KJVD: Kämpfende Jugend, Jg. 4, Nr. 21, 29.10.1975

29.10.1975:
Der Kommunistische Jugendverband Deutschlands (KJVD) der KPD gibt die Nr. 21 seiner 'Kämpfenden Jugend' (KJ - vgl. 12.10.1975, 12.11.1975) heraus. Es erscheint auch der Artikel: „Zum Gedenken an den Ringer Werner Seelenbinder: Arbeitersportler, Kommunist und Antifaschist.“

Ausgeführt wird u. a.: „Am 24. Oktober 1944 wurde Werner Seelenbinder von den Faschisten ermordet. Wenn wir uns jetzt, nach 31 Jahren, daran erinnern, dann deshalb, weil er als einer der erfolgreichsten deutschen Ringer im Halbschwergewicht ein herausragender Vertreter des Roten Arbeitersports gewesen ist. Durch sein standhaftes Eintreten für die Sache der Arbeiterklasse und des ganzen deutschen Volkes zur Zeit der Hitlerbarbarei, durch seinen mutigen Kampf in den vordersten Reihen der deutschen Antifaschisten setzt er uns ein Beispiel dafür, wie ein führender Kommunist und Arbeitersportler den Kampf gegen den Faschismus aufgenommen und die revolutionäre Volksfront gegen den Faschismus zusammen mit anderen Kommunisten geschmiedet hat.

Kurz nach den Jahren der Revolution in Deutschland fand er den Weg zur proletarischen Sportbewegung. Wegen seiner hervorragenden Ergebnisse im Ringen nahm er teil an der ersten deutschen Sportlerdelegation, die in die damals noch sozialistische Sowjetunion reiste. Nachdem die Reformisten die internationale Arbeitersportbewegung gespalten und alle ihren Mitgliederorganisationen verboten, hatten, Kontakt mit den sowjetischen Sportlern aufzunehmen, organisierten revolutionäre oppositionelle Arbeitersportler die „Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit“, 1928 eine Delegation von deutschen Sportlern, die trotz Verbot an der „Spartakiade“, dem internationalen Arbeitersportfest in Moskau, teilnimmt. Werner Seelenbinder ist unter ihnen.

Von den Erfolgen des sozialistischen Aufbaus begeistert, entschließt er sich 1928. Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands zu werden. Von nun an kämpft er organisiert für den Sozialismus und gegen die faschistischen Übergriffe, die unter Duldung der bürgerlichen Regierung und der SPD immer stärker werden. Als die Machtübernahme der Faschisten droht, wird Werner von der KPD vor schwere Aufgaben gestellt. Er soll sich in den bürgerlichen Sportbetrieb integrieren. Nur durch eine Spitzenposition im Nazisport hat er die Möglichkeit, als Kurier für die illegale Arbeit wichtige Dienste für den antifaschistischen Kampf zu leisten. Nach schweren inneren Kämpfen willigt er ein.

Er tritt aus einem alten Arbeitersportverein aus und in einen bürgerlichen Sportverein ein. Seine Fairness im Ringkampf machten ihn in kürzester Zeit zu einem der beliebtesten Sportler Berlins. Innerhalb des Sportvereins beginnt er, mit gleichgesinnten ehemaligen Arbeitersportlern die antifaschistische Einheitsfront aufzubauen. Sein Sieg in der Deutschen Mannschaft im Ringen 1933, schon unter Nazi-Herrschaft, wird zu einer antifaschistischen Manifestation. Als einziger im überfüllten Saal hebt er, der deutsche Meister, die Hand nicht zum Hitlergruß, singt er die Deutschland-Hymne nicht mit. Vollkommen überrascht davon, singen immer weniger die Hymne, senken sich immer mehr Arme, bis plötzlich tosender Beifall für Werner Seelenbinder losbricht. Die Nazis quittieren das. Eine Woche Gefängnis, Startverbot ohne Begründung. Jahrelanger Kampf auch der bürgerlichen Sportler für die Starterlaubnis führt dazu, dass Werner wieder ringen darf. Innerhalb kürzester Zeit hat er sich in die Elite der deutschen Ringer gekämpft.

Währenddessen nimmt er weiter teil an der illegalen Arbeit. Als Mitglied der Nazi-Sportdelegationen leistet er unschätzbare Kurierdienste für die antifaschistische Bewegung. Die Olympiade 1936 soll für die roten Arbeitersportler dazu verwendet werden, der internationalen Öffentlichkeit zu zeigen, dass es noch ein anderes, antifaschistisches Deutschland gibt. Seelenbinder trainiert verbissen, er soll unbedingt eine Medaille erringen. Wenn das klappt, besteht die Möglichkeit eines Radiointerviews, das er zur antifaschistischen Propaganda nutzen will. Doch einen Tag vor den Entscheidungskämpfen wird fast der ganze illegale Apparat der „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ verhaftet. Deprimiert kämpft Werner unkonzentriert - und wird nur Vierter.

Aber kurz darauf ist er wieder voll dabei. Als Mitglied der 4. Illegalen Leitung der „Kampfgemeinschaft“ organisiert er den Kampf der Roten Arbeitersportler in Deutschland. Ihre Aufgaben waren damals äußerst wichtig. Gefährdete Genossen wurden von ihnen über die Grenzen geschafft, illegale Literatur auf gefahrenvollen Wegen nach Deutschland befördert.

Im gleichen Jahr wird er wieder deutscher Meister im Ringen. Auf seinen Besuch in Finnland, trifft er einen finnischen Ringer. Kommunist, wie er, der im Gefängnis gesessen hatte. Obwohl als Nazi-Repräsentant nach Finnland geschickt, sammelt er unter den Zuschauern Geld für seinen Genossen, mit dem Erfolg, dass bei einem nachfolgenden Ringkampf tausende von Arbeitern zuschauen kommen und Werner feiern, weil sie wissen: Auch unter schwierigsten Bedingungen arbeitet er als Kommunist.

Bei AEG, seiner Arbeitsstelle, baut er illegale Gruppen auf, organisiert Verbindungen zu polnischen Zwangsarbeitern und arbeitet ab 1938 bei der Widerstandsgruppe des Drehers Robert Uhrig. Die Gruppe fasste hunderte von Einzelgruppen mit fast 10.000 Personen zusammen. Am 4. Februar 1942 wird er mit hunderten anderen der Uhrig-Gruppe verhaftet. Trotz mörderischer Folter gelingt es den Faschisten nicht, aus Werner Seelenbinder, der einer der wichtigsten Organisatoren der Uhrig-Gruppe gewesen war, ein Geständnis herauszupressen. Nach mehreren Jahren Haft und KZ wird er am 24. Oktober 1944 ermordet.

Doch der Mord der Nazischergen ist vergeblich geblieben. Auf der Arbeit der Uhrig-Gruppe konnte die operative Leitung der KPD aufbauen. Bereits ein halbes Jahr nach den Verhaftungen arbeitet die illegale Organisation wieder. Werner Seelenbinder legt Zeugnis ab von der Bedeutung des Arbeitersports für den revolutionären Klassenkampf. Sein Leben zeigt: Mi dem Ziel des Sozialismus vor Augen ist es auch der faschistischen Reaktion nicht möglich, den Kampfwillen der Arbeiterklasse zu brechen. Auch die faschistische Reaktion von heute, die beiden Supermächte, werden nichts daran ändern. In diesem Sinne bleibt uns Werner Seelenbinder ein leuchtendes Vorbild.“

Im Artikel: „Muhammed Ali-Großmaul?“ wird u.a. ausgeführt:„
Muhammed Ali hat wieder auf die Pauke gehauen. Zuerst hat er in seinem dritten Kampf gegen Joe Frazier diesen zum wiederholten Male geschlagen. Dann wurden seine Memoiren auf der Frankfurter Buchmesse mit großem Brimborium vorgestellt. Viele, auch fortschrittliche Menschen denken sich: Das ist wieder ein Presserummel wie jeder andere, und: Der hat ja doch nichts wie eine große Klappe und verdient damit sein Geld. Und das Büchertheater ist ja von den bürgerlichen Verlagen auch groß aufgezogen worden. Der Verlag Droemer Knaur hat einen Tag vor der Buchmesse 200.000 DM auf den Tisch geblättert, um sich die Rechte für den Deutschen Druck zu sichern, dabei wird das Buch erst im nächsten Jahr erscheinen. Und doch unterscheidet sich Muhammed Ali von den anderen Profiboxern der Weltklasse.

1966 begann in den USA eine politische Auseinandersetzung, die mit zur Zerrüttung des US-Imperialismus beigetragen hat. Der damalige Profiboxer Cassius Clay antwortete einem Reporter zu seiner bevorstehenden Einberufung in die US-Army: „Ich habe keinen Streit mit dem Vietkong!“ Muhammed Ali, der von weißen Südstaatengeschäftsmännern finanziert wurde, sprach das aus, was Millionen Amerikaner dachten. Er wollte sich nicht in einem Krieg verheizen lassen, den die Männer des amerikanischen Großkapitals angezettelt hatten. In einer großangelegten Hetzkampagne versuchte die Reaktion, Muhammed Ali klein zu machen. Sie entzogen ihm die - bei Profiboxern notwendige- Boxlizenz, weil er die „amerikanische Fahne entehrt“ und sich „unpatriotisch“ verhalten habe.

Muhammed Ali hat diese Bemerkung nicht zurückgenommen. Und er hat noch ganz andere Sachen nicht zurückgenommen. Er hat die Kämpfe der farbigen Bevölkerung in den USA tatkräftig unterstützt. Er hat sich der religiösen Organisation der Black Muslim angeschlossen. Ihr Mitbegründer Malcolm X machte die Black Muslim zum ersten großen Sammelpunkt des organisierten farbigen Widerstands gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der Farbigen in den USA. Es wurde nicht mehr gebettelt, sondern um die lebensnotwendigen Rechte gekämpft.

Als Malcom X schließlich erkannte, dass der Rassismus keine psychologische Schranke, sondern ein Spaltungsmittel der Kapitalisten war, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten, wurde er ermordet. Das hat aber die Kämpfe der Farbigen in den USA nicht erlöschen lassen. Muhammed Ali steht für sie hier als einer, der sich dagegen wehrt, dass die Farbigen durch die weißen Kapitalisten ausgenutzt und ausgebeutet werden ….

Joe Frazier hat sich mit Haut und Haaren an die Weißen verkauft. Sein Lebensstil und seine Vorbilder sind weiß. Würdelos hat er sich mit seinem vergeblichen Versuch als Pop-Künstler zum Hampelmann de weißen Bourgeoisie gemacht. Muhammed Ali fragt nicht nach der Meinung von seinen Auftraggebern, auch wenn er abhängig von ihnen ist, er macht sich nicht zum Speichellecker der weißen Bourgeoisie. Darum wird er zum Verrückten, zum Großmaul abgestempelt.

Er setzt sich führend mit anderen für einen farbigen Berufskollegen ein, der von der weißen Klassenjustiz lebenslang ins Gefängnis geworfen wird. Er gibt sein Geld dafür, dass farbige Jugendliche auf einer Farm ihr Leben selbst in die Hand nehmen können- und macht sich keine Illusionen, damit die Klassengesellschaft ändern zu können.

Diejenigen, die Muhammed Ali in der Sportschau gesehen haben, werden überrascht sein über die ruhige, sachliche Art, mit der er dort auftrat. Ein paar Pressefritzen versuchten ihn zu provozieren- einen Hampelmann hätten sie lieber gesehen. Trotzdem sind auch die Aktivitäten von Muhammed Ali ein Schritt voran beim Kampf der farbigen Bevölkerung. Daran wird auch die reaktionäre Hetze gegen ihn nichts ändern.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 21, Köln 29.10.1975

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