Pädagogische Hochschule Dortmund: AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 6, 19. Jan. 1972

19.01.1972:
An der PH Dortmund erscheint die Nr. 6 der 'AStA-Information, DOS - (Dortmunder Studentenzeitung)' (vgl. 15.12.1971, 26.1.1972) mit elf Seiten DIN A 4 unter dem Generalthema "Was heißt schon 'wertneutral'?" mit folgendem Inhalt:"
1. Bericht von der SV am 10.1.1972 (vgl. dort)
2. 'Funktion der Erziehung in unserer Gesellschaft' von den SAG Bochum (vgl. 10.1.1972).
3. Der Tod von Georg von Rauch oder: Wie informiert die deutsche Presse?
4. Studentenheim soll für Bundeswehr zwangsgeräumt werden! (vgl. Braunschweig - 22.12.1971, 5.1.1972)
5. Kostenlose Rechtsauskunft
6. Pressespiegel aus der Hochschulwelt

Die Termine sind gegenüber der letzten Nummer unverändert.

Gefragt wird:"
DER TOD DES GEORG VON RAUCH ODER WIE INFORMIERT DIE DEUTSCHE PRESSE?

Im folgenden Bericht wollen wir nicht in erster Linie Licht in das Dunkel der Ereignisse um die Erschießung des Georg von Rauch bringen, sondern wollen aufzeigen, wie 'objektiv' und 'wertneutral' die deutsche Presse informiert. Gerade dieser Fall ist eines der krassesten Beispiele, wieviel Wertung in der Information liegt.

Versuchen wir, den Ablauf unter Zuhilfenahme mehrerer Zeitungen und Zeitschriften zu rekonstruieren:

Do/2/12/71
'stern': 'Baader-Meinhof-Gruppe - Wer stirbt als Nächster?'

Fr/3/12/71
'spiegel' 53/71:
'Die Westberliner Polizei ermittelte, von Rauch sei 'zum harten Kern der Meinhofgruppe gestoßen'. Er kommt auf die Fahnungsliste.'

Sa/4/12/71:
W-Berlin, Eisenacherstraße, ca. 17.25 Uhr: Der 24-jährige Georg von Rauch wird unter zunächst unklaren Umständen erschossen.

In den folgenden Tagen überstürzen sich Meldungen, die sich widersprechen.

Der angeblich schwerverletzte Kriminalobermeister Hans-Joachim Schultz entpuppt sich als Kriminalhauptmeister mit einem Streifschuß (er hat letzten Meldungen zufolge Rauch erschossen).

Plötzlich sollen es einige Genossen des Rauch gewesen sein, die die tödliche Kugel abschossen.

Die 'Berliner Morgenpost' schreibt noch sehr verhalten am 9/12/71, daß ein 'vierter Schütze von der anderen Straßenseite geschossen haben muß.'

Am 18/12/71 macht der 'Berliner Extra Dienst' (BED,d.Vf.) mit folgender Schlagzeile auf: 'Rauch-Tötung bei Feuergefecht - Verfassungsschutz gegen Polizei.'

Am 27/12/71 faßt der 'Spiegel' alle Gerüchte zusammen und fragt: 'Am 4. Dezember wurde in Westberlin der 24jährige Anarchist Georg von Rauch erschossen - von einem Gesinnungsgenosen, von einem Polizisten oder von einem Verfassungsschützer?'

Laut 'stern' 2/72 (vgl. 10.1.1972,d.Vf.) teilte der Chef des Berliner Verfassungsschutzamtes mit, 'zwei seiner Beamten hätten in 30 m Entfernung in einem Auto gesessen und bloß Mündungsfeuer gesehen. Wer geschossen hat, das wüßten sie leider auch nicht.'

Nach fünf Wochen, in denen eine Meldung die andere dementierte, taucht plötzlich 'Licht in das Dunkel':

Im 'Spiegel' 3/72 (vgl. 17.1.1972,d.Vf.) ist dann auch plötzlich zu lesen, daß die Brille Rauchs wieder aufgetaucht sei, anhand derer man das Kaliber der Todeskugel feststellen kann, da ist das Obduktionsergebnis bekannt (Todeskugel hat das Kaliber 7,65mm, also das bei der Polizei übliche) und vom Verfassungsschutz schon gar nicht mehr die Rede. Also, wer geschossen hat, ist klar, die Umstände bleiben unklar.

Das sind die Tatsachen um diesen verwirrenden Fall. Alle Zeitungen und Zeitschriften wollen informieren und auch die Hintergründe aufzeigen. Vergleichen wir einige Zeitschriften und das Schwergewicht ihrer Meldungen:

Der 'Spiegel', sonst das bestinformierte Blatt, fragt nur noch; der Stuhl
des Berliner Innensenators steht im Vordergrund.

Der 'stern', sozialliberal und Fast-Hauspostille der Regierung greift den Verfassungsschutz an und fordert mehr Durchblick und Demokratie.

Linke sozialistische Blätter wenden sich gegen den Polizeiterror und die Kriminalisierung der Linken.

Springers 'Morgenpost' wettert gegen die zunehmende Kriminalität.

Jeder schreibt über dieselbe Sache aus einer bestimmten Anschauung heraus und mit einer bestimmten Absicht. Jede Zeitung hat ihr Image.

Die Neutralität ist da schon nicht mehr gewahrt, wo Redakteure unter verschiedenen Informationen auswählen, welche sie veröffentlichen.

Ein Blatt, das sich unabhängig nennt, ist nicht unabhängig von den Presseagenturen, vom Verleger, von den Anzeigengebern, von den Lesern.

Wir ziehen nicht die Folgerung, Meldungen sollten 'neutral' und 'ohne Wertung' sein.

Uns allen muß vielmehr klar werden, wessen Interessen in welchem Blatt vertreten werden.

DOS INFORMIERT IM INTERESSE DER STUDENTEN. DAS IST EINE WERTUNG, EINE RICHTIGE, WIE WIR MEINEN!"

Informiert wird über die:"
KOSTENLOSE RECHTSAUSKUNFT

Alle Studenten der PH Dortmund können sich kostenlos Rechtsauskunft einholen. Der AStA der PH hat zwei Rechtsanwälte unter Vertrag genommen.

Rechtsanwälte: Marbach und Bönig, 46 Dortmund, Westenhellweg 2, Telef. 529657, Sprechstunden Mo.-Fr. ab 14 Uhr 30 - 17 Uhr.

Der AStA übernimmt die Beratungskosten.

Sollte es aufgrund der Beratung zu einem Prozeß kommen, muß die Kostenfrage mit dem AStA diskutiert werden.

Jeder der sich beraten läßt, erhält in der Anwaltspraxis gegen Vorlage des Studentenausweises eine Karte, auf der die Beratung vermerkt wird. Diese Karte gibt er im AStA ab.

Die Finanzierung der Rechtsanwälte erfolgt aus dem Teil der Semestergebühren, der für die sozialen Belange der Studenten vorbehalten war (drei DM)."

Unter dem Punkt "PRESSESPIEGEL AUS DER HOCHSCHULE", werden verschiedene ungekennzeichnete Artikel aus (Hochschul-) Zeitungen, u.a. aus 'Reflektor' abgedruckt, die sich u.a. mit 'Numerus Clausus' (NC) und 'Zurückstellung der Studenten vom Grundwehrdienst' beschäftigen.
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 6, Dortmund 19.1.1972


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