Bundeswehr: Haarerlass

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 13.10.2010

Diese Darstellung ist natürlich wie immer unvollständig. Der Haarerlass der Bundeswehr unter der Brandt/Scheel-Regierung wird zwar einleitend seitens des KJVD der KPD/ML-ZB als eines der alltäglichen Ablenkungsmanöver vom revolutionären Klassenkampf im Rahmen der imperialistischen Beat-, Pop- und sonstigen Jugendkulturen analysiert. Die Rücknahme der Liberalisierung und Umsetzung der früheren restriktiven Regelungen aber ernten bei den bundesdeutschen K-Gruppen allein Häme, wie hier bisher von den Herner Oberschulen, aber auch aus Eutin dokumentiert (vgl. Mai 1972, 29.5.1972). Auch von der KPD/ML-ZB wird der Haarerlass dann in einem Atemzug nicht nur mit dem Wehrkundeerlass (WKE), sondern auch mit den neuen Notstandsgesetzen bzw. dem Gesetzespaket zur Inneren Sicherheit genannt (vgl. 2.6.1972), wobei auch ihr KJVD gegen den zurückgenommenen Haarerlass agitiert (vgl. 12.6.1972).

Später agitieren zum vorläufigen Abschluss dieser Darstellung sowohl der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD (vgl. 13.3.1974) in Lüneburg als auch der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) in Hildesheim (vgl. 8.10.1975) gegen die Umsetzung des alten Haarerlasses bei der Bundeswehr.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Mai 1972:
Die Jugendbetriebsgruppe (JBG) Hoesch Westfalenhütte Dortmund (IGM-Bereich in NRW) des KJVD der KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dem Mai:"
DIE 'ROTE WESTFALENWALZE' KOMMENTIERT
KRIEGSMINISTER SCHMIDT WIDERRUFT HAARERLASS!

So stand es in allen Zeitungen.
Mit wieviel Getöse hat nicht vor allem die SPD-Regierung, ihre Propagandisten und ihre Presse bei der Einführung des Haarerlasses (vgl. **.*.1972,d.Vf.) versucht, das angebliche Friedensgesicht des Bonner Staates schön aufzupolieren.

- Z.B. angesichts eines 25 Milliarden Rüstungshaushaltes ist das wohl auch notwendig

- Die Flick und Thyssen, die schon 2 Weltkriege auf dem Gewissen haben, sitzen immerhin reich und mächtig wie eh und je da. Die Ströme von Blut, den Hunger und das Elend von Millionen vergißt das deutsche Volk schließlich nicht so leicht

- Es ist ja inzwischen kaum noch zu übersehen, daß die Unterdrückungsapparate des Bonner Staates immer frecher ihre Krallen zeigen:

Probung von Bürgerkrieg bei der Verfolgung von Baader-Meinhof-Leuten (RAF,d.Vf.), Aufrüstung des Bundeskriminalamtes (BKA,d.Vf.), des Verfassungsschutzes (VS,d.Vf.) und des Bundesgrenzschutzes (BGS,d.Vf.), Prozesse gegen die Kommunisten und ihre Presse. Alle diese Notstandsmaßnahmen waren schon seit jeher die Kehrseite der Vorbereitung auf einen neuen Krieg.

Wenn man dann den Haarerlaß noch mal anschaut, so meint die 'ROTE WESTFALENWALZE' jedenfalls, dann wollte der Schmidt den Soldaten und der Öffentlichkeit doch wohl offensichtlich ein kleines Trostpflaster geben, sie bestechen, sie bei der Zunahme des militärischen Drills in der Bundeswehr (Die Formalausbildung soll jetzt verschärft werden, damit 'die Disziplin der Soldaten besser wird') davon ablenken.

Das deutsche Volk soll wohl alles vergessen, was mit dem 'Preußengeist' in Deutschland schon so alles angestellt wurde? Es soll wohl bei der wahnwitzigen Aufrüstung der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Polizei einfach beide Augen zudrücken? Doch auch der angeblich liberale Zug des Kriegsministers konnte die Tatsachen nicht verbergen:
Die Wehrunwilligkeit, der Unmut der Bevölkerung über die immer eindeutiger werdende Revanchepolitik des Bonner Staates hat in der letzten Zeit einen gewaltigen Aufschwung genommen. Der 'Alarmbericht' des Wehrbeauftragten vor dem Bundestag vor 2 Monaten (vgl. **.*.1972,d.Vf.) beweist das.

Ja, selbst der Haarerlaß wurde von den Soldaten in das Gegenteil dessen verkehrt, was er eigentlich bezwecken sollte:

So berichtet der Bundeswehrfachmann der 'FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG' (FAZ,d.Vf.), ein ausgedienter Oberst aus der Hitlerwehrmacht: 'Die lange Mähne in der Bundeswehr ist nicht nur Mode, das ist Protest, Herausforderung, Absage….'

'DIE ROTE WESTFALENWALZE' meint:
Wenn Schmidt jetzt 'hygienische und gesundheitliche Gründe' für die Rücknahme vorschiebt, so ist das eine glatte Lüge: Nein, die Rücknahme des Haarerlasses ist das Eingeständnis, daß das Manöver zur Täuschung besonders der werktätigen Jugend gescheitert ist. Wenn jetzt die Haare wieder fallen müssen, dann macht der Bonner Staat klar: Und bist du nicht willig, dann brauch ich Gewalt! Nach dem Zuckerbrot also jetzt die Peitsche!

Und nun ist, so meinen wir von der 'ROTEN WESTFALENWALZE', klar, wie die Rücknahme des Haarerlasses einzuordnen ist:

Von Frieden reden, aber den Krieg vorbereiten (…).

Von mehr Demokratie reden, aber in Wirklichkeit die Demokratie immer mehr abbauen.

Das ist die Bonner 'Demokratie', das ist das Gesicht der SPD-Regierung!

NEIN ZUM BONNER STAAT UND SEINER SPD-REGIERUNG!
DIESER STAAT MUSS WEG WEG!
CHINA WEIST UNS DEN WEG!

JUNGARBEITER! LEHRLINGE! ORGANISIERT EUCH IM KJVD!"
Quelle: Die Rote Westfalenwalze Für kämpferische Jugendvertreter!,Dortmund o.J. (Mai 1972),S.5f

Mai 1972:
In Herne gibt die Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Schüler (ASS) Herne ihre 'Herner Schülerpresse' (HSP - vgl. Nov. 1972), vermutlich die Nr.2 heraus. Erwähnung findet auch der Haarerlaß der Bundeswehr.
Q: Herner Schülerpresse,Herne Mai 1972,S.25

ASS_Herne025


29.05.1972:
Der KB/Gruppe Eutin gibt die Nr.3 seiner 'Arbeiterjugendpresse' (vgl. Apr. 1972, Juli 1972) für die Berufs- und Handelsschüler für Mai/Juni heraus, die auch auf den Haarerlass bei der Bundeswehr eingeht.
Q: Arbeiterjugendpresse Nr.3,Eutin Mai/Juni 1972,S.4

Eutin236


02.06.1972:
Aufruf des ZB der KPD/ML-ZB und der Provisorischen Bundesleitung (PBL) des KJVD zu den vier Gesetzen zur 'Inneren Sicherheit' (vgl. 22.6.1972):"
KAMPF DEM BONNER NOTSTANDSKURS!

Die Olympischen Spiele wollen Brandt, Barzel und Genscher zur Kulisse für ihren Wahlkampf und zu einer großen Notstandsübung mit mehr als 10 000 Bundeswehrsoldaten machen - darum soll jetzt ein Demonstrationsverbot durch Ausnahmegesetz beschlossen werden.

Das ist das Programm, das direkt nach der Ratifizierung der Ostverträge die 'Ruhe an der Heimatfront' garantieren soll. Das ist ein neuer Beweis dafür, daß die Ostverträge nicht dem Frieden, sondern der Vorbereitung des Krieges dienen.

Das ist das Programm, das die SPD-Regierung im Bundestag zusammen mit Strauß und Barzel in wenigen Tagen durchpeitschen will. Warum diese große Eile? Weil die Angst der Bonner Parteien gewachsen ist: Die Angst vor der erwachenden Arbeiterklasse, die Angst vor dem Wachsen der marxistisch-leninistischen Bewegung, die Angst, daß ihre Mobilmachungspläne gegen die osteuropäischen Völker von den revolutionären Friedenskräften in Westdeutschland durchkreuzt werden. Der Widerstand der Jugend in der Bundeswehr ist ein starkes Bollwerk gegen die Bonner Revanchepläne und versetzt die Bonner Herren in Panik. Ihre Hektik im Bundestag ist nichts anderes als ein Zeichen ihrer Schwäche und der wachsenden Stärke des Volkes. Erinnern wir uns: die Antwort auf die Streiks gegen das Lohndiktat - Polizeieinsatz gegen Streikposten. Die Antwort auf die Rote-Punkt-Aktionen - Alarmierung des Bundesgrenzschutzes durch die SPD-Regierung in Niedersachsen (vgl. S7*2.1972,d.Vf.). Die Antwort auf den Widerstand in der Bundeswehr - das sind Maulkorberlaß, Haarerlaß, Wehrkundeerlaß (WKE,d.Vf.) der SPD- und CDU-Minister.

Die KPD/ML erklärt zu dieser neuen Verschärfung des Bonner Notstandskurses: Der Bonner Notstandsstaat muß von der Arbeiterklasse hinweggefegt werden. Wir müssen uns einen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat erkämpfen mit einer Armee, die zum Volke gehört und nicht wie im Bonner Staat zur Unterdrückung des Volkes ausgebildet wird. Ein sozialistischer Staat, der Demokratie für die werktätigen Massen bedeutet, aber Diktatur über die Unterdrücker des Volkes, die Krupp und Thyssen, damit sie ihre Macht nie wieder aufrichten können.

Darum heißt unsere Losung:
KAMPF DEM BONNER NOTSTANDSSTAAT - FÜR DEN SOZIALISTISCHEN ARBEITER- UND BAUERNSTAAT!"
Laut 'KND' vom 14.6.1972 wurde dieser Aufruf am 2.6. erlassen, laut der KPD/ML-ZB Berlin, die ihn am 19.6. nachdruckt stammt der Text vom 12.6.1972.
Q: KPD/ML-ZB:Extrablatt der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten,Berlin 19.6.1972,S.2ff; Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.41,Bochum 14.6.1972,S.7f

12.06.1972:
Vermutlich in dieser Woche erscheint eine Ausgabe der 'Jugend-Rutsche' (vgl. 24.4.1972, 10.7.1972) - Zeitung der Jugendbetriebsgruppe Minister Stein/Hardenberg Dortmund des KJVD der KPD/ML-ZB. Geworben wird für den neuen 'Kampf der Arbeiterjugend' (KDAJ) Nr.5 (vgl. Juni 1972), u.a.:"
Das schreibt der neue KAMPF DER ARBEITERJUGEND!
GEGEN NOTSTANDSPOLITIK UND POLIZEITERROR
RUHE AN DER HEIMATFRONT? OHNE UNS!!!!!!!!!!

Was wollen Bundeswehroffiziere an den Schulen?
Warum müssen die Soldaten Haare lassen?
LEST DEN NEUEN KAMPF DER ARBEITERJUGEND!"
Q: Jugend-Rutsche Unser der Sieg - Durch Einheit im Kampf,Dortmund o.J. (Juni 1972)

13.03.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr.5 seiner 'Kämpfenden Jugend' (KJ - vgl. 1.3.1974, 27.3.1974) heraus. Aus Niedersachsen wird berichtet aus Lüneburg von der Bundeswehr bzw. der 1/PZGRenBtl62 von Haarerlaß.
Q: Kämpfende Jugend Nr.5,Dortmund 13.3.1974,S.6

KJV329


08.10.1975:
Die Zelle Metall des KBW Ortsgruppe Hildesheim gibt erstmals ihren 'Metallarbeiter' (vgl. 20.11.1975) heraus. Berichtet wird auch vom PzBtl 14 der Bundeswehr über die Schießübungen in Kanada und den Haarerlaß. =Metallarbeiter Nr.1,Hildesheim 8.10.1975,S.7


Hildesheim063


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