Rotes Kabel - Zeitung der KWR-Betriebsgruppe der KPD/ML und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland, Jg. 1, Nr. 3, Mai 1970

11.05.1970:
Die Nr. 3 des 'Roten Kabels' - Zeitung der Kabelwerke Reinshagen Bochum Betriebsgruppe der KPD/ML (bzw. KPD/ML-ZB) und des KJVD erscheint vermutlich in dieser Woche (vgl. 4.5.1970, 1.6.1970) als Sondernummer mit sechs Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Peter Weinfurth, Essen, mit folgendem Leitartikel: "
HITZEPAUSEN UND ERSCHWERNISZULAGE!

Kolleginnen und Kollegen!

Obermeit hat gesagt, wir sollen Verständnis und Schweiß dafür aufbringen, daß die Klimaanlage noch ein ganzes Jahr lang nicht funktionieren wird.

Schweiß müssen wir wohl oder übel aufbringen. Aber beim Verständnis hört es
auf!

Die Rote Betriebsgruppe der KPD/ML und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland fordert FÜR ALLE KOLLEGEN:
ZWEI ZUSÄTZLICHE BEZAHLTE HITZEPAUSEN VON ZEHN MINUTEN!

Wir müssen unter erschwerten Bedingungen arbeiten. Daß wir in der Hitze unseren Akkord nicht schaffen, ist klar.

Sollen wir etwa wegen der Klimaanlage weniger Geld bekommen?

Überall in den Betrieben gibt es Erschwerniszulage pro Stunden, wenn die Kollegen unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen. Bei Graetz und Opel verdienen die Kolleginnen sowieso mehr als wir.

Wir schuften genauso viel. Auch wir haben ein Recht auf Erschwerniszulage!

ERSCHWERNISZULAGE VON 30 PFG. PRO STUNDE!"

Gefragt wird: "
WER IST DER FLEISSIGSTE MENSCH IN GANZ BOCHUM?

Obermeit meint: Kortebusch!

Das Rote Kabel aber hat diesen fleißigen Menschen einen Nichtstuer genannt.
Es hat geschrieben, daß Nichtstuer Kortebusch die Kolleginnen antreibt!

Obermeit meint aber, dieser arbeitsame Mensch soll für uns alle das Vorbild sein.

Was tut denn unser Vorbild den ganzen Tag?

Er steht vor unseren Arbeitsplätzen, 'rennt im Werk rum, schreckt Leute auf und treibt uns an', wie eine Kollegin sagte.

Unser großes Vorbild ist also die ganze Zeit sehr geschäftig. Doch was kommt bei seiner 'Arbeit' heraus? Produziert er Waren, schafft er durch seine 'Arbeit' Werte?

Nein, denn zwischen seiner 'Arbeit' und unserer Arbeit besteht ein himmelgroßer Unterschied!

WIR schaffen durch unsere Arbeit Werte. Jeden Tag können wir die Stückzahl angeben, die wir im Akkord geschafft haben. Wir produzieren die Waren, die die Reinshagen-Bosse mit hohem Gewinn auf dem Markt verkaufen. WIR arbeiten für den Profit der Bosse.

Je mehr wir arbeiten, desto mehr Profit für die Bosse. Deshalb brauchen sie Antreiber in jedem Betrieb, deshalb brauchen sie in jeder Abteilung eine rechte Hand - sprich Handlanger.

Und deshalb lobt Obermeit den Antreiber Kortebusch als den fleißigsten Menschen von Linden! Ja, sogar als den fleißigsten von ganz Bochum!

Von seinem Standpunkt aus, nämlich dem Profitstandpunkt der Kapitalisten, hat Obermeit ja völlig recht: Kortebusch verrichtet wahrhaft unermüdlich seine Handlangerdienste! Dafür bekommt er auch ein schönes Stück vom Profit ab, den die Bosse aus unserer Arbeit haben."

Im Zusammenhang mit diesem Artikel folgt ein Bild, auf dem eine Reihe schwitzender und arbeitender Frauen sowie ein Aufpasser zu sehen sind. Dazu gehört der Text: "
PREISAUSSCHREIBEN
?WER IST AUF DEM BILD DER FLEISSIGSTE?

Wer es rauskriegt, soll an das ROTE KABEL schreiben.
VIELE SCHÖNE PREISE WINKEN EUCH!

1. PREIS: Zweiwöchige Schiffsreise mit Kortebusch zu den Trauminseln im Karibischen Meer!
2. PREIS: Viertägige Rundfahrt mit Kortebusch im Herzen Frankreichs - Paris!
… (Rand nicht mitgedruckt, d.Vf.) PREIS: Erholungswochenende mit Kortebusch in den sauerländischen Bergen!
… (Ebd, d.Vf.) - 10. PREIS: Je eine viertelstündige Sonderpause mit Kaffee und Kuchen im Büro von Kortebusch."

Gefragt wird: "
WOHER KOMMEN DIE VIERZEHN MILLIONEN FÜR DAS NEUE WERK?

Das Rote Kabel hat gesagt: aus unserer Arbeit!
Obermeit meint jedoch: aus Berlin, Ronsdorf (heute Wuppertal, d.Vf.) und Neumarkt.

Wer von beiden lügt?

Woher kommt denn das Geld aus Berlin, Neumarkt und Ronsdorf? Haben es die Bosse auf der Straße gefunden oder ist es vom Himmel gefallen?

Oder kommt es daher, daß UNSERE Kolleginnen und Kollegen in den Reinshagen Werken jahrelang dafür geschuftet haben? Daß sie Kabel produziert haben, die die mit hohem Profit verkauft haben?

Alle Werte kommen nur daher, daß WIR, nämlich DIE ARBEITERKLASSE, produktiv arbeiten. Daß wir Waren produzieren, bei Reinshagen eben Kabel. Doch der Ertrag aus den Kabeln kommt nicht uns zugute. Uns bezahlen die Kapitalisten nur die Arbeitskraft, die sie von uns kaufen. Und sie stecken den größten Teil der von uns geschaffenen Werte in die eigene Tasche und geben sie nach ihren Interessen aus.

Ein paar Millionen der von unseren Kolleginnen geschaffenen Werte haben sie für das neue Werk ausgegeben. Sie haben es GERN ausgegeben, denn sie versprechen sich vom neuen Werk höhere Profite. Sie haben durch bessere Maschinen und höhere Antreiberei dafür gesorgt, daß sie unsere Arbeitskraft in Bochum noch besser ausbeuten können.

Dann können sie nämlich von den Profiten aus unserer Arbeit noch mehr neue Werke bauen und noch mehr Kollegen ausbeuten.

Dabei ist es völlig egal, ob sie vier Millionen aus Bochum und sechs aus Berlin nehmen. Wichtig ist nur das:

- das Geld kommt nicht aus verschiedenen Städten, sondern aus der Arbeit unserer Kollegen in den verschiedenen Werken von Reinshagen!"

Berichtet wird von der Betriebsversammlung (BV - vgl. 5.5.1970) und abschließend festgestellt: "
MAN HAT ES GUT BEI REINSHAGEN!
…behauptet Obermeit! Und brüstet sich mit den angeblich so guten Sozialleistungen der Firma.

Wo sind die denn?

Was interessiert es uns heute, ob Reinshagen vor dem Krieg die Fünf-Tage-Woche eingeführt hat oder nicht?

Erstens hat Reinshagen dieses Zugeständnis nicht freiwillig gemacht, sondern die Arbeiterklasse hat es erkämpft. Denn kein Kapitalist schenkt uns freiwillig etwas.

Und zweitens versuchen die Kapitalisten mit allen Mitteln, diese Zugeständnisse zurückzunehmen. Deshalb haben auch alle Erfolge der Arbeiterklasse eine Kehrseite. Die Kapitalisten verstehen es immer wieder, unsere Erfolge mit Preissteigerungen, Mietwucher, Steuern usw. zunichte zu machen.

Sie brüsten sich mit der Fünf-Tage-Woche. Aber wie sieht es aus?

Fast jeden Samstag wird gearbeitet, denn mit dem Lohn von fünf Tagen kommen wir kaum aus.

Und daran ändert auch die 'echte Gewinnbeteiligung' nichts. Die ist längst in den meisten Betrieben üblich und soll uns nur Sand in die Augen streuen."

In einer Karikatur strahlt eine Arbeiterin, über der Zahl 4, 50 stehend, während zwei andere, mißmutige, über den Zahlen 5, 50 bzw. 6, 00 Stehende sagen, "Die hat's gut, die ist bei Reinshagen!!"

Im Text heißt es weiter: "
So gut haben wir es also!

Und wenn wir uns mal in anderen Betrieben umschauen, bekommen wir es noch besser:
bei Opel verdienen unsere Kolleginnen im Schnitt 6, 00 DM, bei Graetz 5, 50 DM. Und wir begnügen uns mit 4, 50 DM im Schnitt!"
Q: Rotes Kabel Nr. 3, Bochum Mai 1970; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 2, Bochum 18.5.1970, S. *

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