Kommunistischer Nachrichtendienst der KPD/ML und des KJVD, Jg. 1, Nr. 24, 15. Aug. 1970

15.08.1970:
Der 'KND' der KPD/ML-ZB Nr. 24 (vgl. 12.8.1970, 19.8.1970) konstatiert in der Titel-Schlagzeile eine "Aktuelle Krise des nationalen und internationalen Kapitals". In dem zugehörigen Artikel beschäftigt man sich u.a. ausführlich mit den Arbeitslosenzahlen. Einleitend wird ausgeführt:"Während sich noch die Professoren der Institute, der Regierung und der Bundesbank darum streiten, ob der Höhepunkt der Konjunktur in der BRD bereits erreicht ist oder schon überschritten und die besten Maßnahmen zur Disziplinierung der Arbeiterklasse überlegen, zeigen die Meldungen der einzelnen Branchen, Regionen und Unternehmen schon die zunehmenden Widersprüche, die allmählich stärker sinkende Profitrate der Kapitalisten und die zunehmenden ökonomischen Angriffe auf die Arbeiterklasse."

Bezüglich der internationalen Lage wird u.a. betont:"
In den USA zeigt der Imperialismus sich weiterhin mit den härtesten Angriffen auf die Lage der Arbeiter. Die Arbeitslosigkeit nimmt immer weiter zu, nach den schwarzen werden nun auch stärker weiße Arbeiter betroffen, die offizielle Arbeitslosenquote lag in den letzten Monaten bei 5%, die Inflation geht weiter, die Produktivität stagniert. … Die USA gehen soweit, Importe beschränken zu wollen. … Schwierigkeiten mit dem Außenhandel haben auch England, Dänemark, Schweden und die Türkei."
Italien sei nach der jüngsten Regierungskrise, der konzertierten Reaktion der Bourgeoisie und den zunehmenden Klassenkämpfen sehr stark auf den Export angewiesen. Eine Abwertung drohe trotz des Dementis von Colombo. Die KPD/ML-ZB schätzt die Lage so ein:"
Die 'Inflationsharmonie' im gesamten EWG-Bereich und den USA bedroht die Arbeiterklasse und verschärft die Widersprüche im internationalen Rahmen derart, daß eine aktuelle Krise auf dem Hintergrund der verschärften politischen Krise des Imperialismus möglich wird. Die fieberhafte Absicherung nach Osten in Zusammenarbeit mit dem SU-Revisionismus soll die im Westen gesunkenen Exportchancen ersetzen, wenn der Widerspruch zwischen Konsumtionskraft und Produktionskraft im Inneren weiter zunimmt. Dabei haben die Zentralverwaltungswirtschaften der revisionistischen SU und der anderen osteuropäischen Länder für die Kapitalisten den Vorteil, daß der Plan nicht konjunkturabhängig ist und so eine lange Vorausplanung der Absätze ermöglicht. So zeigt sich der Revisionismus, wie die Sozialdemokratie im Inneren, als Arzt am Krankenlager des Kapitalismus."

Bezüglich der Situation innerhalb der 'BRD' wird u.a. ausgeführt:"
Den Bemühungen, die Lage der Arbeiterklasse zu sichern, läuft die Politik der SPD gerade entgegen: die Versuche der SPD-Regierung, die Bevölkerung hinters Licht zu führen, die Arbeiterklasse zu verraten und damit die Monopole zu unterstützen, gehen immer weiter. Unter der Drohung des weiteren Preis- und Mietwuchers fordert Schiller die IGM und die Arbeiter der Metallindustrie zur 'Zurückhaltung' auf. Sonst könne das 'Ziel der relativen Preisstabilität'(Rückgang der Preissteigerungsrate von 4 auf 2, 5 - 3%) 1970 nicht erreicht werden. Gleichzeitig betreibt das BWM (Bundeswirtschaftsministerium, d.Vf.) eine weitere Politik der Ausräuberung: um die 'inneren Reformen' finanzieren zu können, und sich damit auch innenpolitisch zu sanktionieren, will die SPD-Regierung entweder die Steuern erhöhen oder durch Zwangssparen den privaten Konsum dämpfen, damit mehr Geld für die 'öffentlichen Ausgaben' bereit steht. … Doch die Arbeiterklasse ist inzwischen aufmerksam geworden durch die Tatsache, daß nach dem langen Boom, von dem nur die Monopole profitierten, sich die Anzeichen einer erneuten Rezession vermehren und die Kapitalisten verstärkt Angriffe auf die Arbeiterklasse starten. Sie beginnt sich, schon in einzelnen Betrieben zu wehren und wird es nicht zulassen, daß Schiller seine verräterische Politik durchsetzen kann."

Zur anstehenden Metalltarifrunde wird klargestellt, daß die Kapitalisten diese möglichst schnell abschließen wollten und, falls dies nicht gelänge, harte Maßnahmen vorbereiten, die z.B. Aussperrungen und fristlose Entlassungen von größeren Gruppen umfassen. Außerdem sollen die Privatadressen der Streikenden gesammelt werden, um sie über ihre Familien unter Druck zu setzen.

Bezüglich der Zustimmung der DGB-Mitglieder im Bundestag zu den Lohnsteuervorauszahlungen am 11.7.1970 wird über den Protest der GHK dagegen berichtet, wobei die GHK als linkssozialistisch bezeichnet wird, aber ihr gleichzeitig unterstellt wird, daß sie um den Einfluß der sozialdemokratischen Gewerkschaften auf die Arbeiterklasse fürchte. Um ihre Sozialdemagogie weiter betreiben zu können, hätten die DGB-Führer sich mittlerweile das Feld der Mieten ausgesucht. Dort hätten sie einen Mietenstop verlangt. Bundeswirtschaftsminister Schiller aber halte davon, wie er in einem Brief an den DGB betonte, gar nichts. Eine solche Preisbindung sei kein geeignetes Mittel, ein besseres Gleichgewicht am Markt herzustellen. Die KPD/ML-ZB meint:"
Der Sozialdemokrat Schiller wagt es nicht, dem Wucher der Vermieter entgegenzutreten. Eine konsequente Preisbindung will er auf keinen Fall in Angriff nehmen. Am liebsten möchte er die Wucherei auf dem Wohnungsmarkt und die Preistreiberei der Kapitalisten in allen Wirtschaftszweigen totschweigen, denn er hat Angst, daß die Betroffenen, vor allem Arbeiter und Rentner, selbst wirksame Maßnahmen ergreifen werden."

Aus NRW wird berichtet, daß auf den dortigen Arbeitsämtern über 28 000 unbearbeitete Anträge auf Umschulungen lägen. Dazu wird u.a. festgestellt:"
Das Auf und Ab der kapitalistischen Wirtschaft hat für immer mehr Arbeiter und Angestellte Berufswechsel und Umschulung zur Folge. Vor allem die Opfer der letzten großen Wirtschaftskrise 1966/67, die Beschäftigten im Bergbau und in der Stahlindustrie und junge Arbeiter aus dem Handwerk sind davon betroffen. Kapitalisten und Vertreter von Bund und Ländern versicherten immer wieder, jeder der den Willen und die Fähigkeit habe, könne sich ohne wesentliche finanzielle Einbuße umschulen lassen. Die kapitalistische Wirklichkeit straft ihre Worte Lügen. Besser als durch die Streichung von Planstellen für die ohnehin schon überlasteten Arbeitsämter kann die Regierung dieses Landes gar nicht deutlich machen, daß sie an der finanziellen Hilfe für die Umschüler spart. Wie wird es erst in den Arbeitsämtern aussehen, wenn der Boom ganz beendet ist?!"

In einem Artikel "Vermögensbildung - Betrug an der Arbeiterklasse" heißt es:"
Daß die 'Vermögensbildung', die die Gewerkschaftsbosse dauernd den Arbeitern aufschwatzen wollen, nicht der Arbeiterklasse, sondern den Bankkapitalisten dient, läßt sich aus den Äußerungen der Vertreter des Bankkapitals ablesen: Die Banken haben das Geschäft, das sich ihnen mit der tariflichen Vereinbarung über Vermögensbildung bei der IGM bot, erkannt und genützt. Sie haben sich um die 4 Mio. Arbeiter der Eisen- und Stahlindustrie intensiv 'bemüht', sie haben sich gegenseitig überboten bei der Köderung der Arbeiter".

Bezüglich der Beziehungen zwischen der 'BRD' und Spanien wird festgestellt, daß Spanien für das westdeutsche Kapital immer interessanter werde. Gerade hätten die für ganz Spanien zuständige Wirtschaftsförderungsgesellschaft SEDEC und die Osswald Müller GmbH, Wirtschaftsförderung und Industrieberatung Düsseldorf einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, der Investitionen in Spanien erleichtern solle. Dafür gäbe es u.a. auch Steuervergünstigungen bis zu 95 Prozent. Um das ausländische Kapital anzulocken sei es für das spanische Regime wichtig Streiks zu verhindern bzw. brutal zu zerschlagen und so das Lohnniveau niedrig zu halten.

Für die 12 000 streikenden Bauarbeiter in Granada gäbe es nun einen neuen Tarifvertrag, der statt der geforderten 41-Stundenwoche eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden festschreibe, und einen Tagesgrundlohn von 9, 15 DM vereinbare. In Madrid hätten sich zuvor mehrere hundert Arbeiter mit den Bauarbeitern solidarisiert und 20 Minuten lang in der Innenstadt demonstriert bevor die Polizei erschien. In Madrid seien auch 12 Personen aus verschiedenen Landesteilen festgenommen worden, weil sie an zwei Versammlungen oppositioneller Arbeiterführer teilnahmen, auf denen über die Koordinierung der Kampfmaßnahmen beraten wurde. Im nordspanischen Oviedo seien unterdessen rund 1 000 Bergleute in den Streik für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen getreten.

In Südafrika (Azania) sollen Siemens und Thyssen eine neue Tochterfirma unter dem Namen Blohm und Voss limited gegründet haben. Bezüglich des Waffenembargos wird bekanntgegeben, daß britische Firmen mit Tochtergesellschaften im Apartheidstaat während des Wahlkampfes 2, 5 Mio. DM an die Konservativen gestiftet haben, um eine Einhaltung des Embargos durch Großbritannien zu vereiteln.

Im Nahen Osten hätten die Palästinenser ihre Angriffe gegen Israel verstärkt, in Amman hätten nassertreue Splittergrüppchen Zwischenfälle inszeniert, bei denen 9 Guerrillas getötet und 18 verwundet wurden. Nasser und die mit ihm verbündeten jordanischen und saudiarabischen Feudalklassen versuchten einen Keil zwischen die eher kleinbürgerlichen und die eher sozialistischen Organisationen zu treiben.

In Athen habe der US-Unterstaatssekretär Davis Gespräche über die Wiederaufnahme der Waffenlieferungen geführt. Bei der Abreise habe er die innige Freundschaft mit den griechischen Faschisten betont.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 24, Bochum 15.8.1970

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