Die Debatte über die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 7.7.2012

Die Debatte über die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti) in der westdeutschen Linken verläuft doppelgleisig. Bereits die ideologische Provenienz der Unione ist umstritten, während die einen sie als Marxisten-Leninisten erachten sehen die anderen sie als Trotzkisten (vgl. Mai 1968, Okt. 1968).

Nach Kontakten zwischen bundesdeutschen Vertretern und der Unione (vgl. Juli 1969, Aug. 1969) wird das Unione-Konzept in der westdeutschen und Westberliner Linken breit debattiert (vgl. Sept. 1969), auf der RPK-Arbeitskonferenz ist es in Form des Schneider / Bubenzer-Papiers der Marxisten-Leninisten Wesberlin präsent.

Einige Gruppen, wie die Berliner Projektgruppe Elektroindustrie (PEI), die Vorläuferin der Proletarischen Linken / Parteiinitiative (PL/PI - vgl. 26.1.1970, 6.2.1970, März 1970, 17.5.1970) und deren Bonner Freunde (vgl. 8.11.1969), aber auch die Betriebsgruppe 1 des SDS Bochum (vgl. Jan. 1970, 1.1.1970, Feb. 1970) beziehen sich positiv auf die Unione, in der 'Roten Presse Korrespondenz' (RPK - vgl. 13.2.1970) erscheint der grundlegende Unione-Text: "Die Durchführung einer Betriebsuntersuchung".

Innerhalb der ab Anfang 1970 zerfallenden KPD/ML aber wird die Unione schnell zum Schreckgespenst und Blankoargument gegen alle jene, die den eigenen Plänen im Weg stehen, wobei nicht zuletzt der KAB/ML (vgl. März 1970, Juni 1970, Juli 1970) und Willy Dickhut (vgl. 14.2.1970, Feb. 1971) sich immer wieder gegen die Unione und deren angebliche Anhänger aussprechen, wobei neben Gerd Genger auch Ezra Gerhard als einer dieser benannt wird.

Bei der Gründung der Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (SDA) dagegen wirft die KPD/ML-Zentralbüro dem Widersacher Ezra Gerhards, 'Reto' vor, ein "Unione-Agent" zu sein (vgl. 15.7.1970). Dieser Vorwurf scheint also relativ beliebig erhoben worden zu sein.

Eine konkrete Zusammenarbeit mit der Unione in Form von Informationsaustausch erfolgt in Regensburg aufgrund der gemeinsamen Betriebsarbeit bei Siemens (vgl. 26.4.1971)

Danach aber sind, was unserer unvollständigen Quellenauswertung geschuldet sein mag, nur noch wenige Hinweise auf die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti) zu finden.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Mai 1968:
Im Mai 1968 übernehmen, laut "Über die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti)" in dieser Organisation vor allem Trotzkisten um Aldo Brandirali, Luca, Nicoletta, Stame und der Studentenführer Meldolesi die Führung der Unione.
Quelle: Über die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti),o.O. o.J.

Oktober 1968:
Die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti) entsteht, laut KB und MLPD (2) in Italien durch Vereinigung der Gruppierungen Falcemartello und Movimento Studentesco. Laut KB ist Falce e martello (Hammer und Sichel) eine trotzkistische Gruppe. Ein Papier über die Unione ist anderer Meinung (vgl. Aug. 1967).
Q: MLPD-ZK: Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985, S. 134; Unser Weg Nr. 14, Hamburg 1972, S. 14

Juli 1969:
Im Juli 1969 führt die italienische 'Unione' einen Kongreß durch, an dem, laut KB, auch Vertreter der KPD/ML teilnehmen.

Laut KPD/ML-NE reisen Berliner Vertreter von KPD/ML und SDS nach Italien um Kontakt zur Unione aufzunehmen.

Laut MLPD (2) führt die Unione, die später als trotzkistische Organisation in die Auseinandersetzungen der westdeutschen ml-Bewegung eingegangen ist, sogenannte Kaderschulungen durch, an denen u.a. Gerd Genger (führendes Mitglied der SDS-Betriebsgruppe 1 (B1) in Bochum und späteres KPD/ML-ZB Mitglied) und Uwe Greiner (früherer Redakteur der Frankfurter AStA-Zeitung 'Diskus', dann Mitglied der KPD/ML-ZK) sowie Mitglieder des SDS aus Berlin, Bochum und Hannover teilnehmen.
Q: MLPD-ZK: Geschichte der MLPD I.Teil, Stuttgart 1985, S.134; Unser Weg Nr. 14,Hamburg 1972,S.14;KPD/ML-NE: Die linkssektiererische Linie in der KPD/ML, 2.Aufl., Berlin 1971, S. 50;Revolutionärer Weg Nr. 4, Solingen 1970

August 1969:
Im August kommt es in der italienischen Unione zu Austritten von über 130 Mitgliedern.
Q: Über die Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti), o.O. o.J.

August 1969:
Laut MLPD (2) kursiert in einem Teil der linken Bewegung in der BRD ein Papier über die Unione von Uwe Greiner aus Frankfurt. Danach zeichnet sich die Unione durch folgende Punkte aus:
- Konzentration auf die Arbeiter,
- Volkskrieg in Italien,
- Konzentration auf die bäuerlichen Massen,
- Erstellung der Klassenanalyse vor der Parteibildung,
- Parteiaufbaukonzeption von einer starken Führung ausgehend,
- Kollektivierung und Neuverteilung des Eigentums,
- Errichtung von befreiten Gebieten in Italien,
- Selbstorganisation des Volkes.
Q: MLPD-ZK: Geschichte der MLPD I. Teil, Stuttgart 1985, S. 134

August 1969:
Laut MLPD (2) soll Gerd Genger von der Bochumer Betriebsgruppe 1 (B1) in Italien mit Mitgliedern der Unione dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti) zusammengetroffen sein.
Q: MLPD-ZK: Geschichte der MLPD I.Teil, Stuttgart 1985, S. 134

September 1969:
Laut OG Essen RF-O (ex-KPD/ML-ZB) werden in der KPD/ML vermutlich ab September vor allem von Ezra Gerhard in Berlin und Egon Link in NRW die Ideen der italienischen Unione verbreitet.
Q: Klassenkampf und Programm Nr. 3, Dortmund Apr. 1973, S. 46

08.11.1969:
In Italien gibt die Unione eine Ausgabe ihres 'Servire il Popolo' heraus, deren Leitartikel u.a. in der Bonner 'Arbeitermacht (vgl. 15.11.1969) nachgedruckt wird.
Q: Arbeitermacht Nr. 1, Bonn 15.11.1969

Dezember 1969:
Nach einem Bericht von Schlomann/Friedlingstein " Die Maoisten. Pekings Filialen in Westeuropa " schließt sich Ende 1969 die 'Partito rivoluzionario marxista-leninista d' Italia' der sich im Frühjahr/Frühsommer 1969 konstituierten 'Unione dei Communisti Italiani(ml)' unter der Führung von Aldo Brandirali, Stame Leldolesi und Caputo an. ZO: "Sevire il popolo".
Q: Schlomann, Friedrich Wilhelm; Friedlingstein, Paulette: Die Maoisten. Pekings Filialen in Westeuropa, Frankfurt/M. 1970, S. 160.

Januar 1970:
Vermutlich im Jan. 1970 wird in Bochum innerhalb einer Strategie-Debatte von Arbeitern und Studenten an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) ein sog. 'B1' Paper (Komitee Sozialistischer Arbeiter- und Studenten verfaßt, in dem es auch heißt:"
a) Die erste Phase des Aufbaus der revolutionären Partei des Proletariats ist bestimmt durch die Hauptaufgabe, den ideologischen Kampf zu verschärfen und die ideologische Vereinheitlichung voranzutreiben.

Schon (und gerade) in der ersten Phase des Aufbaus der revolutionären Partei des Proletariats ist es wichtig, eine zentrale Gruppe auf nationaler Ebene aus den fähigsten Marxisten-Leninisten zu bilden. (Die Genossen von der Unione dei Communist/marxisti-leninisti haben auf dieser Grundlage erfolgreich die Organisation der revolutionären Partei des Proletariats in Italien in Angriff genommen (durchgestrichen, d.Vf.)). Die zentrale Gruppe hat die Aufgabe, innerhalb des Zirkelwesens die ideologische Klärung zu leiten und die richtige proletarische Linie durchzusetzen. Dazu ist es nötig, ein theoretisches Organ zu schaffen, über das die zentrale Gruppe die ideologischen Vereinheitlichung vorantreibt.
Q: Revolutionärer Weg Nr. 1 und Sdr.Nr. , Solingen bzw. Stuttgart 1971 bzw. Mai 1971, S.* bzw. S.*; B1-Paper, o.O. (Bochum) o.J.;N.N. (KPD/ML-OG Bochum): Einige Klarstellungen von unserer Seite, o.O. (Bochum) o.J. (1970)

01.01.1970:
Laut 'RW' und MLPD (2) findet Anfang Januar eine B1 Bochum Sitzung statt, von der es in einem Protokoll heißt:"
Weiter diskutierten wir am Donnerstag die Prinzipien des Aufbaus einer marxistisch-leninistischen Partei vor allem auf der Grundlage des Papiers der 'Unione dei Communisti Italiani (marxisti-leninisti)'. Die Gruppe spaltete sich von der PCI/ML ab, die - wie die KP Chinas - den Hauptwiderspruch der Epoche zwischen kolonialen und imperialistischen Ländern sieht. Genau wie die PCI/ML war diese Gruppe zunächt ein ziemlich sektiererischer Haufen, der aber bald konsequent mit dem Aufbau einer Partei begann. Hierbei legte sie drei Phasen fest:
1. Zusammenfassung aller bestehenden Gruppen unter einer starken Führung zur Festlegung einer gemeinsamen politischen Linie.
2. Erweiterung der Basis, d.h. eine vorwiegend organisatorische Arbeit in verschiedenen Gebieten und gesellschaftlichen Bereichen.
3. Festigung der Parteistruktur auf allen Ebenen, d.h. die Durchführung folgender Bedingungen für den Aufbau der Partei in der Praxis: 1. Sie muß national organisiert sein. 2. Sie muß nach den Prinzipien des demokratischen Zentralismus organisiert sein. 3. Sie muß überall die Ideen Mao Tsetungs schöpferisch anwenden und die Erfahrungen der Kulturrevolution verarbeitet haben.
Wir kamen darin überein, daß die Erfahrungen der 'Unione' in Bezug auf den Aufbau einer marxistisch-leninistischen Partei nach dem drei-Phasen-Konzept auch für uns wichtig sind. Über den Punkt 3.3. müssen wir uns noch klar werden, d.h. wir müssen die ideologische Auseinandersetzung auch mit Maoisten vorantreiben.
Daran schloß sich die Diskussion über die Frage, ob unsere Gruppe fähig ist, dieses Konzept zu verwirklichen, ohne auseinanderzubrechen. Wir wurden gezwungen, diesen großen Sprung nach vorn zu machen, 1. weil wir einsahen, daß unsere bisherige Praxis handwerklerisch war, daß wir keine politische Perspektive hatten, daß wir in der Agitation mit der Bochumer Arbeiterzeitung einen Zick-Zack-Kurs verfolgt haben und der Arbeitsaufwand an dieser Zeitung wegen der fehlenden ideologischen und organisatorischen Festigung in keinem Verhältnis zur Wirkung stand, daß wir deshalb unsere Kräfte konzentrieren müssen auf den Aufbau einer wirklich revolutionären Organisation, den Aufbau einer marxistisch-leninistischen Partei. 2. Durch die Einberufung der Delegiertenkonferenz der Ruhrgebietsgruppen wurden wir gezwungen, die ideologische Auseinandersetzung verstärkt voranzutreiben."
Q: Revolutionärer Weg Nr. 1, Solingen 1971; MLPD-ZK:Geschichte der MLPD, I.Teil, Stuttgart 1985, S.145

26.01.1970:
In der Berliner Projektgruppe Elektroindustrie (PEI) findet eine studentische Plenumssitzung mit 10 Teilnehmern statt, auf der u.a. über das Schneider/Bubenzer-Papier diskutiert wird.
Neben dem Unionekonzept werden darin die Thesen, "Die Klassenanalyse ist untrennbar von der Kaderorganisation" und über die Phasen der Gruppenbildung, für die zentralen gehalten. Man selbst sei in der Phase der untersuchungsmäßigen Erstellung von Abteilungsspiegeln. Die ML Westberlin haben angefragt, ob sie durch Beobachter an der Arbeitskonferenz am 31.1.1970/1.2.1970 teilnehmen dürfen, was unter der Bedingung der Teilnahme von PEI-Beobachtern auf dem Aktivistenkollektiv der ML befürwortet wird.
Q: PEI: Protokoll der studentischen Plenumssitzung vom 26.1.70, Berlin (o.J.) 1970

Februar 1970:
Anfang Februar erscheint erstmals die 'Proletarische Linie' als Organ der marxistisch-leninistischen Zirkel des Ruhrgebiets, herausgegeben von der Betriebsgruppe 1 (B1) des #https://www.mao-projekt.de/BRD/NRW/ARN/Bochum_Ruhr-Universitaet_SDS_2.shtml#SDS Bochum#. Laut MLPD (2) haben die Federführung G. Genger und Achim Klein (Revolutionär-Sozialistische Jugend Wuppertal).

Berichtet wird u.a. von der letzten Konferenz der Ruhrgebietsgruppen (vgl. 10.1.1970).

Laut MLPD (2) gibt es zwei Fassungen. In der ersten Fassung erscheinen noch die Sätze:"
Als besondere Überwindung der antiautoritären Bewegung existiert im Zirkelwesen eine maoistische Strömung, die bis in die KPD/ML und ihre Jugendorganisation, Rote Garde, hineinreicht. Sie ist gekennzeichnet durch einen Antirevisionismus, der nichts anderes ist als eine schematische Anwendung der Mao Tsetungideen … Wir müssen eine Unione der Marxisten-Leninisten unter straffer, einheitlicher Führung schaffen, die in enger Verbundenheit mit der KPD/ML die ideologische Vereinheitlichung leitet."

Diese Sätze sind in der Endfassung nicht enthalten.
Q: MLPD-ZK:Geschichte der MLPD, I.Teil, Stuttgart 1985, S.143ff; Proletarische Linie Nr. 1, Bochum 1970

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06.02.1970:
In Berlin tagt von der Rotzök das Arbeitsseminar zur Betriebsarbeit zum 5. Male:
"In der Rotzök zeichnet sich eine Spaltung ab nicht zwischen Genossen, die in den Betrieb gehen und solchen, die weiterhin Hochschulpolitik betreiben wollen, sondern zwischen zwei Fraktionen, welche an die von allen als notwendig begriffene Betriebsarbeit unter verschiedenen Voraussetzungen und Prinzipien herangehen." Hierbei handele es sich zum einen um Linkskommunisten, die die PEI und die Rotzök-Betriebsgruppe angriffen, weil diese nach Unione röchen.
Q: Rotzök: Arbeitsseminar Betriebsarbeit. Protokoll 5.Sitzung 6.2.70, Berlin 1970

13.02.1970:
In der 'RPK' Nr. 52 erscheint ein Artikel "Die Durchführung einer Betriebsuntersuchung" von der Unione Dei Communisti Italiani (Marxisti-Leninisti).
Q: Rote Presse Korrespondenz Nr. 52, Berlin 13.2.1970

14.02.1970:
Laut 'RW' verfaßt Peter Weinfurth einen Brief an den Landesvorsitzenden der KPD/ML NRW, Willi Dickhut, "Über die Machenschaften der B1" Bochum. U.a. wird ausgeführt:"
Die weitere Entwicklung war nun dadurch gekennzeichnet, daß die B1 nun unbedingt versuchen mußte, uns die errungene Führung wieder zu nehmen. Offensichtlich wählte sie den zweiten Weg. Am 11. Januar 1970 wurde in Bochum öffentlich Selbstkritik geübt und man setzte sich vom Ökonomismus ab. Man sagte, die Hauptaufgabe wäre der Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei. Dabei will man sich aber nicht uns anschließen, sondern parallel zu uns eine Unione aufbauen. Daß man sich nicht uns anschließen will, begründet man mit der Behauptung, bei uns gebe es Fraktionen und sie wollten sich mit der proletarischen Fraktion zusammenschließen, um die sektiererische zu bekämpfen".
Q: Revolutionärer Weg Nr. 1, Solingen 1971

März 1970:
Die Nr. 19 des 'Rebell' (vgl. Feb. 1970, Apr. 1970) des KAB/ML und der RJ/ML erscheint mit dem Artikel "Das Sektierertum muß ausgemerzt werden" zum Konzept der Unione in Italien.
Q: Rebell Nr. 19, Tübingen März 1970, S. 14ff

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März 1970:
In der Berliner PEI wird von einer Genossin eine 11-seitige "Kritik am Harzer Papier" (vgl. Nov. 1969) vorgelegt, die vermutlich auch von der PEI übernommen wurde:"
In dem Harzer Papier wird davon ausgegangen, daß wir nicht über eine revolutionäre Theorie verfügen. Es wird davon ausgegangen, daß die theoretische Arbeit stagniert oder sogar in die falsche Richtung geht und zu mannigfaltigen aber gleich unbrauchbaren Theorien über das Proletariat führt.
Im Harzer Papier wird dagegen vorgeschlagen, in den Betrieb zu gehen, um die sinnliche Erfahrung zu machen, und dann aus der Kenntnis der Erscheinungsformen der Ausbeutung im Spätkapitalismus, aus den Experimenten von Massenaktionen und der Theorie des Marxismus-Leninismus die revolutionäre Strategie zu entwickeln. Zum ersten hat das Papier es versäumt, darzustellen, wie bisher Theorie betrieben wurde. Es wird nicht die bestimmte Arbeit an der revolutionären Theorie untersucht, sondern gegen die Frustration nicht benannter Arbeitskreise und gegen die Angst vor dogmatischer Schulung wird die Praxis und die Erfahrung im Betrieb gesetzt. So bleibt während des ganzen Papieres recht unklar, was revolutionäre Theorie ist. Es scheint so, als wäre Theorie nur die Summe von Ansichten über Arbeitsplatzbewertung, Gewerkschaft, Konzerstrategie etc. Pluralistisch daneben wird dann noch die Organisationsfrage gestellt.

Theorie und Organisation sind getrennt voneinander und können somit nur als etwas gesehen werden, das sich aus den sinnlichen Erfahrungen und den Aktionen entwickeln wird. In der Revision des Harzer Papieres müssen diese drei Faktoren: sinnliche Erfahrung, Theorie und Organisation genau benannt in das richtige Verhältnis zueinander gebracht werden.

Zur Methode dieses Papiers

Wir sind gewöhnt, daß Gruppen ihre Strategie darlegen, sowie es z.B. die RPK von den Gruppen für die Arbeitskonferenz (vgl. 6./7.12.1969, d.Vf.) gefordert hatte. Diese Methode beinhaltet folgende Nachteile: indem sie den Entstehungsprozeß verschweigt, schweigt sie auch zugleich über die Realisierbarkeit der Strategie. Es wird anderen Gruppen nicht ermöglicht, die Lernprozesse nachzuvollziehen, es entsteht leicht die Gefahr, diese Strategie auf ganz andere Situationen zu übertragen und erst nach dem Scheitern wird sich herausstellen, daß jene Strategie auf besonderen Bedingungen beruhte, die jedoch nicht benannt wurden.

Wir fordern deshalb, daß die konkrete Erfahrung benannt wird, bevor die Verallgemeinerung geschieht. Wir müssen die richtige Methode des Berichtens lernen. Deswegen soll in einer Revision des Harzer Papieres immer der Wendepunkt und die Erfahrung benannt werden, bevor die neue Linie dargestellt wird. Wenn von neuer Linie die Rede ist, so handelt es sich nicht um verschiedene Ansichten, die die Gruppe sich nacheinander aneignete, sondern diese Linie stellte jeweils eine veränderte Praxis dar."

Im Harzer Papier sei die Erstellung betrieblicher Protokolle gefordert worden, nach der RPK-Arbeitskonferenz hätten dann alle von 'Untersuchung' geredet, an der Praxis habe sich aber nichts geändert, auch nicht durch das Studium von Maos Schrift über die Bauernbewegung in Hunan. Klarheit sei erst durch die Aufarbeitung der Unione-Berichte im Schneider/Bubenzer Papier entstanden. Zuvor war die Untersuchung lediglich als Kennenlernen von Kollegen verstanden worden.

"Wie waren wir zunächst in der Betriebsgruppe vorgegangen?

Schon in den ersten Sitzungen versuchten wir, die Arbeiter, die gekommen waren, zu Untersuchern zu deklarieren, indem wir mit ihnen einen Fragebogen durchdiskutierten, anhand dessen sie im Betrieb die Untersuchung vorantreiben sollten. Wir versuchten sogar in der Betriebsgruppe, die zu diesem noch eine sehr heterogene Zusammensetzung haben mußte, das Schneider/Bubenzer Papier zu diskutieren, um auch bei den Arbeitergenossen die Voraussetzung der politischen Zielsetzung der Untersuchung zu schaffen." Diese Diskussion sei aber z.B. in einer Werksgruppe von einem Lehrling mit einem konkreten Problem unterbrochen worden, woraufhin eine praktische Untersuchung an dieser Frage entlang geführt wurde. Dadurch sei anhand eines Beispieles Klarheit über die Prinzipien der Untersuchung vermittelt worden. Die Untersuchung besitze einen Widerspruch zwischen ihrer organisierenden Funktion und ihrer organisierten Durchführung. Drohe bei erstem die Handwerkelei, so bestehe bei der Betonung der Zentralisierung und der Theorie die Gefahr des Akademismus.

"Es ist klar, daß keine Seite der Untersuchung ohne die andere auskommen kann, will sie ein Beitrag zum Aufbau der revolutionären Kaderorganisation nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus sein. Das ist in dieser Abstraktheit sehr einsichtig, und doch geht der Hauptstreit zwischen den Fraktionen in Berlin doch um die Frage, welche Seite der Untersuchung heute welchen Schwerpunkt bilden muß. Die Kluft zwischen der PEI und der heutigen Aufbauorganisation läßt sich damit erklären, daß beide Gruppen sich in einer bestimmten Phase in die beiden extremen Enden der Untersuchung: praktische Inangriffnahme der Untersuchung einerseits - und theoretische Klärung der Prinzipien andererseits - haben hineindrängen lassen oder sich sogar gegenseitig hineingestoßen haben."

Berichtet wird noch über eine Untersuchung, bei der der Unterausschuß 3 des Initiativausschusses der PEI die bestehenden Betriebsgruppen untersuchen sollte. Dieser habe sich aufgrund der unterschiedlichen Einschätzungen über die Inangriffnahme der Betriebsarbeit gespalten.

Die Tätigkeit der Berliner Basis- und Betriebsgruppen seit 1968 wird als Handwerkelei verstanden. Diese müsse durch ideologische Auseinandersetzung überwunden werden. "Dabei müssen wir aus den Fehlern lernen und begreifen, daß unsere Erfolge - wie noch im Harzer Papier geschildert, mehr auf glücklichen Umständen und der Initiative einiger Genossen beruhte als auf einer bewußten Vorgehensweise von Kadern."

Welches waren die Erscheinungsformen unserer Handwerkelei?

1. das kritiklose Aufgreifen von Konflikten im Rahmen einer Aktionsstrategie mit dem Ziel der 'Selbstorganisation des Proletariats'. …
2. das mangelnde Verständnis von Konflikten als Experiment und Lernprozeß. … Da die Flugblätter nicht mit einem bestimmten Ziel geschrieben worden waren, konnte nachher auch nicht beurteilt werden, ob sie richtig waren oder nicht. Vielfach wurde die Wirkung der Flugblätter oder der Aktion gar nicht verfolgt. Das Prinzip der Selbstkritik wird hier zur Farce, wo man zwar seinen Mißerfolg eingestehen kann, aber daraus nicht lernt, wie man es nächstes Mal besser machen kann.

3. mangelnde Strukturierung der Betriebsgruppen
Zusammen mit der relativ zufälligen Entstehung der Betriebsgruppe ging meist eine auf die Anfangsbedingungen recht und schlecht zugeschnittene Strukturierung der Gruppe einher. Die Organisationsform war das Plenum der Arbeiter und Studenten, zu dem von Woche zu Woche Sympathisanten hinzukamen und häufig wieder wegblieben. … Die Studenten hatten meist unausgesprochen und undiskutiert die Leitung in der Betriebsgruppe. In letzter Zeit - nicht zuletzt aus Anlaß sehr schlechten studentischen Verhaltens, z.B. in abstrakten Organisationsdebatten, haben die Arbeiter mehr und mehr die Initiative ergriffen und die Leitung der Betriebsgruppe kollektiv in ihre Hand genommen bzw. sich vorläufig als Arbeiterbetriebsgruppe neben den bisherigen Treffen konstituiert."

Gefordert wird nicht mehr der individuelle Führungsanspruch der einzelnen Studenten, sondern der kollektive Führungsanspruch der (studentischen) Kaderorganisation.

Zu "4. Isoliertheit der Gruppen" wird angemerkt, daß eine Zentralisierung der einzelnen Betriebsgruppen nur durch eine Gruppe geleistet werden könne, die über eine Strategie verfügt.
Q: PEI:Kritik am Harzer Papier, Berlin o.J. (März 1970)

März 1970:
In der Berliner PEI wird, vermutlich dem Papier 'Kritik am Harzer Papier' beigeheftet, ein weiteres 8-seitiges Papier verbreitet, welches auf der selben Maschine getippt wurde und auch den gleichen Druck wie das vorherige hat. Dieses Papier trägt den Titel "Was ist eine Untersuchung". Dieses beginnt:
"Bevor mit der politischen Arbeit unter den Massen beginnen, müssen wir eine genaue Untersuchung ihrer Situation machen.

Die Untersuchung ist, wenn sie richtig durchgeführt wird, bereits Propaganda und Organisierung zugleich."

Im folgenden seien die ersten Zwischenüberschriften genannt:
"Ort der Untersuchung
Was muß untersucht werden?
Die Praxis der Untersuchung
Das Ziel der Untersuchung ist …
Wie sieht die Untersuchung in der nächsten Phase aus?"

Unter "Wie sah dies bisher beim Untersuchungstrupp Siemens aus?" geht es so weiter:
"Auf der Basis des Harzer Papieres war unsere dringlichste Aufgabe der Aufbau einer Betriebsgruppe. Deswegen bildeten wir sie sofort mit den Arbeitern, die wir über Bosch-Genossen, über das SALZ oder den Arbeitsplatz kennenlernten. Es war eine heterogene Gruppe, von unpolitischen Sympathisanten bis zu potentiellen Kadern (d.h. die subjektiv den Wunsch hatten, Kadertätigkeit im Betrieb zu leisten und sich einer politischen Organisation anzuschließen). Neben der Schulung wollten wir die Betriebsgruppe selbst zum Untersuchungstrupp machen. Wir kannten dabei nicht die Voraussetzungen, die in dem Schneiderpapier genannt werden und machten folgende Fehler:" Hier folgt eine dem oben unter "Wie waren wir zunächst in der Betriebsgruppe vorgegangen" doch sehr ähnliche Darstellung, weswegen wir gleich mit der Schilderung von Bosch fortfahren:
"Zunächst haben wir die Arbeiter überhaupt nicht über ihre Abteilungen befragt - und von sich aus haben sie auch nichts erzählt, sondern haben vielmehr unseren ausführlichen Erzählungen zunächst Widerstand entgegengesetzt. … Am besten wurden die Sitzungen jedoch dann, wenn die Arbeiter nicht gut vorbereitet in die Sitzung kamen und wenn sie sich nur Stichpunkte notiert hatten, so daß die Betriebsgruppe zahlreiche Fragen an sie stellen konnte, die sie sehr gut beantworteten. Erst nachdem die gesamte Betriebsgruppe mehrmals diese Befragung durchgeführt hatte, begann sich auch bei den Befragten immer mehr eine Systematisierung der Zusammenhänge der Fragen herauszubilden.

Welche Konsequenzen ziehen wir aus diesen Erfahrungen?

Aus den Methoden der Untersuchung der Unione und aus unseren eigenen Fehlern haben wir gelernt, daß wir in der jetzigen Phase die Betriebsgruppe als den politischen Ort der Untersuchung ansehen müssen und nicht den Arbeitsplatz. Wir haben gelernt, daß wir zunächst genau unterscheiden müssen nach Fragern (Kader) und Befragten.

Wie wird die Untersuchung in der Betriebsgruppe durchgeführt?

Schneider schlägt vor, von der Abteilungsgruppe auszugehen und sich durch das Aufgreifen von Konflikten im Zusammenhang mit der Untersuchung zu einer Betriebsgruppe auszubreiten. Dieses Vorgehen ist ganz von den Erfahrungen bei Bosch geprägt. … Bei der Abteilungsstruktur bei Siemens müssen wir jedoch anders vorgehen." Dort wolle man zunächst eine Betriebszeitung herausgeben, um die Arbeiter für Werks- und Abteilungsgruppen ausfindig zu machen. "Sie zwingt uns zugleich, die strategische Diskussion in der Betriebsgruppe zu führen und macht erneut die Notwendigkeit einer politischen Linie und einer einheitlichen Organisation deutlich.

Solange wir keine Organisation haben mit einer veröffentlichten Strategie, solange werden wir auch keine Kriterien haben, um diejenigen, die sich für unsere Arbeit interessieren, nach Sympathisanten, potentiellen Kadern und Kadern zu scheiden und ihnen Aufgaben zuzuweisen."
Q: PEI: Was ist eine Untersuchung, Berlin o.J. (März 1970)

April 1970:
Die OG Essen RF-O (ex-KPD/ML-ZB) berichtet vermutlich aus dem Apr. 1970 über den SDS/ML Bochum der KPD/ML bzw. KPD/ML-ZK (vgl. 9.4.1970):"
Genau im Sinne der 'Unione' … wurde der SDS/ML (Bochum) … gegründet."
Offiziell geschieht dies allerdings erst am 2.6.1970.
Q: Klassenkampf und Programm Nr. 3, Dortmund Apr. 1973, S.45

17.05.1970:
In Berlin beginnt das zweitägige Pfingstseminar der PEI, zu dem eine ganze Reihe von Papieren vorliegen. Es handelt sich bei diesem Seminar um das erste Plenum der PEI bzw. der PL/PI nach deren eigener Zählung. In der 'RPK' wird es als Plenum zur Organisationsfrage bezeichnet.

U.a. grenzt man sich von der KPD/ML, der KPD(AO) und dem KB/ML ab. Den Hauptfehler dieser Initiativen sieht man darin, "daß sie den Aufbau der Kaderorganisation nicht an deren Hauptaufgabe, nämlich an der Aufbauarbeit jener Kampfeinheiten der Massen betreiben. … Für den Aufbau der Avantgardeorganisation des westdeutschen und Westberliner Proletariats (spielen sie, d.Vf.) bestenfalls keine oder sogar eine verhängnisvolle Rolle."

Die Schaltwerkzelle bringt unter dem Titel "Intensive Schulung (Vorbereitung auf die Betriebsarbeit)" ein Konzept für einen Lehrgang vor, an dem alle Genossen der PEI und die neuen Genossen der nächsten Untersuchungskollektive teilnehmen solle. Geschult werden soll dabei in 8 Wochen auf 16 Sitzungen:
- Mao Tse-tung:Vorwort und Nachwort zur Untersuchung auf dem Dorfe;
- die neue Plattform der PEI;
- Mao Tse-tung:Über den Widerspruch;
- Mao Tse-tung:Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk;
- Stalin:Grundlagen des Leninismus Kap. 8;
- Statut der KP Chinas;
- Statut der Unione dei Communisti Italiani/Marxisti-Leninisti;
- Mao Tse-tung:Über die Praxis.
Q: PEI-SWZ: Intensive Schulung (Vorbereitung auf die Betriebsarbeit), Berlin o.J. (1970)

Juni 1970:
Vermutlich im Juni erscheint die Nr. 21/22 des 'Rebell' (vgl. Apr. 1970, Sept. 1970) des KAB/ML und der RJ/ML für Mai und Juni mit dem Artikel "Vorwärts zum Sieg der proletarischen Linie!". Ezra Gerhard sei ein Anhänger der trotzkistischen Unione dei Marxisti/Leninisti Italiani (UdMLI). In der Führung von Partei und Roter Garde (RG) in Berlin säßen ja auch Leute von der KJO Spartacus, das passe gut zusammen.
Q: Rebell Nr. 21/22, Tübingen Mai / Juni 1970, S. 23ff

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Juli 1970:
Erstmals gibt der Kommunistische Arbeiterbund/Marxisten -Leninisten (KAB/ML) sein Zentralorgan 'Rote Fahne' (vgl. Aug. 1970) heraus. Über die Unione dei Communisti Italiani (ML) heißt es:"
In Italien hat sich eine sozial-faschistische Trotzkistenbande, die Führung der sogenannten Unione dei Communisti Italiani (marxisti-leninisti), als Agentur des Imperialismus in die kommunistische Bewegung eingeschlichen. Dort versucht sie mit den Mitteln des Volkstümlertums, des Eintretens für die führende Rolle der Intelligenz im Klassenkampf, mit der Propagierung des bürgerlichen Idealismus die rote Fahne zu schwenken, um sie in Wirklichkeit zu bekämpfen."
Q: Rote Fahne Nr. 1, Tübingen Juli 1970

15.07.1970:
In Berlin versammeln sich, laut KPD/ML-ZB, die Arbeiter der KPD/ML-ZK, wobei 25-30 Genossen zusammengekommen seien (hierbei dürfte es sich im wesentlichen um die in der 'Bethanienkampagne' aufgebaute Arbeitergruppe Kreuzberg gehandelt haben, die auch unter der Bezeichnung 'Stadtteilgruppe der KPD/ML' auftaucht, d.Vf.). Der Kandidat der KPD/ML-ZK H. habe ein Papier vorgelegt: "Die Intellektuellen haben uns für dumm verkauft, die Partei hat sich gespalten, in eine Richtung, die den losen Bund mit anderen ML-Organisationen anstrebt, auf der anderen Seite das ZK. Wir sind über die Diskussion in der Partei nicht informiert worden, sondern wurden wieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Wir Arbeiter werden nur als Aushängeschild benutzt, seit der Gründung der Partei sitzen Leute in ihr, die schon zum Zeitpunkt der Gründung die Partei für ein totgeborenes Kind hielten. … Wir werden nicht mehr in einer Partei mitmachen, in der die Intellektuellen die Führung innehaben." Der Antrag auf eine Neugründung ohne Intellektuelle, die später nur individuell mitmachen könnten habe 18 Stimmen bekommen, während zwei dagegen gewesen seien und der Rest sich enthalten habe. Geplant sei die Herausgabe einer Stadtteilzeitung für Kreuzberg (was auch in Form der 'Berliner Arbeiterzeitung' (BAZ) verwirklicht wurde, d.Vf.) und die Aufnahme der Betriebsarbeit ebendort sofort und in anderen Teilen Berlins in zirka zwei bis drei Jahren.

Die KPD/ML-ZB berichtet darüber auch unter der Schlagzeile "Die schwarze Linie liquidiert sich selbst!". Danach hat sich die KPD/ML-ZK in drei Teile gespalten, und zwar das ZK und Ezra Gerhard einerseits, die Volkstümler um J.K. (Reto) andererseits und eine neue Partei, deren Name mit 'Sozialistischer Arbeiterbund Deutschlands' angegeben wird, die aber tatsächlich unter dem Namen 'Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei'(SDA) in Berlin (besonders in Kreuzberg) eine gewisse Popularität erlangte. Das ZB führt zu dieser Spaltung aus, daß der 'Unione-Agent Reto' (bezieht sich auf die 'Unione dei Comunisti Italiani/marxisti-leninisti in Italien, d.Vf.) letzte Woche in Berlin auf einer Untersuchungsgruppensitzung Ezra Gerhard gegenüber u.a. gesagt habe: "Die Partei ist zur Zeit nur eine Ansammlung von Leuten, die sich für den Marxismus-Leninismus interessieren und der demokratische Zentralismus ist von daher nicht das richtige Organisationsprinzip. Von daher ist es notwendig, den Kontakt zu den anderen ML-Organisationen zu intensivieren, besonders mit der KPD/AO." Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen kommt das ZB zu dem Schluß: "Damit ist es den Trotzkisten erneut gelungen, die Arbeiterklasse zu spalten", ohne weiter auszuführen, um welche Trotzkisten genau es sich dabei handeln soll und wieso es sich bei der KPD/ML-ZK, die man in der Vergangenheit ja nicht gerade mit Lobreden bedachte, um die Arbeiterklasse handele, besonders wo doch die Arbeiter der KPD/ML-ZK sich zusammengeschlossen und sich lediglich von einigen Personen getrennt haben, die das ZB selbst als Agenten bezeichnet. Vermutlich mit besonderem Blick auf die Arbeitergruppe wird sodann aufgefordert sich der 'korrekten proletarischen Linie' anzuschließen.

In der vom Zentralkollektiv der SDA verfassten Erklärung heisst es einleitend:"
Genossinnen und Genossen!
Im Monat Juli hat sich der Landesverband Berlin der KPD/ML gespalten. Wir Arbeiter, die wir in dieser Partei unsere wirklichen Interessenvertreter im beginnenden Kampf gegen den Kapitalismus in Deutschland gesehen haben, konnten diese Spaltung nicht verhindern. Man hat uns im Unklaren gelassen über die beginnenden Zersetzung in Berlin, bis es zu spät war. Wir haben daraus die nach unserer Meinung einzig mögliche Konsequenz gezogen. Am 15. Juli haben hier in Berlin 25 Arbeiter und Arbeiterinnen beschlossen, ihre Interessen endlich selbst in die Hand zu nehmen. Sie haben die Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei(SDA) gegründet."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 17, Berlin 22.7.1970; SDA-Zentralkollektiv: Genossinnen und Genossen!, Berlin o.J. (1970)

Berlin_SDA003


August 1970:
Die OG Essen RF-O (ex-KPD/ML-ZB) berichtet vermutlich aus dem Aug. 1970 über den KSB/ML der KPD/ML-ZK:"
Genau im Sinne der 'Unione' … wurde der … KSB/ML gegründet."
Q: Klassenkampf und Programm Nr. 3, Dortmund Apr. 1973, S.45

Februar 1971:
Die Nr. 28 des 'Rebell' der RJ/ML des KAB/ML von Februar 1971 enthält die Meldung, daß eine SonderNr. 1/71 des von KAB/ML und KPD/ML-RW herausgegebenen 'Revolutionären Weges' erschienen sei, unter dem Titel "Das trojantzkistische Pferd in der KPD/ML".

Die Ausgabe hat 34 Seiten DIN A4 und wird vom Redaktionskollektiv Revolutionärer Weg herausgegeben. Verantwortlich ist Willi Dickhut, Solingen. Die Sondernummer ist vor allem gegen das Bochumer Komitee Sozialistischer Arbeiter und Studenten (SDS-Betriebsgruppe 1 - B1) gerichtet. Der Inhalt der Sondernummer gliedert sich in:

1. Die trotzkistische Politik der kleinbürgerlichen Studentengruppe B1.
2. Die B1 will eine Partei nach dem Muster der trotzkistischen 'Unione' aufbauen.
3. Mit List und Tücke dringt die B1 in die KPD/ML ein und spaltet die Partei und ihre Jugendorganisation.

Berichtet wird u.a. über einen Bericht der B1 Bochum über die KPD/ML (vgl. Jan. 1970).
Q: MLPD-ZK:Geschichte der MLPD I. Teil, Stuttgart 1985, S. 170; Revolutionärer Weg Sdr.Nr., Stuttgart Mai 1971;Rebell Nr. 28, Tübingen Feb. 1971

April 1971:
Die Nr. 4 des 'Roten Morgens' der KPD/ML-ZK (vgl. März 1971, Apr. 1971) erscheint. Von der Redaktionssitzung für diese Nummer berichtet der Landespresseverantwortliche NRW (vgl. März 1971, Apr. 1971) auch:"
Ein Artikel von W (SW) über Kaderbehandlung wurde zurückgewiesen, wegen 'Unionismus' (das Erheben von Freundschaften über die Politik, wie es bei der Unione dei marxisti-leninisti zum Prinzip gemacht wurde)."
Q: KPD/ML-ZK-LPV NRW: Bericht des LPV NRW (K) und RM-Redkoll-Mitglied über seine Tätigkeit im RM-Redkoll von Dezember 1970 bis November 1971, o.O. o.J., S.5f; Roter Morgen Nr. 4, Hamburg Apr. 1971

26.04.1971:
Vermutlich erst in der letzten Aprilwoche gibt in Regensburg die SBG die Nr. 7 ihrer 'Arbeitersache' (vgl. März 1971, Mai 1971) heraus. Aus Italien schickte die Unione einen Brief über die Vorgänge im Siemens (ACE) Werk in Sulmona.
Q: Arbeitersache Nr. 7, Regensburg Apr. 1971, S. 10

Regensburg_SBG077


Februar 1972:
Die OG Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML, die aus der OG Walldorf/Mörfelden hervorging, berichtet ihrem ZK (vgl. 7.4.1971, März 1972) über den Februar auch:"
Ein weiteres Problem zeigt sich darin, daß sich eine Gruppe von Italienern mit uns in Verbindung gesetzt hat, wir jedoch nicht genau wissen, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen. Sie bezeichnen sich als Marxisten-Leninisten, das tun jedoch auch die Unione-Trotzkisten. Wir bitten Euch deshalb uns über die korrekte Kommunistische Partei Italiens zu informieren und uns die Kontaktpflege mit ausländischen Kollegen zu beschreiben."
Q: RJ/ML OG Groß Gerau: Betrifft: Gruppenbericht der Ortsgruppe Groß Gerau, Groß Gerau o.J. (1972)

12.05.1973:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr.18 (vgl. 5.5.1973, 19.5.1973) heraus. In einem Leserbrief auf S.7 zur KPD ist auch die Rede von Knut Mellenthin (K. M.):"
ZUR KPD/AO'

Dieser Brief wurde uns im Durchschlag zugesandt und hier gekürzt - RM). An die Redaktion der Roten Fahne (KPD),
z. H. C. Semler.
Lieber Christian,
…Als ein Dir aus Berliner SDS-Zeiten sowie von einem Auslandsaufenthalt bekannter Genosse, möchte Ich Dich an ein paar Fehler erinnern, die den Zwang der Apologie (Beschönigung von Fehlern) Eurer Organisation anscheinend aus Deinem Gedächtnis getilgt hat. … Weiter hast Du auf Fragen von ausländischen Genossen zu Tonband-Protokoll gegeben, daß diejenigen kommunistischen Organisationen, die 'etwas taugten', die französische Ligue (also der Trotzkisten-Haufen der IV Internationale) und die italienische Unione seien, zu denen Du und Deine Gruppe freundschaftliche Beziehungen entwickelt hätten. In Deutschland müsse jetzt eine ähnliche Organisation geschaffen werden, ein Kommunistischer Bund, oder etwas ähnliches…"
Q: Roter Morgen Nr.18,Dortmund 12.5.1973

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