Rote Presse-Korrespondenz, 1. Jg., Nr. 20, 4.7.1969

04.07.1969:
Die Nr. 20/1969 der „RPK“ erscheint. Inhalt der Ausgabe ist:
- ROTZEG. Rote Zelle Germanistik gegründet
- Rolle der ausländischen Arbeiter
- Zum Streik bei ARWA
- Hannover: Unabhängige Lehrlingsgruppe gegründet
- Zum Ausländerrecht
- Cuba
- Sozialistisches Zentrum in Westberlin
- Presseerklärung.

Im Artikel „ROTZEG. Rote Zelle Germanistik gegründet“ heißt es u. a.: „Die ROTE ZELLE GERMANISTIK wird ein Bestandteil der neu zu gründenden Massenorganisation sein. Ihre Organisation kann daher nur im Zusammenhang mit den Aufgaben der Massenorganisation diskutiert werden. In der Frage der Massenorganisation, die in ihrer ersten Etappe hauptsächlich aus Studenten bestehen wird, werden zwei falsche Positionen vertreten:

1. Die eine Position vertritt die Auffassung: ‚Wir müssen die Massenorganisation jetzt bilden, weil das Hochschulgesetz verabschiedet und damit die zentralen studentischen Organe zerschlagen werden‘. Diese Position tendiert dazu, die Aufgaben der Massenorganisation in der syndikalistischen Vertretung studentischer Interessen gegenüber der Hochschul- und Staatsbürokratie zu sehen und damit den Kampf an der Universität zu fixieren.

2. Die zweite Position vertritt das andere Extrem. Sie sagt: Wir müssen die Arbeiterklasse organisieren. Deshalb ist der Kampf an der Universität anachronistisch‘. Dies ist eine falsche Konsequenz aus einer richtigen Einsicht. Aus zwei Gründen: 1. Im gegenwärtigen Vorbereitungsstadium des Klassenkampfes hat der Kampf an der Universität die Aufgabe, die radikale bürgerliche Intelligenz beständig zu mobilisieren und für ihre initiierende bzw. unterstützende Funktion im Klassenkampf vorzubereiten. 2. Der Klassenfeind ist durch die vielfältigen Vermittlungsinstanzen des Monopolkapitalismus so wenig als konkreter Gegner greifbar, dass der abstrakt festgehaltene Grundwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, der nach wie vor in der Fabrik seinen brutalsten Ausdruck findet, sich nicht ausschließlich aus Betriebskonflikten entfalten lässt.

Die Frage: Was ist Klassenbewusstsein? muss sich auf die Gesamtverfassung des proletarischen Lebens beziehen und neben der direkten Ausbeutung und Disziplinierung im Betrieb, neben den direkten Unterdrückungsinstanzen Bürokratie, Justiz, Polizei verstärkt auch die indirekten Unterdrückungsinstanzen Familie, Schule, Wohnverhältnisse, Ausbildung berücksichtigen. Veränderung des Kampfes an der Universität nach den Erfordernissen des Klassenkampfes kann deshalb nicht nur heißen, dass die Schulung studentischer Kader für die Betriebsarbeit vorangetrieben wird und noch mehr Genossen in die bestehenden Basisgruppen gehen. Die Arbeit an der Basis muss ebenso sehr unterstützt werden durch forcierte Anstrengung im Ausbildungssektor, durch den verstärkten Kampf in den Apparaten. Dies ist der Punkt, an dem die in der Massenorganisation arbeitenden Studenten die Transformation in eine sozialistische Massenorganisation leisten können: die Berufspraxis. Unter diesem Gesichtspunkt behält der Kampf an der Universität unvermindert strategische Bedeutung.“

Dazu werden auch „Statuten der Rote Zelle Germanistik“ veröffentlicht.

Der Artikel „Sozialistisches Zentrum in Westberlin“ führt u. a. aus: „In Westberlin soll ein Zentrum aller an der Basis arbeitenden Gruppen gegründet werden. Dass die Basisgruppen ein ständiges Büro brauchen, das die technische Koordination gewährleistet, dass die Gruppen über einen größeren Versammlungsraum für ihre Diskussionen verfügen müssen, bedarf keiner besonderen Begründung. Doch rechtfertigen die technisch organisatorischen Notwendigkeiten noch nicht ein so umfangreiches Projekt, wie es von den Basisgruppen in Zusammenarbeit mit dem RC entworfen worden ist. In der Tat wäre es möglich, von den Anforderungen eines technischen Apparates ausgehend, das derzeitige Provisorium noch zeitweilig beizubehalten.

In ihrem Konzept eines sozialistischen Zentrums gehen die Basisgruppen aber davon aus, dass neben den organisatorischen Bedürfnissen der Gruppen Bedingungen geschaffen werden, die dazu beitragen, dass sich proletarisches Milieu, das von kapitalistischem Konkurrenz- und Leistungsprinzip zusehends zerstört wird, entwickeln kann.

Die Kommune I, die in ihrem Fabrikgebäude schon einmal versuchte, rigider Organisation und abstraktem Seminarbetrieb ein spezifisches unverbindliches Milieu entgegenzusetzen, musste mit ihrem Vorhaben deshalb scheitern, weil sie dem individualistisch bürgerlichen Prinzip der Trennung von autoritär strukturierter Leistung und Lust ein nur negativ an bürgerlichen Normen orientiertes unverbindliches ebenfalls individualistisches Prinzip entgegensetzte. Das sozialistische Zentrum hätte aber die proletarischen Bedürfnisse nach verbindlicher Organisation und gezielter Schulung zu gewährleisten und in der Schulung nicht nur Formen kollektiver Arbeit und kollektiven Lernens zu entwickeln, sondern mit Schulung auch kulturelle Bedürfnisse mit aufzunehmen. Der unbestimmte Begriff des ‚proletarischen Milieus‘ müsste in Zusammenarbeit mit den Lehrlingen und Jungarbeitern konkreter bestimmt werden durch die Mobilisierung kultureller Phantasie …“

Reklame wird in der Ausgabe für die „SoPo 2“ gemacht.
Q: Rote Presse-Korrespondenz, Nr. 20, (West-) Berlin, 4.7.1969.

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