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Bereits am 28. Februar 1962 unterzeichneten anlässlich der VIII. Westdeutschen Kurzfilmtage 26 Filmemacher das sog. „Oberhausener Manifest“. Ausgehend von der Situation des westdeutschen Kinomarktes, der durch die „volksverdummenden Konfektionsfilme“ bestimmt war, verlangten sie die „Förderung von qualitativ besseren Filmen“. Sie propagierten das „Kino der Autoren“. Unter der Parole „Alle großen Filme der Filmgeschichte sind Autorenfilme“ schlossen sich Filmemacher zusammen, um als Autoren, Autorenfilme zu produzieren.
In der folgenden Zeit wurde das „Kuratorium junger deutscher Film“ (1965) gegründet, eine Filmabteilung an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, die Gründung der DFFB, deren Auftrag es war, für den Film und das Fernsehen Nachwuchs auszubilden. Parallel dazu gewannen auch verschiedene Filmzeitschriften an Bedeutung (Filmkritik, Film, Filmstudio, Kino usw.). Sie sahen ihre Aufgabe darin, „die Forderungen und Ziele der Oberhausener zu vermitteln“.
Auf den VIII. Westdeutschen Kurzfilmtagen protestierten Filmstudenten aus Berlin und Ulm gegen das „Filmförderungsgesetz“ und die bevorstehende Gründung der „Filmförderungsgesellschaft“. Das „Filmförderungsgesetz“ sollte Filmproduzenten subventionieren, deren Filme 500.000 DM eingespielt hatten. Die Studenten strebten „eine Einheitsfront aller Filmemacher gegen diese Filmförderungsmaßnahmen“ an. Schon auf dem Experimentalfestival in Knokke (1967) stellten viele Beteiligte die Überlegung an, wie man den Film „im Kampf gegen den Imperialismus“ einsetzen könnte. Filmemacher trafen sich auch auf dem „Internationalen Vietnamkongress in Westberlin am 17./18. Februar 1968.
Studenten der Berliner Filmakademie erklärten dort: „Wir haben die Aufgabe, dem reaktionären Film einen revolutionären Film entgegenzustellen. Das schließt aus, den bestehenden Produktions- und Reproduktionsapparat nur zu modifizieren, die bestehenden ästhetischen Normen lediglich zu verfeinern und mit sozialistischen Zitaten zu schmücken. Politik darf für uns nicht länger der nützliche Idiot des Films sein. Einen Ansatz schaffen, heißt, einen kollektiven Lernprozess einzuleiten, in ihm die Individuation der Filmemacher aufzuheben. Wir müssen klären, wie die Polarität zwischen politischer und filmischer Aufgabenstellung in der Praxis aufzuheben ist. Wir müssen klären, auf welcher ökonomischen Basis, in welcher Produktions- und Organisationsform dies zu leisten ist. Wir müssen klären, wie der revolutionäre Film mit seiner Aufgabenstellung aus der konkreten politischen Situation erwachsen kann ...“
Das Ergebnis der Tagung gipfelte in einem „Informations- und Erfahrungsaustausch der Arbeit der verschiedenen Filmgruppen und einzelner Filmemacher“. Einigkeit bestand auch darüber, dass man nicht mit „Revisionisten zusammenarbeiten wolle“.
Im Frühjahr 1968 dürfte auch die erste Hamburger Filmschau stattgefunden haben, auf der sich die „Hamburger Coop“ konstituierte. Sie orientierte sich am „New American Cinema“, einer Gruppe von unabhängigen Filmemachern in den USA, die sich für ihre Filme einen unabhängigen Markt geschaffen hatten, indem sie ihr eigenes Kino unterhielten.
„Resultierend aus den Repressalien innerhalb des Kulturbetriebes, verbunden mit ökonomischer Unsicherheit, gründeten westdeutsche Filmemacher die Cooperative Hamburg, mit dem Ziel, ein vom tradierten Markt unabhängiges, nicht gewerbliches, genossenschaftlich strukturiertes Verleihnetz zu schaffen ... Die Coop-Filmer stellten Produkte für Minderheiten her, reproduzierten individualistische Eigenschaften ...“
Im Frühjahr 1968 besetzen auch Filmstudenten die DFFB. Im Herbst 1968 wurde nach Etatkürzungen „die Hochschule für Gestaltung in Ulm“ geschlossen. In Westberlin wurden 18 Filmstudenten relegiert. Eine Gruppe dieser Filmstudenten begründete 1969 das „Rosta Kino“, einen Filmverleih. Seine Aufgabe war es, „den gezielten Verleih progressiver politischer Filme zu organisieren“. Signal dafür waren wohl die „Septemberstreiks 1969“, die zeigten, „wo der Kampf gegen das kapitalistische System einzig wirksam ausgetragen wird“.
Das „Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“ gründete sich 1970 unabhängig vom ROSTA. Es beantragte beim „Kuratorium junger deutscher Film“ „Vertriebsförderungen“.
„Die Vertriebsform bestimmt wesentlich die Relevanz der Arbeit des Filmemachers; sie stellt seine Beziehung zum Publikum dar. Diese Beziehung ist innerhalb der herkömmlichen Vertriebspraxis nicht als unmittelbare möglich, sondern ist eine durch die Marktmechanismen determinierte und damit distanzierte Beziehung. Darum können wir die Vertriebsform nicht nach traditionellem Muster übernehmen. Sie ergibt sich allein aus der inhaltlichen Bestimmung der Projekte, die gleichzeitig konkrete Basisarbeit sind ...
Basisarbeit heißt für den Filmarbeiter zuerst, dass er nicht wartet, bis ein Publikum zu ihm kommt, sondern dass er zum Publikum geht und mit ihm in einem gemeinsamen Arbeits- und Lernprozess die konkreten Interessen politisch artikuliert und damit die Trennung Ton, Filmemacher und Publikum aufhebt. Es ist daraus einsichtig, dass hierfür das etablierte System der Abspielmöglichkeiten nicht ausreichen kann, dass mobile Apparaturen benötigt werden. Das wären aus Gründen der notwendigen Schnelligkeit und Beweglichkeit Ampex-Verfahren und Kinomobil.
Die bisherigen Vertriebsformen zementieren autoritär bestimmte Rezeptionsweisen. Es wird eine unkritische Konsumentenhaltung produziert, die das Realisieren objektiver Interessen verhindert. Ursache hierfür ist der Film als Ware, die Notwendigkeit, Profit zu machen. Darum muss dem Film, soll eine Änderung erreicht werden, sein Warencharakter genommen werden, damit er nicht nur zu einem scheinbaren, sondern zu einem wirklichen Kommunikationsmittel wird.“
Von den Mitgliedern des Kollektivs wurden im letzten Jahr 4 Filme hergestellt:
Offenbar gab es im Winter 1971/72 Kontakte der KPD/ML-ZB mit dem „Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“. Ausgangspunkt für eine mögliche Zusammenarbeit soll die Frage gewesen sein, inwieweit „die Partei“ Mittel aus einem Filmpreis (25.000 DM) „zur Finanzierung dringender Aufgaben erhalten kann“.
Aus einem „Kurzprotokoll“ geht allerdings hervor, dass das ZB offenbar keine Perspektive in dieser Frage hatte. So sei ihr Verhältnis zum Film „kleinbürgerlich“. Was einzelne Projekte anbelangt, so das Protokoll, „haben sie sich keine wirklichen ideologischen Grundlagen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung angeeignet, was Filmarbeit für Agitation und Propaganda leisten können, wie kommunistische Parteien mit Filmen arbeiten usw.“. Vielmehr bliebe es „bei Einzeleinfällen“, es käme „keine Konzeption dabei heraus“.
Was die „finanzielle Seite anbelangt“, so hätten sich die Genossen „von sich aus nie um klare Verhältnisse bemüht“. Zum „bürgerlichen Kulturbetrieb Film, Parteifilm … und Parteifinanzierung bestehen keine klaren Beziehungen“. Alles gehe „subjektivistisch durcheinander“.
Das „Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“ hätte bisher vom ZB und KJ-Inform „keine grundlegende Anleitung bekommen“. Untersucht werden müssten die Fragen:
„… der Film als Mittel der Agit.-Prop in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Was Agit.-Prop ist, sollen sie unabhängig von einzelnen bestimmten Projekten versuchen, sich über die Filmarbeit der KPD aus historischen Quellen zu informieren, dabei (sich) auch nach theoretischen Quellen zu diesem Problem umsehen, um sich einen Standpunkt zu erarbeiten … Sie sollten weiterhin anhand ihrer Erfahrungen mit der staatlichen Filmförderung in der BRD u. a. aufzeigen, wie hier auf dem kulturellen Sektor der Staat als Unterdrückungsapparat gegen die Arbeiterklasse eingesetzt wird. Nur so können sie sich von kleinbürgerlich-radikalen und reformistischen Illusionen über halblinke Filmerei wirklich befreien, uns aber gute Mittel zur allseitigen Entlarvung des Staatsapparates liefern.
Schließlich sollen sie auf die revisionistische Kultur- und besonders Filmarbeit achten, sollen einzelne Revi-Filme (z. B. ‚Rote Fahnen sieht man besser‘) in ihrem Kollektiv kritisieren, um sich dazu einen ml-Standpunkt anzueignen und um zugleich solche ‚Rezensionen‘ für die RF oder den KND zu verfassen, was unsere ideologische Arbeit gut unterstützen kann …
Was die Finanzielle Seite (des Preises) jetzt angeht, haben wir folgendes vereinbart: Die Summe wird in 3 Teilen geteilt, einen für einen als Beleg für den Preis nötigen neuen Film, einen für den nötigen Lebensunterhalt, einen als Parteispende …
Wir wollen Filme machen, die die objektive Situation unserer Gesellschaft reflektieren, der Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital und die Notwendigkeit, diese Situation durch die Diktatur des Proletariats zu verändern. Von dieser Position aus versuchen wir, an den öffentlichen Förderungsmöglichkeiten in Bezug auf Filmförderung und Vertriebsförderung zu partizipieren …
Filme für die Partei (gemeint war die KPD/ML-ZB, d. Vf.) sind nur möglich mit der Partei. Als wir in die Partei kamen, haben wir viele praktische Vorschläge und Anregungen gemacht. Wir haben gefilmt, wie die Partei sich praktisch darstellt, bei Kurzkundgebungen, Demonstrationen, beim Verteilen, beim Drucken. Teile dieser Aufnahmen konnten auch in Veranstaltungen der Partei eingesetzt werden. Während der MTR (vermutlich war die Tarifrunde 1971 gemeint, d. Vf.) schaltete sich das ZB in die Filmarbeit ein, ein zentraler Film über die MTR sollte erstellt werden.
Einige Genossen aus Berlin waren an diesem Projekt beteiligt. Der Film wurde abgebrochen, a) durch den Verlauf, den die MTR nahm, b) durch die Schwierigkeiten, die Bedeutung und Rolle der Partei im Film konkret darzustellen, c) weil keine grundlegenden Prinzipien da waren, wie die Partei mit dem Film arbeiten kann, wie diese Filme auszusehen haben …
Das ZB hatte damals klar gesagt, erst werde es eine grundlegende Analyse erarbeiten, von der ausgehend die Arbeit mit dem Film bestimmt werden soll.“
Aktuelle Projekte des Kollektivs sind: „Einstündiger Film über die Ausbildung von Jugendlichen im Erziehungsheim bei Opel (Rüsselsheim), in der Bundeswehr und im Gefängnis (daran haben hessische KJVD-ler mitgewirkt) … Wir können Skripte bekommen (haben um Zusendung gebeten) … Demnächst können die Genossen den Film in Bochum vorführen … Eine Genossin (Schülerin der Filmakademie) plant einen Film ‚… über Lehrlinge‘ … zusammen mit dem KJVD Westberlin …“
Im Frühjahr (bis ca. Mai) 1971 begann das „Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“ damit, den Film „Akkordarbeiterin beim Osram-Konzern“ für die URBS herzustellen. Den Auftrag dazu hatte das Kollektiv von der Stadt Wuppertal erhalten. Der Film sollte „der Arbeiterklasse dienen“ und den „Stand der Klassenkämpfe darstellen“. Er zeigte den „Gruppenakkord ausländischer Arbeiterinnen“. Am Beispiel „einer Arbeiterin im Einzelakkord“ wurden die Themen: „Unsicherheit des Arbeitsplatzes ... Arbeitshetze ... schlechte Bezahlung“ behandelt.
Interessant war, dass die KPD/ML-ZB Parolen „Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung - Die geschlossene Kampffront der Arbeiterklasse“ und „Kampf dem Lohndiktat“ hier als Losung auftauchten. Die „SPD-Stadtverwaltung“, so das Flugblatt, „verbot im Interesse der Arbeitgeberverbände die Vorführung des Films und forderte das für die Produktion bezahlte Geld zurück“. Am 3. Juli 1971 wurde der Film in Westberlin uraufgeführt.
„Lernt Albanien kennen“ oder „Lernen Sie Albanien kennen“ war ein Film von David Slama und dem „Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“. Produktion: „Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin und Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“. Der Film wurde im Sommer 1972 fertig gestellt.
Der Film „Die Hauptsache ist, dass man zu lernen versteht“ wurde im Herbst 1971 im Erziehungsheim „Staffelberg“ vom „Kollektiv Westberliner Filmarbeiter“ gedreht. Er sollte einen Überblick über die „Erziehung und Ausbildung im Heim“ geben und vor allem vor der Illusion warnen, dass die „Heimerziehung reformierbar“ sei. Die Vorführung fand am 28.3.1972 in Westberlin statt.
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