Hochschule und Klassenkampf - Organ des Spartakus (Bochum), Sondernummer (Januar 1971)

Januar 1971:
Vermutlich Anfang des Jahres erscheint eine "Sondernummer" von "Hochschule und Klassenkampf - Organ des Spartakus (Bochum)" (vgl. Okt. 1970) heraus. Die Redaktion besteht aus K.-M. Bogdal, R. Farle, M. Müller, P. Schöttler und J. Thilo.

Artikel der Ausgabe sind:
- "Zur Lehrerausbildungsreform"
- "Hochschulformierung"
- "Zur Strategie der Studentenbewegung"
- "Offener Brief an J. Schmierer-Robert Steigerwald"
- "Fragen des dialektischen Materialismus"

In "Zur Strategie der Studentenbewegung" heißt es u. a.: "Anders als an anderen Universitäten wird in Bochum eine Diskussion über die weiteren Perspektiven der demokratischen und sozialistischen Studentenbewegung kaum geführt. Eine solche Diskussion wäre jedoch notwendig zur Überwindung der gegenwärtigen Zersplitterung der Linken mit dem Ziel der Einbeziehung größerer Teile der Studentenschaft in den Kampf gegen die Hochschulformierung im Monopolinteresse. Im folgenden soll nun- wenn auch notwendig unzulänglich-die Konzeption einer gewerkschaftlich orientierten Hochschulpolitik dargelegt werden. Den Ausgangspunkt unserer Überlegungen bildet folgende These: trotz Klassenspaltung der Studentenschaft und ideologisch verzerrter Widerspiegelung des Formierungsprozesses sind die Studenten insgesamt interessiert an
- der Sicherung vorhersehbarer Arbeitsplätze,
- einer Ausbildung, die den einmal erlangten Arbeitsplatz über einen längeren Zeitraum zu erhalten gestattet,
- der Ermöglichung einer weit gespannten Disponibilität, die u.U. ein Kontaktstudium mit einschließt,
- einer wissenschaftlichen Ausbildung frei von bürgerlicher Apologetik,
- einer familienunabhängigen finanziellen Unterstützung des Studiums,
- und am Abbau der durch die Hochschulformierung weiter verschärften Konkurrenzsituation innerhalb der Studentenschaft und des sich verstärkenden Leistungsdrucks.

Hinzu kommt, dass der größte Teil der naturwissenschaftlich technischen Studenten später in einer den Bedingungen der Arbeiterklasse angenäherten Stellung arbeiten wird. All dies spricht für die Möglichkeit der Entstehung gewerkschaftlichen Bewußtseins bei der Mehrheit der Studenten.

Ob und in welchem Umfang sich dieses jedoch herausbilden wird, hängt wesentlich von der Politik der demokratischen und sozialistischen Studentenbewegung und ihres marxistischen Kerns, des Spartakus, ab. Gerade weil sich die Interessen des überwiegenden Teils der Studentenschaft - tendenziell Interessen der Arbeiterklasse im spätkapitalistischen System nicht endgültig realisieren lassen und die unmittelbare Konfrontation mit dem staatsmonopolistischen System in spezifischen Konflikten an der Universität ihren Ausdruck findet, die von den politischen Gruppierungen unterschiedlich verstanden und beantwortet werden, muß dieser Kampf um materielle Interessen zugleich politisch-ideologisch geführt werden. Anders als in der direkten Klassenkonfrontation in den Betrieben kann sich ein so verstandenes gewerkschaftliches Bewußtsein nur im politischen Kampf gegen die Hochschulformierung einstellen. Im Gegensatz zu Spartakus leitet die Junge Garde (JG der IAK, d.Vf.) aus dieser gewerkschaftlichen Orientierung unmittelbar die Tageslosung Aufbau einer Studentengewerkschaft ab, ohne Analyse des gegenwärtigen Reifegrades der Bewegung. Dieser Losung zu folgen, hieße lediglich ein Häuflein Linker mit einem neuen Etikett zu versehen.

In Wirklichkeit bedeutet eine im obigen Sinne gewerkschaftliche Orientierung lediglich die Forderung nach einer möglichst breiten Aktionseinheit im Antiformierungskampf, in dessen Verlauf entsprechend der Stärke der Bewegung irgendwann einmal der Aufbau einer Studentengewerkschaft notwendig und möglich wird …

Niemand anders als gerade der Bund Freiheit der Wissenschaft (BFdW, d. Verf.) polemisierte in seinem Gründungsaufruf gegen eine solche Mitbestimmung, die verstanden wird als reale Einflußnahme zur Durchsetzung solcher Ziele, die im Interesse der Mitbestimmenden, d. h. Kämpfenden liegen und eine weitere Entfaltung der demokratischen und sozialistischen Bewegung ermöglichen. Er fordert radikal die Alleinbestimmung der Ordinarien dort, wo es wirklich um Lehre und Forschung geht. Zu deutlich zeichnet sich schon am Beispiel West-Berlins die Perspektive einer Aufweichung des reaktionären Lehrkörpers ab. Aber auch einige linke Gruppen widmen der Problematik der Mitbestimmung in letzter Zeit größere Aufmerksamkeit. Die Absicht des jetzt vorherrschenden Teils des Großkapitals auf Systemintegration durch Gewährung formaler Mitwirkungsrechte verwechseln sie mit den tatsächlichen Ergebnissen dieser Politik. Ob nämlich diese Integration gelingt, hängt wesentlich von denen ab, die integriert werden sollen. Nutzen diese ihre Beteiligung an Gremien aktiv, um deren verschleiernde Funktion zu enthüllen und um Informationen zu gewinnen, können sie auf diese Weise zur Stärkung der außerhalb der Gremien stehenden Bewegung beitragen.

Lenin schrieb im Bewußtsein dieser Dialektik: Die Revolutionäre werden natürlich nie auf den Kampf für Reformen, auf die Eroberung einer, sei es auch unwichtigen und untergeordneten Position des Feindes verzichten, wenn diese Position den revolutionären Ansturm verstärkt und den vollständigen Sieg erleichtert. Aber sie werden auch nie vergessen, dass es Fälle gibt, wo der Feind selber eine bestimmte Position aufgibt, um die Angreifer zu spalten und leichter zu zerschlagen. Sie werden nie vergessen, dass die Bewegung nur dann vor falschen Schritten und schmählichen Fehlern bewahrt werden kann, wenn man das Endziel stets im Auge behält, wenn man jeden Schritt der Bewegung und jede einzelne Reform vom Standpunkt des allgemeinen revolutionären Kampfes beurteilt. (Lenin Werke, Dietz Verlag, 5/66-67).

Zugegebenermaßen ist dies in der politischen Praxis äußerst schwer zu realisieren. Aus der Erfahrung, dass die Arbeit in Gremien ohne die Existenz einer Bewegung außerhalb sinnlos weil unverwertbar sein muss, ziehen sie wie z.B. die Junge Garde den falschen Schluß, dass die Gremien (allerdings nur für sie!) erledigt seien und es nun allein darauf ankomme, die unabhängige Organisierung, d.h. den Aufbau der Studentengewerkschaft voranzutreiben. Nur zu verständlich, dass die Junge Garde auf dem VDS Kongress mit einer Resolution auftauchte, in der es heißt: Die opportunistischen Studentengruppen SHB und Spartakus bremsen die Studenten, indem sie sie isoliert halten innerhalb dieser Gesellschaft, sie abwenden vom politischen Kampf und auf Mitbestimmung einengen. Sie versuchen krampfhaft die kleinbürgerliche Protestbewegung der letzten Jahre zu verlängern. Das ist das Wesen dieses Kongresses! … Die revolutionäre Jugendorganisation JUNGE GARDE kämpft für eine nationale Jugendversammlung Mitte Februar, auf der wir den politischen Kampf führen müssen für eine Arbeiterregierung auf der Grundlage einer sozialistischen Politik.

Eine köstliche Perspektive! Auf einer Versammlung will die Junge Garde kämpfen; und für eine sozialistische Arbeiterregierung noch dazu; und das alles anstelle des Kampfes um Mitbestimmung dort, wo die Entfaltung antimonopolistischer Aktionen möglich ist. Diese Fehlorientierung wirkt sich im Augenblick nicht allzu sehr aus, weil die Ansätze zu einer gewerkschaftlichen Politik in den Abteilungen und Fachschaften noch sehr schwach sind die Junge Garde so gut wie keinen Einfluss darauf auszuüben vermag …

Für die weitere Strategie gilt es längerfristig die gewerkschaftliche Orientierung des Kampfes v.a. auf Abteilungsebene wirksam werden zu lassen. Zwar ist richtig, dass die eigentlichen Entscheidungen unkontrolliert auf oberster Ebene durch die Monopolvertreter im Staat gefällt werden, realisiert werden müssen sie jedoch in den Abteilungen. Hier liegt der eigentliche Ansatz für eine perspektivische Studentenpolitik: In Anknüpfung an die unmittelbaren fachspezifischen Probleme der Studenten kann und muß ihnen auch der Horizont zur Erkenntnis der politischen Ursachen eröffnet werden. Nur in der Vermittlung von fachspezifischen Auseinandersetzungen mit dem allgemeinen politischen Kampf entsteht Bewußtsein über die eigene Situation-als Vorbedingung zur Erkenntnis der antagonistischen Klassengegensätze im Monopolkapitalismus - kann auch der Kampf tatsächlich gemeinsam mit den Organisationen der Arbeiterklasse geführt werden.

Spartakus hat daher in diesem Semester Abteilungsgruppen gebildet, die notwendigerweise erst am Anfang einer außenwirksamen Praxis stehen. Wenn die politische Grundrichtung einer gewerkschaftlichen Orientierung such von den anderen linken Gruppierungen eingeschlagen wird, kann es sicherlich längerfristig zu einer Koordination dieser Initiativen und einer wirksameren Gestaltung des Antiformierungskampfes kommen. Alle anderen Ebenen des Kampfes (AStA, Projektbereiche, zentrale Gremien usw.) sind dieser Perspektive unterzuordnen."

Geworben wird für die "UZ" Aufgerufen wird zu den Schulungen des Spartakus.
Q: Hochschule und Klassenkampf - Organ des Spartakus (Bochum). Sondernummer, Bochum, o. J. (Januar 1971).

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