Was tun, Jg. 3, Nr. 15, 1970

02.11.1970:
Die GIM und die RKJ versenden heute die Nr. 15 ihrer 'Was tun' (vgl. Okt. 1970, 28.11.1970) mit einem Titelbild zu Bolivien.

Im Artikel "Perspektiven der Jugendradikalisierung" heißt es auch, für die Weltrevolution "zeigte sich der Aufschwung in den imperialistischen Ländern vornehmlich in den Kämpfen der Jugend. … Von der älteren Generation, …, ist kein revolutionärer Geist mehr zu erwarten." Dies geschehe "aufgrund der größeren politischen Sensibilität der Jugend". Zur Jugendkaderorganisation wird gesagt: "Da sie nicht die Jugendorganisation einer Partei ist, weil diese Partei nicht existiert, fällt ihr die Doppelaufgabe zu, erstens bereits Aufgaben der nicht vorhandenen Partei zu übernehmen, …, und zweitens, zum zentralen Moment in der gegenwärtigen Etappe des Entstehungsprozesses eben dieser Partei zu werden."

Im Artikel "Zwei Konzeptionen zur Lehrlingsarbeit - Zur Kritik der Lehrlingsforderungen des KJVD" befaßt man sich mit der Jugendorganisation der KPD/ML-ZB:"
FÜR EINE ANTIKAPITALISTISCHE STRATEGIE IM LEHRLINGSSEKTOR

Die Häufung der Widersprüche in der betrieblichen Lehre, ihre Zwitterstellung zwischen Ausbildung und Ausbeutung, das sich bei den Lehrlingen entwickelnde Bewußtsein ihrer objektiven Interessen und ihre zunehmende Kampfbereitschaft dafür, die nicht mehr durch die Erfahrung der großen Niederlagen der Arbeiterklasse - Stalinismus und Faschismus - ausgehöhlt ist, bestimmen den Stellenwert des Lehrlingssektors in der gegenwärtigen Phase des Klassenkampfes. Eine revolutionäre Strategie für den Lehrlingssektor orientiert sich nicht an einer 'gerechten' Anpassung der Lehrlinge an die kapitalistische Ausbeutung unter der Parole 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit', sondern führt den Kampf, um die Berufsausbildung dem kapitalistischen Profitinteresse zu entreißen. Das bedeutet: Kampf um die Anerkennung der Lehre als Ausbildungssektor. Dies ist keine normative Forderung und keine Aufforderung zur Einsicht, gerichtet an Institutionen und Bürokratien, sondern Ziel einer Kampfbewegung, die ihre Durchsetzung im Klassenkampf findet. Aus dieser Orientierung leiten sich unsere konkreten Forderungen ab, die alle von der uneingeschränkten Anwendung der Ausbildungssituation auf den Lehrlingssektor ausgehen. Erst in diesem Zusammenhang erhält der Kampf um das Berichtsheftschreiben im Betrieb, die volle Lehrmittelfreiheit, die Ausweitung des Berufsschulunterrichts und den halben Tag frei für Schulvorbereitung seinen strategischen Stellenwert. Die Kernpunkte dieser Strategie sind dementsprechend:
- das leistungsabhängige, gleiche Ausbildungshonorar für Lehrlinge, das an den Lebenshaltungskosten gemessen wird;
- die Ausschaltung produktiver Arbeit (mehrwertschaffender Arbeit auf dem Rentabilitätsniveau des Betriebes) aus der gesamten Lehrzeit.

Die immanente Konsequenz, die sich aus der Dynamik dieses Kampfes ergibt, ist der Übergang der Berufsausbildung aus privater in öffentliche Hand, nämlich in dem Maße, wie die Durchsetzung dieser Forderungen und die gewerkschaftliche Kontrolle über ihre Einhaltung die betriebliche Ausbildung für immer größere Teile der Unternehmer unrentabel macht. Ein Beispiel: Sofort als die Forderung nach Berichtsheftschreiben während der Arbeitszeit Wirkung zu erzielen begann, wurde von Unternehmerseite die Abschaffung der Berichtshefte in die Diskussion gebracht. Die einzige organisierte Kraft, die unter den gegenwärtigen Bedingungen die Anerkennung der Lehre als Ausbildungssektor erkämpfen könnte, sind objektiv die Gewerkschaften. Subjektiv sind sie dazu nicht in der Lage. Die Bürokratisierung der Gewerkschaften, deren Wurzeln a) die Bindung der Gewerkschaften an den bürgerlichen Staat und b) die Nichtexistenz von Arbeiterdemokratie in den Gewerkschaften ist, hindert sie, die kollektiven und partiellen Interessen ihrer Mitglieder adäquat zu vertreten und systemüberschreitende Ziele zu erkämpfen. Eine antikapitalistische Strategie für den Lehrlingssektor ist deshalb mit dem antibürokratischen Kampf in den Gewerkschaften verbunden.

Hieraus ergeben sich folgende Aufgaben:
- Die Bildung gewerkschaftlicher Lehrlingsvertrauenskörper, die den Forderungen der Lehrlinge einen Träger innerhalb der Gewerkschaftsstruktur selbst verschaffen, der eng mit der Basis verbunden ist;
- Der Kampf um Kündigungsschutz für Jugendvertreter, um deren innerbetriebliche Stellung zu stärken, was zugleich ein Hebel ist für Veränderungen von Motivationsstruktur und Aufgabenstellung der Jugendvertretung;
- die Bildung gewerkschaftlicher Lehrlingszentren (Jour Fix nach dem Hamburger Modell), die offen sind für alle Lehrlinge und deren Aktivität weitgehend von den Lehrlingen selbst strukturiert werden kann …;
- der Kampf für eigene Lehrlingstarifkommissionen. Ihre Schaffung setzt eine innergewerkschaftliche Mobilisierung voraus, da die Gewerkschaft sie institutionalisieren muß und nur sie ihre Anerkennung durch die Unternehmerseite erreichen kann.

GEGEN DIE ANGLEICHUNG DES LEHRLINGSSEKTORS AN DAS KAPITALISTISCHE AUSBEUTUNGSVERHÄLTNIS

In 'Was tun' Nr.14 wurde in einem grundlegenden Artikel die Forderung 'Gleiches Ausbildungshonorar für Lehrlinge' begründet. Hiervon ausgehend sollen als Beispiel für die maoistische Lehrlingspolitik einige Aspekte der KJVD-Linie untersucht werden:

Die KJVD-Forderungen lauten:
a) der Lehrlingslohn soll linear 60% vom Facharbeiterlohn (Ecklohn) betragen;
b) der Lehrling soll für die Zeit, in der er produktiv arbeitet, 100% des Facharbeiterlohnes bekommen.

Im KJ-Inform Nr.3 des KJVD (vgl. *** 1970,d.Vf.) heißt es dazu: '… diese 60% sind sehr angemessen", ohne daß ein Maßstab genannt wird, an dem diese Angemessenheit überprüft werden kann (da der Lehrling für produktive Arbeit, wo Leistung verglichen werden kann, ja ohnehin 100% erhalten soll), so daß diese obige Feststellung in die Nähe der bürgerlichen Theorie vom 'gerechten Lohn' rückt.

Die SDAJ (Jugendorganisation der DKP,d.Vf.) tritt aus pragmatischen Gründen - nämlich um nicht in Widerspruch zur tarifpolitischen Linie der Gewerkschaft zu geraten - für eine S t a f f e l u n g der Lehrlingsvergütung nach Lehrjahren ein, wovon ja auch das Berufsbildungsgesetz (BBiG,d.Vf.) ausgeht. Dagegen stellt der KJV formal eine lineare Forderung: 60%. Er kommt aber ebenfalls zu einer Staffelung, indem er davon ausgeht, daß der Anteil der mit 100% bezahlten produktiven Arbeit von Lehrjahr zu Lehrjahr steigt. Im Gegensatz zur SDAJ bestimmt also der KJVD die Staffelung nicht vom Ausbildungs- sondern vom Ausbeutungsverhältnis her.

Der KJVD kämpft also dafür, daß die Bedingungen des kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisses 'gerecht' auf die Lehrlinge angewandt werden. Der Kernpunkt dieser Linie ist die für den Produktionssektor natürlich richtige Parole 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit'. In ihrer Konsequenz läuft diese Linie auf die vollständige Integration der Lehrlinge in das kapitalistische Ausbeutungsverhältnis hinaus, dessen Gesetze also nicht in Frage gestellt, sondern voll wirksam gemacht werden sollen.

DIE PRAKTISCHEN AUSWIRKUNGEN BEIDER

ANERKENNUNG ALS AUBILDUNGSSEKTOR verbietet produktiven Einsatz von Lehrlingen. Ein Teil der Ausbildung findet zwar in der Produktion statt, aber nicht als produktive Arbeit, also nicht unter den Tempo-, Qualitäts- und Leistungskriterien des Produktionsablaufs und -niveaus des Betriebes und damit unrentabel. Hilfsarbeiten in der Produktion entfallen ganz. Die gewonnene Ausbildungszeit ermöglicht die Verbreiterung und Vertiefung der fachlichen (besonders der theoretischen) Ausbildung, eine gleichbleibende Dauer der Lehrzeit vorausgesetzt. Lehrlingsausbildung dort, wo es nur um billige Arbeitskräfte geht, wo die Lehrlinge nach Abschluß meistens als Hilfsarbeiter in andere Branchen abwandern, würde dadurch unmöglich. Die betreffenden Branchen würden sich auf die Rekrutierung des eigenen Nachwuchses nötige Mindestzahl beschränken.

100% LOHN FÜR PRODUKTIVE ARBEIT verhindert nicht den Einsatz von Lehrlingen zu produktiver Arbeit, sondern legitimiert ihn. der Facharbeiterecklohn schreckt die Unternehmer nicht ab, schon gar nicht in Zeiten des Arbeitskräftemangels, der übertariflichen Leistungen und der analytischen Arbeitsplatzbewertung (AAB,d.Vf.). Dagegen schafft diese Regelung einen materiellen Anreiz für Lehrlinge zu produktiver Arbeit. Sie machen dann die Springer für die Fehlstellen in den Abteilungen, ohne daß Betriebsrat und Gewerkschaft etwas dagegen unternehmen können, wenn so etwas tarifvertraglich fixiert ist. Diese Forderung bedeutet die formalgesetzliche Festschreibung des Ausbeutungsverhältnisses im Ausbildungssektor. Das ganze führt natürlich zu einer weiteren Senkung der jetzt schon niedrigen Ausbildungsqualität.

GLEICHES AUSBILDUNGSHONORAR bedeutet, daß jede Berufsausbildung als gleichermaßen gesellschaftlich nützlich anzuerkennen ist. Ausbildung ist gesellschaftlich nützliche Arbeit, dafür wird der Lehrling bezahlt.

Damit entfällt zwangsläufig
a) jede Staffelung nach Lehrjahren: das Ausbildungsniveau muß den Anforderungen jedes Lehrjahres entsprechen;
b) jede Bindung an eine bestimmte Leistung;
c) jede Koppelung an die Ertragslage der Branche und damit an die Branchentarife. Gesellschaftlich 'unnütze' Ausbildung (Handwerk) wird durch die gleiche Höhe des Lehrlingsgehalts für den Kapitalismus teuer und unrentabel.

KOPPELUNG AN FACHARBEITER-ECKLOHN bedeutet auf Grund der enormen Lohndifferenzen von Branche zu Branche, zwischen Handwerk und Industrie, zwischen Arbeitern und Angestellten, ebenso enorme Unterschiede in der Lehrlingsentlohnung. 60% heißt für einen Lehrling DM 660, für den anderen DM 420, für den dritten 300. Das kapitalistische Differenzierungssystem, das jetzt schon eingeschränkt im Lehrlingssektor wirksam ist, würde in ihm voll zur Geltung gebracht. Wie vereinbart sich das mit dem KJVD-Slogan: Gegen die Spaltung der Arbeiterklasse? Es bedeutet ferner ein Überangebot von Lehrlingen für die profitablen Betriebe, die die Lehrlinge dann einem rigorosen Leistungsdruck aussetzen und erbarmungslos sieben können. Die Solidarität der Lehrlinge würde durch den Kampf um den Platz an der Sonne aufgehoben.

… IN HÖHE DER LEBENSHALTUNGSKOSTEN bedeutet, daß die Höhe des Ausbildungshonorars dem Zugriff der Unternehmer entzogen wird. Es bemißt sich nach statistischen Daten und ist mit der Preisentwicklung dynamisiert; also unabhängig von einer individuellen 'Leistung' des Lehrlings, unabhängig von der Ertragslage, der Konjunktur und der 'Opferbereitschaft' der Gewerkschaftsführung bei Tarifverhandlungen. Es bedeutet die Erkämpfung eines qualitativ anderen Entlohnungsprinzips für den Ausbildungssektor, das mit den generellen kapitalistischen Normen nicht mehr in Einklang ist.

… PROZENTUAL VOM TARIFVERTRAG bedeutet, daß die Höhe der Vergütung durch Tarifverhandlungen herauf- und heruntergehandelt werden kann. Der KJVD hält '60% für sehr angemessen'; da es aber dafür keinen Maßstab gibt, können bei Verhandlungen auch 30% herauskommen und vor allem in jeder Branche etwas anderes. Dann schreit der KJVD wieder 'Verrat', ohne etwas erklären zu können, da er selbst nur quantitative Forderungen aufstellt, die eben der Logik des 'Kompromisses zwischen Tarifpartnern' unterliegen. Siehe die Abschlüsse für die 'Auszubildenden' bei der jetzigen IG-Metall-Tarifrunde.

EIGENE LEHRLINGSTARIFKOMMISSIONEN

Die Analyse der Bürokratisierung der Gewerkschaften und ihre Funktion im organisierten Kapitalismus zeigt, daß sie aus der immanenten Logik ihrer Tarifpolitik heraus die aufgezeigten QUALITATIV anderen Forderungen der Lehrlinge nicht aufgreifen oder gar durchsetzen. Innerhalb der Gewerkschaft konkretisiert sich deshalb der Kampf der Lehrlinge in der Forderung nach eigenen Lehrlingstarifkommissionen. Tarifverträge sind die befristete Festschreibung des Preises der Ware Arbeitskraft unter den Bedingungen des ungleichen Tauschs. Genau diesen Bedingungen, den kapitalistischen Profitinteressen, soll der Lehrlingssektor aber entrissen werden, wofür er auf Grund der besonderen 'Ausbildungssituation' einen wirksamen Ansatzpunkt bietet. Es ist unsinnig, aus Tarifverträgen einen Maßstab für die Frage der Einheit bzw. Spaltung der Arbeiterklasse zu machen, wie es der KJVD in seiner Polemik gegen unsere Forderung tut. Die KJVD-Forderung 'Einheitlicher Tarifvertrag für Arbeiter und Lehrlinge' bedeutet lediglich: 'Einordnung des Ausbildungssektors in das Ausbeutungsverhältnis' und nicht etwa 'Einheit der Arbeiterklasse'. Für den Revolutionär ist - im Gegensatz zum Reformisten - der Tarifvertrag ausschließlich Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Wir können jetzt schon sagen, daß die Wiederbelebung des Klassenkampfes in Westdeutschland sehr wahrscheinlich eine Phase der 'Verunheitlichung' der Tarifverträge durchlaufen wird, nämlich in einer betriebsnahen Tarifpolitik; und jetzt schon eine 'Veruneinheitlichung' durchläuft, die große mobilisierende Wirkung hat, nämlich die Führung der IG-Metall-Tarifbewegung auf regionaler Ebene anstatt wie 1969 zentral im Airport-Hotel. Der KJVD hat ganz recht, wenn er feststellt, daß eine 'Verwirklichung' unserer Forderungen für den Lehrlingssektor Tarifverträge in der herkömmlichen Form überflüssig machen würde. Die Lehrlinge werden dieser Börse des ungleichen Tauschs keine Träne nachweinen. Die Durchsetzung der 60%-Forderung des KJVD als konstante Größe hätte übrigens denselben Effekt. Die Lehrlingstarifkommissionen müssen ein direktes Organ für in ihrer Substanz antikapitalistische Lehrlingsforderungen sein, d.h. sie entstehen im und durch den Kampf der Lehrlinge. Der Kampf um ihre Errichtung bedeutet die Mobilisierung der Lehrlinge gegen die Nichtvertretung ihrer Interessen durch die Gewerkschaftsbürokratie und ihr Tarifritual. Das unterscheidet sie von 'Lehrlingstarifkommissionen', die von der Bürokratie als Spielwiese für ihre Jungbonzen eingerichtet werden, wobei solche von der Bürokratie geschaffene Hüllen für den Kampf in der Praxis sehr nützlich sein werden.

Die KJVD-Argumentation hat einen richtigen Kern, und der muß sehr deutlich herausgestellt werden: Als Tarifpartei gegenüber dem Kapital sind die Lehrlinge ohnmächtig. Jede Tarifbewegung der Lehrlinge muß deshalb Bestandteil der gesamten Tarifbewegung sein, mit gleichem Kündigungstermin, gleicher Laufzeit usw. Die Mobilisierung der Lehrlinge gegen das Ausbeutungsverhältnis im Ausbildungsverhältnis kommt erst gestützt auf die gesamte gewerkschaftliche Kraft zum Erfolg. Von der Tarifbewegung losgelöste Kündigungen der Lehrlingstarife wie jetzt bei der IG Metall in Baden-Württemberg sind in jedem Fall miserabel. Eigene Lehrlingstarifkommissionen bedeuten also NICHT: 'Eigenständigkeit' der Lehrlinge im Kampf mit dem Kapital, sondern bedeuten:

DURCHSETZUNG DER LEHRLINGSFORDERUNGEN AUF DEM BODEN DER GEWERKSCHAFTEN GEGEN DIE GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE.

DIE FEHLER DES KJVD

Wenn die Lehrlingspolitik des KJVD in ihrer Konsequenz auf die volle Integration der Lehrlinge in das Ausbeutungsverhältnis hinausläuft, so darf daraus keinesfalls auf einem wie auch immer gearteten REFORMISMUS des KJVD geschlossen werden - davon ist er frei. Es handelt sich auch nicht um Opportunismus: wenn er auch gelegentlich in eine Nachtrabpolitik gegenüber der Gewerkschaft gerät, so im Gegensatz zur DKP unfreiwillig, nämlich mangels einer Analyse der bürokratisierten Gewerkschaften und ihrer Doppelrolle im staatlich organisierten Kapitalismus, und mangels eines Verständnisses für den Charakter von ÜBERGANGSFORDERUNGEN; deshalb bleibt er bei quantitativen Forderungen kleben, die der Logik der bürokratisierten Gewerkschaften selbst entspringen. Der Fehler liegt vielmehr in der Ideologie. Als Kind der antiautoritären Revolte in Westdeutschland hat er die 'Hinwendung zum Proletariat' genauso voluntaristisch vollzogen wie der größte Teil dieser Bewegung, eine Erscheinung, die mit 'Proletkult' nur unzureichend umschrieben ist. Der Grund dafür liegt in der Nichtexistenz der revolutionären Partei des Proletariats, also der Krise der Führung der Arbeiterklasse. Marx sagt: 'Produktiver Arbeiter zu sein ist also kein Glück, sondern Pech.' Vom Standpunkt des Ausgebeuteten gesehen versteht sich das von selbst. Für die radikalisierten Jugendlichen, besonders Studenten und Schüler, die die Revolution machen wollten, und dann auf Grund ihrer Erfahrungen das Proletariat als revolutionäres Subjekt wiederentdeckten, mußte es als ein Vorteil, also Glück, erscheinen, Arbeiter zu sein, da er ja historisch zu dem berufen ist, was sie gern wollten, nämlich die Revolution zu machen. Damit geriet die oben zitierte Marx'sche Erkenntnis subjektiv ins Wanken. Das wiederum versteht kein Arbeiter. Er würde sofort das Ausbeutungsverhältnis kündigen, wenn er könnte. Aber kollektiv geht das eben nur durch die sozialistische Revolution.

So werden die Maoisten im Lehrlingssektor Gefangene ihres eigenen Proletkults. Um die Existenz des Lehrlings so 'proletarisch' wie möglich zu gestalten, wollen sie ihn so vollkommen wie möglich dem kapitalistischen Ausbeutungsverhältnis unterwerfen, anstatt die Berufsausbildung den Profitinteressen zu entreißen, und handeln damit objektiv gegen die Interessen der Lehrlinge. Sie stellen die Frage der 'Einheit der Arbeiterklasse' zwischen Arbeitern und Lehrlingen auf der Ebene, wo sie allein den Kapitalisten nützt, nämlich daß alle ausgebeutet werden (an dieser 'Einheit' ist kein Mangel, seit es den Kapitalismus gibt). Die Frage der Einheit der Arbeiterklasse kann nur auf einer Ebene richtig gestellt werden, nämlich des Klassenkampfes, was in der Konsequenz bedeutet: antikapitalistischer Kampf. Und das bedeutet wiederum für den
Lehrlingssektor: siehe oben. Aus demselben Fehler in der Ideologie resultiert die falsche Anwendung der richtigen Losung 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' auf die Ausbildungssituation, resultiert der Angriff auf Lehrlingstarifkommissionen als 'Spaltung der Arbeiterklasse' usw.

Die Quelle der Fehler des KJVD in der Lehrlingsarbeit liegt also weder in der Praxis noch in der konkreten Analyse, sondern in der Ideologie. Diese Fehler müssen deshalb politisch bekämpft werden."

Weitere Artikel sind:
- "Vorläufige Bilanz des Bürgerkriegs in Jordanien";
- "Kongress der revolutionären Avantgarde zur Koordinierung der antiimperialistischen Kämpfe in Europa 21. / 22.11. in Brüssel" wobei Kontaktadressen aus Hamburg, Bochum, Köln, Mannheim und Stuttgart angegeben werden;
- "Daten für die tägliche Agitation";
- "Was tun im Betrieb für die Beschäftigten in der Metallindustrie Tarifgebiet Nordbaden-Nordwürttemberg", wobei aufgerufen wird, bei der Urabstimmung in der MTR mit Nein zu stimmen; sowie
- "Gewerkschaftsführung im Dilemma. Zur IG Metall Tarifbewegung 1970" zur MTR mit Berichten aus Baden-Württemberg und NRW.
Q: Was tun Nr. 15, Mannheim Nov. 1970

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