Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18

12.05.1973:
Die KPD/ML gibt ihren 'Roten Morgen' (RM) Nr. 18 (vgl. 5.5.1973, 19.5.1973) heraus. Ein Artikel betont: "Trotz Terror der Bourgeoisie - Der rote 1. Mai lebt!".
Berichtet wird von den Querelen der DKP mit der FAZ (vgl. 26.4.1973, 4.5.1973) und der Vorbereitung der GDCF China (vgl. 31.3.1973).

In einem Leserbrief auf S.7 zur KPD ist auch die Rede von Knut Mellenthin (K. M.):"
ZUR KPD/AO'

(Dieser Brief wurde uns im Durchschlag zugesandt und hier gekürzt - RM). An die Redaktion der Roten Fahne (KPD), z. H. C. Semler.
Lieber Christian,
…Als ein Dir aus Berliner SDS-Zeiten sowie von einem Auslandsaufenthalt bekannter Genosse, möchte Ich Dich an ein paar Fehler erinnern, die den Zwang der Apologie (Beschönigung von Fehlern) Eurer Organisation anscheinend aus Deinem Gedächtnis getilgt hat.
Du hast mir seinerzeit die Gründe erläutert, warum Du und die Berliner Gruppe, die wenig später die KPD/AO gegründeten, sich nicht der KPD/ML anschliessen könnten. Du nanntest dafür:
1. Es gäbe keinen Sozialimperialismus als 'gesellschaftliches System', die ökonomische Basis der UdSSR sei sozialistisch, es gäbe lediglich Züge einer imperialistischen Aussenpolitik. Deshalb sei die Linie der KPD/ML 'Kampf dem US-Imperialismus und dem sowjetischen Sozialimperialismus') falsch.
2. Die DDR sei der 'einzig intakte sozialistische Staat' im sozialistischen Lager. Deshalb sei die Linie der KPD/ML (Notwendigkeit der proletarischen Revolution in beiden deutschen Staaten) falsch. Ansonsten meintest Du, die Vorwürfe und Verleumdungen gegen die Parteigründung (KPD/ML), wie sie von dem damaligen KAB-Spalter und heutigen KB-Nord-Führer K. M. In einem Rundschreiben verbreitet wurden und welches ich von Dir erhielt, träfen wohl zu. Weiter hast Du auf Fragen von ausländischen Genossen zu Tonband-Protokoll gegeben, daß diejenigen kommunistischen Organisationen, die 'etwas taugten', die französische Ligue (also der Trotzkisten-Haufen der IV Internationale) und die italienische Unione seien, zu denen Du und Deine Gruppe freundschaftliche Beziehungen entwickelt hätten. In Deutschland müsse jetzt eine ähnliche Organisation geschaffen werden, ein Kommunistischer Bund, oder etwas ähnliches…

…Das wäre alles völlig unwichtig und kein Fetzen Papier wert, wenn Du nicht als Redakteur Eures ZO's (Zentralorgans) seit zwei Jahren verantwortlich zeichnen würdest für die impertinent-lügnerischen Tiraden gegen die KPD/ML. wird nicht von Euch die Existenzberechtigung Eurer Organisation mit der 'völligen Haltlosigkeit der KPD/ML' begründet?… Tatsachen sind zäh und Tatsache ist, daß Ihr Euren Einstand in der marxistisch-leninistischen Bewegung als wachechte Zentristen gegeben habt, daß ihr einen 'dritten Weg' zwischen der KPD/ML und dem modernen Revisionismus gesucht habt, den Weg der Aussöhnung der antagonistischen Widersprüche zwischen dem modernen Revisionismus und dem Marxismus-Leninismus. Ihr habt Eure Ablehnung der von den chinesischen und albanischen Genossen verteidigten und weiterentwickelten Generallinie der kommunistischen Weltbewegung, auf deren festem Grund die KPD/ML gegründet wurde, getarnt, in dem Ihr Eure wirklichen Positionen hinter denen der koreanischen Genossen versteckt habt. Inzwischen habt ihr eine Reihe von Punkten, vorweg in der Frage des Sozialimperialismus und jüngst auch in der Frage des Kampfes für die nationale Einheit Eure zentristische Linie aufgegeben und die Linie der KPD/ML übernommen.

Dafür werdet ihr von den Opportunisten als Sektierer angegriffen, wie einst die KPD/ML von Euch. Das spricht für Euch, das ist ein Schritt vorwärts zur Einheit. Aber habt Ihr irgendwo auch nur einen Funken Selbstkritik geleistet? Hat die Aufgabe Eurer zentristischen Positionen dazu geführt, die Existenzgrundlagen Eurer Organisation zu überprüfen? Nichts davon! Ganz im Gegenteil!…
Rotfront.
H., Sympathisant der KPD/ML.
Ich fordere Dich auf, diesen Brief in der Roten Fahne abzudrucken und zu den wesentlichen Punkten Stellung zu nehmen."

Die RM-Redaktion antwortet darauf:
"Zur KPD/AO müssen wir gerade heute folgendes feststellen: Heute, wo die Verteidigungsmaßnahmen der Bourgeoisie gegen die Marxisten-Leninisten sich rasch zuspitzen ist in zweierlei Hinsicht der Kampf zu verstärken: Zum einen können die Genossen der ebenfalls verfolgten und vom Verbot bedrohten 'KPD/AO' der Solidarität unserer Partei und der konkreten Zusammenarbeit gegen den Klassenfeind sicher sein. Wir meinen ausdrücklich, daß jetzt der Kampf um die einheitliche Aktion und um die Einheit der KPD/ML verstärkt geführt werden muß. Darum ist hier auch die zweite Aufgabe, den ideologischen Kampf gegen die opportunistischen Grundlagen des Spaltertums der 'KPD/AO' zu führen. Trotz Demonstrationsverbot in NRW, trotz Angriffen der Bourgeoisie in anderen Städten auf den Roten 1. Mai, hat die 'KPD/AO'-Führung in den meisten Fällen unser Angebot zur Aktionseinheit ausgeschlagen, so wie es J. H. bereits vorher angekündigt hat. Dennoch kam es wie in Westberlin wenigstens zu einer gemeinsamen Demonstrationsroute. Das Spaltertum der 'KPD/AO' zum 1. Mai, dem Tag der revolutionären Einheit der Arbeiterklasse, hat dennoch unserer Sache sehr geschadet. Ebenso zeigte sich in Bonn wie in Dortmund, daß die Weigerung der KPD/AO-Führer, Aktionen mit unserer Leitung abzusprechen, die Genossen und die Aktionen unverantwortlich leicht gefährdeten. Ferner stellten wir gerade auch bei der Gruppe KPD fest, daß die Führung jedes Zeichen der Solidarität mit den angeklagten Genossen unserer Partei vermissen läßt. Ein Vorgehen, daß die Klassenjustiz nur in ihrem Terror ermuntern kann. Wir sehen die opportunistischen Grundlagen gerade bei der gegenwärtigen Politik:
Rechtsopportunistisches Zurückweichen vor dem Klassenfeind, Verharmlosende Einschätzung der Faschisierung. So kritisierten KPD/AO Genossen unsere Partei in NRW, weil sie am Freitag vor dem 1. Mai Plakate klebte: Trotz Verbot - Heraus zum 1. Mai'. Das wurde als die 'übliche sektiererische Politik der KPD/ML'
bezeichnet, die - wie es einmal in der Roten Fahne stand - 'dem Verbot entgegenfiebere'. Stattdessen fielen die KPD/AO-Genossen auf das Gerücht über die angebliche Zulassung der Demonstration herein und verkündeten das als 'Sieg der KPD-Massenagitation', als Niederlage der Bourgeoisie. Die Demonstration wurde selbstverständlich verboten. Zurückweichen zeigt sich auch in Rechtfertigung gegenüber der Bourgeoisie wie in der Roten Fahne Nr. 17: Auf den Vorwurf des Spiegels, die KPD habe an den kämpferischen Antikriegtagsdemonstrationen 1972 in München teilgenommen, entgegnete die Rote Fahne: 'Wie jeder…wissen müßte, beteiligte sich die KPD an der Demonstration des Nationalen Vietnamkomitees…einer Demonstration…, die ohne jede Konfrontation verlief, in Frankfurt beteiligte sich die KPD-Sympathisantengruppe mit einem Block von 250 Menschen (?) an mehreren Demonstrationen, die zum Teil (?) von Polizei überfallen wurden…' Die Genossen der KPD/AO befinden sich in einer großen Illusion, wenn sie glauben durch weitere Distanzierung von revolutionären Aktionen, vom Marxismus-Leninismus, die Verfolgung der Bourgeoisie zu mildern, das Verbot verzögern zu können. Im Gegenteil! Die Bourgeoisie wird umso frecher, je mehr sie Schwächen, Verwirrung und Spaltung in den Reihen der revolutionären Organisationen bemerkt. Der Breshnew-Besuch verlangt eine klare Antwort der Marxisten-Leninisten. Hier wird sich in der marxistisch-leninistischen Bewegung die opportunistische Spreu vom revolutionären Weizen trennen. Beim Breshnew-Besuch ist nicht nur die ideologische Klarheit gegenüber dem Revisionismus, als der Ideologie der Todfeinde der Arbeiterbewegung, notwendig, sondern notwendig ist auch der organisierte Zusammenschluß gegenüber den zu erwartenden hektischen Reaktionen der Bourgeoisie, einschließlich der DKP. Darum: Aktionseinheit zum Empfang des Kremlzaren."

Eingegangen wird auf die Verhinderung der Maiaktionseinheit durch die KPD außerhalb Berlins.

Aus Baden-Württemberg wird berichtet von den Maiaktionen in Mannheim und Stuttgart sowie der Roten Garde (RG) Wiesloch und deren Prozeß.

Aus Bayern wird berichtet vom 1.Mai aus München und Würzburg sowie aus dem CPK-Bereich über die Taschentuchfabrik Walther in Kempten.

Aus Berlin wird berichtet aus dem CPK-Bereich über das eigene 'Rote Rührwerk' bei Schering, daß sich u.a. mit der Jugendvertretung (JV) Wedding und der DAG befaßte. Aus dem IGM-Bereich wird berichtet über die ehemalige KPD/ML-ZB bei Osram (vgl. 29.4.1973).

Aus Hamburg wird aufgerufen zur Demonstration (vgl. 28.5.1973) gegen den Ernst Aust Prozeß (vgl. 29.5.1973) und berichtet vom 1.Mai über Krankenschwestern an staatlichen Krankenhäusern. Aus Hamburg wird auch in "Zum ersten Mal auf sozialistischem Boden" berichtet über ein chinesisches Schiff im Hafen.

Aus Hessen wird berichtet von den Maiaktionen in Wetzlar und von Bänninger Gießen (IGM-Bereich) sowie dem IGM OV Gießen, der örtlichen IG BSE und Opel Rüsselsheim.

Aus NRW wird berichtet vom AJZ Bielefeld (vgl. 7.4.1973), aus Dortmund von der Zeche Hansa (IGBE-Bereich - vgl. 2.5.1973).

Aus NRW bzw. Rheinland-Pfalz wird auf Werner Heuzeroth aus Siegen bzw. Betzdorf eingegangen.

Es erscheint der Artikel:"
TROTZ TERROR DER BOURGEOISIE. DER ROTE 1. MAI LEBT!

Seit einigen Wochen führt die bürgerliche Klasse in Presse- berichten und Fernsehreports einen grossangelegten Hetzfeldzug gegen die Kommunisten ('Chaoten', 'Terroristen', 'Politrocker' usw.). Plötzlich werden einzelne kommunistische Aktionen groß an die Glocke gehängt, jetzt kommen Kübel, Jauche, jetzt zeigt die herrschende Klasse ihre Krallen. In Nordhein-Westfalen wurde bereits jeder Maiumzug 'von Gruppen links der DKP' verboten. In Dortmund verhinderten Tausende von Polizisten in bürgerkriegsähnlichem Aufmarsch die 1. Mai-Demonstration, prügelten am Hauptbahnhof auf illegale Demonstranten ein
(zwei Schädelbrüche, ein Unterkieferbruch, usw.), Polizisten auf Motorrädern in Tankstellen versteckt, auf Schulhöfen lagernd, Einsatzwagen, Zivile, ein Hubschrauber, Verkehrskontrollen zum Abfangen von Bussen aus anderen Städten. Die kapitalistische Staatsmacht schert sich, wo ihr die kommunistische Massenagitation bedrohlich wird, den Teufel um ihr eigenes Grundgesetz, das jedem Staatsbürger das Recht auf Versammlungen und Demonstrationen zusichert.

Auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen überall das gleiche Bild: Polizeieinheiten im Hintergrund der Umzüge oder in Innenhöfen entlang der Umzugsroute verborgen, Schnüffler, die sich mit roten Nelken im Knopfloch tarnen wollten. Politische Polizei als behagliche Begleiterseheinungen, Fotografen, einschlägiger Art. Auf den DGB-Demonstrationen tritt das Gleiche Unwesen in Gestalt von SPD-, DGB-, und D'K'P-Ordnertrupps auf, damit die wohlbestellten 'Arbeitervertreter' ihre Lügen und Phrasen vom 'Mitdenken-Mitbestimmen-Mitverantworten' verzapfen können. Warum fürchten denn die Bonzen die oppositionellen Gewerkschaftler und die Kommunisten? Weil sie einen Grund Fürchten haben, weil es in der 'Basis' rumort, weil schon genug Gewerkschaftler sich so ihre eigenen Gedanken über die Tarifabschlüsse und die 'Gewerkschaftsdemokratie' machen.

Die Bourgeoisie hat zu diesem 1. Mai gezeigt, wie sie auf die wachsende revolutionäre Bewegung zu reagieren gedenkt. Verbote, Polizeiaufmärsche, Prügel, Pressehetze, Schlägergarden von DGB und D'K'P, das ist der Mai von Seiten der Bourgeoisie. Dieser 1. Mai hat aber auch gezeigt, welche Seite heranwächst und mächtiger wird, das ist die Seite der Arbeiterbewegung, des Anwachsens der Gewerkschaftsopposition, des Erstarkens der Kommunistischen Partei, der KPD/ML. Der 1. Mai 1973 hat gezeigt, daß sich ein Roter 1. Mai 1973 nicht durch Verbot und nicht durch Terror verbieten läßt."
Q: Roter Morgen Nr. 18, Dortmund 12.5.1973


Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 1

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 2

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 3

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 4

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 5

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 6

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 7

Roter Morgen, 7. Jg., 12. Mai 1973, Nr. 18, Seite 8