Roter Lautsprecher - Siemens-Betriebszeitung der KPD/Marxisten-Leninisten, Jg. 1, Nr. 2, März 1972

13.03.1972:
Bei Siemens Berlin gibt die KPD/ML-ZK vermutlich heute ihren 'Roten Lautsprecher' Nr. 2 (vgl. 21.2.1972, 27.3.1972) mit 11 Seiten DIN A 4 und Ezra Gerhard als Verantwortlichen heraus.
Eingegangen wird auf die Betriebsratswahlen (BRW) und die Betriebsversammlung (BV) im Hausgerätewerk (vgl. 6.3.1972).
Ein Leserbrief berichtet aus dem Dynamowerk, ein weiterer aus IG Metall (IGM) Spandau (vgl. 2.3.1972).
Aus den Gartenfelder Siemenswerken wird über zwei Entlassungen wegen einer Unterschriftensammlung berichtet sowie von der letzten Versammlung der Einheitsfront (vgl. 10.3.1972). Aufgerufen wird zu deren nächster Sitzung (vgl. 16.3.1972):"
Der ROTE LAUTSPRECHER veröffentlicht hier den von ihm verbesserten Vorschlag zum Kampfprogramm.
Auf der nächsten Versammlung am Donnerstag, den 16.3., wird dann das endgültige Kampfprogramm beschlossen und auf dieser Grundlage das Einheitsfront-Komitee gebildet. Dieses Komitee soll für das Hausgerätewerk die Aufstellung einer zweiten Liste zum Ziel haben, einer Liste fortschrittlicher Kollegen. Es muß den Kampf bis zu den Betriebsrätewahlen organisieren. Diese Möglichkeit, fortschrittliche, kämpferische Kandidaten auf einer eigenen Liste, mit eigenem Programm, hinter dem die Kollegen stehen, diese Möglichkeit ist im Kabelwerk nicht mehr gegeben, denn die Frist dafür läuft schon Mittwoch (15.3.1972, d.Vf.) ab.

Aber, Kollegen, bis Mittwoch können wir noch einzelne, fortschrittliche Kollegen, die die Forderungen des Kampfprogramms vertreten, auf die IGM-Liste setzen, wenn das Kampfprogramm breite Unterstützung im Werk erhält. Die Einheitsfront muß sie jetzt und später unterstützen und damit verhindern, daß die ärgsten Verräter im Betriebsrat ungehindert weitermachen können wie bisher. Kolleginnen, Kollegen! Wenn wir eine starke Einheitsfront bilden, dann werden wir uns klassenkämpferische Betriebsräte schaffen!

HINEIN IN DIE PROLETARISCHE EINHEITSFRONT ALLER KLASSENKÄMPFERISCHEN KOLLEGEN!"

Die KPD/ML-ZK veröffentlicht sodann ihren:"
VORSCHLAG ZUM KAMPFPROGRAMM DER EINHEITSFRONT:

Siemens hat die Erfolgsbeteiligung auf den 13. Monatslohn angerechnet, wir sehen also keinen Pfennig davon. Eine Anrechnung von Erfolgsbeteiligung und Weihnachtsgeld auf den 13. Monatslohn dürfen wir nicht zulassen. Darum fordern wir:
VOLLE AUSZAHLUNG DES 13. MONATSLOHNS!
KEINE ANRECHNUNG DER DIVIDENDE!
KEIN ABZUG BEI KRANKHEIT!
VOLLE AUSZAHLUNG AUCH BEI KÜNDIGUNG!

In den Werkshallen wird die Luft immer noch durch Gabelstapler mit Dieselmotoren verpestet. Elektrostapler, die auch schwerste Lasten heben, sind der Firma offenbar zu teuer. Dafür sollen wir mit unserer Gesundheit zahlen. Dagegen lautet unsere Forderung:

ERSATZ ALLER DIESEL DURCH ELEKTROFAHRZEUGE!

Der Kampf gegen Picknick-Schulzes (private Lebensmittelautomatenfirma, d.Vf.) Preiswucher muß weitergehen. Aber nicht Picknick-Schulze, sondern auch Siemens ist für den Preiswucher verantwortlich. Siemens hat dafür zu sorgen, daß wir preiswertes Essen und Trinken außerhalb der Kantine bekommen. Wenn Picknick-Schulze seine Preise erhöht, dann muß Siemens die Erhöhung bezahlen! Darum stellen wir die Forderung:

KEINE PREISERHÖHUNG AN DEN AUTOMATEN!

Daß Jungarbeiter und Lehrlinge in der Produktion, Frauen und ausländische Kolleginnen und Kollegen besonders für ungelernte Arbeit im Durchschnitt wesentlich weniger kriegen als andere Kollegen bei gleicher Arbeit, trifft auch bei uns zu. Dagegen, daß die Siemens-Herren die Konkurrenz zwischen uns erhöhen, uns gegenseitig zum Lohndrücken benutzen, unsere Reihen zu spalten versuchen, heißt unsere Forderung:

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Wir erinnern uns noch alle an den schrecklichen Unfall im Dezember, wo ein junger Kollege im Hausgerätewerk von einem Kran zu Tode gequetscht wurde. Jetzt ist im Hausgerätewerk ein zweiter schwerer Unfall passiert. Ein Kollege, der von einem hochgefahrenen Gabelstapler aus Montagearbeiten verrichtete, ist abgestürzt. Er soll tot sein. Das Schicksal dieser beiden Kollegen darf morgen nicht uns treffen. Ursache solcher Unfälle sind unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitshetze. Die Siemens-Bosse und ihre Handlanger im Betriebsrat wollen uns immer wieder weismachen, daß hauptsächlich durch Appelle wie 'Für Sicherheit am Arbeitsplatz' die Unfallgefahr herabgesetzt werden könne, und sie versuchen, uns die Unfälle in die Schuhe zu schieben mit Sprüchen wie 'Qualifizierte Arbeiter arbeiten unfallsicher'. Aber nicht wir, sondern fehlende und schlechte Sicherheitsvorrichtungen und vor allem die Arbeitshetze sind die Ursache der Unfallgefahr. Wir brauchen nicht leere Worte, sondern einen tatsächlichen Beitrag zur Unfallverhütung. Darum unsere Forderung:

GEGEN DAS GEREDE VON SICHERHEIT AM ARBEITSPLATZ!
FÜR MEHR SICHERHEITSVORRICHTUNGEN!
GEGEN ARBEITSHETZE ALS DIE HAUPTURSACHE DER BETRIEBSUNFÄLLE!

Siemens versucht ständig, die Arbeitshetze zu steigern. Im Hausgerätewerk wurden z.B. im vorigen Jahr am Band 4 pro Tag noch 320 Waschmaschinen produziert, heute sind es schon 345 Stück pro Tag. Akkord heißt, immer mehr arbeiten für das gleiche oder sogar weniger Geld; heißt, Ruinierung unserer Gesundheit für die Profite von Siemens. Unzureichende Materiallieferung, Mangel an Werkzeug und in vielen Abteilungen Mangel an Paletten machen es uns immer schwerer, den Akkord zu halten. Dazu kommen die Unfälle der Gabelstapler-Fahrer, die auch im Akkord arbeiten. Besonders die verschärfte Arbeitshetze des Akkordsystems erhöht die Unfallgefahr. Darum fordern wir:

WEG MIT DEM AKKORDSYSTEM BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH!

Nach Auskunft der Betriebsleitung konnte im Kabelwerk Kurzarbeit bisher verhindert werden, weil Lageraufträge vorgezogen und Kollegen mit Anstreichen beschäftigt wurden. Bis April soll Arbeit vorhanden sein. Aber was kommt danach? Dabei werden Kollegen mit der Umstellung von den papierisolierten PM-Kabeln auf die PE-Kunststoffkabel hinausrationalisiert. Das darf nicht so weitergehen! Darum muß es heißen:

KEINE ENTLASSUNG MIT ZUSTIMMUNG DES BETRIEBSRATS!
SCHLUSS MIT DEM ABBAU DER ARBEITSPLÄTZE!

Die Jungarbeiter und Lehrlinge haben keinen gewählten Vertreter, ihnen ist von oben einer vor die Nase gesetzt worden. Sie haben keine Möglichkeit, ihre Probleme und Forderungen auf Versammlungen zu diskutieren. Wir unterstützen ihre Forderung:

WAHL DES JUGENDVERTRETERS!
REGELMÄSSIGE JUGENDVERSAMMLUNGEN!

Das neue Betriebsverfassungsgesetz (BVG, d.Vf.) ist den Handlangern der Kapitalisten gerade rechtzeitig an die Seite gestellt worden, um die wachsenden Kämpfe der Arbeiter in den Betrieben abzuwürgen. Unsere Betriebsräte haben sich schon mehrmals hinter der Friedens- und Schweigepflicht versteckt, z.B. als sie aufgefordert wurden, unseren Kampf gegen Picknick-Schulze zu unterstützen. Darum:

WEG MIT DER FRIEDENS- UND SCHWEIGEPFLICHT!
GEGEN DAS REAKTIONÄRE BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ!
FÜR FREIE POLITISCHE BETÄTIGUNG IM BETRIEB!

Die Bespitzelung fortschrittlicher Kollegen im Betrieb, die z.B. Unterschriften sammeln, auf Versammlungen kritisch auftreten oder vorm Betrieb Flugblätter nehmen oder kommunistische Zeitungen kaufen, nimmt ständig zu. Ebenso die Versuche, solche Kollegen einzuschüchtern, z.B. durch Androhung gerichtlicher Schritte, durch Androhung von Entlassung, durch verschlechterten Arbeitsplatz, durch Drohung mit Ausschluß aus der Gewerkschaft, durch genaueste Kontrolle, ob diese Kollegen irgendwann gegen die Betriebsordnung verstoßen usw. Der Betriebsrat weigert sich, ihre Interessen zu vertreten. Das ist die Antwort von Betriebsrat und Betriebsleitung auf unsere zunehmende Kampfbereitschaft. Dagegen setzen wir:

SCHLUSS MIT DER BESPITZELUNG DER KOLLEGEN IM AUFTRAG VON FIRMENLEITUNG UND BETRIEBSRAT!
SCHLUSS MIT DEN EINSCHÜCHTERUNGSVERSUCHEN FORTSCHRITTLICHER KOLLEGEN!

Die Mehrheit der Betriebsräte unterstützt die SPD-Regierung. Sie haben geholfen, das Lohndiktat der Regierung durchzusetzen. Brandt und Schütz laden Betriebsräte zu sogenannten 'Arbeitsessen' ein, um im Interesse der Kapitalisten mit ihnen zu beraten, wie sie die Kämpfe der Arbeiter am besten abwürgen können. Deshalb muß das Ziel unseres Kampfes sein:

GEGEN DAS KAPITAL UND SEINE SPD-REGIERUNG!
WEG MIT DEN KAPITALISTENKNECHTEN IM BETRIEBSRAT!
FÜR KLASSENKÄMPFERISCHE BETRIEBSRÄTE!

Wir rufen alle Gewerkschafter und Unorganisierten, alle fortschrittlichen Vertrauensleute und Betriebsräte, alle klassenkämpferischen Kollegen ohne Rücksicht auf ihr Parteibuch, alle parteilosen Kollegen, gleichgültig, ob Arbeiter oder Angestellter, Mann oder Frau, jung oder alt, ob deutsche oder ausländische Kollegen auf:

HINEIN IN DIE PROLETARISCHE EINHEITSFRONT ALLER FORTSCHRITTLICHEN KOLLEGEN!"
Q: Roter Lautsprecher Nr. 2, Berlin März 1972

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