirklichkeit aber tut die IGM Führung schon die ersten Schritte, um von den 15% abzurücken. Bereits Anfang des Monats (vgl. 7.9.1970, d.Vf.) verkündete Willi Michels, der im IGM Vorstand ist und die Bezirksverhandlungen in NRW leitet, daß mindestens …12% ausgehandelt würden. Von vornherein streicht die IGM Führung einfach einen Teil der Forderungen der Kollegen weg! Und in der Stalindustrie (STR, d.Vf.) haben sie die Forderung in der Tat von 15 auf 11% in die Nähe des 9%igen Kapitalisten-Angebots gedrückt.

Auch wenn die IGM Führung bei den Verhandlungen noch auf 15% pocht, - sie ist jederzeit bereit, mit den Kapitalisten einen Kompromiß einzugehen. Aber auch dieses Mal muß wie bei den Septemberstreiks der IGM Führung das Verhandlungsergebnis nicht von den Kapitalisten, SONDERN VON DEN ARBEITERN diktiert werden!

Und vor der Annahme eines Ergebnisses muß
IN JEDEM BETRIEB DIE URABSTIMMUNG
durchgeführt werden!"

Der nächste Artikel lautet: "
REINSHAGEN - AM UNTERSTEN ENDE DER LOHNSKALA

Die Forderungen der IGM liegen auf dem Tisch:
1. 15% MEHR LOHN!

2. TARIFLICHE ABSICHERUNG DER EFFEKTIVLÖHNE!
Der Effektivlohn, den man tatsächlich in der Tüte hat, liegt überall höher als der Tariflohn, der einem zusteht. Die betrieblichen Zulagen können jederzeit gestrichen werden.

Damit überhaupt eine effektive Lohnerhöhung heauskommt, muß man von dem tatsächlich gezahlten Lohn ausgehen; deshalb fordert die IGM die Vorweg-Anhebung der Ecklöhne und die Erhöhung der tariflichen Leistungszulagen.

3. STREICHUNG DER UNTEREN LOHNGRUPPEN!
In den unteren Lohngruppen arbeiten vorwiegend Frauen für einen Lohn von 3, 35 DM gleich Lohngruppe 1 bis 3, 79 DM gleich Lohngruppe 4. Bei Reinshagen sind sogar fast alle in der ALLERUNTERSTEN Lohngruppe, die es gibt, nämlich 1, während bei Opel eine ungelernte Arbeiterin gleich in die 4.Gruppe kommt.

WEITERER ANGRIFF DER SPD-REGIERUNG

Kolleginnen, Kollegen, das wichtigste bei den Tarifverhandlungen ist, daß wir am Ende spürbar mehr Geld in der Tasche haben! Seit die SPD regiert, haben wir einen Angriff nach dem andern zu spüren gekriegt - immer mehr wird unser Lohn von den steigenden Preisen, Steuern, Mieten aufgefressen.

Das neueste: in einem Interview des Deutschen Fernsehen (vgl. 19.9.1970, d.Vf.) erklärte 'unser' Bundeskanzler Brandt unverblümt: DIE LÖHNE WERDEN BALD LANGSAMER STEIGEN.

…Und im Herbst kommt die nächste Preiswelle. Das Finanzministerium arbeitet an den Plänen zur Steuererhöhung.

DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER ZU KAMPFORGANISATIONEN MACHEN

Die Tarifverhandlungen sind die Gelegenheit, den Kapitalisten und der SPD Regierung den Kampf anzusagen. Kampf gegen die Preis- und Miet- und Steuer-Erhöhungen, Kampf für die Erhaltung unseres Lebensstandards.

KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN VON REINSHAGEN:

DER KAMPF IN DEN BETRIEBEN HAT BEGONNEN! ER WIRD ERFOLGREICH SEIN, WENN ER VON ALLEN ARBEITERINNEN UND ARBEITERN WEITERGEFÜHRT WIRD!

LEGT NICHT DIE HÄNDE IN DEN SCHOSS, WENN DIE ARBEITER IN ANDEREN BETRIEBEN FÜR DIE VOLLE DURCHSETZUNG DER 15% UND DER ANDEREN FORDERUNGEN STREIKEN! IHRE FORDERUNGEN SIND DOCH AUCH EURE FORDERUNGEN! IHR KAMPF IST AUCH EUER KAMPF!

Die Gewerkschaftsführung wird nicht von selbst für die Durchsetzung der Forderungen kämpfen. Nur unter dem Druck aus allen Betrieben können die 15% und die anderen Forderungen durchkommen.

BESPRECHT UNTEREINANDER UND MIT EUREN V-LEUTEN, WIE IHR DIESEN DRUCK VERSTÄRKEN KÖNNT!

Laßt Euch vom Betriebsrat und den V-Leuten täglich über den Kampf der Kollegen in den anderen Betrieben und den Stand der Verhandlungen informieren! Am Schwarzen Brett ist Platz für solche Nachrichten!

KAMPF UND SOLIDARITÄT ALLER METALLARBEITER UND ARBEITERINNEN KÖNNEN DIE TARIFVERHANDLUNGEN ZU EINEM ERFOLG GEGEN DIE KAPITALISTEN WERDEN LASSEN!"

Es folgt eine Rubrik, "Der Kampf in den Betrieben", deren Meldungen z.T. dem 'KND' Nr. 36 vom 25.9.1970 entnommen sind, aber auch aus Bochum von Krupp BV (vgl. 17.9.1970, 18.9.1970) und Opel (vgl. 24.9.1970) stammen.

In einem Leserbrief heißt es zur Nr. 5 (vgl. Juli 1970) bzw. dem Streik bei Monette Marburg (IGM-Bereich - vgl. 1.7.1970): "
LIEBES ROTES KABEL!

In der Nummer 5 stand zwar etwas über einen Streik von Frauen in einem Kabelwerk in Marburg, aber daß hier bei uns auch gestreikt wurde, hast du nicht gebracht.

Ich finde, so etwas müßte im Roten Kabel stehen, damit die anderen, die gar nichts mitgekriegt haben von dem Streik, auch wissen, daß sich hier nicht alle alles gefallen lassen. Man ist lange geduldig und wendet sich höflich an die zuständigen Leute, aber wenn man immer nur vertröstet wird, dann platzt auch dem Geduldigsten mal der Kragen. Wochenlang, ja noch länger, mußten wir die stinkigen Dämpfe vom Löten und Verzinnen einatmen, weil die Abzüge einfach nicht richtig absaugen, und man hat dauernd irgendwelche Beschwerden, entweder an den Bronchien, in der Nase oder im Magen. Manche mußten sogar zum Arzt deswegen. Jedenfalls haben einige Kolleginnen dann für 3/4 Stunde die Arbeit niedergelegt, andere, die nicht direkt über den Lötern und Zinntöpfen sitzen, haben sich angeschlossen, weil sie auch unter der verpesteten Luft leiden. Wenn noch mehr Kolleginnen mitgemacht hätten oder wenn aus den anderen Abteilungen die davon gewußt hätten und sich angeschlossen hätten, wenn wir alle zusammen 'Schluß' gesagt hätten, dann wäre sicher noch mehr erreicht worden. Immerhin sind Absauger angebracht worden, wo es noch keine gab, und einige sind ausgebessert worden. Aber das ist jetzt immer noch nichts hundertprozentiges.

Letzten Endes leiden wir doch alle unter der schlechten Luft und dafür müßten doch alle zusammenhalten, das ist meine Meinung!"

Auf eineinhalb Seiten wendet sich das 'Rote Kabel' auf Türkisch, Italienisch und Spanisch bezüglich der MTR "an die ausländischen Kolleginnen!".

In der zweiseitigen Jugendspalte fordert der KJVD: "
METALLTARIFRUNDE NICHT OHNE DIE ARBEITERJUGEND

Wenn die Arbeiter bei den Tarifverhandlungen die 15%ige Lohnerhöhung erkämpfen, dann werden auch die Löhne der Jungarbeiter und Jungarbeiterinnen um 15% mitangehoben. Für die Lehrlinge, die davon ja nicht betroffen sind, fordert die Gewerkschaft in NRW 'angemessene' Erhöhung der Lehrlingsvergütung.

Die Gewerkschaft stellt KEINE EXTRA JUGENDFORDERUNGEN!

Das heißt, sie findet es richtig, daß Jugendliche weniger Geld bekommen, wenn sie die gleiche Arbeit wie Erwachsene machen.

Während in Nordwürttemberg-Baden (NB/NW, d.Vf.) die Jugendabzüge schon abgeschafft sind, seiht das in NRW so aus:

Wenn für eine Arbeit eine bestimmt Lohngruppe gezahlt wird, dann wird Jugendlichen ein Teil vom Lohn dafür einfach abgezogen, und zwar -40% für 15, -40% für 16, -30% für 17, -20% für 18, -10% für 19, -5% für 20 Jahre.

Wenn Jugendliche in NRW Akkord-Arbeit machen, so gibt es keinen Altersabschlag.

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Der Kommunistische Jugendverband lehnt alle Altersabstufungen entschieden ab!

Im Kapitalismus verkaufen wir für Geld unsere Arbeitskraft an die Kapitalisten und sie ziehen aus unserer Arbeit ihren Profit. Gleiche Arbeit bringt ihnen gleich hohen Profit, egal, ob der, der sie macht, 40 oder 14 Jahre alt ist. Deshalb muß für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden.

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

WEG MIT DEN ALTERSABSCHLÄGEN UND ALTERSKLASSEN!

Bei den Lehrlingen ist das auch so: sie arbeiten einen Großteil ihrer Lehrzeit in der Produktion, machen die Arbeit eines angelernten oder Fach-Arbeiters. Deshalb:

FÜR LEHRLINGE IN DER PRODUTKION DEN VOLLEN FACHARBEITERLOHN!

Für die Zeit, wo sie ausschließlich ausgebildet werden, sollten die Lehrlinge einen Teil ihres späteren Facharbeiterlohns bekommen, und zwar für alle Lehrjahre gleich - denn warum soll der im 1.Lehrjahr für sein Lernen weniger bekommen, als der aus dem 3.?

FÜR LEHRLINGE IN DER AUSBILDUNG 60% DES SPÄTEREN FACHARBEITERLOHNS!

AUCH DIE ARBEITERJUGEND WIRD SICH IHRE FORDERUNGEN ERKÄMPFEN MÜSSEN!

Den Jugendlichen, die in einem Lehrverhältnis stehen, wird das einzige Kampfmittel - der Streik - sogar noch verboten bei Androhung der Kündigung des Lehrvertrags.

Sie fordern deshalb:
STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE!

Doch sie wissen, daß sie ihre Forderungen nur durch ihren

ZUSAMMENHALT MIT DEN ÄLTEREN KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN

durchsetzen können: das haben die Lehrlinge vom BV gezeigt.

DIE ARBEITERJUGEND IST EIN TEIL DER ARBEITERKLASSE!

Auch die Jugendlichen werden von den Angriffen der SPD betroffen. Die niedrigen Jugendlöhne sind geradezu ein Hohn, wenn man die steigenden Preise betrachtet. Gerade die Jugend ist für die Kapitalisten ein besonders billiges Arbeitsheer; und ob einer ausgebildet wird oder nicht, entscheidet nicht der einzelne, sondern der Bedarf der Kapitalisten: nach dem Krupp-Stufenplan können nur 30% aller Jugendlichen, die eine Lehre beginnen, voller Facharbeiter werden. Die anderen bleiben angelernte Hilfskräfte - das bedeutet wenig Lohn. Die SPD Regierung findet diese Verplanung vorbildlich und will den". Hier bricht der Text ein wenig unvermittelt ab.

Berichtet wird vom Lehrlingsstreik bei Krupp Bochumer Verein (BV - vgl. 18.9.1970) und in einem Kasten heißt es: "
Jugendliche von Reinshagen!

Bei den Tarifverhandlungen geht es auch um die Verbesserung der Lage der Arbeiterjugend!

Besprecht mit euren V-Leuten mögliche Kampfmaßnahmen.

Laßt euch über die Kämpfe der Kollegen informieren!"
Q: Rotes Kabel Nr. 7, Bochum Sept. 1970

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