23.02.1972:
Bei Hoesch Dortmund gibt die DKP frühestens in dieser Woche, laut Verteilerplan (vgl. 14.2.1972) heute ihre 'Heisse Eisen' (vgl. 14.2.1972, 22.3.1972) für Februar mit 6 Seiten DIN A 4 und folgendem Leitartikel heraus:"
JEDEN SPALTUNGSVERSUCH ZURÜCKWEISEN!
In Zusammenhang mit den Betriebsratswahlen (BRW - vgl. 18.4.1972, d.Vf.) stellte 'Heisse Eisen' dem Kreisvorsitzenden der Dortmunder DKP, Werner Groß, einige Fragen. Werner Groß hat mehrere Jahre auf den Werken Phoenix und Westfalenhütte gearbeitet. Auf der Westfalenhütte war er Vertrauensmann und wurde wegen seiner aktiven Gewerkschaftsarbeit von der Konzernleitung entlassen.
Hier die Fragen und Antworten:
'HEISSE EISEN':
Warum lehnt die DKP Listenwahlen bei den kommenden Betriebsratswahlen ab und unterstützt die IG Metall in ihrer Forderung nach einer gewerkschaftlichen Einheitsliste?
W. GROSS:
Die DKP ist nicht nur vor Betriebsratswahlen sondern immer für die gewerkschaftliche Einheit. Wir gehen von der einfachen Wahrheit aus, daß ALLE Belegschaftsmitglieder - unabhängig von ihrer parteipolitischen oder weltanschaulichen Auffassung - die gleichen Interessen haben und den gleichen Gegner - die Unternehmer. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, daß es etwa einen sozialdemokratischen, kommunistischen oder christlichen Lohn gibt. Alle Kollegen bekommen ihren Lohn auf der Grundlage der analytischen Arbeitsplatzbewertung (AAB, d.Vf.) und dem Tarifvertrag. Genauso ist es in allen anderen Fragen. Immer stehen die gemeinsamen Interessen der Arbeiter und Angestellten den gemeinsamen Interessen des Aufsichtsrates und der Direktion gegenüber. Die Belegschaft würde sich also ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie ihre gemeinsamen Interessen nicht einheitlich durchsetzen wollte.
Zum zweiten unterstützt die DKP die gewerkschaftliche Einheitsliste, weil dadurch die Persönlichkeitswahl gesichert ist, also jeder Kollege die Möglichkeit hat, diejenigen Kollegen zum Betriebsrat zu wählen, von denen er der Auffassung ist, daß die Interessenvertretung der Belegschaft in guten Händen liegt.
'HEISSE EISEN':
Es gibt einige sich kommunistisch nennende Gruppen, die offen zur Spaltung der Gewerkschaft aufrufen und statt die gewerkschaftliche Einheitsliste zu unterstützen, dazu aufrufen, zu den Betriebsratswahlen Spalterlisten einzureichen. Wie beurteilt die DKP diese Politik?
W. GROSS:
Zunächst einmal möchte ich sagen, daß es nur eine kommunistische Partei gibt, nämlich die DKP.
Alle anderen Gruppen benutzen das Wort 'kommunistisch' nur zur Tarnung ihrer antikommunistischen Politik der Spaltung. Mir ist bekannt, daß es zahlreiche Kollegen gibt, die angesichts des Auftretens mehrerer - sich kommunistisch nennender Gruppen, verwirrt sind und uns, die DKP, in einen Topf werfen mit allem was sich kommunistisch nennt. Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen der DKP und den anderen Gruppen besteht eben darin, daß die DKP stets für die gewerkschaftliche Einheit auftritt, während die Jungen und Mädchen von der 'Roten Westfalenwalze' (KPD/ML-ZB, d.Vf.), dem 'Roten Morgen' (KPD/ML-ZK, d.Vf.), der 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (KPD, d.Vf.) und anderen Arbeiterorganen offenbar ihre Hauptaufgabe darin sehen, diese gewerkschaftliche Einheit zu zerstören. Natürlich gibt es in der Belegschaft unterschiedliche Auffassungen über die Tätigkeit des Betriebsrates und die Politik der IG Metall. Aber das ist kein Grund für Listenwahlen und schon gar kein Grund für die Spaltung der Gewerkschaft. Die DKP ist jedenfalls der Auffassung, daß die Einheitsgewerkschaft und die Einheitsliste bei den Betriebsratswahlen die einzige Grundlage darstellt, die Interessen der Belegschaft erfolgreich durchzusetzen. Das wird ganz bestimmt nicht ohne Meinungsauseinandersetzung gehen, für die übrigens jedes DKP-Mitglied eintritt, aber solche Meinungsauseinandersetzungen dürfen 1. nicht durch Beschimpfungen ersetzt werden und müssen 2. dazu führen, daß Betriebsrat, Vertrauensleutekörper und Belegschaft gemeinsam für die Durchsetzung der Belegschaftsinteressen kämpfen.
'HEISSE EISEN':
Von den eben angesprochenen Gruppen wird die Behauptung aufgestellt, die gewerkschaftliche Einheitsliste sei eine getarnte Liste der SPD. Solche Kollegen wie Albert Pfeiffer, Walter Tebbe und Siegfried Rosentreter propagierten die 'arbeiterverräterische Politik der SPD-Führung' und 'die SPD-Clique im Betrieb mauschele eine reine SPD-Liste aus.' Was sagst Du dazu?
W. GROSS:
Selbst wenn das so wäre, würde die DKP aus den schon genannten Gründen für die Einheitsliste eintreten. Im übrigen vertritt die DKP folgenden Standpunkt: Es ist uns bekannt, daß die SPD-Führung versucht, mit Hilfe antikommunistischer Hetze zu erreichen, daß nur solche Kollegen in den Betriebsrat gewählt werden, die bereit sind, die Politik der SPD-geführten Regierung der Unterstützung des Großkapitals in den Betrieben fortzusetzen. Es ist uns aber ebenso gut bekannt, daß immer mehr Kollegen und auch immer mehr SPD-Kollegen erkennen, wohin die Reise geht.
Bei den letzten Demonstrationen und Streiks zur Durchsetzung der 10%-Forderung waren doch alle dabei, auch SPD-Kollegen und Funktionäre. Wenn sich z.B. die Kollegen Pfeiffer, Tebbe und Rosentreter nicht an die Spitze dieses Kampfes stellten, sondern einen anderen Standpunkt vertraten, so werden Belegschaft und Vertrauenskörper durch entsprechende Maßnahmen eben dafür sorgen müssen, daß die gewählten Vertreter die Meinung der Belegschaft respektieren. Außerdem hat die Belegschaft eben nur bei einer Einheitswahl die Möglichkeit, diejenigen Kollegen zu wählen, welche bereit sind, sich konsequent für die Interessen der Belegschaft einzusetzen und gegen arbeiterfeindliche Maßnahmen der SPD-geführten Regierung aufzutreten. Je umfassender der Vertrauensleutekörper und die gesamte Belegschaft aktiv in das gewerkschaftliche und innerbetriebliche Geschehen eingreifen, umso mehr wird der Betriebsrat zur Interessenvertretung der Belegschaft. Ich halte die Kollegen Pfeiffer, Tebbe und Rosentreter weder für 'Arbeiterverräter' noch für Könige. Ich möchte trotzdem sagen, daß auf Dauer kein König GEGEN das Volk und kein Betriebsrat gegen die Belegschaft regieren kann.
'HEISSE EISEN':
Außer von den vielen sogenannten 'kommunistischen Parteien' wird aus der entgegengesetzten Ecke der CDU/CSU versucht, auf die Betriebsratswahlen Einfluß zu nehmen. Wie steht die DKP dazu?
W. GROSS:
Bei genauerem Hinsehen ist festzustellen, daß es sich gar nicht um die entgegengesetzte Ecke, sondern um zwei Seiten einer Medaille - der antikommunistischen nämlich - handelt.
Der CDU/CSU-Ableger in den Betrieben, die CDA, wird von Katzer und Barzel vorgeschickt, um dafür zu sorgen, daß die Partei der Großunternehmen direkten Einfluß in der Belegschaft bekommt. Die Tatsache, daß die Belegschaften immer 'unvernünftiger' werden und sich die Freiheit nehmen, für die Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen zu streiken und auf die Straße zu gehen, jagt den Strauß, Barzel und Katzer - sowie den Auftraggebern in den Konzernen - einen mächtigen Schrecken ein. Also wird versucht, mit dem 'Kommunistenschreck' zu operieren. In sehr unchristlicher Manier wird mit Lügen und Verleumdungen versucht, das konsequente Eintreten der DKP für die Interessen der Arbeiter und Angestellten als 'heimlichen Versuch' hinzustellen, 'Freiheiten' zu zerstören. Die 'Oberchristen' Barzel, Strauß und Katzer wissen sehr wohl, daß bei Verwirklichung einer Politik, wie sie die DKP vorschlägt, die 'Freiheit' der Großaktionäre vom Schlage Abs auf Kosten der Belegschaft Geschäfte zu machen, rigoros eingeschränkt würde. Das ist der wahre Grund dafür, daß 'Knüller' erfunden werden, um die DKP zu bekämpfen.
Die Herren Bleja und Högger (verantwortlich für die CDA-Zeitung 'Knüller') rufen auf zu einer 'Aktion Solidarität' gegen den 'Radikalismus in unseren Betrieben' und schlagen auf die DKP, wohlwissend, daß die DKP als einzige Partei gegen die radikale Profitsucht der Unternehmer auftritt. Auch daran zeigt sich, daß die CDA eine Schutzfunktion für die Profitmacherei des Kapitals ausübt, indem sie von den in Wahrheit radikalen Unternehmern und ihren Praktiken ablenken will. Genau das Gleiche versuchen die schon erwähnten sogenannten 'kommunistischen Parteien' der verschiedensten Schattierungen. Indem sie die Gewerkschaften spalten wollen, SPD-Genossen beschimpfen und die DKP bekämpfen, unterstützen sie die Unternehmer. Eben darum sind sie und die CDA die zwei Seiten der antikommunistischen und arbeiterfeindlichen Medaille der Unternehmer.
Die Belegschaft der Hoesch-Hüttenwerke sollte sich weder durch diese Kräfte, noch durch den Antikommunismus der SPD-Führung davon abhalten lassen, einheitlich und geschlossen für die Durchsetzung ihrer eigenen Forderungen zu kämpfen und jeden Spaltungsversuch energisch zurückweisen."
In einem Leserbrief wird auf die Lehrlinge eingegangen (vgl. 1.2.1972), berichtet wird auch vom Flugplatz Drensteinfurt und ein letzter Artikel lautet:"
FREIHEITLICHE DEMOKRATIE
In der Regierungserklärung 1969 sagte Bundeskanzler Brandt: ' Laßt uns mehr Demokratie wagen!' In vielen Städten der BRD wurde und wird mehr Demokratie gewagt. Zehntausende Bundesbürger protestieren in demonstrativer Form auf den Straßen gegen die unsozialen Preiserhöhungen der öffentlichen Verkehrsmittel. Hunderttausende bekundeten durch ihre Unterschriften ihren Protest. Aber wie reagieren die Staatsorgane? Gerade in jüngster Zeit können wir wieder erleben, wie in Hannover (in Niedersachsen, d.Vf.), der Geburtsstadt des Roten Punktes, junge Menschen, Männer und Frauen von der Polizei niedergeknüppelt und festgenommen werden. Warum? Weil sie sich nach dem Motto: 'Laßt uns mehr Demokratie wagen' aufgerafft haben zum Kampf gegen die Preisflut, gegen ein weiteres Absinken des Lebensstandards. Viele dieser Demokraten wurden von 'freiheitlich-demokratischen' Gerichten zu hohen Geldstrafen verurteilt. Zum Roten Punkt in Hannover hat man jetzt den letzten Knüller losgelassen. Sind es doch wieder die bösen Kommunisten von der DKP, laut Fernsehen, die den Roten Punkt machen, hierzu alle Flugblätter liefern und hiermit die freiheitliche Demokratie in der BRD zerstören wollen! Also: Wer sind nun die Demokraten?
Diejenigen, die laut Brandt mehr Demokratie wagen, für die Rechte des arbeitenden Menschen kämpfen und hier werden die Kommunisten stets in der vordersten Front stehen. Oder sind es diejenigen, die sich den Profitinteressen des Großkapitals untergeordnet haben, die auch die kommunalen Einrichtungen zu profitträchtigen Unternehmen machen möchten. Also: Wer gegen das Profitstreben der Konzerne, der kommunalen Verwaltungen und wo auch immer, sich für den arbeitenden Menschen einsetzt, ist Kommunist. Wer mehr Demokratie wagt, ist Kommunist und gefährdet die 'freiheitliche demokratische Ordnung'! Willy Brandt auch?"
Von der KPD/ML-ZB wird diese Ausgabe im Zusammenhang mit der Aufstellung der Kandidaten zu den Betriebsratswahlen durch die IGM-Vertrauensleute (vgl. 29.2.1972) und der Aufstellung einer zweiten Liste (vgl. 9.3.1972) kommentiert.
Q: Heisse Eisen Jeden Spaltungsversuch zurückweisen!, Dortmund Feb. 1972; Die Rote Westfalenwalze ohne Titel und Jetzt erst recht, Dortmund 3.3.1972 bzw. O. J. (März 1972), S. 2 bzw. S.1f;DKP-BGs Hoesch Westfalenhütte, Phoenix und Union: Herausgabe- und Verteilerplan für Heisse Eisen, o.O. (Dortmund) O. J. (Feb. 1972), S. 1