Die Antikriegstagsprozesse 1972 - 1980

Der Prozess gegen Klaus Kercher

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, September 2011

1974

Klaus Kercher aus Reutlingen steht im Februar 1974 in München vor Gericht. Angeklagt ist er wegen „besonders schwerem Widerstand“, schwerem Landfriedensbruch“ und „Körperverletzung“ (vgl. 2. Februar 1974).

Die Fortsetzung des Prozesses gegen Kercher findet einige Tage später statt (vgl. 13. Februar 1974).

Im Prozess gegen Klaus Kercher „weicht“, laut „Roter Morgen“, die „Klassenjustiz zurück“. Das Gericht wird wegen „Befangenheit“ abgelehnt. Die Rechte von Jörg Lang, dem Verteidiger von Kercher, sollen „beschnitten werden“. Zunächst meint die KPD/ML, dass er „wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ verfolgt werde, muss sich dann aber korrigieren und ersetzt „Mitgliedschaft“ durch „Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“; gemeint ist die RAF (vgl. 2. März 1974; 16. März 1974).

Klaus Kercher steht in München erneut vor Gericht. Er wird neben „Landfriedensbruch“ und „Körperverletzung“ nun auch wegen „illegalen Waffenbesitzes“ angeklagt (4. Mai 1974).

Eine Münchener Berufsschulklasse besucht den Prozess. Über die Herstellung der Öffentlichkeit gibt es Streit mit dem Gericht. Lang stellt den Antrag auf Zulassung der Klasse während der Verhandlung. Das Gericht lehnt das ab (vgl. 18. Mai 1974).

Rechtsanwalt Lang beantragt, den Haftbefehl gegen Klaus Kercher „aufzuheben“ (vgl. 29. Mai 1974).

Gegen Klaus Kercher wird vom Münchener Gericht „Haftbefehl erlassen“. Kercher wehrt sich gegen „seine gewaltsame Vorführung“ und „taucht unter“. Gegen Rechtsanwalt Lang ergeht wegen „Beleidigung“ des Gerichts ein „Strafbefehl von über 1.000 DM“ (vgl. 8. Juni 1974).

Die KPD/ML fordert die „sofortige Aufhebung des Haftbefehls“ gegen Kercher. Der Haftbefehl gegen ihn wird mit der Begründung aufrechterhalten: „Es bestehe Fluchtgefahr“. Die KPD/ML gibt dazu eine „Presseerklärung“ heraus und fordert zur „Solidarität“ mit Kercher auf (vgl. 15. Juni 1974).

Über den Prozess gegen Kercher und den Strafbefehl gegen Lang berichtet auch die Rote Hilfe (vgl. Juli 1974).

Erneut fordert die KPD/ML die „Freilassung von Klaus Kercher“ und „Freispruch für alle Angeklagten der RAKT-Prozesse.“ Offenbar wird Kercher bei einer KPD/ML-Veranstaltung in Reutlingen am 19. Juli von der Polizei verhaftet und in ein Gefängnis überstellt (vgl. 27. Juli 1974).

Vermutlich wird Klaus Kercher nach „6 Tagen Haft wieder freigelassen“. Das Gericht erkennt einen „Einspruch“ von Jörg Lang vom 8. Juli an. Die KPD/ML erklärt dazu in einem Artikel: „Klaus Kercher freigekämpft“ (vgl. 3. August 1974).

Kercher wird erneut verhaftet und „in Handschellen dem Gericht vorgeführt“. Lang verlangt wiederum die „Aufhebung“ des Haftbefehls beim Oberlandgericht. Berichtet wird darüber auch in der Rubrik des „Roten Morgen“ „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“. Ein Genosse soll während des Prozesses am 29.1. den „Hausfrieden des Amtsgerichtes München“ gebrochen haben. Er wurde mit einer Geldstrafe belegt (vgl. 12. Oktober 1974).

Kercher befindet sich seit dem 30. September in München in Haft. Die KPD/ML will seine „Freilassung erzwingen“ (vgl. 19. Oktober 1974; November 1974).

In München steht ein Genosse vor Gericht, der beim Prozess gegen Kercher mit anderen auf dem Flur des Gerichtsgebäudes „revolutionäre Arbeiterlieder“ gesungen haben soll. Das Gericht wertete das als „Landfriedensbruch“. Der Genosse musste „freigesprochen“ werden (vgl. 16. November 1974).

1975

Erst im April 1975 gibt die KPD/ML bekannt, dass Klaus Kercher, der wegen verschiedener Delikte nach dem „Roten Antikriegstag 1972“ angeklagt worden war, bereits im Oktober 1974 eine Gefängnisstrafe von „16 Monaten“ erhielt. Der Grund wird nachgeschoben: Wegen „angeblichem Landfriedensbruch“. Der „Rote Morgen“ meint auch, dass nun gegen Kommunisten „Schwarze Listen“ im Umlauf seien und wehrt sich gegen den Versuch, Kercher in den Zusammenhang mit der „Entführung von Peter Lorenz“ zu bringen (vgl. 5. April 1975).

1976

Die Berufungsverhandlung gegen Klaus Kercher soll am 8. Januar 1976 in München beginnen. Kollegen aus seinem Betrieb unterschreiben eine „Protestresolution“ und fordern seinen „Freispruch“ (vgl. 3. Januar 1976).

Der Haftbefehl gegen Klaus Kescher „besteht weiter“, ist aber aktuell „außer Kraft gesetzt“. Kercher muss sich ein Mal in der Woche bei der Polizei melden. Das aus einem einzigen Grund: „weil er Mitglied der KPD/ML ist“, meint der „Rote Morgen“. Sein Anwalt ist nun Klaus Croissant, den das Gericht wegen der Tatsache, dass er schon einmal „Antikriegstagsdemonstranten“ verteidigt hatte, von der Verteidigung ausschließt (vgl. 6. März 1976).

Ein Genosse, der im November 1974 einem Prozess gegen Klaus Kercher beiwohnte und wegen „Verunglimpfung des Staates“ verurteilt worden war, steht im Mai 1976 erneut vor Gericht (vgl. 29. Mai 1976).

In der Verhandlung gegen Klaus Kercher bestätigt das Münchener Gericht das Urteil der 1. Instanz: „16 Monate Gefängnis ohne Bewährung“. Der „Rote Morgen“ nennt das: „Terrorurteil“ (vgl. 12. Juni 1976; Juli 1976).

Kercher schreibt der Redaktion des „Roten Morgen“ einen Brief, aus dem hervorgeht, dass er möglicherweise noch vor „Jahresende ins Gefängnis muss“. Es bestehe „Fluchtgefahr“ (vgl. 26. November 1976; Dezember 1976).

1977

In Reutlingen findet eine „Solidaritätsveranstaltung“ der KPD/ML für Klaus Kercher statt (vgl. 8. Januar 1977).

Kercher soll am 3.1.77 seine „16-monatige Haftstrafe“ antreten. Die KPD/ML veranstaltet am 8.1. eine Veranstaltung in Reutlingen und macht diesen Fall „von politischer Unterdrückung“ bekannt (vgl. 21. Januar 1977).

Die Rote Hilfe erklärt, dass Klaus Kercher „von der Arbeit verhaftet“ worden sei. Das soll am 24.1. geschehen sein. Er soll ins Gefängnis „Stammheim“ kommen (vgl. Februar 1977).

Darüber berichtet auch der „Rote Morgen“. Die Verhaftung habe in seinem Betrieb, bei „Coop in Reutlingen“, stattgefunden. Die Redaktion des „RM“ erhält einen Brief von Kercher mit Solidaritätserklärungen von seinen Arbeitskollegen. Auch ein Brief von seiner Frau veröffentlicht der „Rote Morgen“ (vgl. 4. Februar 1977).

Die Frage der Haftanstalt, in die Klaus Kercher eingewiesen wurde, scheint weiter ungeklärt zu sein. Die Rote Hilfe meint, dass er in die „JVA Heilbronn“ überstellt worden sei. Er sei nun seit „2 Monaten in Haft“. Danach musste er seine Haftstrafe im Februar des Jahres antreten (vgl. März 1977; April 1977).

Der „Rote Morgen“ fordert zur „breiten Solidarität“ mit Kercher auf. Veröffentlicht wird wiederum ein Brief seiner Frau (vgl. 6. Mai 1977).

Im Oktober wird bekannt, dass die Haftentlassung von Kercher nach Ablauf von 2/3 seiner Strafe vom Gericht u. a. mit der Begründung, „dass eine straffreie Führung innerhalb der Bewährungszeit nicht zu erwarten ist“, abgelehnt wurde. Die KPD/ML fordert seine „sofortige Freilassung (vgl. 21. Oktober 1977; 28. Oktober 1977).

Nach dem „Roten Morgen“ wird Kercher im November aus dem Gefängnis entlassen (vgl. 4. November 1977).

Klaus Kercher bedankt sich in einem Brief für die breite Unterstützung seines Kampfes bei allen Genossen und der KPD/ML (vgl. 9. Dezember 1977).

Klaus Kercher berichtet von den verschiedenen Instanzen seines „Antikriegstagsprozesses“ und bezeichnet die „Feststellung des Gerichts“ mit der Streichung der „Bewährungsstrafe“ als ein „Schritt der faschistischen Geheimjustiz“ (vgl. 16. Dezember 1977)

1978

Klaus Kercher bedankt sich bei der Roten Hilfe per Brief für die Unterstützung seines Kampfes durch „Briefe und andere Postsendungen“, die ihn im Gefängnis erreicht hätten (vgl. Januar 1978).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

02.02.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 5/1974, erscheint der Artikel: „Freispruch für Klaus Kercher.“ Ausgeführt wird:

„Weil er, wie Klaus Stahl, während der Olympiade in München gegen den imperialistischen Krieg demonstrierte, steht am 5.2. In München Genosse Klaus Kercher aus Reutlingen vor Gericht. Wegen ‘besonders schwerem Widerstand, schwerem Landfriedensbruch und Körperverletzung‘. Diese Anklage ist ein Hohn. Sie zeigt, wie die Klassenjustiz ihre Anzeigen gegen Kommunisten und konsequente Antimilitaristen zusammenbasteln. Denn ausgerechnet Klaus Kercher, dem von Polizisten ein Arm ausgekugelt und dann mehrere Stunden im Untersuchungsgefängnis jede ärztliche Hilfe verweigert wurde, steht wegen ‘Körperverletzung‘ vor Gericht.

‘Wir können der Bourgeoisie einen Strich durch die Rechnung machen, wenn wir sie unmissverständlich mit der Solidarität aller revolutionären und fortschrittlichen Menschen für die Freiheit aller politischen Gefangenen konfrontieren‘, haben Genossen aus Reutlingen zu diesem Prozess an den Roten Morgen geschrieben.

Diese Solidarität ist unsere Waffe! Protestiert gegen das unverschämte Urteil gegen Klaus Stahl! Fordert in Protesterklärungen und durch Unterschriftensammlungen:
Freiheit für Klaus Kercher …“
Quelle: Roter Morgen Nr. 5/1974, Dortmund, S. 1, 4 und 7.

13.02.1974:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 7/1974, soll an diesem Tag der Prozess gegen Klaus Kercher fortgesetzt werden.
Q: Roter Morgen Nr. 7/1974, Dortmund, S. 7.

02.03.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 9/1974, erscheint der Artikel: „Sieg über die Klassenjustiz. Antikriegstagsprozesse geplatzt.“ Ausgeführt wurde:

„Am 3. Verhandlungstag gegen Genossen Klaus Kercher, der wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 72 in München vor Gericht steht, platzte der Prozess: Das Gericht wurde wegen Befangenheit abgelehnt. Nach einem wochenlangen, offensiven Kampf der Partei gegen die Antikriegstagsprozesse wich die Klassenjustiz zurück.

Immer wieder hatte die bürgerliche Justiz in den Prozessen gegen die Genossen Sascha, Bernd, Hubert und Klaus versucht, ihre Machenschaften vor dem Volk zu verheimlichen. Mit Ausschluss der Öffentlichkeit, Verhaftung von Zuschauern, Beschlagnahmung von Flugblättern wollte die Geheimjustiz ausüben. Aber sie hatte sich getäuscht! Je brutaler sie zuschlug, desto lauter ertönte der Ruf: Freiheit für die angeklagten Genossen.

Auch in der Verhandlung am 21.2. wollte die Polizei, Staatsanwalt und Gericht einen Prozess nach ihren Vorstellungen durchziehen Aber der Widerstand gegen diese Anschläge auf Kommunisten, gegen eine solche Geheimjustiz wird immer größer. Im Zuschauerraum kam es immer wieder zu Tumulten über die ungeheuerlichen Angriffe gegen Rechtsanwalt Jörg Lang, der Genosse Klaus verteidigt. Zwei Zuschauer werden vorübergehend festgenommen.

Die Verfolgung fortschrittlicher Rechtsanwälte zeigt sich auch in diesem Prozess. Auf der Bank zwischen Genossen Klaus und seinem Verteidiger, sitzt ein Polizeispitzel, der eifrig die Ohren spitzt. Jörg Lang verlangt, dass dieser Büttel der Justiz verschwindet ‘… Die Verteidigung ist ein gleichberechtigtes Organ der Justiz. Niemanden gehen meine Gespräche mit dem Angeklagten etwas an…‘ Der Staatsanwalt geifert los… Ich verbitte mir, dass einer, der wegen Zugehörigkeit einer kriminellen Vereinigung angeklagt ist, sich ‘gleichberechtigtes Organ der Justiz nennt …‘

Weil Jörg Lang Revolutionär mit ganzem Herzen vor der Klassenjustiz verteidigt, wird er wegen ‘Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung‘ verfolgt, sollen seine Arbeit, seine Rechte als Verteidiger beschnitten werden! Dazu gehört auch, dass er nicht in alle Akten Einsicht erhielt, sich für seine Arbeit also überhaupt nicht richtig vorbereiten konnte. Immer wieder fordert er, dass das endlich nachgeholt wird. Staatsanwalt: ‘… Natürlich haben Sie in alle Akten Einsicht genommen…‘ Das Gericht berät über den Antrag der Verteidigung. Beschluss: ‘… Natürlich hat Rechtsanwalt Lang in die Akten Einsicht bekommen …‘

Ohne auch nur im geringsten nachzuprüfen, plappert der Richter dem Staatsanwalt nach dem Mund.

Das ist nicht nur ein neuer, schwerer Angriff auf den angeklagten Genossen und seinen Verteidiger, es ist erneut ein offener und klarer Rechtsbruch der Justiz. Rechtsanwalt Lang fordert Ablehnung des Gerichts wegen Befangenheit. Der dritte Antrag bereits in diesem Prozess. Und er wird angenommen. Denn die bürgerliche Klassenjustiz hat inzwischen erfahren, dass keine einzige ihrer Machenschaften verborgen bleibt, dass jeder neue Angriff einen Sturm der Empörung hervorruft. So zieht sie sich erst einmal zurück. Der Prozess ist mit unbekanntem Termin vertagt, ein neues Gericht muss bestimmt werden. Ein Sieg über die Klassenjustiz. Aber der Kampf geht weiter.

Freispruch für Klaus Kercher!
Hände weg von Jörg Lang!“
Q: Roter Morgen Nr. 9/1974, Dortmund, S. 8.

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16.03.1974:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 11/1974, ist „Rechtsanwalt Jörg Lang, der Genossen Klaus Kercher im Prozess wegen des Roten Antikriegstags verteidigt, nicht, wie im Roten Morgen irrtümlich geschrieben stand, der Mitgliedschaft, sondern der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung angeklagt“.
Q: Roter Morgen Nr. 11/1974, Dortmund, S. 7.

04.05.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 18/1974, erscheint der Artikel: „Freispruch für Genossen Klaus.“ Ausgeführt wird:

„Weil er am Roten Antikriegstag 1972 gegen den imperialistischen Krieg demonstriert hatte, steht in München erneut Genosse Klaus Kercher vor Gericht. Er, dem Polizisten während der Demonstration eine n Arm auskugelten und der nach seiner Verhaftung stundenlang auf ärztliche Hilfe warteten musste, soll wegen ‘illegalen Waffenbesitz, Körperverletzung, Landfriedensbruch‘ verurteilt werden.

Schon einmal war die Verhandlung gegen Genossen Klaus eröffnet worden. Im Februar dieses Jahres versuchte die Klassenjustiz vergeblich mit Massenverhaftungen unter den Zuschauern im Gerichtssaal, mit Knüppeleinsätzen, Ausschluss der Öffentlichkeit und frecher Behinderung der Verteidigung, den Kampf um die Freiheit von Genossen Klaus niederzuschlagen. Wegen Befangenheit des Richters wurde damals der Prozess vertagt.

Was die Bourgeoisie unter einem ‘unbefangenen Richter‘ versteht, zeigte sich: Neuer Gerichtsvorsitzender ist der gleiche Richter, der 1972 den Haftbefehl gegen Genossen Klaus ausstellte. Nachdem der Terror der Klassenjustiz bei der ersten Verhandlung im Februar eine klare Niederlage erlitten hatte, versuchte das Gericht dieses mal, mitübler Verschleppungstaktik den Kampf im Gerichtssaal einzuschläfern und abzuwiegeln.

Von den 6 Stunden Verhandlungsdauer am 25.4. Waren mehr als 4 Stunden Pause! Ein neuer Prozesstermin wurde für den 3. Mai festgesetzt - obwohl Rechtsanwalt Lang an diesem Tag aus Termingründen nicht verteidigen kann- ein Versuch, Genossen Klaus ohne juristischen Beistand aufs Kreuz zu legen, eine neue, klare Behinderung seiner Verteidigung.“

Es erscheint auch der Artikel: „Korrespondenz. Jeden Montag zur Polizei.“ Ausgeführt wird:

„Seit dem 3.9.72, als ich bei der RAKT-Demo festgenommen wurde, besteht gegen mich ein Haftbefehl, de am 15.9.72 außer Vollzug gesetzt wurde, mit der Auflage, dass ich mich jeden Montag bei den Bullen melden muss. Schon bei der Ausstellung des Haftbefehls hatte der Richter seine Begründung an den Haaren herbeigezogen. Es bestehe wegen verhältnismäßig geringer sozialer Bindungen Fluchtgefahr. Diese freche Lüge ließ sich beim Haftprüfungstermin nicht mehr aufrecht erhalten, und ich musste nach 13 Tagen frei gelassen werden.

Weil ich den zuerst festgesetzten Prozesstermin am 27.2.73 wegen Krankheit nicht einhalten konnte, beantragte der Staatsanwalt den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen. Auch diesmal war das Gericht gezwungen, den Antrag abzulehnen. Bei der Urteilsverkündung am 17.4.73 musste der Richter wiederum zugeben, dass Fluchtgefahr vorliegt und der Antrag des Staatsanwalts erneut ablehnen. Dennoch blieb der Haftbefehl aufrechterhalten.

Diese Tatsachen zeigen: Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls ist eine Willkürmaßnahme, durch die die Gerichtsbüttel hoffen, einen Revolutionär einzuschüchtern und anzubinden. Diese Hoffnung ist natürlich vollkommen absurd und zeigt nur die Dummheit der Bourgeoisie. Weder wird es ihr gelingen, durch Gefängnisstrafen gegen Einzelne die Revolution aufzuhalten, noch lässt sich ein Revolutionär durch Meldepflicht in seine Arbeit behindern.

Weg mit der Meldepflicht bei politisch Verfolgten! Freiheit für alle politischen Gefangenen! Vorwärts im Kampf für ein vereinigtes, unabhängiges, sozialistisches Deutschland! Vorwärts mit de KPD/ML!“
Q: Roter Morgen Nr. 18/1974, Dortmund, S. 7.

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18.05.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 20/1974, erscheint unter der Rubrik: „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“ der Artikel: „Berufsschulklasse im Antikriegstagsprozess“ der Artikel: Ausgeführt wird:

„Eine Münchener Maschinenschlosserklasse hört im Sozialkundeunterricht von der gerechten Justiz. Die Schüler glauben ihrem Lehrer nicht so recht, sondern verlangten, einmal selbst eine Gerichtsverhandlung sehen zu dürfen. Die Klasse setzte schließlich durch und ging mit ihrem Lehrer in den Kercher-Prozess.

Als sie ankamen, war gerade Verhandlungspause. Das nützte Genosse Kercher gleich aus, versammelte die Klasse um sich und klärte sie auf über den Roten Antikriegstag, über den Terror der Klassenjustiz und die Notwendigkeit der revolutionären Gewalt. Als er das an Hand von illegalen Streiks erklärte, sahen das alle Lehrlinge ein, nur der Lehrer nicht. Sofort, als die Verhandlung anfing, stürzten die Bullen an die Tür und ließen die Klasse nicht herein.

Der Verteidiger Lang verlangte sofort, dass die Klasse zum Prozess zugelassen werde. Darauf zog sich das Gericht eine dreiviertel Stunde zur ‘Beratung‘ zurück. Ergebnis: Die Klasse wird nicht zugelassen, die Öffentlichkeit sei schon hergestellt, weil schon einige Zuschauer drinsitzen. So sitzt der bürgerlichen Klassenjustiz die Angst vor dem Volk im Genick. Die Genossen machten aber dann Plätze frei und die Hälfte der Klasse konnte am Prozess teilnehmen.

Ihnen gingen wirklich die Augen auf, als sie das Gericht kennenlernten, als sie hörten, dass sich Genosse Kercher 1½ Jahre lang dreimal die Woche bei der Polizei hat melden müssen. Bei dem Wort Gericht werden sie in Zukunft an Bullenaufgebot, Gesinnungsterror und Klassenjustiz denken. Einige waren so aufgerüttelt, dass sie sogar nach Schulschluss noch da blieben, obwohl am nächsten Tag theoretische Zwischenprüfung war. Nach der Verhandlung gingen noch einige Lehrlinge mit den Genossen auf ein Bier, um mit ihnen darüber zu diskutieren. Eine Woche später noch wurde über den Prozess erzählt. Viele wollen zu weiteren politischen Prozessen kommen.“
Q: Roter Morgen Nr. 20/1974, Dortmund, S. 7.

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29.05.1974:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 24/1974, beantragt im Fall Klaus Kercher Rechtsanwalt Jörg Lang, die „Aufhebung des Haftbefehls“, da er auch „juristisch völlig unhaltbar“ sei.
Q: Roter Morgen Nr. 24/1974, Dortmund, S. 7.

08.06.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 23/1974, erscheint der Artikel: „Haftbefehl erlassen. Freiheit für Klaus Kercher.“ Ausgeführt wird:

„Gegen den Genossen Klaus Kercher ist Haftbefehl erlassen worden. Klaus wurde als Teilnehmer am Roten Antikriegstag 72, als 6.000 Antimilitaristen unter der Führung der Partei den olympischen Friedensschleier zerrissen und das Recht auf freie Straße erkämpften, vor Gericht gezerrt.

Der Prozess gegen ihn wurde zum ersten Mal im Februar dieses Jahres eröffnet. Die Anklage lautet auf illegalen Waffenbesitz, Körperverletzung und Landesfriedensbruch. Mit Massenfestnahmen, Knüppeleinsätzen und Ausschluss der Öffentlichkeit, sollte der Kampf für die Freiheit des Genossen niedergeschlagen werden. Aber die bürgerliche Klassenjustiz erlitt eine Niederlage: Der Prozess musste wegen Befangenheit des Richters vertagt werden.

Am 25.4. wurde der Prozess neu eröffnet. Das Gericht machte deutlich, dass ihm jedes Mittel recht war, um den Genossen hinter Gitter zu bringen. So wurde für den 3.5. ein Verhandlungstag angesetzt, obwohl Rechtsanwalt Lang, der Verteidiger des Genossen Kercher, aus Termingründen an diesem Tag nicht an der Verhandlung hätte teilnehmen können. In einer zum Verhandlungstermin verbreitete Erklärung legte Genosse Kercher dar, dass er ohne seinen Anwalt nicht am Prozess teilnehmen werde. Es war offensichtlich, dass hier versucht werden sollte, den Genossen ohne Rechtsbeistand juristisch aufs Kreuz zu legen.

Um seine gewaltsame Vorführung zu verhindern, tauchte der Genosse unter. 5 oder 6 Mal war die Polizei inzwischen bei der Vermieterin des Genossen und hat nach ihm gefragt, ohne dabei auch nur ein einziges Mal auf den bestehenden Haftbefehl zu verweisen. Erst nach fast einem Monat wurde Rechtsanwalt Lang auf dessen unnachgiebiges Drängen hin erklärt, dass gegen seinen Mandanten Klaus Kercher bereits seit dem 3.5. ein Haftbefehl besteht.

Gegen diesen Versuch der bürgerlichen Klassenjustiz, mit allen Mitteln die Einkerkerung des Genossen durchzusetzen, wird die Partei entschlossen den Kampf um die Freiheit des Genossen Kercher führen.

Weg mit dem Haftbefehl!
Freiheit für Klaus Kercher!“

Es erscheint auch der Artikel: „Strafbefehl gegen Rechtsanwalt Lang.“ Ausgeführt wird:

„Gegen Rechtsanwalt Lang ist Strafbefehl über 1.000 DM wegen Beleidigung erlassen worden. Dieser Strafbefehl reiht sich ein in die lange Liste der Behinderungen, Einschüchterungsversuche und offenen Terrorakte, mit denen die Bourgeoisie versucht, fortschrittliche Rechtsanwälte zur Kapitulation zu zwingen oder zu kriminalisieren.

In einem Prozess gegen Genossen H., einem Teilnehmer am Roten Antikriegstag 1972 in München hatte ein Polizist als Zeuge ausgesagt, er sei zwar am Karlstor, wo der Kampf mit der Polizei stattgefunden hat, dabei gewesen, habe aber von den Auseinandersetzungen nichts gesehen, sondern lediglich die Kampfgeräusche gehört. Die Aussage dieses Polizisten, der nach eigenen Angaben nichts gesehen hat, machte der Staatsanwalt zur Grundlage seiner Anklage wegen ‘Landesfriedensbruch‘. Das geht selbst nach den Gesetzen der Bourgeoisie nicht.

Rechtsanwalt Lang sprach daher von ‘Beweis- und Rechtsbeugung‘. Diese, in nüchternem Juristendeutsch getroffene Feststellung, soll die ‘Beleidigung‘ darstellen, wegen der der Strafbefehl erfolgte. Das ist ein weiterer Versuch der bürgerlichen Klassenjustiz, Rechtsanwalt Lang, gegen den bereits ein Verfahren wegen ‘Unterstützung einer kriminellen Organisation‘ läuft, zu kriminalisieren, um ihn von der Verteidigung in politischen Prozessen auszuschließen.

Hände weg von Rechtsanwalt Lang!
Hände weg von allen fortschrittlichen Rechtsanwälten!“
Q: Roter Morgen Nr. 23/1974, Dortmund, S. 7.

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15.06.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 24/1974, erscheint der Artikel: „Sofortige Aufhebung des Haftbefehls gegen Genossen Klaus.“ Ausgeführt wird:

„Bereits am 3.5. wurde gegen Genossen Klaus Kercher Haftbefehl erlassen. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Jörg Lang, erfuhr davon erst am 29.5. und auch das nur durch einen Anruf im Amtsgericht München. Das bürgerliche Klassengericht hatte keinerlei Versuch unternommen, Rechtsanwalt Lang und über ihn seinen Mandanten davon zu benachrichtigen. Es hatte lediglich 5 oder 6 Mal Polizisten zur Hauswirtin von Genossen Klaus geschickt, die ‘freundlich‘ fragten, wo er sich im Moment aufhält.

Wie wir im letzten Roten Morgen bereits berichteten, begann gegen Genossen Klaus Kercher bereits im Februar ein Prozess wegen seiner Teilnahme an der Roten Antikriegstagsdemonstration 1972 in München. Genosse Klaus war dort festgenommen und über eine Woche in Haft gehalten worden. Der Haftbefehl gegen ihn wurde auch nach seiner Haftentlassung mit der dreisten Begründung aufrechterhalten, es bestehe Fluchtgefahr, weil er ‘nicht verheiratet sei‘. Bis zum Prozess im Februar musste Genosse Klaus sich dreimal pro Woche bei der Polizei melden. Erst in der Verhandlung am 24.4. hob der Richter den Haftbefehl auf. In dieser, bisher letzten Verhandlung, hatte der Richter einen neuen Termin festgelegt, an dem der Verteidiger des Genossen Klaus verhindert war.

Es war klar, nachdem das Gericht in den ersten Tagen bereits mit der Verhaftung von 17 Zuschauern versucht hatte, die Öffentlichkeit aus dem Prozess auszuschalten, sollte jetzt Genosse Klaus auch seiner Verteidigung beraubt werden. Genosse Klaus erschien deshalb zu diesem Prozesstermin nicht. Daraufhin stellte das Gericht einen Haftbefehl gegen ihn aus.

Der Rechtsanwalt des Genossen Klaus hat am 29.5. die Aufhebung des Haftbefehls beantragt, da er auch juristisch völlig unhaltbar ist. Bis zum Redaktionsschluss hat das Gericht weder auf diese Eingabe geantwortet, noch einen neuen Prozesstermin angegeben. Es ist offensichtlich, dass es diesen Haftbefehl aufrechterhalten will.

Die KPD/ML hat in einer Presseerklärung den Fall Klaus Kercher an die Öffentlichkeit getragen und zur Solidarität aufgerufen. Denn es kann nach dem bisherigen Vorgehen der Justiz keinen Zweifel daran bestehen, dass sie Genossen Klaus in Untersuchungshaft bringen will, um ihn, wie jetzt schon so viele Genossen der RAF, ohne Prozessurteil in Haft halten zu können. Diesen Plan der Bourgeoisie kann einzig und allein der Kampf der Partei und der Roten Garde und die Solidarität der Werktätigen verhindern!“
Q: Roter Morgen Nr. 24/1974, Dortmund, S. 7.

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Juli 1974:
In der „Roten Hilfe, Nr. 25 vom Juli 1974, erscheint der Artikel: „Prozess gegen Rechtsanwalt Lang.“ Dort heißt es:

„Am 25.6. begann gegen Rechtsanwalt Lang ein Verfahren wegen ‘Beleidigung‘. Vorausgegangen war ein Strafbefehl über 1. 000 DM, gegen den Rechtsanwalt Lang Einspruch eingelegt hatte. Nachdem ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt worden war, wurden die anwesenden Zuschauer aus dem Flur vertrieben. Der Prozess wurde vertagt. Rechtsanwalt Lang hatte mehrere Genossen verteidigt, die am Roten Antikriegstag 1972 teilgenommen hatten. In verschiedenen Verfahren entlarvte er die faschistischen Methoden der bürgerlichen Klassenjustiz. So hatte er es als eine Beweis- und Rechtsbeugung bezeichnet, als der Staatsanwalt gegen Holger H. in zynischer Weise die Aussage eines Zeugen verdrehte, dass einzig und allein die Polizei auf Demonstranten und Passanten eingeschlagen und geknüppelt habe und diese Aussage zur Verurteilung des Angeklagten zu verurteilen. Jetzt versucht er, ihn und seinen Verteidiger mundtot zu machen. In einer offiziellen Erklärung zu seinem Prozess, berichtete Rechtsanwalt Lang über den Terror der bürgerlichen Klassenjustiz in den Verfahren zum Roten Antikriegstag: Der Angeklagte Klaus S. erhielt 1.000 DM Geldstrafe bzw. 50 Tage Freiheitsstrafe, weil er die Anschuldigungen der Polizeizeugen als gezielte Unwahrheit bezeichnete. Genosse Klaus Kercher musste sich 1 ½ Jahre lang dreimal wöchentlich bei der Polizei melden und erhielt einen Haftbefehl, weil er nicht zu einem Prozesstermin kam, bei dem auch sein Verteidiger Land wegen schwerer Unfallverletzungen entschuldigt fehlte. Ständig wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen und zusammengeprügelt. In einem Fall wurden alle Zuschauer erkennungsdienstlich behandelt, ständig wird die Verteidigung behindert, die Einsicht in die Akten wird ihr verweigert.“

Es erscheint auch eine „Offizielle Erklärung“ von Rechtsanwalt Lang. Darin wird ausgeführt:

„Weil ich diese Maßnahmen als völlig unverhältnismäßig ‘offen rechtswidrig‘ und als ‘Terror‘ bezeichnet habe, wurde vom Staatsanwalt Emrich meine vorläufige Festnahme wegen angeblicher Störung einer Amtshandlung veranlasst. Im Übrigen ist es die Verteidigung, die vor dem Amtsgericht München laufend beschimpft wird.

Im Verfahren gegen Klaus Kercher erklärte Staatsanwalt Bomba ausdrücklich, und ohne dass der vorsitzende Richter Bemdel einschritt, für ihn sei der Verteidiger Rechtsanwalt Lang im Hinblick auf das gegen ihn schwebende Verfahren nach § 129 StGB sowie darauf, dass er bereits in Untersuchungshaft gewesen sei, ‘kein gleichberechtigtes Organ der Rechtspflege‘.

Es ist nur konsequent, wenn Verteidiger, die die Justiz der Bundesrepublik Deutschland bei ihrem Marsch in den Faschismus behindern, eingeschüchtert, von ihren Mandanten getrennt und ausgeschaltet werden sollen. Mein Kollege, Rechtsanwalt Croissant, ist jetzt von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg wegen falscher Anschuldigung und Verleumdung angeklagt worden, weil er seinerzeit gegen die Zwangsnarkose von Carmen Roll zum Zwecke der Abnahme von Fingerabdrücken zu Recht Strafanzeige wegen versuchten Mordes gestellt hatte.

Wenn Verteidiger Folter Folter nennen, werden sie straf- und ehrengerichtlich verfolgt. Wenn sie ihre Mandanten besuchen wollen, müssen sie sich beispielsweise nackt ausziehen oder aber wird der Besuch dadurch ganz verhindert, indem man ihn in getrennten Räumen mit lediglich einer Sichtverbindung durch eine kleine Glasscheibe durchführen lassen will. Die Post der Verteidiger wird geöffnet. Die darin enthaltene Kommunikation mit den Mandanten wird neuerdings als Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zu kriminalisieren versucht. Das beabsichtigte Gesetz zum Ausschluss der Verteidiger ist allgemein bekannt.

Das Verfahre gegen mich liegt auf der faschistischen Linie des von München aus im Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zum angeblichen ‘Schutz der Rechtspflege‘ bzw. jetzt zum ‘Schutz des Gemeinschaftsfriedens‘. Eben sowenig wie es dort um den Schutz der Rechtspflege geht, geht es hier etwa um die Ehre. Ginge es um die Ehre, so müsste ich dieses Verfahren wegen angeblicher Beleidigung geradezu als Auszeichnung empfinden. Aber es geht um etwa anderes. Es geht letztlich darum, dass hier in der BRD die Stabilität der kapitalistischen und imperialistischen Herrschaft brüchig geworden ist. Es ist unverkennbar, dass auch hierzulande der Kampf gegen eine unsinnige und die ganze Menschheit bedrohende Herrschaftsordnung zunimmt und mit ihr der Hass gegen seine willfährige und blinde Justiz, welche sich mit allen Mitteln der Aufrechterhaltung dieses Systems verschreiben will…

Der Kampf gegen eine solche Justiz wird zunehmen. Die Verhältnisse in der Welt sind so, dass ihr auch ein neuer Faschismus auf Dauer nicht helfen kann.“
Q: Rote Hilfe Nr. 25, Dortmund, o. J. (Juli 1974), S. 7 und 15.

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27.07.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 30/1974, erscheint der Artikel: „Sofortige Freilassung des Genossen Klaus Kercher.“ Ausgeführt wird:

„19. Juli. Veranstaltung der Partei in Reutlingen. Polizisten überfallen einen Genossen, der vor einer Kneipe steht und schleppen ihn ins Auto, die übrigen Genossen kommen zu Hilfe. Währenddessen schnappen zivile Polizeispitzel den Genossen Kercher und fahren mit ihm hintenrum in einem Zivilwagen ab. Seither sitzt Genosse Kercher im Gefängnis. Ein erneuter Angriff der Polizeischergen gegen die Kommunistische Partei, die KPD/ML.

Einen Tag vor seiner Verhaftung trat der Genosse Kercher bei einer Parteiveranstaltung in Tübingen erstmals seit längerer Zeit wieder auf. Er erklärte, warum er am 3. Mai dieses Jahres nicht bei seinem Roten Antikriegstags-Prozess im Gerichtssaal erschienen ist. Das bürgerliche Klassengericht hatte sich geweigert, den Prozesstermin zu verschieben, obwohl der Rechtsanwalt von Genossen Klaus Kercher, Jörg Lang, diesen Termin wegen eines Autounfalls nicht wahrnehmen konnte.

Als der Genosse Kercher dann im Einverständnis mit seinem Rechtsanwalt am 3. Mai nicht zur Verhandlung nach München fuhr, setzte das bürgerliche Gericht den inzwischen ausgesetzten Haftbefehl gegen den Genossen Kercher wieder in Kraft. Seither wurde der Genosse polizeilich gesucht.

Genosse Kercher erklärte, dass er mit seinem Fernbleiben entschieden gegen die Terrormaßnahmen der bürgerlichen Justiz, ihm in seinem Prozess den selbstgewählten Rechtsbeistand zu entziehen, protestieren wollte. Er hätte allerdings nie vorgehabt, wegen dieser Angelegenheit in den Untergrund zu gehen. Trotz seines Haftbefehls trete er deshalb in der Öffentlichkeit wieder auf, um gegen die politische Unterdrückung gegen ihn und seine Partei, die KPD/ML, insbesondere auch gegen den unverschämten Haftbefehl, verstärkt den Kampf zu führen.

Auch auf der Veranstaltung in Reutlingen, auf der der hinterhältige Polizeiüberfall stattfand, hatte der Genosse Klaus Kercher gesprochen. Seine dabei erfolgte Verhaftung ist eine unverschämte Provokation und liegt auf der Linie des Verfolgungsterrors, den die Bourgeoisie gerade in der letzten Zeit gegen die Kommunistische Partei, die KPD/ML, geführt hat. Höhepunkt dieses Terrors war die Ermordung unseres Genossen Routhier durch die Duisburger Polizei bei einer Arbeitsgerichtsverhandlung. Das war kein Zufall, dass dieser Mord in einem bürgerlichen Gerichtssaal geschah. Denn gerade den Kampf der Partei vor Gericht, in dem die KPD/ML der bürgerlichen Klassenjustiz den Schleier der Neutralität herunterreißt und ihre üble Handlangerrolle zur Erhaltung des kapitalistischen Ausbeutersystems entlarvt, fürchtet die Bourgeoisie in besonderer Weise.

So will sie durch die Verhaftung des Genossen Kercher eine Lücke in die Kampffront der Roten Antikriegstagskämpfer vor Gericht schlagen. Genosse Kercher schreibt dazu selbst in seiner Erklärung ‘… Wir lassen uns von der Bourgeoisie nicht die Hände binden, und wenn sie einen von uns ins Gefängnis werfen, im Kampf dagegen werden neue Kämpfer aufstehen, wird die revolutionäre Front erstarken …‘

WEG MIT DEM HAFTBEFEHL GEGEN KLAUS KERCHER!
FREISPRUCH FÜR ALLE ANGEKLAGTEN DER RAKT-PROZESSE!“
Q: Roter Morgen Nr. 30/1974, Dortmund, S. 4.

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03.08.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 31/1974, erscheint der Artikel: „Genosse Klaus Kercher freigekämpft.“ Ausgeführt wird:

„Wir hatten im letzten ROTEN MORGEN berichtet, dass Genosse Kercher am 19.7. während einer Veranstaltung in Reutlingen, bei der er öffentlich aufgetreten ist, von der Polizei heimlich verhaftet wurde. Jetzt, nach 6 Tagen Haft, musste Genosse Kercher wieder freigelassen werden. Dies ist ein Erfolg des Kampfes, den die Partei und die Rote Hilfe um die Freilassung des Genossen geführt hatten.

Genosse Kercher war am 2. Mai dieses Jahres nicht bei seinem Prozess erschienen, wo er wegen Teilnahme am Roten Antikriegstag angeklagt war. Er protestierte damit dagegen, dass die bürgerliche Klassenjustiz den Prozess durchführen wollte, obwohl der Rechtsanwalt des Genossen den betreffenden Termin nicht wahrnehmen konnte. In einem Einschreiben an das Amtsgericht schrieb er ‘… dass ich bei den nächsten Verhandlungsterminen, bei denen mein Verteidiger anwesend sein kann, vor Gericht erscheinen werde …‘

Nach seiner Festnahme am 19.7., so berichtet jetzt der Genosse Kercher, wurde er zusammen mit einem anderen Genossen zunächst ins Polizeipräsidium Reutlingen gebracht. Als der mitgefangene Genosse wieder freigelassen wurde, rief er in die Zelle des Genossen Kercher ‘… Klaus, wir holen Dich raus …‘ Zwanzig Minuten später holten Polizisten den Genossen Klaus aus der Zelle und brachten ihn für die Nacht ‘um allen Eventualitäten vorzubeugen‘, in einen anderen benachbarten Ort. Dies zeigt die Angst, die die Polizeischergen schon heute vor dem Kampf der Partei haben.

Während seiner sechstägigen Haft führte der Genosse Kercher den Kampf der Partei, den er schon bei der Antikriegstagsdemonstration und im Gerichtssaal geführt hatte, fort. Er rief Parolen in der Zelle und führte Diskussionen mit seinen Mitgefangenen beim Hofgang. Einer von ihnen will, wenn er wieder in seiner Heimatstadt ist, auf eine Veranstaltung der Partei gehen.

Inzwischen wandte sich die KPD/ML und die ROTE HILFE an die breite proletarische Öffentlichkeit in Reutlingen und prangerten den Polizeiterror gegen Genossen Kercher und die Partei an. Der Boden für diese Propaganda war sehr gut: Überall hingen noch die Plakate und Aufkleber zum Polizeimord an Genossen Routhier.

Am Mittwoch gab dann das bürgerliche Gericht einem Einspruch des Rechtsanwalts des Genossen Kercher, J. Lang, vom, 8. Juli (!) gegen den Haftbefehl statt. Sofort nach seiner Freilassung ging der Genosse Kercher auf eine Veranstaltung der ROTEN HILFE und wurde dort stürmisch begrüßt.“

In der Rubrik „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“ heißt es im „Roten Morgen“ unter München:

„Drei Genossen, die als Zuschauer am Prozess gegen Genossen Klaus Kercher teilgenommen hatten, erhielten jetzt einen Strafbefehl über 840 DM. Damals waren insgesamt 14 Genossen festgenommen worden, weil sie - nachdem die Polizei den Zuschauerraum geräumt hatte, einige Zeit später wieder in das Gerichtsgebäude gegangen waren.“

Am 26.7. wurden die Genossen Karl H. und Walter H. in München zu je 1.200 DM Geldstrafe verurteilt, weil sie im Januar Flugblätter zum Prozess gegen den Genossen Sascha Haschemi verurteilt hatten. Die Genossen hatten vorher bereits Strafbefehle erhalten. Während des Prozesses wurden die schriftlichen Notizen des Genossen Walter beschlagnahmt, weil in ihren die Rede war vom Polizeimord an Genossen Routhier und an Günter Jendrian. Staatsanwalt Emrich kündigte dem Genossen gleich einen neuen Prozess deswegen an. Er fühlte sich wohl besonders betroffen. Schließlich war er mitverantwortlich für den Polizeieinsatz, bei dem Günter Jendrian starb.“
Q: Roter Morgen Nr. 31/1974, Dortmund, S. 7.

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12.10.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 41/1974, erscheint der Artikel: „Antikriegstagsprozess gegen Gen. Kercher. In Handschellen dem Gericht vorgeführt.“ Ausgeführt wird:

„Genosse Klaus Kercher befindet sich erneut in Haft. Am 30. September, einen Tag, bevor Genosse Klaus seine Tätigkeit als Lehrer aufnehmen sollte, nahmen ihn zivile Polizisten fest. Als ‘Schulfreunde‘ des Genossen hatten sie zuvor versucht, bei seiner Mutter und bei seiner Wirtin auszuspionieren, wo er sich gerade aufhielt. Seine Mutter wies sie allerdings ab. Noch am selben Tag wurde Genosse Klaus nach München verschleppt, wo im Frühjahr bereits ein Prozess wegen seiner Teilnahme an der Roten Antikriegstagsdemonstration begonnen hatte.

Erst jetzt stellte sich auch heraus, warum Genosse Klaus verhaftet worden war. Unter vorgeschobenen Begründungen hatte der Staatsanwalt einen Haftbefehl gegen Genossen Klaus beantragt, um ihn zur Fortsetzung des Prozesses am 2.10. Vorführen zu lassen. Erst jetzt, einen Tag vor dem Prozess, erfuhr auch Genosse Klaus von der erneuten Verhandlung. Er hatte keine Vorladung zu seinem Prozess bekommen.

Mit diesem unverschämten Angriff auf den Genossen versuchte das bürgerliche Klassengericht von vornherein die Solidarität mit ihm zu verhindern und ihn selbst einzuschüchtern. Aber diese Absicht schlug fehl. Als Genosse Klaus am 2.10. in Handschellen dem Gericht vorgeführt wurde, war der Zuschauerraum besetzt mit Freunden und Genossen aus Tübingen und aus München. Genosse Klaus selber gab eine Erklärung ab, in der er betonte, dass er sich durch solche Maßnahmen nicht einschüchtern lasse und nach wie vor als Kommunist kämpfen werde. Auch hier im Gericht.

Als der Verteidiger des Genossen dann die Aufhebung des Haftbefehls beantragte, zeigte sich, dass hier ein abgekartetes Spiel vorlag. Als der Staatsanwalt den Vorführungsbefehl beantragt hatte, wurde er sowohl vom Amtsgericht als auch vom Landgericht abgelehnt. Erst das Oberlandgericht stellte ihn aus. Einen Haftbefehl vom Oberlandgericht kann aber ein Amtsrichter nicht ablehnen. Der Richter im Prozess gegen Genossen Kercher konnte also in ‘aller Unschuld‘ sagen, dass er nichts machen könne. Dafür pochte er dann zynisch auf seine ‘Fürsorgepflicht‘ gegenüber dem Angeklagten, als beantragt wurde, die Verhandlung zu vertagen, damit sowohl Genosse Klaus als auch sein Verteidiger sich auf die Verhandlung vorbereiten könnten. Man könne den Prozess nicht vertagen, hieß es da, sonst müsse der Angeklagte ja noch länger in Haft bleiben …

Die Partei verteilte sofort im Anschluss an die Verhandlung ein Flugblatt in der Münchener Innenstadt. Es gilt jetzt, verstärkt die Solidarität mit dem Genossen zu organisieren. Unsere Forderung heißt:

Sofortige Freilassung des Genossen Klaus Kercher!
Freispruch in den Antikriegstagsprozessen!“

Berichtet wird auch von einer Veranstaltung am 4.10. In Dortmund, bei der Heinz Baron und Gernot Schubert zu den Antikriegstagsprozessen sprachen.

In der Rubrik „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“ heißt es im „Roten Morgen“ unter München:

„Am 1.10. stand Genosse Rainer Junck, Leiter des Buchladens ROTER MORGEN in München, vor dem bürgerlichen Klassengericht. Am 29.1.74 soll er beim Prozess gegen die Genossen Sascha Haschemi, Bernd R. und Hubert L. den ‘Hausfrieden‘ des Amtsgerichts München gebrochen haben. Damals war - angeblich weil die Schöffin verängstigt sei - die Öffentlichkeit bis zur Urteilsverkündung ausgeschlossen worden. Diese ‘Hausfriedensbruch‘ war von Seiten der Klassenjustiz sorgfältig vorbereitet worden. Staatsanwalt Sachs hatte bereits vor Beginn der Verhandlung angeordnet, beim Ausschluss der Öffentlichkeit die Tür des Vorraums zu schließen und alle Zuschauer erkennungsdienstlich zu behandeln. Bei der Verhandlung wurde dann auch kurz nach der Ausschlussverkündung ‘Hausfriedensbruch‘ verkündet und die Zuschauer festgenommen. Wie die Klassenjustiz gegen die Kommunisten vorgeht, zeigte sich am 1.10. besonders deutlich bei der Vernehmung eines Zeugen der Staatsanwaltschaft, W., ein Psychologe aus Stadelheim, damals als Zuschauer ebenfalls festgenommen … Der Genosse wurde zu 400 DM Geldstrafe verurteilt …“

Unter Mainz heißt es: „Der ROTE MORGEN - Leserkreis Mainz bekräftigt in einer Resolution seine Entschlossenheit, für die sofortige Einbürgerung des Genossen Sascha Haschemi zu kämpfen. Die Genossen haben bisher knapp 100 Unterschriften gesammelt.“
Q: Roter Morgen Nr. 41/1974, Dortmund, S. 7.

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19.10.1974:
Im „Roten Morgen“, Nr. 42/1974, erscheint der Artikel: „Genosse Klaus Kercher immer noch in Haft.“ Ausgeführt wird:

„Seit dem 30. September befindet sich der Genosse Klaus Kercher in München in Haft. In Handschellen wurde er dem Gericht vorgeführt. Ihm wird in München der Prozess wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 gemacht. Der Prozess gegen Klaus ist bereits einmal geplatzt, nachdem das Gericht einen Termin, an dem der Verteidiger des Genossen, Rechtsanwalt Lang, nicht konnte, angesetzt hatte und Genosse Kercher wegen dieser Behinderung seiner Verteidigung nicht zu dem Termin erschienen war.

Damals protestierten Genossen im Gerichtssaal. Dies nahm die bürgerliche Klassenjustiz zum Anlass, gegen drei Genossen in der letzten Woche einen Prozess zu eröffnen. Dieser Prozess wurde vertagt, weil dem Verteidiger der Genossen noch keine Akteneinsicht gewährt worden war. Genosse Klaus Kercher ist bereits vor einigen Monaten von der Polizei verhaftet worden und musste nach wenigen Tagen wieder freigelassen werden. Und auch jetzt wird der Kampf der Partei, die Solidarität mit dem Genossen Klaus Kercher seine Freilassung erzwingen.“
Q: Roter Morgen Nr. 42/1974, Dortmund, S. 6.

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November 1974:
Laut „Zehn Jahre KPD/ML“ (Dortmund 1979) gehen „die Verfolgungen der Genossen der Partei gehen auch zum Jahresende weiter. Im Zusammenhang mit den Prozessen zum Münchener Roten Antikriegstag wird Klaus Kercher, der gerade seine Tätigkeit als Lehrer aufnehmen will, verhaftet und in Handschellen dem Gericht in München vorgeführt. Im Kölner Antifaschistenprozess - sieben Antifaschisten und Genossen stehen vor Gericht, weil sie zweimal die Faschisten der NPD aus Köln-Nippes vertrieben hatten - wütet der berüchtigte Richter Somoskeoy, der bereits im Prozess gegen Beate Klarsfeld die Polizei auf französische Widerstandskämpfer hetzte, und verhängt in den beiden ersten Prozesstagen insgesamt 51 Tage Ordnungsstrafe für die Zuschauer. In München werden die Genossen Heinz Baron und Klaus Kercher in der Berufungsverhandlung in einem Terrorurteil zu je 16 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt“.
Q: ZK der KPD/ML (Hg.): Zehn Jahre KPD/ML, Dortmund 1979, S. 161.

November 1974:
Die Rote Hilfe (RH) e.V. der KPD gibt ihre Zeitschrift 'Rote Hilfe' Nr.8 (vgl. Okt. 1974, Dez. 1974) für November heraus mit dem Artikel "Antikriegstagsprozeß: 2 x 16 Monate" gegen Heinz Baron und Klaus Kercher wegen des RAKT in München.
Q: Rote Hilfe Nr. 8, Dortmund Nov. 1974, S. 5

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16.11.1974:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 46/1974, droht in München ein „Staatsanwalt Zeuge mit Gefängnis“. Dazu schreibt die Ausgabe:

„In München stand ein Genosse wegen Landfriedensbruch vor Gericht. Die Anklage bezog sich auf einen Vorfall bei einem Prozess gegen den Genossen Klaus Kercher, der im Februar dieses Jahres in München stattfand. Damals hatten die Zuschauer während einer Verhandlungspause auf dem Flur des Gerichtsgebäudes revolutionäre Arbeiterlieder angestimmt. Der Justizapparat erklärte sofort, dass das ‘Hausfriedensbruch‘ sei. Die Genossen verließen das Gerichtsgebäude. Als sie nach einer Stunde zum Verhandlungsbeginn wieder erschienen, wurden sie festgenommen. Unter den Festgenommenen befand sich auch der jetzt angeklagte Genosse.

Der Genosse brachte einen Zeugen bei, der bestätigte, dass der Genosse zum Zeitpunkt des Singens gar nicht im Gerichtsgebäude war, sondern sich gemeinsam mit ihm außerhalb des Gerichtsgebäudes aufgehalten hatte. Aufgrund dieser Zeugenaussage musste der Genosse freigesprochen werden. Nach der Urteilsverkündung ließ Staatsanwalt Wahl, der u. a. auch den geplanten Schreibtischmord an dem Rotgardisten Sascha Haschemi betreibt, den Zeugen wegen Meineindverdachts festnehmen. Der Genosse wurde bis 22.00 Uhr im Münchener Polizeipräsidium festgehalten und u. a. erkennungsdienstlich behandelt.

Das ist eine erneute Verschärfung bei dem Versuch der bürgerlichen Klassenjustiz, jede Verteidigung von Kommunisten und anderen Revolutionären vor Gericht unmöglich zu machen. Neben der systematischen Kriminalisierung fortschrittlicher Rechtsanwälte werden nun Zeugen, die es wagen, für den Angeklagten günstige Tatsachen auszusagen, mit Gefängnis bedroht.“
Q: Roter Morgen Nr. 46/1974, Dortmund, S. 6.

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05.04.1975:
Im „Roten Morgen“, Nr. 14/1975, erscheint der Artikel: „Polizei terrorisiert Klaus Kercher. Schwarze Listen gegen Kommunisten.“ Ausgeführt wird:

„Wir berichteten bereits, dass am 7. März ein Genosse bei der Bundeswehr zum Spieß gerufen wurde, um vor zwei Beamten, di erklärten, sie kämen auf Veranlassung des Bundeskriminalamtes, ein Alibi für die Zeit der Entführung von Peter Lorenz abzugeben. Die beiden Beamten gaben außerdem offen zu, dass sie ‘Leute besuchen, die auf einer schwarzen Liste‘ zusammengestellt seien.

Jetzt berichtet uns Genosse Klaus Kercher, der im Oktober vergangenen Jahres von der bürgerlichen Klassenjustiz zu 16 Monaten Gefängnis wegen angeblichen Landfriedensbruch bei der Roten Antikriegstagsdemonstration in München 1972 verurteilt worden war:

‘… Genossen, mir ist genau dasselbe passiert. Am 6.3. Hielten mich morgens gegen halb neun Kriminalbeamte der Reutlinger Kripo auf der Straße an: Sie hätten gern ein Alibi von mir. Wo ich denn in der Zeit vom 27. Februar bis zum 6. März gewesen sei. Sie behaupteten auch, dass es ihnen um ein Alibi für die Zeit der Entführung von Peter Lorenz ginge. Außerdem wollten sie meinen Personalausweis und meinen Führerschein sehen; denn da sind einige Dokumente gefälscht worden‘ sagten sie.

Einige Stunden später erfuhr ich, dass drei Kripobeamte auch an meinem ersten Wohnsitz, einem kleinen Dorf 30 km von Reutlingen herumschnüffelten. Als ihnen an der Tür zu meiner Wohnung niemand aufmachte, weil nur meine Großmutter zu Hause war, die schwer krank ist, gingen sie aufs Rathaus und zogen dort Erkundigungen ein. Die Reutlinger Kriminalpolizei erklärte später, sie sei in der ganzen Sache überhaupt nicht zuständig, die Anweisung, mein Alibi zu untersuchen, sei vom Landeskriminalamt gekommen …‘

Der Versuch, Genossen Klaus Kercher mit der Entführung von Peter Lorenz in Zusammenhang zu bringen, ist kein Zufall. In seinem Prozess war Genosse Klaus von Rechtsanwalt Lang verteidigt worden, der nun von der Klassenjustiz als einer der ‘Rädelsführer‘ bei der Entführung gesucht wird. Genosse Klaus war außerdem im vergangenen Jahr schon zweimal von der Polizei verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden und in Handschellen vor das Gericht gezerrt worden.

Offensichtlich wollte die bürgerliche Klassenjustiz sich nun erneut einen Vorwand verschaffen, um einen bekannten Kommunisten hinter Gitter zu bringen.“
Q: Roter Morgen Nr. 14/1975, Dortmund, S. 10.

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03.01.1976:
Im „Roten Morgen“, Nr. 1/1976, erscheint der Artikel: „Freiheit für Klaus Kercher.“ Ausgeführt wird:

„Am 8. Januar beginnt in München die Berufungsverhandlung gegen Klaus Kercher, der in erster Instanz wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt worden war. 12 Kollegen von Klaus, der jetzt bei Coop arbeitet, unterschrieben eine Resolution.“ U. a. heißt es darin:

‘… Wir Kollegen von cool Schwaben haben erfahren, dass unser Kollege Klaus Kercher am 8. und 9.1.1976 vor Gericht in München steht und eine erneute Verurteilung zu erwarten hat. Die Anklage richtet sich eindeutig gegen die Beteiligung an einer Demonstration gegen die drohende Kriegsgefahr. Bevor unser Kollege vor Gericht gestellt wird, ist er schon verurteilt. So erteilte der Staat gegen ihn Berufsverbot aufgrund seiner Beteiligung an der Demonstration und weil er sich dazu bekennt. Wie weit die ungeheure Einschränkung seiner Freiheit jetzt schon geht, zeigt sich darin, dass er sich jede Woche auf dem Polizeirevier wie ein Schwerverbrecher melden muss…

Die Regierung beteuert uns, mir allen möglichen Mitteln der Propaganda, sich für den Frieden einzusetzen. Die Wirklichkeit sieht aber so aus, dass die beiden imperialistischen Supermächte Sowjetunion und USA ständig Kriegsvorbereitungen durch verschärfte Aufrüstung vorantreiben. Die Bundesregierung unterstützt diese Vorbereitungen, indem sie jeden entschlossenen Kampf gegen die drohende Kriegsgefahr dieser beiden Supermächte mit Polizei, Gerichten und Berufsverboten zu unterdrücken versucht…‘

Des weiteren erklärt man sich solidarisch mit Kercher:

‘… Deshalb verurteilen wir jeden Versuch, Herrn Kercher wegen seiner politischen Anschauungen und Parteizugehörigkeit zu verurteilen … Wir fordern: Aufhebung des Haftbefehls! Freispruch für Klaus Kercher.‘

Prozesstermine: 8.1.1976, Justizpalast München. Als zweiter Verhandlungstag ist der 9.1.76 vorgesehen.“
Q: Roter Morgen Nr. 1/1976, Dortmund, S. 2.

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06.03.1976:
Im „Roten Morgen“, Nr. 10/1976, erscheint der Artikel: „Haftbefehl besteht weiter, weil Klaus Mitglied der KPD/ML ist.“ Ausgeführt wird:

„Klaus Kercher wurde im letzten Jahr zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er 1972 an der Demonstration zum Roten Antikriegstag teilgenommen hatte. Immer noch besteht gegen Klaus Haftbefehl. Er ist zwar außer Vollzug gesetzt, aber Klaus muss sich jede Woche auf der Polizei melden.

Im Januar begann die Berufungsverhandlung. Sie wurde bereits nach einem Tag abgebrochen, weil das Gericht Rechtsanwalt Croissant, den Verteidiger, von der Verteidigung ausschloss, weil er schon einmal einen Prozess wegen der Demonstration am Roten Antikriegstag verteidigt habe. Gegen diesen Beschluss des Gerichts wurde Beschwerde gegen die Aufrechterhaltung des Haftbefehls gegen Klaus eingelegt. Jetzt erhielt Klaus Kercher die Antwort des Oberlandesgerichts München.“

Danach ist der „Haftbefehl außer Kraft gesetzt, aber nicht aufgehoben“. Kercher muss sich „wöchentlich einmal bei der Polizei melden“. Das Oberlandesgericht erklärt dazu:

‘… Der von dieser erheblichen Freiheitsstrafe ausgehende Fluchtanreiz ist besonders hoch einzuschätzen, da der Angeklagte auch nach den mehrfachen Ausführungen seines bisherigen Verteidigers Kommunist und Mitglied der KPD/ML ist und also die revolutionäre Beseitigung des freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik anstrebt. Bei dieser Einstellung liegt die Besorgnis des Untertauchens besonders nahe …‘

„Die Ablehnung der Beschwerde von Klaus Kercher ist ein klarer Beweis für die Gesinnungsjustiz in der Bundesrepublik. Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass es der Bourgeoisie bei ihren Prozessen nicht darauf ankommt, die ‘Wahrheit zu finden‘, sondern ihre politischen Gegner, die Kommunisten, hinter Gitter zu bringen.“
Q: Roter Morgen Nr. 10/1976, Dortmund, S. 7.

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29.05.1976:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 22/1976, begann am 24.5. „in München der Prozess gegen den Genossen Peter K. wegen Verunglimpfung des Staates“. Dazu wird ausgeführt:

„Dieser Prozess ist nicht nur ein massiver Angriff auf einen Kommunisten, er stellt auch einen Angriff dar auf das Recht von Angeklagten, sich vor Gericht zu verteidigen. Pete K. hatte bereits im November 1974 einen Prozess, weil er im Gerichtssaal für die Freiheit von Genossen Klaus Kercher gekämpft hatte. Während der Verhandlung ließ der Staatsanwalt Notizen beschlagnahmen, auf denen Genosse Peter K. Stichworte für sein geplantes Schlusswort notiert hatte. Aus diesen Notizzetteln bastelte der Staatsanwalt Wahl, Münchens berüchtigter Kommunistenjäger, eine neue Anzeige gegen den Genossen- obwohl Peter diese Notizen nicht einmal für sein Schlusswort verwenden konnte und dann auch zu einem ganz anderen Thema sprach. Er erhielt einen Strafbefehl über DM 1.200, gegen den er Einspruch einlegte.“
Q: Roter Morgen Nr. 22/1976, Dortmund, S. 7.

12.06.1976:
Im „Roten Morgen“, Nr. 24/1976, erscheint der Artikel: „Terrorurteil gegen Klaus Kercher.“ Ausgeführt wird:

„Das Berufungsgericht in München hat das Urteil der 1. Instanz gegen den Genossen Klaus Kercher bestätigt, der am Roten Antikriegstag 1972 mit der Partei gegen den imperialistischen Krieg demonstrierte: 16 Monate Gefängnis ohne Bewährung. Und doch ist dieses neue Urteil ein noch schärferer Angriff, noch größerer Terror als das erste. Denn dieses Mal musste sogar das Gericht zugestehen, dass die gekauften Zeugen der Staatsanwaltschaft sich derart widersprachen, dass nur ein Teil der Anklage aufrechterhalten werden konnte. Klaus, der angeklagt war, wegen ‘schwerem Landfriedensbruch‘, ‘schwerem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und ‘versuchter Körperverletzung‘, wurde verurteilt wegen Landfriedensbruch und Widerstand. Das Strafmaß allerdings bleib das Gleiche.

Watrum die Bourgeoisie so vorgeht, begründete der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Hätte Klaus einmal in den letzten vier Jahren gesagt, der Rote Antikriegstag 1972 sei eine Jugendsünde gewesen, so deutete er an, hätte er vor Gericht gesagt: ‘… Gut, wir haben einmal über die Stränge geschlagen …‘, hätte er also ‘bereut‘, dann wären 16 Monate ohne Bewährung nicht notwendig gewesen. Genau das aber hatte Genosse Klaus nicht getan.

Gegenüber solchen ‘Gesinnungstätern‘, gegenüber Kommunisten, scheut die Klassenjustiz auch vor keiner Einschüchterung, vor keiner Lüge zurück, um sie ins Gefängnis zu bringen. Auch im Prozess gegen Klaus durften die Zuschauer erst eintreten nach ausführlicher Ausweiskontrolle und Leibesvisitation, mussten sie Taschen und Tüten bei der Polizei abgeben. Zwar wurde der Haftbefehl gegen Genossen Klaus, der seit zwei Jahren besteht, vorübergehend aufgehoben, aber der ganze Prozessverlauf bewies, dass das nur ein taktisches Manöver war dass das Gericht von vornherein beschlossen hatte, Klaus ins Gefängnis zu schicken.

Dazu bot es Zeugen gegen Klaus auf, die man nur als Spitzel, Faschisten, Schläger und konterrevolutionäre Strolche bezeichnen kann. Zum Beispiel einen Bildzeitungsreporter, der beklagte, die Polizei sei viel zu schwach gewesen gegen die Demonstranten ‘mit den roten Lappen‘. Auf die Frage, ob er überhaupt gewusst habe, warum demonstriert wurde, sagte er grinsend: ‘… Das interessiert mich nicht. Ich gehe nach dem, der mich bezahlt …‘

Oder ein alter Faschist, der damit prahlte, er habe seine Armprothese abgeschnallt und auf einer jungen Demonstrantin in Stücke geschlagen. Den Vogel freilich schoss ein ‘Student‘ ab, der behauptete, er sei 1972 eigens - spontan und freiwillig - von Westberlin nach München gekommen, als er von der geplanten Demonstration hörte, um der Polizei zu helfen und sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Seine Aussage war so offensichtlich erlogen, dass nicht einmal die Polizeizeugen sie unterstützen mochten.

All diese Lügengebäude konnte Genosse Klaus in seinen Aussagen zerstören. Er sprach dem Gericht das Recht ab, über ihn zu urteilen und zeigte, dass es hier nicht um Wahrheitsfindung geht, sondern einzig und allein darum, einen Kommunisten fertigzumachen und auszuschalten. So wird er nicht allein mit Gefängnis bestraft. Die gleiche Bourgeoisie, die ihn in den Kerker wirft, hat ihm auch verboten, seinen Lehrerberuf auszuüben. Dass all dieser Terror nicht im Namen des Volkes ist, in dem er geübt wird, bewies Klaus mit einer Protestresolution, die 43 seiner 60 Kollegen unterschrieben haben.“
Q: Roter Morgen Nr. 24/1976, Dortmund, S. 6.

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Juli 1976:
In der „Roten Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 7/1976, erscheint der Artikel: „Klaus Kercher zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt.“ Ausgeführt wird:

„Klaus Kercher demonstrierte 1972 gemeinsam mit der KPD/ML am Roten Antikriegstag gegen den imperialistischen Krieg. Deshalb wurde er zu 16 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Dieses Urteil ist in der Berufungsverhandlung bestätigt worden.

Wenn‘s gegen Kommunisten geht, scheut die Klassenjustiz vor keinem Terror zurück. So durften die Zuschauer erst in den Prozesssaal, nachdem sie sich ausführlich durchsuchen ließen.

Um Klaus um jeden Preis ins Gefängnis zu bringen, wurden Zeugen herangezogen, die man nur als Spitzel, Faschisten und Schläger bezeichnen kann. Der eine Zeuge, den die Staatsanwaltschaft als einen Mann ‘aus dem Volke‘ präsentierte, ein alter Faschist, prahlte damit, dass er seine Armprothese abgeschnallt und auf einer jungen Demonstrantin in Stücke geschlagen habe. Im Übrigen kannte er Klaus nicht. Trotzdem wurde Klaus verurteilt.

Dieses Gesinnungsurteil ist eines von vielen, die gegen Teilnehmer der Roten Antikriegstagsdemonstration vollstreckt wurde. Doch die Klassenjustiz wird Klaus nicht kleinkriegen; denn hinter ihm stehen viele z. B. die 43 seiner Kollegen, die eine Protestresolution unterschrieben. Eine Kollegin von Klaus sammelte selbstständig Unterschriften für ihn. Auf Veranstaltungen wurde Geld für ihn gesammelt und viele sprachen ihre Solidarität aus.

FREIHEIT FÜTR KLAUS KERCHER!“
Q: Rote Hilfe Nr. 7/1976, Dortmund, S. 2.

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26.11.1976:
Der „Rote Morgen“, Nr. 48/1976, berichtet in der Rubrik „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“ unter Reutlingen davon, dass Klaus Kercher, der im „Juni dieses Jahres wegen des Roten Antikriegstages (1972, d. Vf.) zu 16 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden war“, der Redaktion der Zeitung einen Brief geschrieben hat, in dem es heißt:

‘… Am 4. November hat das Bayrische Oberste Landgericht beschlossen, die Revision gegen das Urteil in meinem Roten Antikriegstagsprozess vom 1. Juni 76 (16 Monate ohne Bewährung) als ‘offenkundig unbegründet‘ abzulehnen. Es behauptete auch, dass es wegen dieser Ablehnung meinen Haftbefehl, dessen wegen ich mich wöchentlich einmal bei der Polizei melden muss, nicht aufheben könne.

Obwohl mein Anwalt ihnen klar gemacht hat, dass soziale Bindungen besehen: Seit September bin ich verheiratet und wir erwarten ein Kind (der Haftbefehl besteht wegen ‘Fluchtgefahr‘). Schon vorher hatte ich einen festen Arbeitsplatz und einen festen Wohnsitz. Die Ablehnung der Revision kann bedeuten, dass ich noch vor Jahresende ins Gefängnis muss…“
Q: Roter Morgen Nr. 48/1976, Dortmund, S. 7.

Dezember 1976:
Laut „Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 12/1976, muss Klaus Kercher, Verurteilter im Antikriegstagsprozess, „jeden Tag damit rechnen, abgeholt zu werden; denn seine Revision wurde kürzlich abgewiesen. Im Juni war er zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er am Roten Antikriegstag 1972 zusammen mit 5.000 anderen unter Führung der KPD/ML gegen den imperialistischen Krieg demonstriert hatte. Auf die Seite von Klaus aber stellten sich 43 seiner 60 Kollegen von Co ob mit einer Protestresolution. Klaus wurde nicht nur mit Gefängnis bestraft, er erhielt schon vorher außerdem Berufsverbot und darf nicht mehr als Lehrer unterrichten. Besonders auch für seine Frau wird die nächste Zeit schwer sein; denn sie erwartet ein Baby, das im April geboren werden soll. Stehen wir ihr mit unserer Solidarität zur Seite“.
Q: Rote Hilfe Nr. 12/1976, Dortmund, S. 3.

08.01.1977:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 3/1977, findet in Reutlingen eine Solidaritätsveranstaltung für Klaus Kercher statt, zu der ca. 40 Teilnehmer erscheinen.
Q: Roter Morgen Nr. 3/1977, Dortmund, S. 7.

21.01.1977:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 3/1977, sollte „am 3.1.1977 sollte für Klaus Kercher der Haftantritt für die 16-monatige Gefängnisstrafe sein, die die Klassenjustiz wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 gegen ihn verhängt hatte. Wie andere Genossen vor ihm, meldete sich auch Genosse Klaus nicht freiwillig zum Strafantritt, sondern erklärte, dass man ihn schon holen müsse, wenn er eingesperrt werden sollte.

Die Partei und die Rote Garde nahmen das zum Anlass, um mit einem Flugblatt und mit einer Veranstaltung diesen Fall politischer Unterdrückung bekanntzumachen und Solidarität mit dem Genossen zu schaffen. Die Gespräche, die die Genossen mit den Bewohnern der Arbeiterviertel in Reutlingen führten, zeigten, wie lächerlich es ist, wenn die Bourgeoisie behauptet, sie spreche Recht im ‘Namen des Volkes‘; denn überall fanden die Genossen Unterstützung oder zumindest Verständnis, nirgends Verurteilung. Einzelne Genossen erfuhren, dass die Menschen in den Stadtteilen schon von Klaus wussten, weil irgendwo im Betrieb darüber gesprochen worden sei. D. h. auch da, wo die Partei nicht unmittelbar arbeitet, sprach sich der Fall Klaus Kercher herum.

Zu der Veranstaltung am 8.1. kamen dann rund 40 Menschen, darunter vier Kollegen von Klaus, die zum ersten Mal eine Parteiveranstaltung besuchten, sowie vier Kollegen von der Frau des Genossen. Auf der Veranstaltung sprachen Genosse Klaus und ein Genosse der Partei. Eine Spendensammlung für die Prozesskosten ergab rund 300 DM. Nach Schluss der Veranstaltung blieben noch viele Genossen und Freunde zusammen, diskutierten und sangen miteinander.“
Q: Roter Morgen Nr. 3/1977, Dortmund, S. 7.

Februar 1977:
In der „Roten Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 2/1977, erscheint der Artikel: „Freiheit für die politischen Gefangenen. Genosse Klaus von der Arbeit verhaftet.“ Ausgeführt wird:

„Montagmorgen, den 24. Januar. Genosse Klaus Kercher wurde wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. 1972 während der Olympiade war die Münchener Innenstadt hermetisch abgeriegelt. Unter Führung der KPD/ML, kämpften 5. 000 Menschen für das Recht auf die freie Straße. Fünf Genossen waren wegen dieser Demonstration schon bis zu einem Jahr im Gefängnis. Der Genosse Alexander Haschemi ist noch inhaftiert und drei weitere sollen noch im Laufe dieses Jahres ihre Haftstrafe antreten. Genosse Klaus Kercher hatte nun wegen seines Prozesses schon Berufsverbot bekommen, er durfte als Lehrer nicht mehr unterrichten …

Genosse Klaus hat sich als Kommunist in diesem Kampf an vorderster Stelle für die Interessen seiner Kollegen eingesetzt, das weiß jeder und deshalb machen viele jetzt auch bei der Verhaftung ihrer Empörung Luft. Besondere Empörung ruft hervor, dass Genosse Klaus gerade jetzt verhaftet wird, wo seine Frau in wenigen Wochen ein Baby erwartet …

Genosse Klaus soll jetzt nach Stammheim kommen. Dort soll entschieden werden, ob er als ‘hartnäckiger‘ Fall oder als ‘besserungswillig‘ einzustufen ist. Je nachdem plant man ihn in schlechtere oder ‘bessere‘ Gefängnisse zu sperren. Es ist klar, ein Kommunist ist natürlich ein hartnäckiger Fall und dementsprechend werden sie den Genossen auch behandeln.“
Q: Rote Hilfe, Nr. 2/1977, Dortmund, S. 3.

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04.02.1977:
Im „Roten Morgen“, Nr. 5/1977, erscheint der Artikel: „Genosse Klaus Kercher in Haft.“ Ausgeführt wird:

„Am 24.1.77 wurde Genosse Klaus Kercher auf seiner Arbeitsstelle bei Coop in Reutlingen von der Polizei abgeholt. Bereits vor einiger Zeit hatte Genosse Klaus einen Bescheid zum Antritt einer 16-monatige Gefängnisstrafe erhalten, die die Klassenjustiz wegen der Teilnahme des Genossen am Roten Antikriegstag 1972 verhängt hatte. Genosse Klaus schrieb und bereits. In seinem Brief heißt es über die Verhaftung im Betrieb:

‘… Ein großes Erlebnis war für mich die Verabschiedung von meinen Kollegen im Betrieb. Mit großer Herzlichkeit wünschten sie mir alles Gute, versprachen mir zu schreiben, einer drückte mir noch zehn Mark in die Hand, damit sollte ich mir Zigaretten kaufen. Derselbe Kollege rief dann auch bei meiner Frau an, da mir das die Kripo verweigert hatte. Die hatte es sich wohl anders vorgestellt und nicht geglaubt, dass ein angeblich ‘vom Volk Verurteilter‘ auf diese Weise von seinen Kollegen verabschiedet wird …‘

Über die Reaktion der Kollegen von Klaus schrieb uns auch seine Frau:
‘… Ich war am Nachmittag nach der Verhaftung fast zwei Stunden bei Klaus Kollegen. Die Sache war Gesprächsthema. Am meisten empörten sie sich darüber, dass Klaus noch nicht einmal seine Frau (ich bin im 7. Monat schwanger) anrufen und sich nur unter Bewachung Zigaretten holen durfte. Die Kollegen fanden es sehr der deprimierend dass ich nun allein sei, da ich doch in acht Wochen ein Baby bekomme. Ich sagte, ich hätte es deprimierend gefunden, wenn sie Klaus sang- und klanglos hätten abführen können, wenn also die Solidarität der Kollegen nicht bestanden hätte. Sonst sei es natürlich schwierig, aber nicht deprimierend. Außerdem sprachen wir über ihre mögliche Unterstützung für Klaus: Briefe, evtl. Unterschriften für eine Haftunterbrechung bei meiner Niederkunft usw. Eine Kollegin empörte sich vor allem darüber, dass das alles ‘im Namen des Volkes‘ passiere. ‘Das sind doch wir‘ sagte sie, ‘wir haben ihn doch nicht verurteilt‘.

Am nächsten Tag wurde an die Kollegin im Betrieb ein Flugblatt der Partei verteilt. Ich hörte, dass es im ganzen Betrieb verbreitet wurde. Und jetzt kommt der Hammer: Der Betriebsrat lief herum, schrie, das Flugblatt müsse weg, das gebe es nicht. Der Hofhund bellte also lauter als sein eigener Herr. Eingesammelt wurde das Flugblatt aber offenbar trotzdem nicht.

Noch etwas: Ein Sympathisant der Partei ist in einer Berufsschule. Am Tag der Verhaftung diskutierten sie dort zufällig in Geschichte über den Faschismus, und er sprach über die Faschisierung heute in der Bundesrepublik. Die Mitschüler glaubten viele Beispiele nicht so recht oder hielten sie für übertrieben. Als sie aber vom Fall meines Mannes in ihrer Stadt hörten, waren sie empört. Daraufhin wurde am nächsten Tag das Flugblatt zur Verhaftung auch an der Berufsschule verteilt und kam auch in diese Klasse. Es schlug richtig einend löste viele Diskussionen aus über den Staat, die revolutionäre Gewalt usw. Mehrere Schüler kaufen ‘Die Rote Garde‘ einer eine Broschüre über Brokdorf. Der Terror gegen die Kommunisten ist eben wirklich ein Bumerang. Gesten noch hatten viele Illusionen über die Faschisierung, heute sehen sie sie und bekommen Kontakte zu den Kommunisten, die gerade isoliert werden sollten …“
Q: Roter Morgen Nr. 5/1977, Dortmund, S. 7.

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04.02.1977:
Im „Roten Morgen“, Nr. 5/1977, erscheint in der Rubik „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“, der Artikel: „Genosse Klaus Kercher in Haft.“ Ausgeführt wird:

„Am 24.1.77 wurde Klaus Kercher auf seiner Arbeitsstelle bei Coop in Reutlingen von der Polizei abgeholt. Bereits vor einiger Zeit hatte Genosse Klaus einen Bescheid zum Antritt einer 16-monatigen Gefängnisstrafe erhalten, die die Klassenjustiz wegen der Teilnahme des Genossen am Roten Antikriegstag 1972 verhängt hatte. Genosse Klaus schrieb uns bereits. in einem Brief heißt es über seine Verhaftung im Betrieb: ‘… Ein großes Erlebnis war für mich die Verabschiedung von meinen Kollegen im Betrieb. Mit großer Herzlichkeit wünschten sie mir alles Gute, versprachen mir zu schreiben, einer drückte mir noch zehn Mark in die Hand, damit sollte ich mir Zigaretten kaufen. Derselbe Kollege rief dann auch bei meiner Frau an, da mir das die Kripo verweigert hatte. Die hatte es sich wohl anders vorgestellt und nicht geglaubt, dass ein angeblich ‘vom Volk Verurteilter‘ auf diese Weise von seinen Kollegen verabschiedet wird …‘

Über die Reaktion der Kollegen von Klaus schrieb uns auch seine Frau:

‘… Ich war am Nachmittag nach der Verhaftung fast zwei Stunden bei Klaus Kollegen. Die Sache war Gesprächsthema. Am meisten empörten sie sich darüber, dass Klaus noch nicht einmal seine Frau (ich bin im 7. Monat schwanger) anrufen und sich nur unter Bewachung Zigaretten holen durfte. Die Kollegen fanden es sehr der deprimierend dass ich nun allein sei, da ich doch in acht Wochen ein Baby bekomme. Ich sagte, ich hätte es deprimierend gefunden, wenn sie Klaus sang- und klanglos hätten abführen können, wenn also die Solidarität der Kollegen nicht bestanden hätte. Sonst sei es natürlich schwierig, aber nicht deprimierend. Außerdem sprachen wir über ihre mögliche Unterstützung für Klaus: Briefe, evtl. Unterschriften für eine Haftunterbrechung bei meiner Niederkunft usw. Eine Kollegin empörte sich vor allem darüber, dass das alles ‘im Namen des Volkes‘ passiere. ‘Das sind doch wir‘ sagte sie, ‘wir haben ihn doch nicht verurteilt‘.

Am nächsten Tag wurde an die Kollegin im Betrieb ein Flugblatt der Partei verteilt. Ich hörte, dass es im ganzen Betrieb verbreitet wurde. Und jetzt kommt der Hammer: Der Betriebsrat lief herum, schrie, das Flugblatt müsse weg, das gebe es nicht. Der Hofhund bellte also lauter als sein eigener Herr. Eingesammelt wurde das Flugblatt aber offenbar trotzdem nicht.

Noch etwas: Ein Sympathisant der Partei ist in einer Berufsschule. Am Tag der Verhaftung diskutierten sie dort zufällig in Geschichte über den Faschismus, und er sprach über die Faschisierung heute in der Bundesrepublik. Die Mitschüler glaubten viele Beispiele nicht so recht oder hielten sie für übertrieben. Als sie aber vom Fall meines Mannes in ihrer Stadt hörten, waren sie empört. Daraufhin wurde am nächsten Tag das Flugblatt zur Verhaftung auch an der Berufsschule verteilt und kam auch in diese Klasse. Es schlug richtig einend löste viele Diskussionen aus über den Staat, die revolutionäre Gewalt usw. Mehrere Schüler kaufen ‘Die Rote Garde‘ einer eine Broschüre über Brokdorf. Der Terror gegen die Kommunisten ist eben wirklich ein Bumerang. Gesten noch hatten viele Illusionen über die Faschisierung, heute sehen sie sie und bekommen Kontakte zu den Kommunisten, die gerade isoliert werden sollten …“
Q: Roter Morgen Nr. 5/1977, Dortmund, S. 7.

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März 1977:
Die „Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 3/1977, ruft dazu auf:

„Schreibt dem Genossen Klaus Kercher.
Genosse Klaus Kercher ist jetzt in die JVA nach Heilbronn eingewiesen worden. Genosse Klaus bittet Euch, ihm solche Briefe zu schreiben, die vom Klassenkampf berichten, vom Leben draußen, von dem er getrennt wurde. Die besten Briefe, so sagt er, sind die, in denen er aufgefordert wird, z. B. wenn ihm Fragen gestellt werden, die er dann beantworten muss. Ende März erwartet Klaus Frau Angelika ihr Baby. Aus diesem Grund beantragte Klaus nach dem § 35 StGB einen Urlaub aus wichtigem Anlass. Unterstützt diese Forderung des Genossen Klaus. Adresse: 71 Heilbronn, JVA Steinstraße 21.“
Q: Rote Hilfe-Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands, Dortmund, Nr. 3/1977, S. 3.

April 1977:
In der „Roten Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 4/1977, heißt es zu Klaus Kercher:

„Seit 2 Monaten ist Genosse Klaus Kercher, Kämpfer des Roten Antikriegstags, nun in Haft. In der letzten Zeitung berichteten wir über den Urlaubsantrag, den er gestellt hat, um bei der Geburt seines Kindes zu Hause zu sein. Mit der zynischen Begründung: ‘… Die Geburt seines Kindes ist kein besonderer Anlass …‘, lehnte Anstaltsleiter Dr. König diesen Antrag ab. Wir fordern unsere Leser auf, gegen diesen Bescheid zu protestieren …“
Q: Rote Hilfe-Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands, Nr. 4/1977, Dortmund, S. 3.

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06.05.1977:
Im „Roten Morgen“, Nr. 18/1977, erscheint der Artikel: „Breite Solidarität mit Klaus Kercher. Der Tag, als das Paket kam.“ Ausgeführt wird:

„Bereits seit einigen Monaten ist Klaus Kercher, verurteilt wegen Teilnahme an der Demonstration zum Roten Antikriegstag 1972, im Gefängnis. Klaus ist verheiratet und hat - seit kurzem - eine kleine Tochter. Zur Geburt der kleinen Julia erhielt Angelika Kercher vom ZK der KPD/ML ein Paket mit Baby-Sachen. Angelika schreibt uns über den Tag, als das Paket kam:

‘… Als das Paket kam, war gerade eine Genossin zu mir gezogen, die mir während ihrer Ferien im Haushalt und mit der Kleinen half (Sie war übrigens nicht die einzige Hilfe. Ständig war jemand von den Genossen oder Sympathisanten hier. Sie putzten, erledigten Sachen für mich, kochten, brachten Kindersachen. Alle Nachbarn sind schwer beeindruckt davon).

Am Nachmittag des gleichen Tages kamen zwei Kollegen von mir, mit denen mich freundschaftlicher Kontakt verbindet, seit wir vor kurzem zusammen gegen die Streichung der Überstundenbezahlung und gegen andere Verschlechterungen gestanden hatten, in dem Heim, wo wir arbeiten. Gerade diese Kollegen hatten mich durch ihr mutiges und konsequentes Auftreten beeindruckt. Wir haben viel diskutiert und ich habe ihnen auch über Klaus erzählt. Sie wollen ihm jetzt schreiben (ob wohl sie ihn persönlich gar nicht kennen) und helfen mir bei der Suche nach einer Pflegestelle für Julia.

Diese Kollegen saßen kaum, als es klingelte. Vor der Tür standen drei Kollegen von Klaus. Sie brachten einen Blumenstrauß, eine Glückwunschkarte von ausdrücklich allen Kollegen und gesammelten 25 DM. Der ältere Kollege, der das Wort führte, erzählte, mittags hätten sie beim Essen gesessen und plötzlich sei die Rede darauf gekommen: Wem haben wir denn das eigentlich zu verdanken? Doch dem Klaus - also los, Jungs, jetzt wird gesammelt, da ist doch inzwischen sein Kind gekommen! (Och sagte, das erkämpfte Kantinenessen sei doch dem Zusammenstehen aller Kollegen zu verdanken, aber sie beharrten darauf, das Klaus die Sache in die Hand genommen habe).

Ich freute mich natürlich sehr. Allen Kollegen zeigte ich die Sachen vom ZK der Partei, las die Glückwunschkarte vor, erzählte vom Blumenstrauß, den ich bereits im Krankenhaus bekommen hatte und zeigte einen Tragekorb für die Kleine, den die Partei-Ortsgruppe gespendet hatte. ‘Donnerwetter‘ sagte der ältere Kollege von Klaus.
‘… Ihr haltet wirklich zusammen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so was bei CDU oder SPD gäbe. Also, das muss man den Kommunisten schon lassen …‘

Aber mit diesem Nachmittag war der Tag noch nicht vorbei. Gegen Abend rief eine Rentnerin an, die Klaus und m ich von Hausbesuchen her kannte. Sie hatte von den anderen Genossen von Julias Geburt erfahren und wollte gratulieren und sich nach Klaus erkundigen.

Abends schließlich, ich wickelte gerade Julia, kam ein Mädchen, das ich noch nie gesehen hatte. Sie stellte sich vor als Klassenkameradin eines Sympathisanten der Partei in der Berufsschule… Jetzt wollte sie mich kennenlernen und sich an der Erstellung einer Dokumentation zur politischen Unterdrückung am Beispiel von Klaus beteiligen.

Ich erzählte ihr, was ich alles allein an diesem Tag an Unterstützung und Solidarität erfahren hatte und wir fuhren dann zu den Genossen der Roten Hilfe Deutschlands, die gerade an der Broschüre saßen. Dort sagte das Mädchen nach einer Weile ganz unvermittelt, sie freue sich so. Warum, fragte ich. Was ich erzählt hätte über di Unterstützung, das finde sie toll und auch jetzt die Atmosphäre hier - das alles habe sie gar nicht für möglich gehalten, das müsse sie erst einmal verarbeiten.

Genossen, und am nächsten Mittag kamen noch zwei Kollegen von Klaus, aber aus einer anderen Abteilung und brachten eine Resolution und Unterschriften für die Genehmigung von Klaus Urlaubsantrag.“
Q: Roter Morgen Nr. 18/1977, Dortmund, S. 7.

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21.10.1977:
Im „Roten Morgen“, Nr. 42/1977, erscheint der Artikel: „Richterentscheid gegen Genossen Klaus Kercher. Haftentlassung abgelehnt.“ Ausgeführt wird:

„Genosse Klaus Kercher, politische Gefangener in der Vollzugsanstalt Heilbronn, verurteilt wegen seiner Beteiligung an der Demonstration zum Roten Antikriegstag 1972, hat einen Antrag zur Aussetzung des letzten Drittels seiner Haftstrafe gestellt. Eine solche Aussetzung ist nichts Besonderes, sie wird bei sogenannten Ersttätern in 90% der Fälle gewährt. Bei Klaus Kercher aber hieß es: Abgelehnt!

In der Begründung zu diesem Beschluss schrieb ein Richter Funck vom Landgericht Heilbronn ‘… Seinem Antrag kann, obwohl er nicht vorbestraft ist und seine Führung im Vollzug nicht beanstandet wurde, nicht stattgegeben werden, weil aufgrund der politischen Überzeugung des Verurteilten und der Folgerung, die er daraus für seine Person zieht, eine straffreie Führung innerhalb einer Bewährungszeit nicht zu erwarten ist …‘

Im Klartext: Klaus bleibt eingekerkert einzig und allein wegen seiner politischen Überzeugung, weil er Kommunist ist. Und ein Kommunist gibt eben nicht die Gewähr für eine ‘straffreie Führung‘.

Was ist das denn anders als eine Begründung und Rechtfertigung für die Sicherheitsverwahrung, wie sie heute schon in Bonn diskutiert wird? Hier geht es noch um die Ablehnung der Strafaussetzung. Morgen werden die Funcks mit genau der gleichen Begründung ihre Unterschrift unter Beschlüsse auf langjährige oder gar lebenslängliche Sicherheitsverwahrung setzen.

Von der zynischen Menschenverachtung dieses Apparats zeugt auch eine andere Stelle aus dem Ablehnungsbescheid des Herrn Funck. Darin heißt es ‘… Das Gericht verkennt nicht, dass es der Verurteilte zum Teil auch darauf anlegt, ein Pseudo-Martyrium auf sich zu nehmen und damit seine politische Überzeugung herauszustreichen. Dies durchaus in dem Bewusstsein, dass die Nachteile dieses Opfergang weniger ihn selbst treffen als vielmehr seine nächsten Angehörigen …‘

Kann man sich eine niederträchtigere Verhöhnung vorstellen? Sie kerkern den Genossen ein und halten ihm dann vor, er hätte ja gerade auf das Martyrium angelegt. Sie verweigern ihm die Strafaussetzung, die Klaus gerade mit dem Hinweis auf seine familiäre Situation gefordert hatte, und machen ihn dafür verantwortlich, dass er von seiner Familie getrennt ist. Dieser Zyniker in der Richterrobe vom Schlage eines Herrn Funck sind dem deutschen Volk nur allzu gut bekannt, und man weiß wahrhaftig, dass sie zu allem fähig sind. Aber nach wie vor gilt, dass diese Herren das Volk nur so lange richten, bis sie vom Volk selbst gerichtet werden.“
Q: Roter Morgen Nr. 42/1977, Dortmund, S. 6.

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28.10.1977:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 43/1977, fordert die KPD/ML die „Sofortige Freilassung des Genossen Klaus Kercher.“ Dazu heißt es:

„Wie bereits im letzten Roten Morgen berichtet wurde, ist die Entlassung des Genossen Klaus Kercher nach Ablauf von 2/3 seiner Haftzeit abgelehnt worden. Klaus hat gegen diese Entscheidung des Richters Funck am Landgericht Heilbronn Beschwerde bei der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Heilbronn eingelegt.“
Q: Roter Morgen, Nr. 43/1977, Dortmund, S. 7.

04.11.1977:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 45/1977, wird Klaus Kercher an diesem Tag „aus dem Gefängnis entlassen“. Dazu heißt es weiter:

„Genossen nahmen in mit großer Begeisterung vor den Gefängnistoren in Empfang. Die Freilassung von Klaus Kercher, der wegen seiner Teilnahme an der Demonstration zum Roten Antikriegstag in München zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt worden war, ist ein Erfolg der Solidarität. Denn die Klassenjustiz wollte Klaus zunächst um keinen Preis nach Ablauf von 2/3 seiner Haftstrafe entlassen. Sie hatte auch versucht, die Genossen, die für Klaus‘ Freilassung kämpften, einzuschüchtern, indem sie gleich, nachdem das erste Flugblatt dazu erschienen war, die Haftbedingungen für Klaus verschärften. Aber die Genossen und Freunde von Klaus ließen sich nicht einschüchtern. Und ihr Kampf hat Erfolg gehabt.“
Q: Roter Morgen Nr. 45/1977. Dortmund, S. 7.

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09.12.1977:
Der „Rote Morgen“, Nr. 49/1977, veröffentlicht einen „Brief des Genossen Klaus Kercher.“ Darin heißt es:

„Wie bereits berichtet, wurde Genosse Klaus Kercher vor kurzem aus der Haft entlassen. Er war im Zusammenhang mit der Demonstration zum Roten Antikriegstag 1972 zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Genosse Klaus schreibt uns in einem Brief unter anderem:

‘… Zuerst möchte ich aber Euch allen Genossen de Partei und der RHD, allen meinen Freunden und Bekannten, aber auch allen Unbekannten, die mir während meiner Haftzeit geschrieben haben, die meine Frau mit Briefen und Paketen (meist mit Babywäsche für unsere kleine Julia) unterstützt haben, recht herzlich danken. Ich erhielt im Knast etwas mehr als 400 Karten, Briefe und andere Postsendungen. Alle, die uns dadurch durch den Vertrieb der Dokumentation oder auf andere Weise geholfen haben, sende ich - auch im Namen meiner Frau - hiermit meine herzlichen Dankesgrüße …‘

Die Klassenjustiz hatte zunächst die vorzeitige Entlassung von Klaus nach zwei Dritteln seiner Haftzeit abgelehnt. Die RHD hatte gegen diese Entscheidung einen entschlossenen Kampf organisiert. Das Oberlandesgericht entschied dann, dass Klaus doch vorzeitig entlassen werden könne. Wir möchten unseren Lesern nicht vorenthalten, wie das OLG ebenso umständlich wie ausführlich begründet, warum der Kampf der RHD auf diese Entscheidung auch nicht den allergeringsten Einfluss hatte ‘… Der Senat entscheidet nach Gesetz und Recht in richterlicher Unabhängigkeit. Außerrechtliche Agitation… kann nicht dazu führen, dass die mögliche Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes unterbleibt (!). Sie könnte im umgekehrten Fall den Senat auch nicht veranlassen, von einer gebotenen Vollstreckung der ganzen Strafe abzusehen. Diese Vorgänge sind schlicht unerheblich.“
Q: Rote Morgen Nr. 49/1977, Dortmund, S. 6.

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16.12.1977:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 50/1977, heißt es in der Rubrik „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“: „Ein Schritt faschistischer Geheimjustiz“:

„Liebe Genossen!
In der vorigen Woche erhielt ich das schriftliche Urteil von meinem Roten - Antikriegstags - Prozess, in dem ich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Er fand am 3. 10. 77 statt. Die Bewährung wurde gestrichen, so dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann mich die Bourgeoisie ins Gefängnis werfen wird. Selbstverständlich nutzte ich noch die Möglichkeit der Revision - allerdings ohne Illusionen…

In dem schriftlichen Urteil nun wird unter dem Kapitel ‘Feststellung zu den persönlichen Lebensverhältnissen des Angeklagten‘ geschrieben: ‘… Er ist Mitglied der KPD/ML …‘
Diese sogenannte Feststellung des Gerichts - wie kam sie zustande?
Ich habe in der Verhandlung nichts dergleichen gesagt. Auch Richter und Staatsanwalt haben dazu nicht ein Wort verloren, noch haben sie ‘Zeugen‘ aufgefahren.

Natürlich habe ich im Prozess das revolutionäre Vorgehen vom RAKT 72 verteidigt, natürlich habe ich das Verfahren genutzt, um die Partei und ihre Politik zu propagieren und zu verteidigen. Natürlich ist bekannt, dass ich die Politik der Partei für richtig halte. Die Sauerei liegt in Folgendem: Hinter verschlossenen Türen trifft das Gericht bestimmte ‘Feststellungen‘. Es bleibt im Dunkeln, wie das Gericht zu solchen ‘Fakten‘ kommt; es ist einem als Angeklagten jede Möglichkeit genommen, das nachzuprüfen und im Gerichtssaal anzuprangern.

Von jetzt an soll in allen Akten stehen: ‘… Es ist gerichtsbekannt, dass der Betreffende Mitglied der KPD/ML ist …‘

Wie es zu diesen Feststellungen gekommen ist? Danach fragt dann keiner mehr - es steht jedenfalls fest!

Genossen! Das ist ein Schritt faschistische Geheimjustiz! Weiter aber ist das auch ein Teil der Verbotsdrohungen gegen die Partei, die KPD/ML. Sollte die Partei später einmal verboten werden, kramen sie dieses Urteil wieder aus und machen mit einen Prozess wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei, weil ja damals ‘festgestellt wurde, dass der Angeklagte Mitglied der KPD/ML ist …‘

In diesem Prozess spätestens wären dann die Rollen vertauscht: Nicht die Klassenjustiz müsste beweisen, dass ich Mitglied der Partei bin, sondern ich müsste beweisen, dass ich es nicht bin.

Damit hätten sie leichtes Spiel, mich erneut hinter Gitter zu werfen. Genossen! Aber welche Tricks sie sich auch ausdenken, zu welchen Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen sie auch greifen - Der Kommunismus lässt sich nicht verbieten. Ihr Untergang ist gewiss.“

Der Artikel ist von „Klaus“ (vermutlich Klaus Kercher, d. Vf.) verfasst.
Q: Roter Morgen Nr. 50/1977, Dortmund, S. 7.

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Januar 1978:
Laut „Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands“, Nr. 1/2 1978, bedankt sich Klaus Kercher bei der Roten Hilfe in einem Brief. Er schrieb aus der Haft:

‘… Zunächst möchte ich Euch, allen Genossen der KPD/ML, allen meinen Freunden und Bekannten, aber auch allen Unbekannten, die mir während meiner Haftzeit geschrieben haben, die meine Frau mit Babywäsche für unsere kleine Julia unterstützt haben, recht herzlich danken. Ich erhielt im Knast etwas mehr als 400 Karten, Briefe und andere Postsendungen. Allen, die uns dadurch oder auch durch den Vertrieb der Dokumentation oder auf andere Weise geholfen haben, sende ich - auch im Namen meiner Frau - hiermit meine herzlichen Dankesgrüße.

Weiter schreibt er: ‘… Im Augenblick bin ich zwar arbeitslos, erhalte aber wenigstens Arbeitslosengeld (weil ich ja während meiner Haftzeit in der Fabrik arbeiten konnte). Für Anfang März 78 bin ich für eine Umschulung als Werkzeugmacher beim Arbeitsamt vorgemerkt.

Im Übrigen haben wir hier in Reutlingen meine Entlassung mit einem Kegelnachmittag gefeiert. Dabei kam die Summe von ca. 30 DM zusammen, die wir der RHD für den inhaftierten Genossen Francois de Blois übergeben.“
Q: Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe Deutschlands Nr. 1/2 1978, Dortmund, S. 13.



Letzte Änderungen: 16.10.2018

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