Roter Lautsprecher - Siemens-Betriebszeitung der KPD/Marxisten-Leninisten, Jg. 1, Nr. 1, Feb. 1972

21.02.1972:
Bei Siemens Berlin gibt die KPD/ML-ZK vermutlich in dieser Woche erstmals ihren 'Roten Lautsprecher' (vgl. 13.3.1972) mit 14 Seiten DIN A 4 und keinem Verantwortlichen heraus, nachdem nach eigenen Angaben, bereits seit fast zwei Jahren Flugblätter der KPD/ML-ZK vor Siemens verteilt wurden. Angegeben wird eine Postlagerkarte.

Berichtet wird aus Großbritannien, über den 'Roten Morgen' Nr. 4 (vgl. 14.2.1972), von Siemens Gartenfeld, aus dem Schaltwerk von der Wahl zur IGM-Vertreterversammlung (vgl. 8.2.1972) und von den Betriebsratswahlen (BRW), daß DKP/SEW für eine Aktionseinheit mit der SPD gegen die radikale Linke eintreten.

Über sich selbst schreibt man:"
NOCH 'NE BETRIEBSZEITUNG?
WARUM DEN 'ROTEN LAUTSPRECHER'?

Manchen Kollegen wird es bald zuviel: 'Roter Schaltwerker', 'Roter Gartenfelder' (beide KPD/ML-ZB, d.Vf.), 'Kommunistische Arbeiterpresse' (KPD, d.Vf.) dazu 'Rote Fahne' (2x) (KPD bzw. KPD/ML-ZB, d.Vf.), 'Roter Morgen' und jetzt noch 'Roter Lautsprecher'! Da kenn sich noch einer aus!

Alle die aufgeführten Gruppen wollen im Grunde dasselbe: Sturz der Kapitalistenklasse und Errichtung der Macht der Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats. Was sie unterscheidet sind die Wege dorthin:

Die Gruppe 'KPD' ('Rote Fahne' und 'Kommunistische Arbeiterpresse') führt zwar den gewerkschaftlichen Kampf um die wirtschaftlichen Tagesinteressen der Arbeiter, aber sie verbindet diesen Kampf nicht mit dem Kampf um die politische Macht. Dieser Kampf ist aber der entscheidende Kampf für eine kommunistische Partei! Die 'KPD'-Leute verlieren über ihre Pfennigforderungen das Endziel - den Sozialismus - aus den Augen. Die 'Bewegung ist alles, das Ziel nichts', charakterisierte Lenin solche Opportunisten. Der Weg der 'KPD' führt nicht zur Revolution, sondern geradewegs in den Sumpf des Revisionismus und Reformismus einer SEW-SED!

Auch der 'Rote Schaltwerker', 'Rote Gartenfelder' und die 'Rote Fahne' der Gruppe KPD/ML(Zentralbüro) (KPD/ML-ZB, d.Vf.) nehmen gegenüber dem Revisionismus desöfteren eine unklare Stellung ein. Sie sagen: 'Am Kampf gegen die Sozialdemokratie fällt die Entscheidung, wer für und gegen die Arbeiterklasse ist.' Wir sagen: 'Am Kampf gegen den Revisionismus vor allem fällt die Entscheidung.' Wir stimmen mit der 'Roten Fahne' überein, wenn sie sagt, daß es 'heute, in der Zeit der Vorbereitung der revolutionären Entscheidungsschlachten darauf an(kommt), die Einheit der Arbeiterschaft und das Bündnis der Arbeiter mit den Werktätigen zu erkämpfen.' Aber wir stimmen nicht überein, wenn sie folgern, das Haupthindernis für die revolutionäre Einheit sei heute die Sozialdemokratie, denn sie übe nach wie vor entscheidenden Einfluß auf die Arbeiterschaft aus (RF 2/72, Seite 5-6) (vgl. 24.1.1972, d.Vf.). Wir sagen, das entscheidende Hindernis, das der revolutionären Einheit der deutschen Arbeiterschaft im Wege steht, ist heute nicht mehr allein die Sozialdemokratie, sondern vor allem der Revisionismus. Der Verrat der Revisionisten, in Deutschland vor allem in der DDR, im internationalen Maßstab vor allem in der Sowjetunion, dieser gigantische Verrat an der Arbeiterklasse ist es nämlich, der die Arbeiterschaft in Westdeutschland und Westberlin in die Hände der SPD getrieben hat! Die deutschen Arbeiter wählen Schiller und Schmidt doch nicht deshalb, weil sie sagen, das sind unsere Leute, sondern weil sie glauben, die SPD sei von den Übeln CDU und SED/SEW und DKP noch das kleinste. Wer das nicht erkennt, der hat aus der deutschen Geschichte nach 1945 nicht gelernt, sondern glaubt, heute einfach da anfangen zu können, wo die KPD 1933 aufgehört hat.

Den Revisionismus, den Hauptfeind der Arbeiterbewegung, kann man nicht 'so nebenher' erledigen, wie es die 'Rote Fahne'/'Der Rote Schaltwerker' und der 'Rote Gartenfelder' tun, sonst kann es einem passieren, daß man sich unversehens auf die andere Seite stellt!

Auf Westberlin bezogen heißt das:

DIE MAUER: N U R EIN ZEICHEN DER ABWEHR?

Die 'Rote Fahne' will den Berliner Kollegen weismachen, die Berliner Mauer sei NUR ein anti-imperialistischer Schutzwall, eine gerechte Maßnahme der DDR-Machthaber also, um sich vor den BRD-Machthabern zu schützen.

Was hat denn wirklich zum Bau der Mauer geführt? Schon in den Jahren 1950-53 verdünnisierten sich DDR-Bürger massenhaft. Damals wurde in der DDR noch der Sozialismus aufgebaut - trotz aller Mängel, Schwierigkeiten und Fehler, die es damals schon gab. Wer damals zuerst floh, waren wirklich diejenigen, die ihre Vorrechte abgeben mußten: Intellektuelle, Bürger, Unternehmer. 'Diktatur des Proletariats' hätte damals heißen müssen: jetzt die Grenze zu! Denn wenn, wie damals geschehen, Ärzte, Techniker und Professoren das Land verlassen, dann geht es auf Kosten der Werktätigen! Aber damals blieben die Grenzen offen, die Versorgungslage in der DDR verschlechterte sich und die Bourgeoisie in der BRD sah ihre Chance, die DDR zurückzuerobern. Der 'Liberalisierungskurs' in der DDR nach 1953, der die Diktatur des Proletariats über die Bourgeoisie noch weiter lockerte, ermunterte den Westen weiter. Eroberungspläne wurden geschmiedet, Agententätigkeit verstärkt.

Chrustschow kam ihnen entgegen, indem er die Souveränität der DDR an die Amis verkaufte und die 'Freie Stadt Berlin' aus der Taufe hob. Chrustschow, dessen Verratspolitik Ulbricht und Honecker voll unterstützten, ermunterte die Aggressionspläne des Westens, ermunterte Aufrüstung und Militarismus in der BRD. Die Lakaien-Parteien der Chrustschow- und Ulbricht-Verräter in Westdeutschland, die zerfallende KPD, DFU und dann DKP, führten nicht etwa einen konsequenten Kampf, um die Arbeiterklasse gegen die Aufrüstung zu mobilisieren, sondern sie beschränkten sich auf ein schlappes 'Friedens'gewinsel auf Ostermärschen! Und die Arbeiter in der DDR? Auch sie wurden nicht konsequent für den Aufbau und die Verteidigung des Sozialismus mobilisiert. Es wurde keine Kulturrevolution durchgeführt, wie in China und Albanien, um die bürgerliche Weltanschauung in den Köpfen nach und nach zu beseitigen. Man propagierte den 'Gulasch-Kommunismus' anstatt die Werktätigen zu bewußten Kommunisten zu erziehen. So konnte es geschehen, daß sich die DDR Führer immer mehr von der Arbeiterklasse lösten, daß sie schließlich die Arbeiterklasse verrieten und sich an den Abbau der Errungenschaften des Sozialismus machten.

DIE MAUER: A U C H EIN ZEICHEN DES VERRATS!

Die Mauer ist nicht nur ein Zeichen der Abwehr eines souveränen Staates gegenüber den Aggressionsplänen eines anderen Staates. Die Mauer ist auch ein Zeichen des Verrats der Chrustschow/Ulbricht/Reimann-Clique, die das Wiedererstehen des deutschen Militarismus und Imperialismus förderten und duldeten!

WIE KANN DIE MAUER VERSCHWINDEN?

Der westdeutsche Imperialismus wird nie seine Absicht aufgeben, die DDR militärisch zurückzuerobern! Nach all unseren Erfahrungen mit den Herren Krupp, Flick, Abs und von Siemens sollten wir uns da keinen Illusionen hingeben! Aber auch die DDR-Herren haben keineswegs vor, etwa für ein einheitliches sozialistisches Deutschland zu kämpfen - im Gegenteil: sie errichten nach und nach wieder kapitalistische Zustände in der DDR und die Diktatur des Proletariats von einst ist heute zu einer Diktatur der neuen Bourgeoisie über die Arbeiterklasse geworden. Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen - alle Grenzen, die Deutschland heute in zwei Stücke reißen, werden erst an dem Tag fallen, an dem das Proletariat in der BRD UND das Proletariat in der DDR ihre Unterdrücker fortgejagt haben!

DAS PROLETARIAT WIRD ALLE AUSBEUTERKLASSEN HINWEGFEGEN - HÜBEN WIE DRÜBEN!

Das Proletariat in der DDR und das Proletariat in der BRD und Westberlin stehen heute vor derselben Aufgabe: sie müssen sich ihre revolutionäre kommunistische aufbauen, die allein die proletarische Revolution, hier wie dort siegreich führen kann. Diese Partei wird nur dann siegen können, wenn sie aus den Fehlern der Vergangenheit und vor allem aus der Entwicklung in der DDR lernen kann - nicht aber, wenn sie bedenkenlos die Lügen der Arbeiterverräter dort nachplappert. Darum rufen wir die Genossen und Kollegen der Betriebsgruppen 'Roter Schaltwerker' und 'Roter Gartenfelder', sowie alle Kollegen und Genossen, die ehrlich den Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus führen wollen, auf:

IM KAMPF GEGEN DEN REVISIONISMUS DIE KOMMUNISTISCHE PARTEI AUFBAUEN!

DEN IMPERIALISMUS KANN NUR BESIEGEN, WER DEN REVISIONISMUS BEKÄMPFT!

BETRIEBSZELLEN - FUNDAMENT DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI!

Eine kommunistische Partei, die nicht durch 'Tausend Klammern', wie Thälmann sagt, mit den Arbeitermassen verbunden ist, wird die Revolution nicht zum Sieg führen können! Das hat die deutsche Geschichte genügend bewiesen! Die stärksten dieser Klammern sind die Betriebszellen der Partei. Das wissen auch die Siemensbosse, und sie fürchten sie wie die Pest, denn sie wissen, sind erst einmal die 'Roten Pestbazillen' im Betrieb, dann breiten sie sich auch aus wie die Pest! Worauf sich die Siemensbosse verlassen können!

Die KPD/ML ist direkt aus der illegalen KPD hervorgegangen. Die deutschen Kommunisten standen dort nach 45 vor der Wahl: Weich werden, den Schlägen der Bourgeoisie nachgeben und nach ihrer Pfeife tanzen - hart bleiben, neu anfangen, allen Angriffen, Niederlagen und Verrätereien zum Trotz - die Kollegen, die die KPD/ML 1968 gegründet haben, haben diesen Weg gewählt. Die wenigen anderen, die unter der Obhut der Bourgeoisie in West- und Ostdeutschland den anderen Weg gegangen sind und jetzt auf DKP- und SEW-Posten sitzen und dafür mal öfter 'günstig nach Leipzig' fahren - ihnen hat die deutsche Arbeiterklasse bereits deutliche Abfuhr erteilt! Denjenigen Kollegen, die immer noch an die Ehrlichkeit dieser Arbeiterverräter glauben, rufen wir zu:

EURE PARTEI IST DIE KPD/ML!

Denjenigen Kollegen, die glauben - und wer kann ihnen das verdenken - daß die SPD noch immer das kleinste Übel aller in Deutschland - Ost und West - vertretenen Parteien ist, rufen wir zu:

DIE PARTEI DER ARBEITERKLASSE HEISST NICHT SPD-SEW-DKP, SONDERN K P D / M L !

Alle Kollegen, die mit uns den Kampf gegen die Kapitalistenklasse und ihren Staat, gegen Reformismus, Revisionismus und Verrätertum aufnehmen wollen, tretet in Kontakt mit uns! Schreibt uns, verabredet ein Treffen mit unseren Verteilern oder steckt ihnen eure Adresse zu!

FÜR EIN EINIGES, UNABHÄNGIGES, SOZIALISTISCHES DEUTSCHLAND!"
Quellen: Roter Lautsprecher Nr. 1, Berlin Feb. 1972; Roter Morgen Nr. 6, Hamburg 13.3.1972, S. 3

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