Bolschewik - Theoretisches Organ der KPD/ML (Zentralbüro)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen

„Bolschewik“ nannte sich das Theoretische Organ (TO) der KPD/ML (Zentralbüro). Es erschien erstmals im November 1970 mit dem Hauptthema: „Der Kampf gegen die Sozialdemokratie“ (vgl. November 1970), nachdem die Zentrale ihre vermeintlichen „Parteifeinde“ aus ihren Reihen ausgeschlossen hatte und damit der Weg für ein eigenes zentrales Organ frei war. Der „Bolschewik“ spiegelte so auch die Auseinandersetzungen im Landesverband NRW der KPD/ML wider.

Das Zentralbüro (ZB) der KPD/ML, das sich in der Tradition der am 31.12.1968 gegründeten Organisation unter Ernst Aust wähnte, griff in der Zählweise des „Bolschewik“ auf den „Revolutionären Weg“ (RW), der unter Willi Dickhut herausgegeben worden war, zurück. Die Nr. 4/1970 des RW (vgl. 15. Juni 1970) wurde vom ZB als letzte legitime Ausgabe anerkannt. Daher war die erste Ausgabe des „Bolschewik“ die Nr. 5/1970, 2. Jahrgang.

Außer der Nummer 5 erschienen noch drei Ausgaben:

Ob noch weitere Ausgaben erschienen sind, ist mir zurzeit nicht bekannt, vermutlich aber nicht.

Alle Ausgaben erschienen in Bochum und kosteten vier DM. Der Herausgeber war laut Impressum für alle Ausgaben: „ZB der KPD/ML, Bochum, Bongardstraße“. Auf der Titelseite hieß es: „Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis”, was aus der heutigen Sicht jedoch nicht im Entferntesten der Programmatik der Gruppe entsprach.

Bereits in der Ausgabe 5/1970 stellte das ZB seine Theorie im „Bolschewik“ vor. Es ging in fast allen Ausgaben um den „Kampf gegen die Sozialdemokratie“, der nun folgend theoretisch begründbar erschien. So schien das „System der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse“ (Nr. 8/1970) durch die SPD überall zu greifen. Daher sei sie heute die „Hauptvariante des Faschismus“ und müsse dementsprechend als „Hauptfeind geschlagen werden“ (vgl. Dietmar Kesten: Rote Fahne - Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten – Zentralbüro).

Der Rückgriff war auch hier, wie schon in der „Roten Fahne“ und im „Parteiarbeiter“, die „Sozialfaschismustheorie“ der Weimarer KPD und der Komintern, die allerdings mit der Brüsseler Parteikonferenz von 1935 wieder fallen gelassen und durch die „Einheits- und Volksfrontpolitik“ für den Kampf der Arbeiterklasse gegen den Faschismus wurde.

Dass sich der „Bolschewik“ bei seinen theoretischen Bemühungen auf offizielle Verlautbarungen der SED und der illegalen KPD stützte, sollte nicht unerwähnt bleiben. So war die Nummer 6 („Die antifaschistisch-demokratische Revolution 1945/49“) eine Meisterleistung des Abschreibens von Publikationen aus den Archiven der SED, des Verlags für „Fremdsprachige Literatur“ (Moskau), des „Dietz-Verlags“ (Berlin), Ulbrichts „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ und Mehrings „Deutscher Geschichte von der Revolution 1848/49 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts“.

Mit dem „Bolschewik“ hatte das Zentralbüro nahezu alle Nahtstellen des Publikationswesens einer Parteiorganisation besetzt. Neben der „Roten Fahne“, dem „Parteiarbeiter“ und dem „Kommunistischen Nachrichtendienst“, war das TO der letzte Versuch, mit zweifelhaften Inhalten eine „revolutionäre Theorie“ vorzustellen.

Dass die spätere maoistische bzw. marxistisch-leninistische Bewegung in der BRD kaum Notiz vom „Bolschewik“ nahm und ihn nicht als „Theoretisches Organ“ würdigte, spricht für sich. So hat beispielsweise Heiner Karuscheit ihn in seiner „Geschichte der westdeutschen ML-Bewegung“ zu Recht außen vor gelassen.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Juni 1970:
In Bochum erscheint, vom LV NRW der KPD/ML-ZB herausgegeben, ein Sonderdruck des "Bolschewik - Theoretisches Organ der KPDML-Zentralbüro mit dem Titel: "Das Berliner ZKoll und Spartacus unter einer Decke." Die Dokumentation will anhand von Gegenüberstellungen von Zitaten aus "Spartacus (Initiativausschuss für die Gründung einer kommunistischen Jugendorganisation - Trotzkisten) und dem "Zkoll der Roten Garde Berlin" den Nachweis erbringen, dass das Zkoll eine "trotzkistische Linie" vertreten würde und sich hier einmal mehr ihre "liquidatorische Politik" zeige.

Das Papier war seinerzeit für die Abnabelung des Landesverbandes vom Zentralkomitee von einiger Wichtigkeit. Eingangs wird erwähnt, dass die Dokumentation aufzeigen wolle, dass das Berliner Zentralkollektiv "nicht nur objektiv trotzkistische Theorien verbreitet, sondern seine 'Analysen' direkt aus trotzkistischen Zeitungen abschreibt".

(Die Scans sind SW-Scans von Kopien.)
Quelle: KJ-Inform (Hrsg.): Bolschewik, Sonderdruck (Das Berliner "ZKoll" und Spartacus unter einer Decke), Bochum, Juni 1970.

15.06.1970:
Vermutlich in dieser Woche erscheint der „Revolutionäre Weg“ (RW), Nr. 4 als theoretisches Organ der KPD/ML bzw. der KPD/ML-ZB zum Thema: „Der Kampf um die proletarische Linie“ bzw. über die Spaltung der KPD/ML in KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK. Von der KPD/ML-ZB wird diese Ausgabe als letzte legitime anerkannt; sie gibt in der Folge ein eigenes theoretisches Organ, den „Bolschewik“ heraus.
Quellen: Kommunistischer Nachrichtendienst, Nr. 7, Bochum, 18.6.1970; Revolutionärer Weg, Nr. 4, Solingen 1970.

November 1970:
Der „Bolschewik“, das theoretische Organ der KPD/ML-ZB, erscheint erstmals in Bochum mit seiner Nr. 5 als erste Ausgabe dieses Organs überhaupt, da die Zählweise vom „Revolutionären Weg” 4/1970 übernommen wird. Bisher waren vier auch von der KPD/ML-ZB anerkannte Ausgaben des von Willi Dickhut edierten Organs erschienen, welche aber in den Besitz der KPD/ML-RW um Dickhut übergegangen ist. Inhalt der Anfang des Monats erscheinenden Nummer ist u. a.:

- Der ‘Revolutionäre Weg 5/70’
- Die Fraktionistische Plattform der Dickhut-Flatow-Clique
- Taktische Probleme des Kampfes gegen die Sozialdemokratie
- Schlagt den linken Revisionismus
- Zu der Broschüre von H. Matern ‘Zur Rolle der Sozialdemokratie in der Klassenauseinandersetzung auf deutschem Boden‘
- Die Entartung der Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion zum Sozialimperialismus und Sozialfaschismus.

Dargelegt wird u. a. die von der „sozialfaschistischen“ SPD-Führung angestrebte Verschmelzung der Gewerkschaftsführer mit der Bourgeoisie.
Q: KPD/ML (ZB): Bolschewik, Nr. 5 und 8, Bochum, November 1970 bzw. September 1971, o. S. bzw. S. 67; Kommunistischer Nachrichtendienst, Nr. 48 und 58, Bochum, 7.11.1970 bzw. 4.8.1971, S. 4 bzw. S. 10.

Januar 1971:
Die Nr. 6 des theoretischen Organs der KPD/ML-ZB „Bolschewik” erscheint. Es ist die zweite Nummer unter diesem Titel überhaupt. Der Inhalt ist:

- Die Antifaschistisch-Demokratische Revolution 1945/49
- Über einige trotzkistische Auffassungen in der Frage der antifaschistisch-demokratischen Revolution
- Die Entwicklung der Sozialdemokratie zum Sozialfaschismus und die Klassenkämpfe im Herbst 1970.

Auf Seite 68 heißt es, laut KPD: „Daher ist es in vielen Etappen des Klassenkampfes aufgrund einer Einschätzung der gegenwärtig wirkenden Klassenkräfte notwendig, die Interessen der Arbeiterklasse den allgemeinen Interessen der Gesellschaft unterzuordnen.”

Auf Seite 105 heißt es: „Die Orientierung auf das Finanzkapital … kommen den Interessen der privilegierten Schichten der Werktätigen nach und ziehen diese naturgemäß an die Gewerkschaften heran und stoßen gerade die untersten Schichten des Proletariats heraus. Dies ist ein nicht unwichtiges Element im Prozess der Faschisierung.”

Mit den Äußerungen über die Faschisierung der Gewerkschaften ab Seite 103 befasst man sich auch in der KPD/ML-ZK.
Q: KPD/ML (ZB): Bolschewik, Nr. 6, Bochum, Januar 1971.

31.05.1971:
Die Nr. 7 des „Bolschewik”, theoretisches Organ der KPD/ML-ZB, erscheint laut einer Ankündigung vom 2.6. in dieser Woche in Bochum mit 88 Seiten DIN A4, nachdem am 15.5. ein Erscheinen am 25.5. abgekündigt worden war. Inhalt der Nr. 7 ist:

- Über die programmatische Arbeit der KPD/ML
- Die internationale Lage und die imperialistische Politik Westdeutschlands
- Zur sowjetischen Außenpolitik in den Jahren 1939 und 1940.

Auf Seite 8 heißt es: „Angesichts dieses unschätzbaren theoretischen und politisch-ideologischen Rüstzeugs, das die Partei des Proletariats praktisch nur anzuwenden braucht, nehmen sich die theoretischen Aufgaben der deutschen Kommunisten sehr begrenzt aus.”

Auf Seite 13 heißt es: „Alle diese Arbeiten bringen uns in der zentralen Auseinandersetzung mit dem Revisionismus weiter, wenn wir auch noch nicht zum Frontalangriff übergegangen sind. Dabei muss man hervorheben, dass der ideologisch-politische Kampf gegen die revisionistisch entartete KPD und die von Anfang an revisionistische DKP eine hervorragende Bedeutung haben: Die Zurückweisung und Widerlegung des modernen Revisionismus ist die Existenzgrundlage unserer Partei.

Daher wollen wir zum Angriff auf die Positionen des Revisionismus mit der größtmöglichen Vorbereitung übergehen, das heißt, erst nachdem wir über die strategischen und taktischen Fragen der Politik der KPD/ML größtmögliche Klarheit geschaffen haben und erst nachdem wir die Ableger der Revisionisten (die oben genannten Vorhut- und Nachhutorganisationen der DKP) weitgehend politisch-ideologisch geschlagen haben.”

Weiter heißt es: „Da der US-Imperialismus in dem Maße schwächer wird, wie das sozialistische Lager und die revolutionären Bewegungen in der Welt erstarken, brauchte der amerikanische Imperialismus Lakaien und Bundesgenossen, die seine Weltherrschaftspläne unterstützten. Und diese Lakaien und Bundesgenossen fanden die amerikanischen Imperialisten gerade in den herrschenden Cliquen der Länder, die die Welt in den furchtbarsten und vernichtensten Krieg der Geschichte gestürzt hatten: der US-Imperialismus verbündete sich zum Zwecke der Beherrschung des imperialistischen Lagers und der neuerlichen Kriegsvorbereitung mit den aggressivsten, reaktionärsten und chauvinistischsten Imperialistencliquen, mit den herrschenden Kreisen des deutschen und japanischen Finanzkapitals.”

Im Artikel „Die internationale Lage und die imperialistische Politik Westdeutschlands” heißt es auf Seite 38: „Diese vorübergehende ‘friedliche’ Übereinkunft und die konterrevolutionäre Zusammenarbeit zwischen US-Imperialismus und Sozialimperialismus war eine der wichtigsten politischen Ursachen, die in der ersten Periode der dritten Etappe der allgemeinen Krise eine gewisse, weder dauerhafte noch feste Stabilisierung einiger Länder des imperialistischen Lagers hervorbrachten.”

Vermutlich aus diesem Artikel stammt auch das folgende Zitat: „Dies ist die Politik der sowjetischen Führer gegenüber den USA und den Imperialisten: Verkauf der Interessen der Völker nach Sicherheit, um mit den Imperialisten ihre Zusammenarbeit verstärken zu können. Dem müssen wir die Außenpolitik der VR China und der anderen sozialistischen Länder gegenüberstellen, die zwar nach den Prinzipien der friedlichen Koexistenz, mit den kapitalistischen und imperialistischen friedliche Beziehungen anstreben, die aber an der Unterstützung der Völker der Welt in ihrem heroischen Kampf gegen die Imperialisten festhalten und sie weiter verstärken.”

Auf Seite 55 heißt es: „Abgesehen davon, dass die Ausdehnung nach Osten für den deutschen Imperialismus geschichtlich begründet war, bleibt auch geographisch gar keine andere Möglichkeit: Nach einer wie auch immer gearteten - imperialistischen - ‘Zusammenfassung’ Westeuropas und ganz Europas bleibt unmittelbar nur die Stoßrichtung nach Russland.”

Auf Seite 61 heißt es: „Am Ende der relativen Stabilisierung, mit der Verschärfung der allgemeinen Krise, mit der Zunahme der außen- und innenpolitischen Gegensätze wird die Vorbereitung neuer Kriege und die Sicherung des Hinterlandes durch weitestgehende Knebelung der Arbeiterklasse für die Finanzoligarchie unumgänglich. In dieser Situation wird die Sozialdemokratie an die Macht gehoben bzw. an der Macht beteiligt.“
Q: KPD/ML (ZB): Bolschewik, Nr. 7, Bochum, Mai 1971.

September 1971:
Die KPD/ML-ZB gibt die Nr. 8 ihres theoretischen Organs„ Bolschewik” vermutlich Ende September 1971 unter der Schlagzeile „VR China - Bollwerk des Friedens” mit 68 Seitenim Format DIN A4 heraus. Inhalt ist:

- Die imperialistische Kriegs- und Aggressionspolitik bekämpfen! Alle geknechteten Volksmassen und unterdrückten Nationen in ihrem revolutionären Kampf unterstützen
- Zu einigen Fragen der Außenpolitik der Volksrepublik China
- Das Lohndiktat im System der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse.

Im Vorwort der Ausgabe führt die Redaktion aus: „Das Zentralbüro der KPD/ML hat beschlossen, den Bolschewik besser auf die Bedürfnisse der Parteiarbeit auszurichten als bisher. Als theoretisches Organ der Partei hat er vor allem zwei wichtige Aufgaben: 1. die Ausarbeitung und Diskussion des Programms der Partei, 2. die ideologische Erziehung der Partei. Diese Aufgaben sind vom Bolschewik bisher nur unvollständig erfüllt worden. Das theoretische Organ hat in der Vergangenheit vor allem der Ausarbeitung des Programms gedient. Die Aufgaben der Diskussion der programmatischen Ansichten der Partei hat es nicht wahrgenommen. Auch die bewusste ideologische Erziehung der Partei ist im Bolschewik nicht geleistet worden. Die Konkretisierung unserer politischen Linie, die Diskussion darüber wurden in Rundschreiben oder Briefen geführt. Das zeigt, dass das ZB nicht hinreichend Theorie und Praxis wirklich miteinander verbunden hat. Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass der Bolschewik große Bedeutung für die Entwicklung der programmatischen Ansichten der Partei hatte; aber die Anwendung der in den Artikeln dargestellten Grundlagen auf die Praxis der Parteiarbeit war ungenügend.

Das hat dazu beigetragen, dass der Bolschewik noch kein Instrument zur Einleitung und Anleitung einer lebendigen Parteidiskussion geworden ist. Wir müssen uns noch einmal die Bedeutung der revolutionären Theorie, vor allem aber ihre Verbindung mit der revolutionären Praxis klarmachen, um in Zukunft solche Fehler zu vermeiden und das theoretische Organ wirklich zu einem führenden Organ neben der Roten Fahne zu machen … Ohne dass die Partei eine richtige Linie in der Revolution besitzt und ohne gründliche ideologische Erziehung der Kader der Partei, aber auch der Massen, irrt die Partei im Dunkeln herum und kann weder die allgemeinen Fragen der Revolution in der Praxis lösen, noch die täglichen einzelnen Aufgaben korrekt bewältigen. Wir müssen also Theorie und Praxis korrekt miteinander verbinden. Das theoretische Organ muss seinen Beitrag dazu leisten, indem es die praktischen Erfahrungen der Arbeiterbewegung verallgemeinert und die theoretischen Erkenntnisse auf die praktische Arbeit anwendet.

Das theoretische Organ muss die Aufgabe der Verbindung von Theorie und Praxis auch dadurch leisten, dass es die Parteimitglieder im Geiste des Marxismus-Leninismus und der Mao Tsetung-Ideen erzieht. Was heißt das für den Bolschewik? Das heißt, dass er die Klassiker popularisiert, dass er die internationalen Erfahrungen der Arbeiterbewegung vermittelt, dass er die Leistungen des sozialistischen Lagers würdigt. Aber vor allem heißt das, einen schonungslosen Kampf gegen den Opportunismus zu führen, gegen den Revisionismus als Hauptfeind in der kommunistischen Bewegung und gegen den Sozialdemokratismus als Hauptspalter der Arbeiterklasse. Diesen Aufgaben muss der Bolschewik in Zukunft besser gerecht werden. In der heutigen Situation, wo die Partei erst aufgebaut wird, heißt das auch, einen unermüdlichen Kampf für die Einheit der marxistisch-leninistischen Bewegung zu führen. Damit der Bolschewik diesen Aufgaben besser als bisher dient, wird er in Zukunft häufiger erscheinen und mehr zur Ausrichtung der Partei, zur Parteidiskussion und zur Klärung aktueller politischer Fragen beitragen. So wird der Bolschewik in Zukunft besser seinem Leitsatz dienen können: Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis.”

Im Artikel „Zu einigen Fragen der Außenpolitik der Volksrepublik China” wird festgestellt: „Vor kurzem erging die Einladung der Regierung Volkschinas an den amerikanischen Präsidenten, zu persönlichen Gesprächen über Fragen der beiderseitigen Beziehungen und zu einem Meinungsaustausch über beide Seiten interessierende Fragen nach Peking zu kommen. In diesem Zusammenhang erhob sich eine heftige politische Auseinandersetzung um die Außenpolitik der siegreichen Arbeiterklasse und besonders um die Politik der friedlichen Koexistenz. Die imperialistische Presse erging sich in Lügenmärchen über den ‘Friedensstifter Nixon’ und die angebliche ‘Aufgabe weltrevolutionärer Ziele’ durch die Volksrepubik China. Die Revisionisten verschwendeten Kübel von Druckerschwärze, um das angebliche ‘Paktieren Maos mit den amerikanischen Imperialisten’ zu beweisen.

Demagogisch fragte die UZ: ‘Sind in Peking nur die Vertreter des Großkapitals willkommen? Und: ‘Sind die Imperialisten nicht mehr die Feinde der Volksrepublik China?’ Offen musste die UZ zur platten Lüge greifen. Sie verdrehte die Tatsachen, dass nämlich Nixon den Wunsch geäußert hatte, nach China zu reisen, und schrieb … ‘Peking bittet den angeschlagenen zu Verhandlungen …’ Die versteckte antikommunistische Hetze erreichte einen Höhepunkt. Auch in der marxistisch-leninistischen Bewegung zeigten sich Anzeichen der Verwirrung und Unklarheit über die Grundsätze der chinesischen Außenpolitik. Wir haben in der Roten Fahne die abwegigen Behauptungen des bürgerlichen Lagers über die Politik Volkschinas in der einen oder anderen Form zurückgewiesen … Doch wird auch innerhalb der Partei die Außenpolitik des Sozialismus noch oft falsch aufgefasst: Auf der einen Seite wird die Volksrepublik der ‘Unterstützung reaktionärer und faschistischer Regierungen’ verdächtigt, auf der anderen Seite verlangt man statt friedlicher Koexistenz die kriegerische Ausfuhr der Revolution. Es kam auch vor, dass die Friedenspolitik Volkschinas gar nicht verstanden wurde: ‘China ist nicht für den Frieden, sondern für den Kampf gegen die Imperialisten‘, China solle ‘Krieg gegen den Imperialismus’ führen und sich in die inneren Auseinandersetzungen anderer Staaten einmischen. Immer wieder tauchte der Einwand auf, die Rote Fahne habe die ‘Friedenspolitik Chinas zu sehr herausgestellt.’ Auf alle diese Fragen müssen wir eine Antwort geben.”

Im Verlauf des Artikels werden die „Beziehungen der Volksrepublik zu vier anderen Staaten untersucht. In diesen vier Fällen liegen die Probleme noch wesentlich schwieriger als im Falle des Nixon-Besuchs. Es handelt sich hier um die Unterstützung der Einheit und Unabhängigkeit Pakistans gegen die Ausdehnungspolitik der indischen Reaktion, um die Unterstützung der nationalen Unabhängigkeit Rumäniens und Jugoslawiens gegen einen sozialimperialistischen kriegerischen Überfall und um die Unterstützung des sudanesischen Volkes in seinem Kampf gegen jede imperialistische Einmischung. Um die Politik der chinesischen Volksrepublik gegenüber diesen Staaten richtig und nicht einseitig beurteilen zu können, müssen wir uns vorher einige Grundzüge er nationalen Frage im Imperialismus und von der gegenwärtigen internationalen Lage sowie einige Prinzipien der Außenpolitik sozialistischer Staaten klarmachen”.

Die Bolschewik-Redaktion geht sodann davon aus, „dass der Imperialismus sterbender Kapitalismus ist. Er ist gekennzeichnet durch die Allmacht der Finanzoligarchie in den Industrieländern, der das revolutionäre Proletariat gegenübersteht. Der Imperialismus bedeutet den unerbittlichen Kampf der Monopolistengruppen um die Aufteilung der Welt. Dieser Kampf führt notwendig zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Staaten und die Neuaufteilung der Einflusssphären … Der Leninismus hat den Weg frei gemacht für das revolutionäre Bündnis der Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder mit den nationalen Befreiungsbewegungen der Kolonien und der abhängigen Länder gegen den Imperialismus. Durch die Unterdrückung und Ausbeutung der Volksmassen der eigenen Länder und durch die nationale Versklavung der kolonialen und abhängigen Länder schafft das internationale Finanzkapital die Grundlagen des weltumspannenden Bündnisses der Völker im Kampf für ihre nationale und soziale Befreiung. In der Epoche der Herrschaft des Monopolkapitals sind die einzelnen nationalen Fronten des Kapitals zu Gliedern einer einheitlichen Kette geworden, zur Weltfront des Imperialismus.

Dieser Front der imperialistischen Reaktion steht die gemeinsame Front der revolutionären Bewegungen aller Länder gegenüber. So wird die Bewegung für die nationale und soziale Befreiung in jedem Land zu einem Bestandteil der Weltfriedensbewegung. Die Revolution im nationalen Rahmen wird zum Teil der sozialistischen Weltrevolution … So spitzen sich vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika die Widersprüche mit außerordentlicher Geschwindigkeit zu. Der machtvolle Kampf der Völker dieser Kontinente für ihre nationale und soziale Befreiung macht das Hinterland des Weltimperialismus zu einem Gebiet revolutionärer Stürme. Der weite Raum Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist daher der Hauptkampfplatz des erbitterten Ringens zwischen den Völkern der ganzen Welt und dem Imperialismus und seiner Lakaien”.

Zur internationalen Lage werden folgende Punkte betont:
- Die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas müssen für den revolutionären Kampf gewonnen werden
- Der Sozialimperialismus bedroht die nationale Unabhängigkeit und Souveränität dieser Länder
- Im Lager des Sozialimperialismus findet ein Zersetzungs- und Auflösungsprozess statt.

In diesem Prozess stehe die Volksrepublik China im Kampf der Völker der Welt gegen Imperialismus und Sozialimperialismus an vorderster Front. Die Politik der VR China sei an folgenden Punkten orientiert:
- Schmiedung der internationalen Einheitsfront gegen den Imperialismus
- Freundschaft und Zusammenarbeit mit den sozialistischen Bruderstaaten
- Unterstützung der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas im Kampf für nationale und soziale Befreiung
- Friedliche Koexistenz im Kampf gegen imperialistische Kriegspolitik.

Vor allem die „friedliche Koexistenz” sei es, die die „konsequent verfolgte Politik der antiimperialistischen Front beinhalte“. Die Politik der „friedlichen Koexistenz” ist es, die die „antiimperialistische Einheitsfront schmieden” soll.

„Die Außenpolitik unserer Partei (der KP Chinas, d. Verf.) und Regierung ist konsequent, nämlich: Nach den Prinzipien des proletarischen Internationalismus die Beziehung der Freundschaft, der gegenseitigen Hilfe und der Zusammenarbeit mit den sozialistischen Ländern entwickeln; den revolutionären Kampf aller unterdrückten Völker und unterjochten Nationen unterstützen, auf der Grundlage der fünf Prinzipien der gegenseitigen Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität, der gegenseitigen Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Nutzens sowie der friedlichen Koexistenz die friedliche Koexistenz mit Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung anstreben und die Aggressions- und Kriegspolitik des Imperialismus bekämpfen. Gegenüber den Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung vertritt Volkschina die richtige Politik, auf der Grundlage der fünf Prinzipien die friedliche Koexistenz anzustreben und der imperialistischen Aggressions- und Kriegspolitik entschieden entgegenzutreten.

Niemand kann bezweifeln, dass die Prinzipien der friedlichen Koexistenz zur Bekämpfung der imperialistischen Aggressions- und Kriegspolitik aufgestellt worden sind, denn sie widersprechen dem Wesen des Imperialismus. Nur durch die konsequent revolutionäre Politik der sozialistischen Staaten und durch die Kraftentfaltung der revolutionären Weltbewegung können die Imperialisten und die Reaktionäre aller Länder zur Annahme eines gewissen Grades der friedlichen Koexistenz gezwungen werden … Die Kriegsvorbereitungen gegen die Volksrepublik China, die konterrevolutionäre, kriegshetzerische und rassistische Propaganda gegen das chinesische Volk, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten durch die offene Ermunterung bürgerlicher Umstürzler und Terroristen, Unterwanderungs-, Spionage- und Sabotagetätigkeit der sowjetischen Geheimdienste in den sozialistischen Ländern, die blutige faschistische Unterwerfung des tschechoslowakischen Volkes, die Zusammenarbeit mit den Bonner Militaristen und Revanchepolitikern gegen die DDR und das ganze deutsche Volk, - diese verbrecherische Politik versucht Breschnew Volkschina in die Schuhe zu schieben. Das ist aber ein vollkommen und von vornherein zum Scheitern verurteiltes lächerliches Unterfangen.

Alle Welt kennt die Verbrechen des Sozialimperialismus und die prinzipienfeste Außenpolitik der chinesischen Arbeiterklasse. In ihrem Hass gegen diese revolutionäre Linie haben die gewissenlosen Propagandisten des sowjetischen Imperialismus jedes Maß verloren und schlagen blindwütig und ziellos um sich … Die Außenpolitik der VR China ist darum eine vorwärtstreibende Kraft in der Welt, eine außerordentlich wichtige Kraft in der Welt, eine außerordentlich wichtige Kraft des Weltfriedens, der nationalen Befreiung, der Demokratie und des Sozialismus. Auf der revolutionären Linie des proletarischen Internationalismus und unter dem Banner der Ideen Mao Tsetungs trägt Volkschina entschieden zur Veränderung der Kräfteverhältnisse in der Welt, zur Isolierung des Imperialismus und des Sozialimperialismus und zur nationalen und sozialen Befreiung der Völker der Welt bei. Das grundlegende Prinzip der chinesischen Außenpolitik ist dabei das Prinzip des proletarischen Internationalismus. Gemäß den Prinzipien des proletarischen Internationalismus entwickelt China zu den sozialistischen Staaten Beziehungen der Freundschaft und der brüderlichen gegenseitigen Hilfe; denn in den sozialistischen Staaten ist die Arbeiterklasse an der Macht. Die sozialistischen Staaten sind das proletarische Zentrum der Weltrevolution.

China unterstützt uneingeschränkt den revolutionären Kampf der geknechteten Volksmassen und der unterjochten Nationen in der Welt; denn das Bündnis mit ihnen ist eine wirksame Waffe im Kampf gegen den gemeinsamen Feind, für den Sturz des Weltimperialismus. Heute sind die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas die Hauptkräfte des antiimperialistischen Kampfes. China strebt Beziehungen der friedlichen Koexistenz zu Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung an und bekämpft kompromisslos die imperialistische Aggressions- und Kriegspolitik; denn die friedliche Koexistenz kann den Imperialisten nur aufgezwungen werden. Aber nur so bleibt die Politik der friedlichen Koexistenz ein Werkzeug des Klassenkampfes und des Sozialismus und sinkt nicht zur Rechtfertigung von Verrat, Kapitulation und prinzipienloser Zusammenarbeit herab. Diese konsequente Politik des chinesischen Volkes macht China zu einem Bollwerk des Friedens. Chinas Interessen fallen mit den Interessen der gesamten fortschrittlichen Menschheit zusammen. Diese Politik hat das Ansehen Chinas in aller Welt außerordentlich erhöht und ihm die Sympathie der Arbeiter, der Werktätigen und aller fortschrittlicher Menschen in der Welt eingetragen.”

Daher unterstützt China auf der Grundlage „des antiimperialistischen Kampfes und der Außenpolitik” folgende Länder:
- Pakistan im Kampf gegen die Ausdehnungspolitik der indischen Reaktion
- Rumänien und Jugoslawien im Kampf gegen die sozialimperialistische Kriegs- und Versklavungspolitik
- Sudan im Kampf für seine nationale Einheit und Unabhängigkeit und gegen jede imperialistische Einmischung.

Andere marxistisch-leninistische Organisationen in der BRD vertreten zum Sudan und zur Politik der KP Chinas, laut KPD/ML-ZB, folgende Auffassungen:

„Die Genossen von der Aufbauorganisation für eine KPD und vom KAB (KAB/ML, d. Verf.) können die Verhältnisse im Sudan nicht richtig einschätzen. So reden die Genossen von der KPD/AO immer von Genossen ‘Mahgoub’ (Khaleg Mahgoub war Generalsekretär der KP Sudans, d. Verf.) und halten diesen üblen Revisionisten für einen Revolutionär und Marxisten-Leninisten. Es hätte ihnen doch wenigstens zu denken geben müssen, dass das chinesische Volk doch wohl keinem blutbesudelten Militärdiktator zur Abschlachtung der demokratischen Kräfte und zur erneuten Machtergreifung gratuliert!

Oder sollte es Leute geben, die so denken? Die Genossen von der KPD/AO müssen sich weiter die Frage gefallen lassen, wie es kommt, dass die chinesischen Genossen die Bildung der Arabischen Föderation als ‘ein großes Ereignis in der Sache der Einheit der arabischen Länder gegen den Imperialismus’ feiern, während die RPK vom 3.9.1971 von ‘reaktionären Regierungen der verschiedenen Staaten der arabischen Föderation’ spricht und den Kampf der KPSu (Kommunistische Partei Sudans, d. Verf.) gegen den ‘Anschluss des Sudans an die Arabische Föderation’ lobend hervorhebt. In der Roten Fahne vom 27.8. wird sogar gesagt: Die (revisionistische) KPdSU hat es berechtigterweise ‘stets abgelehnt, dem Plan des Beitritts zur Konföderation Ägyptens, Libyens und Syriens zuzustimmen, der die Herrschaft der Bourgeoisien dieser Länder absichern soll.’ Möglicherweise hatten die Genossen der KPD/AO keine Gelegenheit, sich mit dem Standpunkt der chinesischen Genossen vertraut zu machen.

Die Genossen der KPD/AO bleiben uns auch jede Erklärung darüber schuldig, wie die ‘Nimeri-Diktatur’ mit ihrer schändlichen Politik in internationalen Fragen eine Politik des Kampfes gegen den Imperialismus, Sozialimperialismus und Kolonialismus verfolgen kann; wie ist es möglich, dass die Demokratische Republik Sudan unter der Herrschaft eines solchen Reaktionärs für die Wahrung der asiatischen und afrikanischen Solidarität eintritt, tatkräftig das palästinensische Volk und die anderen arabischen Völker in ihrem Kampf gegen die amerikanischen und israelischen Aggressoren unterstützt, an dem Kampf der afrikanischen Völker für ihre nationale Befreiung Anteil hat, die drei indochinesischen Völker in ihrem Widerstandskrieg gegen die Kriegs- und Völkermordpolitik der USA-Imperialisten zur Rettung des Vaterlandes mit Wärme unterstützt und offiziell die Königliche Regierung der Nationalen Union von Kambodscha unter dem Staatsoberhaupt Prinz Sihanouk anerkannt hat.

Wie kann es möglich sein, dass ein Regime, das angeblich alle fortschrittlichen und demokratischen Kräfte im Sudan liquidieren lassen will, den Resolutionsentwurf Albaniens, Algeriens und sechzehn anderer Länder an die UNO mit der Forderung nach Wiederherstellung aller legitimen Rechte der VR China in der UNO und nach unverzüglicher Vertreibung der Tschiang-Clique vollständig unterstützt. Alle diese Fragen können die Genossen der KPD/AO nicht beantworten, und es ist ihnen auch nicht möglich, auch nur den kleinsten Beweis zu erbringen, dass die Regierung Nimeri keine wirklich antiimperialistische Regierung ist und die nationalen Rechte des sudanesischen Volkes verrät. Und während Tschou Enlai Nimeri beglückwünscht, den abenteuerlichen Putsch abgewehrt zu haben, und zugleich erklärt, an den guten Beziehungen zwischen beiden Staaten werde sich nichts ändern, stoßen die Genossen der KPD/AO groß ins Horn und geben die konterrevolutionären Losungen aus: ‘Sturz der Nimeri-Diktatur’ und ‘Nieder mit dem Nimeri-Clan‘. Hier stellt sich die KPD/AO ausdrücklich gegen die Außenpolitik der Volksrepublik China und fordert den Sturz einer Regierung, die von der VR-China in ihrem Kampf gegen Imperialismus und Sozialimperialismus unterstützt wird. Es steht der Aufbauorganisation für eine KPD nämlich frei, solche Ansichten zu haben. Nur haben sie nichts mit dem Marxismus-Leninismus gemeinsam.”

Der Artikel endet mit der Einschätzung: „China hat in diesen Fragen immer den richtigen Weg eingeschlagen und so zu immer mehr Ländern freundschaftliche Beziehungen aufgenommen. China hat damit einen wichtigen Beitrag zum Sturz des Imperialismus und zur Erhaltung des Weltfriedens geleistet … Der Vormarsch der chinesischen Volksrepublik, das wachsende Ansehen des Sozialismus in der Welt, der ständig steigende Einfluss der VR China und die beispiellosen Erfolge der konsequent internationalistischen Außenpolitik der chinesischen Arbeiterklasse – das alles sind Zeichen des Sieges der Großen Proletarischen Kulturrevolution in Volkschina. So wird heute erst die internationale Bedeutung der Großen Proletarischen Kulturrevolution deutlich; erst heute erkennen wir, dass in der Epoche, in der der Imperialismus seiner vollständigen Niederlage und der Sozialismus seinem weltweiten Sieg entgegengeht, die Große Proletarische Kulturrevolution eine internationale Kraft, eine entscheidende Kraft der Weltrevolution ist.”

Im Artikel „Das Lohndiktat im System der Sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse” wird ausgeführt: „Auf zwei wichtige Fragen wollen wir hier dennoch eingehen, denn hier sind die Unklarheiten besonders groß. Die erste Frage betrifft die Absichten der westdeutschen Militaristen, die DDR zu erobern. Es handelt sich hier um das Verhältnis von wirtschaftlicher Durchdringung und militärischer Eroberung. Hier besteht die Gefahr, dass von einigen Genossen der wirtschaftlichen Ausdehnung eine zu große und den militärischen Kriegsvorbereitungen eine zu geringe Bedeutung beigemessen wird. Es besteht die Gefahr, dass die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung zu sehr in ferne Zukunft verschoben wird. Weiter ist es falsch, wirtschaftliche und militärische Eroberung gegenüberzustellen. Eine rein und ausschließlich wirtschaftliche Eroberung gibt es nicht. Die Eroberung kann nur auf politischem Wege vor sich gehen. Hierzu werden heute die wichtigsten und einschneidendsten Maßnahmen von den westdeutschen Imperialisten getroffen. Alle diese Methoden der Einkreisung und Isolierung der DDR laufen schließlich auf die militärische Besetzung hinaus. Darum kann die Frage nicht: Wirtschaftliche oder militärische Eroberung? heißen. Die Frage kann nur lauten: Wie erfolgreich ist der westdeutsche Imperialismus in seiner Einkreisungspolitik gegenüber der DDR und wie weit sind die politischen Voraussetzungen für die endgültige militärische Lösung schon herangereift? Wir sollten die Möglichkeiten des westdeutschen Imperialismus nicht überschätzen, die DDR durch wirtschaftliche Abhängigkeit in die Knie zu zwingen, um sie so schließlich politisch von der Landkarte auszuradieren. Die DDR ist ein hochindustrialisiertes Land, das über entsprechende wirtschaftliche und politische Machtmittel verfügt, um sich eine ökonomische Vormachtstellung westdeutscher Monopole im Land selber vom Hals zu schaffen. Eine wirtschaftliche Durchdringung, die allmählich zu politischer Abhängigkeit führt, ist vollkommen ausgeschlossen …

Welche Bedeutung hat demzufolge die wirtschaftliche Offensive nach Osteuropa? Sie hat den Sinn, die wirtschaftliche Schwäche der osteuropäischen Länder und ihre Bereitschaft, sich mit den imperialistischen Wölfen einzulassen, auszunutzen, um in den Zeiten der Friedensbemühungen und der Entspannung, die der Entfesselung eines neuen Krieges vorhergehen, jede Möglichkeit für Monopol-, Extra- und Überprofite auszuschöpfen, die sich überhaupt nur bietet. Die wirtschaftliche Durchdringung Osteuropas ist eine Vorbereitung auf die kommenden politischen Auseinandersetzungen, aber kein Ersatz für die politische Unterdrückung. Die friedliche wirtschaftliche Durchdringung dauert bis zu dem Zeitpunkt, den die Imperialisten für günstig halten, um zuzuschlagen. Und wie sind unter den heutigen Verhältnissen die Möglichkeiten einer bewaffneten Auseinandersetzung auf deutschem Boden und die Eingliederung der DDR in das Herrschaftsgebiet des westdeutschen Imperialismus einzuschätzen? Wir können soviel feststellen: Gerade in dieser Hinsicht haben sich in jüngster Zeit die Verhältnisse sehr tiefgehend verändert und die Entwicklung hat sich außerordentlich beschleunigt.

Mit dem Westberlin-Abkommen, das die rechtliche Abtretung Westberlins an den westdeutschen Imperialismus und die Preisgabe der staatlichen Interessen der DDR an Bonn durch die Sozialimperialisten mit ihrer ‘Neuen Ostpolitik’ einen ersten wirklichen Durchbruch erzielt. Auf dieser Grundlage wird jetzt ein umfassendes ‘München’ von Bonn und Moskau vorbereitet: Verträge Westdeutschland - DDR, Gewaltverzichtsvertrag Westdeutschland - CSSR und nach dem Muster der Moskauer und Warschauer Verträge, Europäische Sicherheitskonferenz, Weiterführung der SALT-Gespräche (Gespräche über strategische Rüstungsbegrenzung) und schließlich Verhandlungen über gleichwertige, ausgewogene Truppenreduzierung. Die SALT-Gespräche verhandeln ausdrücklich über strategische, nicht über taktische Atombewaffnung, und halten so den westdeutschen Revanchisten alle infrage kommenden Möglichkeiten offen …Die Westberlin-Regelung hat nun endgültig das Tor zum Ausverkauf der Souveränität der DDR aufgestoßen. Die rechtlich anerkannte Einverleibung Westberlins ist der erste bedeutende Schritt auf dem Wege zum neuen großdeutschen Imperialismus. Die Sozialimperialisten haben den Bonner Revanchepolitikern Westberlin geschenkt. Sie haben mehr Zugeständnisse gemacht als von westdeutscher Seite jemals anvisiert worden sind.

Selbst die äußerste Reaktion hat Mühe, an dem Abkommen irgend etwas auszusetzen. Wie kommt das? Die Sozialimperialisten sind zu derartigen Zugeständnissen bereit, weil ihre Kriegsvorbereitungen gegen Volkschina in ein bedrohliches Stadium getreten sind. Millionen von Soldaten, Tausende von Schiffen, Flugzeugen und Panzern und Hunderte von Atombomben haben sie an der Grenze Chinas massiert, um den Sozialismus auszulöschen und die chinesische Volksrepublik vom Erdboden zu vertilgen. Dieser Krieg wird der erste und letzte sein, den die Neuen Zaren im Kreml in ihrer Geschichte führen. Ein solcher faschistischer Krieg gegen das chinesische Volk ist ein ungerechter und verbrecherischer Krieg. Darum kann der Sozialimperialismus in einem solchen Krieg China niemals niederzwingen. Ein solcher Krieg wird wie der Krieg Hitlers gegen den sowjetischen Arbeiter und Bauernstaat mit einer totalen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Niederlage des Sowjetimperialismus enden … Für unseren Zusammenhang genügt die Tatsache, dass die notwendigen politischen Voraussetzungen für den Einfall in die DDR mit jedem Tag schnell heranreifen. Die Kriegsgefahr ist heute nicht so drohend, doch die internationale Lage ist angespannt. Erstens haben die Sowjetrenegaten seit der Einladung der chinesischen Regierung an Präsident Nixon ihre Bemühungen um Einkreisung und Isolierung Volkschinas vervielfacht.

Diesem Bemühen hat die Einladung Tschou Enlais - ein diplomatisches Meisterstück - einen äußerst schweren Schlag versetzt. Zweitens haben wir hier in Westdeutschland keinen Überblick über die sowjetisch-chinesischen Grenzzwischenfälle. Von den Ausmaßen des sowjetischen Aufmarsches und vom Umfang der bewaffneten Provokation an den Grenzen Chinas können wir uns nur ein ungefähres Bild machen. Niemand von uns weiß, wie heiß dort der Krieg schon ist und ob die Zeitungen nicht schon morgen den Kriegsausbruch melden werden. Die Gefahr eines Krieges der Neuen Zaren zur Vernichtung des Sozialismus in China und zur Unterjochung des chinesischen Volkes wächst daher von Tag zu Tag. In dem Maße, wie die Sozialimperialisten zum Krieg gegen China rüsten, sind sie bereit, den westdeutschen Militaristen in Europa mehr und mehr Spielraum zu geben. Ein solcher Spielraum für die westdeutsche Aggressionsarmee bedeutet aber nicht wirtschaftliche Durchdringung der DDR, sondern militärische Besetzung, Einverleibung, Befreiung, Unterwerfung. Das zeigt, dass wir die Möglichkeiten einer kriegerischen Eroberung der DDR nicht unterschätzen dürfen. Bei der Beurteilung dieser Möglichkeit dürfen wir uns nicht auf persönliche Eindrücke und Kirchturmspolitik verlassen, sondern müssen die Tatsachen richtig einschätzen. Und die sprechen, wie sich gezeigt hat, eine klare Sprache: Die DDR wird nicht wirtschaftlich erobert, sie wird auch nicht heute oder morgen mit Krieg überzogen. Doch der Zeitpunkt des Einmarsches rückt näher; die Vorbereitungen von westdeutscher Seite sowie der Ausverkauf der DDR von Seiten der sowjetischen Imperialisten haben schon heute einen überaus gefährlichen Umfang erreicht.

Nun zu der zweiten Frage. Es handelt sich hier um den Zusammenhang von imperialistischer Außenpolitik und sozialfaschistischer Innenpolitik in Westdeutschland. Sehr oft ist der Fehler gemacht worden, das Lohndiktat aus dem Stand der Beziehungen zum Ausland zu erklären. Das ist aber nicht richtig. Selbstverständlich dient das Lohndiktat der Plünderung der westdeutschen Bevölkerung im Interesse der wirtschaftlichen und politischen Ausdehnung. Das soll auch gar nicht infrage gestellt werden. Falsch ist es dagegen, die bestimmte politische Maßnahme des Lohndiktats aus den außenpolitischen Verwicklungen und nicht aus dem Stand der inneren Klassenauseinandersetzungen zu erklären. Der Rückschluss, beispielsweise von den Berlin-Verhandlungen auf das Lohndiktat ist nicht richtig und stimmt auch nicht mit dem Verlauf der politischen Entwicklung überein… Darum ist es falsch, das Lohndiktat aus der internationalen Lage und der imperialistischen Außenpolitik Westdeutschlands zu erklären. Erwachen und Aufschwung des politischen Bewusstseins und die Kampfentschlossenheit der westdeutschen Arbeiter sind es, die die Schärfe des reaktionären Kurses und den Grad der Faschisierung für die Bourgeoisie notwendig machen.”

In diesem Zusammenhang wird die ‘Neue Ostpolitik’ als eine „Politik der Kriegsvorbereitungen gegen die Völker Osteuropas und vor allem gegen die DDR” bezeichnet. Sie ist die Grundlage für
- die Einkreisung der DDR
- die Hegemonialansprüche der westdeutschen Imperialisten in Westeuropa
- die Kriegsvorbereitungen im Inneren
- die Zentralisierung der Staatsgewalt
- die Faschisierung des westdeutschen Staates.

Zu diesen Punkten heißt es: „Die Faschisierung des westdeutschen Staates - das ist die von dem Kabinett Kiesinger/Strauß/Brandt, der Großen Koalition (fast) aller bürgerlicher Parteien, in Angriff genommene ‘innere Staatsreform‘. Sie schlägt sich am krassesten in den Notstandsgesetzen nieder, die alle formalen und juristischen Mittel zur Errichtung einer militärischen Notstandsdiktatur enthalten. Die westdeutsche Sozialdemokratie entwickelt sich zum Sozialfaschismus. Sie gab ihre Zustimmung zur Militärdiktatur und bereitet heute mit Hilfe der Durchführungsgesetze der Notstandsverordnungen unter der Maske der Reformen (ihrem sozialfaschistischen Programm) und durch die Faschisierung des Staatsapparates offen dem Faschismus den Weg. Worin besteht das System der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse? Dieses System besteht in der Durchführung einer umfassenden Offensive des Finanzkapitals gegen die von der Arbeiterklasse erkämpften politischen Rechte und gegen die wirtschaftlichen Errungenschaften.

1. Die Offensive des Finanzkapitals gegen die politischen Errungenschaften der westdeutschen Werktätigen besteht in der umfassenden Zentralisierung der bürgerlichen Klassengewalt gegen das Proletariat und die breiten Volksmassen. Sie wird durchgeführt von der sozialfaschistischen Sozialdemokratie und ihren Reserven in der Arbeiterklasse, den reaktionären Gewerkschaftsführungen und den Revisionisten. Darunter ist zu verstehen:

a. Die Vorbereitung der Militärdiktatur mit Hilfe der Notstandsgesetze und die Ausarbeitung eines Machtapparates, der die Arbeiterklasse mit Zwangsarbeit, Streikverbot, Versammlungs- und Vereinigungsverbot sowie mit Maßnahmen terroristischer polizeilicher und militärischer Unterdrückung niederhalten soll.

b. Die fortschreitende Zerstörung der parlamentarischen und politischen Einrichtungen der bürgerlichen Demokratie; ihre Ersetzung durch zentralisierte Monopolausschüsse, die den gesamten wirtschaftlichen und politischen Apparat des Staatsmonopolismus der direkten und unmittelbaren Kontrolle der Monopolvereinigungen unterwerfen.

c. Das Verwachsen der Führungskader der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie mit dem Finanzkapital und ihre unmittelbare wirtschaftliche Teilnahme an der Ausplünderung des Volkes und der Expansion des westdeutschen Imperialismus.

d. Die Verstaatlichung der Arbeiterorganisationen, d.h. die Verwandlung der Gewerkschaftsführungen in unmittelbare Befehlsempfänger der Vertreter des Finanzkapitals und die Verwandlung des gewerkschaftlichen Funktionärskörpers in ein ausführendes Organ der Staatsmacht auf betrieblicher Ebene.

e. Die Einengung und Aufhebung der Legalität der revolutionären Organisationen der Arbeiterklasse im allgemeinen; die Ausrichtung des politischen Hauptstoßes der Sozialdemokratie gegen den Kommunismus als aktive Hilfestellung für die Machtergreifung der Faschisten im besonderen.

2. Die Offensive des Finanzkapitals gegen die wirtschaftlichen Errungenschaften der Arbeiterklasse, durchgeführt von der sozialfaschistischen Sozialdemokratie und ihren Handlangern in der Arbeiterklasse.

a. Die planmäßige Sozialdemontage, die Indienststellung der Einkommen der Werktätigen für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung durch Zwangssparen, die Umwandlung der Versicherungskassen der Werktätigen in Reservekassen der imperialistischen Politik.

b. Die Ausweitung der Besteuerung der Löhne und Gehälter durch Massensteuern und Steuererhöhungen, die Ausplünderung der werktätigen Massen durch staatliche Geldentwertung und die Preistreiberei der Monopole.

c. Die staatliche Forcierung der kapitalistischen Rationalisierung durch die Einführung neuer Antreibersysteme der Arbeitsorganisation, neue Bewertungs- und Lohndrückersysteme.

d. Die Unterstützung der wirtschaftlichen Offensive der Kapitalisten in der Krise durch staatlichen Lohnraub.

e. Die staatliche Festsetzung der Löhne und Gehälter und der Übergang der rechten Gewerkschaftsführungen zur Sabotage und Abwürgung des Wirtschaftskampfes.

Dies sind die Methoden, die die Sozialdemokratie im Auftrage des Finanzkapitals zur Entrechtung und Ausplünderung der werktätigen Massen des Volkes anwendet. In ihnen schlägt sich der Übergang des imperialistischen Systems von den Resten der bürgerlichen Demokratie zu faschistischen Unterdrückungsformen nieder.”

In diesem Zusammenhang werden zu kommenden „faschistischen Unterdrückungsformen” die „Innere Staatsreform und Notstandsgesetze” genannt. Hauptsächlicher Angriffspunkt ist hierbei die Sozialdemokratie, „die die Notstandsgesetze erst ermöglichte”. Die Notstandsgesetze sollen:

- den bürgerlichen Staat faschisieren und militarisieren
- zur Aufhebung aller von der Arbeiterklasse erkämpften Rechte dienen
- alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche für die Vorbereitung eines neuen Krieges durchdringen
- die Aussperrung von streikenden Arbeitern ermöglichen
- das Verbot aller politischen und von der Gewerkschaftsführung nicht genehmigten Streiks erreichen
- die Einführung von Zwangsarbeit ermöglichen (Artikel 12 GG)
- den Einsatz von Einheiten der Streitkräfte und des BGS gegen die Bevölkerung und/oder streikender Arbeiter ermöglichen (Artikel 91 GG)
- der Regierung das Recht geben, die Pressefreiheit zu beseitigen Versammlungsverbote zu erlassen, Vereinigungen zu verbieten Enteignungen vorzunehmen, die Finanzangelegenheiten der Bundesländer zu regeln
- die Bildung eines Notparlamentes ermöglichen.

Daher sind die Notstandsgesetze „das entscheidende Werkzeug der Bourgeoisie zur Faschisierung des Staates. Sie bedeuten die Zusammenfassung der Machtbefugnisse in einer militärisch-administrativen Zentrale, die sich aus den aggressivsten und am meisten imperialistischen Spitzen der westdeutschen Monopolbourgeoisie zusammensetzt und alle staatlichen Unterdrückungsinstrumente zur polizeistaatlichen Niederhaltung der Arbeiterklasse und der werktätigen Schichten in Händen hält … Dieser faschistische Unterdrückungsapparat und die totale Mobilmachung zur Vorbereitung eines imperialistischen Krieges - das sind die Instrumente, mit denen die Bourgeoisie die umfassende Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche Westdeutschlands durchführt. Die Notstandsverfassung ist bis auf Redewendungen nichts anderes als eine Neuauflage des Hitlerischen Ermächtigungsgesetzes vom 24.3.1933 und der entsprechenden Durchführungsgesetze”.

Kernstück dieser Argumentation ist weiter:
- die Sozialdemokratie verhalf Hitler zur Macht
- auch heute richtet die Sozialdemokratie den Hauptstoß gegen den Kommunismus
- die Verstaatlichung der Gewerkschaften ist eine Methode der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse
- mit der Konzertierten Aktion und dem Stabilitätsgesetz hat man sich Ergänzungs- und Durchführungsgesetze zur Notstandsverfassung geschaffen.

Das bedeutet: „Die Innenpolitik des Sozialfaschismus stellt einen umfassenden Feldzug zur Zentralisierung der politischen und wirtschaftlichen Machtmittel in den Händen der Monopole dar. Auf der einen Seite nimmt das Finanzkapital durch seine direkten Agenten und Vertreter immer mehr Kommandohöhen des staatsmonopolistischen Wirtschafts- und Unterdrückungsapparates ein, bzw. wird mit ihnen identisch. Auf der anderen Seite konzentriert sich wirtschaftliche und politische Macht durch den gezielten Abbau möglicher Fehlentwicklungen und die straffe Umgestaltung des gesamten Staatsapparates immer mehr in den von den Monopolen kommandierten Wirtschaftsparlament- ähnlichen Ausschüssen und Kabinetten, die das Parlament längst überflüssig gemacht haben … Die sozialfaschistische Sozialdemokratie führt mit Unterstützung der Gewerkschaftsführung gerade so viel Anschläge gegen die Arbeiterklasse, wie nur vom Standpunkt des jeweiligen Reifegrades der Faschisierung durchgeführt werden können. Sie bleibt damit nur deshalb hinter den reaktionären Forderungen gewisser Elemente der Unionsparteien und hinter den offenen Faschisten zurück, weil eben mehr an Ausplünderung und Unterdrückung der Arbeiter unter den gegebenen Verhältnissen nicht durchgesetzt werden kann … Die Sozialdemokratie verwächst immer mehr mit dem Finanzkapital und mit dem Staatsapparat. Sie organisiert unter dem Deckmantel von Reformen die bürgerliche Gewaltmaschinerie gegen die Arbeiterklasse. Durch ihre Hände strebt das Finanzkapital nach der Zerstörung der bürgerlichen Demokratie, die die Arbeiterklasse immer weniger niederzuhalten und zu täuschen vermag. Es strebt nach der Abschaffung der unter der bürgerlichen Demokratie errungenen Rechte. Durch die Verschmelzung mit dem Staatsapparat wird die Sozialdemokratie selbst zu einem Teil der Unterdrückung und trägt damit zu einer Verschärfung des Druckes auf die werktätigen Massen bei.”

Die Sozialdemokratie setzt daher auch konsequent „ihr sozialfaschistisches Programm durch“. Dieses bestehe:
- im neuen Betriebsverfassungsgesetz (BVG), den Durchführungsgesetzen der NS-Gesetze im Betrieb
- in der Zusammenarbeit der Klassen im Betrieb
- in der Verschmelzung von DGB-Führung und Finanzkapital
- in der Steigerung der Monopolprofite durch Vermögensbildung (Zwangssparen).

Abschließend wird auf die Frage: „Was ist Sozialfaschismus und wie steht er im Zusammenhang zum Lohndiktat?“ eingegangen:

„Das sozialfaschistische Programm besteht in der schrittweisen Umsetzung der Notstandsgesetze in die Praxis. Das bedeutet Vorbereitung der polizeistaatlichen Militärdiktatur, von der sozialfaschistischen Sozialdemokratie unter dem Deckmantel sogenannter Reformen ins Werk gesetzt durch die Zerstörung der bürgerlich-demokratischen parlamentarischen Einrichtungen. Das bedeutet Verstaatlichung der Gewerkschaften und umfassenden Abbau jeglicher Sozialgesetzgebung. Die Sozialdemokratie ist tatsächlich von der Verkündung ihres sozialfaschistischen Programms zu seiner Verwirklichung übergegangen. Sie entwickelt sich zum Sozialfaschismus …

Mit dem Lohndiktat werden die Gewerkschaften im Wirtschaftskampf vollständig an die Kette des Monopolbürgertums gelegt. Das ist ein Schritt weiter auf dem Wege der Klassenzusammenarbeit, auf dem Wege der Konzertierten Aktion. Aus dem Grund sind die Gewerkschaftsführungen auch mehr und mehr gezwungen, tatsächlich die wirtschaftlichen Kämpfe zu verhindern, zu hintertreiben und zu erwürgen. Diesem Treiben der Sozialfaschisten stehen das steigende politische Bewusstsein der kämpfenden Arbeiter und ihre Kampfentschlossenheit entgegen. Mit dem Lohndiktat stößt die Arbeiterklasse, die für ihre noch vorwiegend wirtschaftlichen Forderungen kämpft, auf eine Grenze, die nicht durch die Unternehmer im Betrieb und nicht durch die Verrätereien der rechten Gewerkschaftsführer gezogen worden ist. Durch das Lohndiktat der SPD-Regierung stehen dem Kampf der Arbeiterklasse in erster Linie nicht Verrat in den eigenen Reihen, sondern die Regierung und der staatliche Unterdrückungsapparat gegenüber, die das Lohndiktat mit organisiertem Streikbruch, politischer Schlichtung und Polizeieinsatz durchdrücken wollen.

Das Lohndiktat zeigt an, dass die SPD-Regierung dazu übergeht, den wirtschaftlichen Kampf der Arbeiterklasse zu verbieten, oder, wenn es nicht anders geht, zu erdrosseln. Damit steht das Lohndiktat in engstem Zusammenhang mit dem faschistischen Lohnstopp, dem Verbot des Kampfes um die Tagesforderungen der Arbeiter und der werktätigen Schichten. Es steht weiter in engstem Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Gewerkschaften. Die Gewerkschaftsbürokratie hat die Aufgabe, das Lohndiktat in der Praxis durchzusetzen und die Ausweitung des Kampfes zur politischen Offensive des Proletariats gegen die SPD-Regierung und ihre sozialdemokratischen Helfershelfer zu verhindern.”

Das Lohndiktat hat deshalb die Bedeutung:

„1. Das Lohndiktat soll die bei einer Verschärfung der Krise zu erwartenden Kämpfe der Arbeiterklasse im Keim ersticken und dem westdeutschen Imperialismus ein ruhiges Hinterland für seine Eroberungspläne garantieren.

2. Das Lohndiktat ist ein Schritt zur Verstaatlichung der Gewerkschaften und zur Zentralisierung der Staatsgewalt. Durch die Zentralisierung der Staatsgewalt werden die Grundlagen für die faschistische Machtübernahme weiter gestärkt.

3. Das Lohndiktat ist ein weiterer Schritt zur wirtschaftlichen Ausplünderung der Arbeiterklasse, die so die Kriegskassen des westdeutschen Imperialismus füllen soll.

4. Das Lohndiktat ist ein Mittel, die Profite der Monopole in der sich verschärfenden Krise auf Kosten der Arbeiterklasse teilweise zu sichern.

In den Klassenauseinandersetzungen stellt sich das Lohndiktat heute als das Zentrum aller sozialfaschistischen Maßnahmen und der Kämpfe des Proletariats heraus … Das Lohndiktat ist das Zentrum der Klassenauseinandersetzungen, weil sich in ihm die Verrätereien der SPD-Regierung und ihre Unterdrückungspolitik gegenüber der Arbeiterklasse, die Entwicklung zu staatlichen Gewerkschaften, die den wirtschaftlichen Kampf nicht mehr führen, die jämmerliche Speichelleckerei der rechten Gewerkschaftsführungen, die Zentralisierung der Staatsgewalt und ihr Übergang zu faschistischen Methoden konzentrieren. Das Lohndiktat ist in der gegenwärtigen Situation das zentrale politische Kettenglied in den Klassenauseinandersetzungen, das die Partei ergreifen muss, um den politischen Kampf gegen die Sozialdemokratie erfolgreich zu führen. Das Lohndiktat der SPD-Regierung erweitert unsere Möglichkeiten, sozialistisches Bewusstsein in die Arbeiterklasse zu tragen und die fortgeschrittensten und klassenbewusstesten Arbeiter in der Partei zu organisieren. Im Kampf gegen das Lohndiktat hat die Partei ihre Politik gegen die Sozialdemokratie immer mehr verfeinert und immer genauer ausgearbeitet. Dieser Kampf stellt neue, schwierige Anforderungen an unsere politische Taktik, denen wir gewachsen sein müssen.”
Q: KPD/ML (ZB): Bolschewik, Nr. 8, Bochum, September 1971.

Letzte Änderungen: 14.8.2017

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