Kommunistischer Nachrichtendienst der KPD/ML und des KJVD, Jg. 1, Nr. 29, 1. Sept. 1970

01.09.1970:
Die Nr. 29 des 'KND' (vgl. 29.8.1970, 5.9.1970) der KPD/ML-ZB berichtet unter der Schlagzeile "Einheitlicher Kampf der Arbeiterklasse gegen die Front der Kapitalisten" von den Streiks in NRW bei der Maschinenfabrik Clark in Mülheim.
Hierbei wird noch einmal auf die Vorbereitungen der Kapitalisten auf die Metalltarifrunde (MTR) eingegangen. Sie planen u.a. ausländische Botschaftsvertreter bei Streiks hinzuzuziehen. Von dem stillegungsbedrohten Phrix-Werk in Okriftel in Hessen wird über die Behinderung der Flugblattverteiler der KPD/ML-ZB durch den Betriebsrat berichtet. Die KPD/ML-ZB ruft im Gegenzug zur Wahl wirklicher Vertreter der Belegschaft für die Verhandlungen mit den Kapitalisten auf, bei denen u.a. eine Abfindung von drei Monatslöhnen für alle, Beschaffung neuer Arbeitsplätze und Überlassung der Werkswohnungen durchgesetzt werden müsse. Der Hauptvorstand der IG Chemie (CPK) führe ein übles Täuschungsmanöver durch und behaupte, daß es die Entlassungen nicht gegeben hätte, wenn eine qualifizierte Mitbestimmung vorhanden gewesen sei. Das Gegenteil sei aber jüngst bei der Schließung der Zeche Graf Moltke bewiesen worden, wo es ja die Montanmitbestimmung gibt.

Die Ruhrkohle AG (RAG) habe in der letzten Woche ein neues Rationalisierungsprogramm verkündet. Hierzu wird u.a. ausgeführt:"
Dabei steht sie in folgender Zwickmühle: als sie 68 von den Sozialdemokraten Schiller und Arendt und den Stahlbossen Sohl und Henle gegründet wurde, wollten die Stahlbosse den unrentablen und politisch unruhigen Kohlesektor abwälzen und sich ihn aber weiter als billige Rohstoffbasis für noch 20 Jahre sichern; die Sozialdemokraten sollten dafür die Arbeiter beruhigen und verbreiteten schnell ihre Theorie 'Fortschritt und soziale Gerechtigkeit durch Rationalisierung'. Diese Kräfte wollen daher eine schnelle und 'überzeugende' Rationalisierung. Da dies jedoch Zechensterben bedeutet, dürfen sie dies den Bergarbeitern und den Ruhrgebietsstädten, die von den Zechen abhängig sind, nicht offen sagen. Daher verbreitet das neue Programm fast nur Plattheiten, die man vorher schon wußte, … . Sie vermeiden es aber, offen zu sagen, welche Zechen sie schliessen wollen. Dabei weiß jeder, daß z.B. Brassert (Marl) und Alstaden (Oberhausen) auf der Abschußliste stehen."

Das selbe Thema wird auch noch in einem Artikel "Ruhrkohle: Offensichtlicher Verrat der alten und der neuen Sozialdemokraten" behandelt:"
Während die Ruhrkohle-Bosse ein neues Programm für das Zechensterben ausarbeiten und dabei Angst haben, daß die Arbeiter ihre Pläne durchkreuzen, klatschen ihnen die Sozialdemokraten offen Beifall. Der Kohlebeauftragte der Bundesregierung billigte sofort den Plan der Bosse … . Hinter verschlossenen Türen verhandelt die IGBE mit, um ihren Bonzen die Direktorensessel zu sichern. Wie sehr diese Bonzen schon mit den Kapitalisten verschmolzen sind, zeigt sich daran, daß sie in ihrer Gewerkschaftszeitung die Schließung der Zeche Graf Moltke und alle weiteren Pläne mit keinem Wort erwähnt. Ihre Führer können daher nicht mehr wie andere Gewerkschaftsführer die Arbeiter mit großen Protesten und Reden über Mitbestimmung von ihrem Kampf abhalten. Dafür strengt sich jetzt die DKP an, die Rolle der Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse zu übernehmen. So haben sie vor einiger Zeit folgenden absurden Mitbestimmungsplan für die Ruhrkohle gefordert: im Aufsichtsrat 50% Belegschaftsvertreter, 25% Aktionäre, 25% vom Land NRW - als ob nicht die landes- und bundeseigenen Zechen die Bergarbeiter in der Krise genauso auf die Straße gesetzt hätten! Nach dem Vorschlag der D'K'P wäre dann auch bestimmt als Landesvertreter der Wirtschaftsminister, der 8%-Riemer (FDP, d.Vf.), im Aufsichtsrat. Jetzt, wo das Zechensterben wieder beginnt, sehen sie selber, daß sie damit keinen Arbeiter hinter dem Ofen hervorlocken können und fordern die Überführung in Gemeineigentum. Wie unglaubwürdig ihre Verstaatlichungspläne sind, sieht man daran, daß sie immer für die Unternehmen gefordert werden, die gerade pleite machen."

In einem Artikel "Die SPD-Regierung baut eine Bürgerkriegsarmee auf" wird über die Pläne Genschers (FDP) bezüglich des BGS berichtet, zu denen er durch seinen kürzlichen Besuch beim US-amerikanischen FBI inspiriert worden sei. In der letzten Woche habe er ein neues Grenzschutzgesetz angekündigt, welches die neu hinzukommenden Aufgaben des BGS umfasse. Hierbei denke er wohl hauptsächlich an Aufgaben im Rahmen der Notstandsgesetze. Die KPD/ML-ZB meint dazu:"
Am Ende hat dann die SPD-FDP Regierung dem westdeutschen Monopolkapital eine voll funktionsfähige militärisch organisierte Polizeitruppe geschaffen."

Von der Ostafrikareise des NRW-Ministerpräsidenten Kühn wird berichtet, daß dieser neuerdings den Kampf der angolanischen Befreiungsbewegungen für berechtigt halte. Dazu wird angemerkt:"
Was hat das zu bedeuten, wenn ein Vertreter des westdeutschen Imperialismus plötzlich sein Herz für die nationalen Befreiungsbewegungen entdeckt? Die BRD hat, wie vor ihr auch schon Schweden und der Papst, entdeckt, daß sich das portugiesische Kolonialregime in Afrika nicht länger halten kann. Selbst die massive militärische Unterstützung, die die BRD bisher unter dem Deckmantel der NATO geliefert hat, kann den Erfolg der Freiheitskämpfer nicht aufhalten. Zudem wird die BRD von Sambia, dem größten Kupferproduzenten der Welt unter Druck gesetzt, ihre Unterstützung an Portugal endlich aufzugeben. So schließt sich die BRD dem Beispiel Schwedens an, und liefert den Befreiungsbewegungen unter dem Deckmantel der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES, d.Vf.) 'humanitäre Hilfe'. Die westdeutschen Imperialisten sind darauf angewiesen, weiterhin billige Rohstoffe aus Ostafrika zu beziehen. Zudem wollen sie sich für die Zukunft dort Absatzmärkte schaffen. Deswegen sind sie bereit, ihren ehemaligen Partner Portugal im Notfall fallenzulassen, wenn das Geschäft es verlangt. Zunächst werden die westdeutschen Imperialisten versuchen, eine Doppeltaktik zu fahren, d.h. gleichzeitig an Portugal und an die Befreiungsbewegungen zu liefern. Auch die westdeutschen Monopole, die am Cabora-Bassa Projekt (in Mosambik, d.Vf.) führend beteiligt sind, werden dem neuen Kurs Widerstand entgegensetzen. Aber es ist damit zu rechnen dass in absehbarer Zeit die SPD, ähnlich wie ihre Schwesterpartei in Schweden, den nationalen Monopolen klarmachen kann, dass es besser ist, im Moment auf Geschäfte zu verzichten, um in der Zukunft um so bessere Profite machen zu können."

Über Interessen des bundesdeutschen Kapitals wird auch aus Lateinamerika berichtet, wo VW und Siemens sich in Mexiko und Brasilien engagieren.

Aus den Niederlanden wird bekanntgegeben, daß in Rotterdam 30 000 Hafenarbeiter in den Streik getreten sind um gegen die Überzahlung von Kontraktarbeitern, die durch private Personalvermittler an die Dockbetriebe geliefert werden, zu protestieren. Gefordert werde die völlige Abschaffung des Menschenhandelssystems. Über 3 000 Arbeiter der Cornelius Varolme Werft und Arbeiter einer Kunstdüngerfabrik hätten sich aus Solidarität dem Streik angeschlossen.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 29, Bochum 1.9.1970

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