Der Kampf der Arbeiterjugend - Zentralorgan des KJVD, 1. Jg., September 1970, Nr. 4

September 1970:
Die Nr. 4 des „Der Kampf der Arbeiterjugend“ (KDAJ) des KJVD der KPD/ML-ZB erscheint in Bochum mit acht Seiten DIN A3 unter Verantwortung von P. Weinfurth, Essen, mit dem Leitartikel „Metalltarifrunde 70. Nicht ohne die Arbeiterjugend.“

Erklärt wird u. a., dass auch „wir Jungarbeiter und Lehrlinge mit Nachdruck unsere Forderungen auf den Tisch bringen“ müssen. „Und wir dürfen sie diesmal nicht von den Gewerkschaftsbossen in faule Kompromisse umwandeln lassen. Wir müssen für die Durchsetzung unserer Forderungen kämpfen. Mit den älteren Kollegen zusammen müssen wir die richtige Antwort auf die Lohnraubpolitik der SPD-Regierung, auf die Miet- und Preistreiberei geben. Arbeiter, Jungarbeiter und Lehrlinge müssen zusammen gegen die Kapitalisten, gegen die Verbündeten in der Regierung, die Gewerkschaftsbonzen und die DKP/SDAJ diesen Tarifvertrag zu einer Demonstration der Stärke und der Kampfkraft der gesamten Arbeiterklasse werden lassen.“

Forderungen sind:
- Weg mit den Altersabschlägen und Altersklassen für die Jungarbeiter und
- 100% des Effektivlohnes für die Lehrlinge für die Zeit, in der sie voll in der Produktion arbeiten
- Prozenttarif auf der Grundlage von 60% des Ecklohnes für sämtliche Lehrjahre
- Streikrecht für Lehrlinge
- Gegen eine Jugendtarifkommission
- Für die Einheit der Arbeiterklasse.

Mit Hilfe des „Spiegel“ wird auch auf die Lage der Lehrlinge im Handwerk eingegangen. Berichtet wird auch aus und über die „Rote Fahne“ Nr. 2 der KPD/ML-ZB, sowie über die Erklärung des DGB zum Lehrlingsstreikrecht.

Aus NRW wird berichtet aus den Arbeitsämtern, aus Bonn von Ringsdorff (CPK-Bereich), aus Essen von Krupp (IGM-Bereich), aus Gelsenkirchen mit Hilfe der ‘Jugendinternationale‘. Berichtet wird auch von Seppelfricke (IGM-Bereich), aus Gladbeck von der SDAJ der DKP, aus Hagen vom KFZ-Lehrlings-Tarifvertrag der IGM und einer Friedenskampagne der SDAJ der DKP (im August 1970) und aus Bergkamen von der Zeche Grimberg III/IV (IGBE-Bereich). Aus dem Ausland wird berichtet aus Spanien.

Geworben wird in dieser Ausgabe für: „Drei Broschüren zum wirtschaftlichen Kampf der Arbeiterjugend, Erfahrungsberichte aus dem alten KJVD mit Kommentaren und Aufsätzen des KJ-Inform.“ Geworben wird auch für die „Rote Fahne“ der KPD/ML-ZB.

Im Artikel zum Stufenplan heißt es:
„ZUM BEISPIEL: STUFENPLAN. Für alle, die jetzt ihre Lehre anfangen, gilt das neue Berufsbildungsgesetz (BBiG). Eine gründliche Auseinandersetzung damit werdet ihr im nächsten KDAJ finden. Heute wollen wir uns den Teil ansehen, der die Ausbildung und das ganze weitere Berufsleben der Jugendlichen weitgehend verändern wird: Den Stufenplan. Bei Krupp (IGM-Bereich, d. Verf.) ist dieser Plan schon seit einiger Zeit ausprobiert worden - offenbar mit schlagendem Erfolg für die Krupp-Bosse, denn sonst hätten sie wohl nicht alles darangesetzt, dass er im Berufsbildungsgesetz aufgenommen wird!

EIN PLAN FÜR DIE BOSSE

Und die Krupp-Bosse haben allen Grund, sich die Hände zu reiben. Der Stufenplan macht sich für sie bezahlt. Während sie früher jedem Lehrling eine 3 - 4jährige Lehrzeit bezahlen mussten, können sie jetzt gewaltig sparen. DENN NUR NOCH 30% DER LEHRLINGE, MIT DENEN SIE EINEN LEHRVERTRAG ABSCHLIESSEN, WERDEN AUCH WIRKLICH EINE LEHRE DURCHMACHEN DÜRFEN.

Die Krupp-Bosse haben sich genau ausgerechnet, wie viel Facharbeiter sie eigentlich, bei den modernen Großmaschinen, die sie haben, noch brauchen. Und so viele wollen sie auch nur ausbilden. Dabei sparen sie erstens die Kosten für die Lehre von 70% der Lehrlinge, zweitens können die dann in der Zeit auch schon für die Profite der Kapitalisten arbeiten. Den Lehrlingen erzählen sie natürlich, dass alle die Möglichkeit haben, die Lehre zu beenden oder sogar Techniker zu werden. Aber die Prüfungen nach den einzelnen Stufen machen sie so schwer, dass nur die paar Leute, die sie brauchen, auch durchkommen.

SO WOLLEN SIE VERHINDERN, DASS DIE LEHRLINGE SICH VON ANFANG AN ZUSAMMENTUN UND GEGEN DIESEN BETRUG ANGEHEN; SIE WOLLEN, DASS JEDER IM ANDEREN EINEN KONKURRENTEN SIEHT, den er unbedingt schlagen muss, den er ausstechen muss, um nicht selbst nach ein oder zwei Jahren als Hilfsarbeiter dazustehen.

So wollen sie die Sorge der Lehrlinge um ihre Zukunft ausnutzen dazu, dass sie Ruhe im Betrieb haben und sie weiterhin ungestört ihre Profite machen können. Wie heißt es doch im Grundgesetz: Jeder hat die Freiheit, seinen Beruf frei zu wählen. Wir haben mit dem neuen Berufsbildungsgesetz noch nicht einmal die Freiheit, selbst zu bestimmen, ob wir überhaupt jemals einen Beruf haben werden.

Wenn es ihren Profiten schaden könnte, scheren sich die Kapitalisten und der Staat einen Dreck um die Freiheiten, die sie uns nach dem Krieg, als sie uns brauchten, um ihre Fabriken wieder in Gang zu bringen, zugesichert haben. Heute nehmen sie kein Blatt mehr vor den Mund, wenn es gilt, die höchsten Profite für das Großkapital herauszuschlagen. Und die SPD-Regierung sorgt dafür, dass die Gesetze gemacht werden, die diese Profite sichern. Das zeigen die Notstandsgesetze, das zeigt jetzt wieder die 10%ige Lohnsteuererhöhung, das zeigt das Jugendarbeitsschutzgesetz (JuArbSchG, d. Verf.) und nicht zuletzt der Stufenplan.

DIE HERRSCHAFT DER MASCHINEN

Die Menschen sind im Kapitalismus nur dazu da, sich an die jeweils herrschende Produktionsweise anzupassen. Im Handwerk müssen sie die Maschinen ersetzen, in der Großindustrie müssen sie die Arbeit machen, die die Maschinen nicht leisten können. Karl Marx sagt dazu: ‘Folglich wird die Arbeitsteilung rein technologisch, d. h. abgestimmt auf die Forderungen der Maschinen: Wenn der Beruf verschwunden ist, kann man Frauen und Kinder gebrauchen, die Maschine wirkt produktionsregulierend, der Arbeiter und die Intensität der Arbeit haben kein natürliches Maß mehr, erst der Kampf der Arbeiter setzt es durch.‘

DER STUFENPLAN ZEIGT ES GANZ DEUTLICH, DIE HERRSCHAFT DER MASCHINEN IM KAPITALISMUS ÜBER DEN MENSCHEN LÄSST AUCH DIE JUGENDLICHEN NICHT AUS. Was wir wollen, interessiert den Staat nicht, gemacht wird, was das Großkapital will. Egal, ob die Mehrzahl jetzt bei ihrer stumpfsinnigen Arbeit versauert, egal, ob sie jetzt dafür weniger Geld kriegt, weil ihre Arbeit ja nicht ‘qualifiziert‘ ist, egal, ob sie die ersten sind, die bei einer Krise raus fliegen, weil sie ja ‘nichts können‘.

Und der Ausweg? Einen Ausweg gibt es nur, wenn man die Kapitalisten mitsamt ihrem Staat zum Teufel jagt. Und die Zeit für eine Entmachtung der Kapitalisten ist reif. Das zeigt auch ihr Stufenplan. Die Industrie ist heute so weit entwickelt, dass es nicht mehr nötig ist, dass einer sein Lebtag immer das gleiche macht, die Maschinen nehmen uns soviel Arbeit ab, sie sind so einfach zu bedienen, dass es nicht mehr nötig ist, dass die einen nur in der Fabrik arbeiten, während die anderen die großen Theorien ausbrüten. Heute könnte jeder soviel lernen, dass er weiß, wie seine Maschinen gebaut werden, dass er weiß, wie seine Fabrik aufgebaut ist. Jeder könnte heute Ingenieur und Arbeiter sein, Wirtschaftsexperte in seinem Produktionszweig und Arbeiter.

ABER SOLANGE DIE KAPITALISTEN DIE MACHT HABEN, WIRD ES IMMER SO SEIN, DASS DIE EINEN LERNEN, DAMIT SIE SPÄTER DIE ANDEREN KOMMANDIEREN KÖNNEEN, DASS DIE ANDEREN SCHUFTEN UND SONST KEINE AHNUNG HABEN.

TECHNIKER UND ARBEITER ZUGLEICH

In China HABEN die Arbeiter und Bauern die Kapitalisten zum Teufel gejagt. In China gibt es all das, was uns hier im kapitalistischen Deutschland wie ein Märchen klingt. Nehmen wir zum Beispiel eine Maschinenfabrik in Schanghai: Hier ist es heute so, dass nicht mehr eine kleine Zahl von Ingenieuren und Technikern bestimmt, was gemacht wird. Hier arbeiten Techniker und Arbeiter zusammen an den Maschinen, machen Pläne für neue Konstruktionen. UND DIE TECHNIKER, DIE ES HIER GIBT, DAS SIND KEINE SCHREIBSTUBENGELEHRTE, DAS SIND SELBST ARBEITER, DIE NACH IHRER STUDIENZEIT WIEDER AN DIE MASCHINEN ZURÜCKGEHEN.

Und das wichtigste ist, seit die Arbeiter aus ihren Reihen Techniker ausbilden lassen, seitdem alle Angehörigen des Betriebes zusammen dafür sorgen, dass die Maschinen so gebaut werden, wie es die Bedürfnisse der Menschen, seitdem läuft alles viel besser. Die neuen Maschinen werden viel schneller produziert. So haben früher die Ingenieure jahrelang an einem Entwurf herumgeochst, der heute in einem halben Jahr fertig ist und zudem noch viel besser.

Denn die Arbeitertechniker arbeiten nicht für ihre Pöstchen oder für ihr eigenes Ansehen, sie arbeiten dafür, dass es den Menschen in China besser geht. Darum gibt es unter ihnen keine Konkurrenz, kein Herabsehen auf Leute, die nicht das entsprechende Examen haben. Hier ein Ausschnitt aus einem Bericht, den die Maschinenfabrik geschrieben hat:

‘Da gibt es zum Beispiel einen Arbeiter, der im Alter von 14 Jahren als Lehrling begonnen hat. Mit 18 Jahren wurde auf die Schule für Maschinenbau in Schanghai geschickt, an der er vier Jahre studierte, 1957 begann er in der Forschungsabteilung als Techniker zu arbeiten. Er ist der Chefkonstrukteur einer riesigen Schleifmaschine, die im April dieses Jahres mit Erfolg versuchsweise hergestellt wurde. Die Maschine entspricht dem modernen internationalen Standard und wird zur Entwicklung der industriellen Technik in China dringend gebraucht. Mit ihr wird in unserem Land eine Lücke in der Herstellung von Präzisionsschleifmaschinen geschlossen.‘

Auch bei uns gibt es eine Menge von Lehrlingen, die genau so viel leisten könnten wie dieser Lehrling in China. Aber die Kapitalisten haben kein Interesse daran, sie auszubilden. Sie brauchen nur Arbeitstiere, die für ihre Profite schuften. Aber wir sehen ja, das es möglich ist, das zu ändern.

NEHMEN WIR UNS CHINA ZUM VORBILD, JAGEN WIR DIE KAPITALISTEN ZUM TEUFEL, SORGEN WIR DAFÜR, DASS JEDER VON UNS ENDLICH RICHTIG LERNEN KANN, DASS JEDER SEINE FÄHIGKEITEN VOLL ENTWICKELN UND EINSETZEN KANN!“

In einem Kasten auf derselben Seite erscheint das folgende Zitat von: MAO TSE-TUNG

„Es ist immer noch notwendig, Hochschulen zu betreiben; hier spreche ich hauptsächlich von naturwissenschaftlichen und technischen Hochschulen. Aber die Dauer der Schul- und Studienzeiten muss verkürzt, das Erziehungswesen revolutioniert werden, die proletarische Politik muss das Kommando übernehmen, und man muss den Weg der Werkzeugmaschinenfabrik Shanghai gehen, Techniker aus der Arbeiterschaft heranzubilden. Man muss die Studenten aus den Reihen der Arbeiter und Bauern mit praktischer Erfahrung wählen, die nach einigen Jahren Hochschulstudium wieder in die Praxis der Produktion zurückkehren sollen.“

Beantwortet wird auch die Frage:
„WAS HEISST ‘STUFENPLAN‘?

1. STUFE: BETRIEBSWERKER
Allgemeine Grundausbildung für alle Lehrlinge von 6 Monaten; dann betriebsinterne Prüfung, die darüber entscheidet, welche Lehrlinge mehr als die erste Stufe (1 Jahr mit betriebsinterner Abschlussprüfung) absolvieren.

Diese Prüfung sollen 75% bestehen. Sie müssen sich nach weiteren 6 Monaten einer Vorprüfung vor der IHK unterziehen, die darüber entscheidet, ob sie die zweite oder dritte Stufe absolvieren.

2. STUFE: FACHARBEITER II
Alle diejenigen, die die Vorprüfung zur dritten Stufe nicht bestehen, schließen nach zweijähriger Ausbildungszeit ihre Lehre vor der IHK als 'Facharbeiter II' ab. Der Krupp'sche Ausbildungsbedarf beträgt hier 45%.

3. STUFE: FACHARBEITER I
Die übriggebliebenen 30% durchlaufen die dreijährige Ausbildung zum ‘Facharbeiter I‘ mit Abschlussprüfung vor der IHK.

4. STUFE: TECHNISCHER ANGESTELLTER
Von den 30% aller Lehrlinge, die die dritte Stufe durchlaufen, werden von Krupp nochmals ein Drittel ausgewählt zur weiteren Ausbildung in Stufe 4, die dem Ausbildungsinhalt und der Dauer nach nicht festgelegt ist.“

Aus unbekanntem Ort wird berichtet:
„EIN GEWERKSCHAFTSBONZE PACKT AUS

Die Genossen eines Ortsverbandes wollten mit der Gewerkschaftsarbeit beginnen. Sie hatten vor, in ihrer Gewerkschaft eine Jugendgruppe zu gründen, die es bis jetzt am Ort nicht gibt. Es gibt zwar einen Jugendverantwortlichen dieser Gewerkschaft, aber der hat sich bis jetzt um nichts gekümmert. Als sich die Genossen wegen der Jugendgruppe an ihn wandten, behauptete er sogar, er wäre nicht mehr in der Gewerkschaft. Weil mit dem Gewerkschaftsjugendvertreter nichts anzufangen war, gingen einige Genossen zu einem Gewerkschaftsfunktionär aus dem Ortsvorstand, der zugleich Betriebsrat in einem 250-Mann-Betrieb ist. Erst einmal hatte er nichts gegen eine Jugendgruppe einzuwenden. Weil er nicht wusste, dass die Genossen im KJVD sind, packte er ziemlich unbefangen aus und erzählte, wie so die Gewerkschaftspraxis eines Bonzen aussieht.

HAUPTSORGE: PÖSTCHEN SICHERN

Von vorne bis hinten gibt es nur Schieberei. Der Gewerkschaftsfunktionär berichtete stolz, wie er durch geschickte Schiebereien und Intrigen seine Pöstchen in der Gewerkschaft errungen hatte. Er ist jetzt Schriftführer beim Bezirksvorstand und Kassierer. Er meinte, das reiche ihm erst einmal, er sei ganz zufrieden. Dann schlug er den Genossen vor, sich doch in den Ortsvorstand ‘wählen‘ zu lassen. Er würde das schon arrangieren. Dadurch erhoffte er einen Vorteil für sich zu gewinnen: Er wollte die Genossen für sich einspannen, um seine Pöstchen zu sichern und seine Stellung im Vorstand zu stärken.

DARAN SEHEN WIR: DIE RECHTEN GEWERKSCHAFTSBONZEN SEHEN ES NICHT ALS IHRE AUFGABE AN, VIEL FÜR DIE ARBEITER ZU TUN, SONDERN IHRE HAUPTSORGE IST, WIE SIE IHRE PÖSTCHEN SICHERN UND WENN MÖGLICH AUSBAUEN KÖNNEN.

WIE MAN EINEN JUGENDVERTRETER ‘MACHT‘

Und wie die Praxis dieser Pöstchenschieberei aussieht, erzählte er sofort anhand eines Beispiels: In der Gewerkschaftsjugendgruppe am Ort gab es zunächst keinen Jugendvertreter. Ein Funktionär aus einem anderen Betrieb brachte zu einer internen Sitzung eines Tages einen jungen Arbeiter mit. Er stellte ihn mit den Worten vor: ‘Hier ist ein fähiger Mann, den wir für die Gewerkschaftsarbeit aufbauen sollten.‘ Da die Funktionärsclique aus dem Ortsverband zu bequem war, sich um die Jugendarbeit zu kümmern und einen Jugendvertreter wählen zu lassen, der das Vertrauen der Lehrlinge und jungen Arbeiter hatte, ernannte man ihn einfach. Natürlich kümmerte sich dieser ‘Jugendvertreter‘ um nichts. Aber das hatte die Bonzen bisher nicht gestört.

Als die Genossen nun den Jugendvertreter kritisierten, meinte der Gewerkschaftsfunktionär einfach: ‘Das ist kein Problem. Genauso, wie WIR den eingesetzt haben, können WIR den auch wieder absetzen.‘

Offensichtlich lag den Bonzen nichts daran, ob der eingesetzte Jugendvertreter die Interessen der Kollegen vertrat oder nicht. Hauptsache, der Posten war besetzt. Wir aber wollen unseren Gewerkschaftsvertreter selbst bestimmen und wählen, damit derjenige Vertreter wird, der sich wirklich für uns einsetzen will.

SCHMEISSEN WIR DIE BONZEN RAUS!

Wie sieht der Gewerkschaftsfunktionär, der gleichzeitig Betriebsrat ist, nun seine Pflichten gegenüber den Arbeitern im Betrieb? Er glaubt seine Pflicht schon damit erfüllt zu haben, dass er regelmäßig die Gewerkschaftszeitung verteilt und Beiträge kassiert. Außerdem sagt er, man dürfe nicht nur vom Chef fordern, SONDERN MÜSSE AUCH ANERKENNEN, WAS DIESER FÜR DIE ARBEITER MACHT.

Seine politische Meinung drückte sich darin aus, dass er Arbeitsminister Walter Arendt für einen guten Arbeitervertreter hält. Und dass, obwohl jeder von uns weiß, dass Arendt von der SPD-Regierung ohne weiteres Gesetzen zustimmte, die gegen die Arbeiter gemacht wurden.

EINS IST KLAR: SOLANGE SOLCHE BONZEN DIE GEWERKSCHAFTSPOLITIK BESTIMMEN, WERDEN IN DER GEWERKSCHAFT EINE ARBEITERINTERESSEN VERTRETEN!

Das muss aber schnell geändert werden. Darum müssen wir in den Gewerkschaftsjugendgruppen arbeiten oder selber welche aufmachen! Dort müssen wir die Gewerkschaft wieder zum Kampfinstrument der Arbeiterjugend machen! Das bedeutet aber auch, dass wir die Bonzen, die den Arbeitern nur schaden, durch solche Gewerkschaftsvertreter ersetzen, die unser Vertrauen haben und sich wirklich für Arbeiterinteressen einsetzen!“

Zum Jugendarbeitsschutzgesetz
„JUGENDAUSBEUTUNGSSCHUTZGESETZ

1968 wurden 46 000 Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz festgestellt, 1969 waren es sogar 51 000. Und wie viel mehr müssen es in Wirklichkeit sein, wenn man sich überlegt, wie wenig Betriebe kontrolliert werden, wie oberflächlich die Kontrollen sind. Die Verstöße kamen fast ausnahmslos in den Mittel- und Kleinbetrieben vor. Hier müssen die Lehrlinge fast immer länger arbeiten, als es das Gesetz erlaubt, hier wird in den meisten Fällen die Gesundheitsüberwachung nicht eingehalten.

Das ist nicht verwunderlich. Denn die kleinen Betriebe können sich heute nur noch halten, wenn sie auch das letzte aus ihren Arbeitern, und das sind ja meist die Lehrlinge, herausholen. Und da ist es für sie billiger, vielleicht einmal eine Geldstrafe zu zahlen (Höchststrafe 5 000 DM) als auf die Profite zu verzichten, die sie durch die täglichen Schikanen aus den Lehrlingen herausholen können. Und was kümmert es sie, wenn die Gesundheit der Lehrlinge nach der Lehrzeit schon halb im Eimer ist: sie setzten sie dann ja doch vor die Tür und stellen neue Lehrlinge ein.

Denn mit ihren Protesten gegen das Gesetz sind sie nicht durchgekommen. Die Großkapitalisten waren dafür. Sie rechnen anders als die Handwerker. Sie brauchen zum größten Teil Arbeiter mit einer gewissen Ausbildung. Die Arbeiter auszubilden, kostet sie aber Geld, dass sie wieder hereinkriegen wollen. Darum ist es schlecht für sie, wenn der Lehrling nach der Ausbildungszeit so kaputt ist, dass er nicht noch eine Reihe von Jahren für ihre Profite arbeiten kann. Der Produktionsausfall, wenn dann einer krank ist, kommt sie teurer zu stehen, als eine einigermaßen ‘sorgsame Behandlung‘ des Lehrlings während der Lehrzeit, als eine regelmäßige Überwachung seiner Gesundheit. Also, was solls? Da haben wir ein Gesetz, mit dem sich die Leute fürchterlich aufgespielt haben, und was nützt es? Gar nichts! Die Klein- und Mittelbetriebe halten es sowieso nicht ein, und die Großbetriebe würden sich ohne Gesetz genauso benehmen wie mit dem Gesetz.

‘Hauptsächlich kritisieren die Gewerbeaufsichtsämter, dass das Jugendarbeitsschutzgesetz nicht im Betrieb ausgehängt ist. Das ist doch oft so: Das Gesetz wird aufgehängt, aber es verschmutzt mit der Zeit, dann kommt der Maler, und dann ist es nicht mehr da.‘ (Joseph Wild, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks, im SPIEGEL 32/1970. Wenn dieses Gesetz an der Wand hängt und vermodert, ist es wirklich nicht schade drum.

DAS JUGENDARBEITSSCHUTZGESETZ IST EIN JUGENDAUSBEUTUNGSSCHUTZGESETZ!

Wenn wir genug für die Kapitalisten geschuftet haben, wenn sie unsere Arbeitskraft bis aufs Letzte aus uns herausgepresst haben, dann schützt uns kein Gesetz mehr. Wenn wir mit 40 oder 50 krank werden, weil wir uns kaputtgearbeitet haben, dann kümmert sich kein Gesetz mehr um uns, denn dann lohnt sich eine ‘Reparatur‘ für den Kapitalisten nicht mehr. An dem Grundübel, dass wir Tag für Tag unsere Arbeitskraft an den Kapitalisten verkaufen müssen, ändert eben dieses Gesetz auch nichts. KEIN Gesetz in einem Staat, wo die Kapitalisten die Macht haben, wird das ändern. Diese Gesetze sagen alle nur etwas darüber, unter welchen BEDINGUNGEN wir das tun.

Diese Bedingungen aber sollten wir so günstig wie möglich für uns machen. Darum sollten wir dafür sorgen, dass wenigstens die Bestimmungen, die in diesem Gesetz festgehalten werden, auch eingehalten werden. Wir müssen aber auch für ein besseres Gesetz kämpfen. Wir müssen ein Gesetz durchsetzen, mit einer 6-stündigen Arbeitszeit für die Jungarbeiter und Lehrlinge, mit 6 Wochen Urlaub. Und dieses Gesetz muss für alle gelten, auch für die jungen Arbeiter und Arbeiterinnen in der Landwirtschaft und im Haushalt. Wir werden in einem der nächsten KdAJ's noch einmal näher auf das Jugendarbeitsschutzgesetz eingehen und genauer sagen, was geändert werden muss.“

Enthalten ist, laut eigener Beschreibung auch eine Karikatur, „die zeigt, wie ein Gewerkschaftsbonze einem Kapitalisten in den Arsch kriecht“.

Weitere Artikel sind:
- Faschismus in Spanien
- Pressefreiheit?
- Wir können stärker sein
- Gladbeck: SDAJ am Gängelband der DKP
- Der DGB erlaubt uns den Streik
- Jugendausbeutungsschutzgesetz
- Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung: Ein Jungarbeiterstreik
Q: Der Kampf der Arbeiterjugend, Nr. 4 und 6, Bochum September 1970 bzw. Dezember 1970, S.1ff bzw. S. 4.

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 1

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 2

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 3

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 4

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 5

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 6

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 7

KDAJ, 1. Jg., September 1970, Nr. 4, Seite 8


[ Zum Seitenanfang ]   [ voriger KDAJ ]   [ nächster KDAJ ]   [ Übersicht ]   [ MAO-Hauptseite ]