'Agitationsheft des Kommunistischen Jugendverbandes' - Jugendorganisation der KPD, Jg. 2, Nr. 4, März 1974

März 1974:
Der KJV der KPD gibt sein 'Kämpfende Jugend Agitationsheft' Nr. 4 (vgl. Feb. 1974, Sept. 1974) unter dem Titel "Wir werden kämpfen, wir werden siegen - unabhängige Jugendzentren werden wir kriegen!" in einer Auflage von 2 000 Stück heraus, das sich gliedert in die Abschnitte:
- "I. Wir haben die Schnauze voll und wir wollen ein Haus!";
- "II. Was wir brauchen, müssen wir uns nehmen!";
- "III. Zwei Linien im Kampf um unabhängige Jugendzentren;
- - "1. Freiraum oder Stützpunkt im Klassenkampf?";
- - "2. Was können wir im Jugendzentrum machen?";
- - "3. Wie verwalten wir unser Haus?";
- - "4. Wie kämpfen wir erfolgreich für unser Haus?";
- - "5. Wie können wir unser Hausverteidigen?";
- "IV. Lehrlinge, Jungarbeiter, Schüler - eine Kampffront!"; sowie
- "V. Die Jugendhilfereform der SPD - ein Ausweg?".

Berichtet wird vom Kampf um Jugendzentren (JZ) u.a. über das zentrale Koordinationsbüro in Neustadt/Weinstraße in Rheinland-Pfalz sowie in:
- Baden-Württemberg vom Richard Epple Haus Tübingen;
- Bayern vom KOMM in Nürnberg;
- Berlin von der Putte;
- Bremen vom Haus Auf den Häfen;
- Hessen in Rüsselsheim (vgl. Dez. 1972);
- Niedersachsen in Hannover in der Arndtstraße (vgl. Dez. 1971), in Linden (UJZ Glocksee) und vom UJZ Kleefeld (vgl. 24.9.1973, 25.9.1973) sowie in Helmstedt, wobei u.a. die Jusos der SPD Erwähnung finden;
- NRW in Düsseldorf, Velbert, von der JZI Leverkusen, der SDAJ der DKP in Düsseldorf und Mettmann, vom AJZ Bielefeld (vgl. Sept. 1973) sowie vor allem vom Erich Dobhardt-Haus in Dortmund (vgl. 2.11.1973).

Es erscheint auch der Artikel "Zwei Linien im Kampf um unabhängige Jugendzentren", der sich auf den Seiten 13 und 14 mit der Frage 'Freiraum oder Stützpunkt im Klassenkampf' beschäftigt. Diese Frage sei im Anschluß an die Besetzung des Dortmunder Erich-Dobhardt-Hauses in der Oesterholzstraße entstanden: "Wie müssen wir unser Haus verteidigen?"
Der Artikel legt das 'Manifest der Hausbesetzer des Hauses auf den Häfen in Bremen' (März 1973) zugrunde, und folgert, daß die dort propagierte Theorie, "Nieder mit der Arbeit, Nieder mit dem ganzen Reichtum uns nicht weiter hilft". Weiter heißt es:"
So führt dieser Weg nicht zur Verbesserung unserer Lage, sondern in die Sackgasse. Denn Tee trinken, spielen, diskutieren, Musik machen, Filme drehen, Zimmer einrichten, Feste feiern, zusammensein ohne Zwang, Aufsicht und Kontrolle, macht zwar Spaß, aber was wir gegen die Verschlechterung unserer Lage tun können, lernen wir dadurch nicht. Nieder mit der Arbeit - auf den ersten Blick ist der Gedanke, morgen mal blau zu machen, sicher nicht schlecht, aber die Ausbeutung im Betrieb wird dadurch nicht einen Deut abgeschafft. Das erreichen wir nicht durch individuelle Verweigerung, sondern indem die Arbeiterklasse geschlossen und organisiert dagegen kämpft, und zwar im Betrieb, und nicht, indem wir uns in unser Jugendzentrum zurückziehen. Der einzelne, der der Arbeit und Ausbeutung aus dem Weg zu gehen versucht, hilft weder sich noch seinen Kollegen. Der gemeinsame und selbständige Kampf aller Kollegen kann allein die Kapitalisten in die Knie zwingen. Durch individuelles Klauen schaffen wir die Preistreiberei nicht ab, genausowenig wie das Jugendzentrum Wohnungsnot und Mietwucher abschaffen kann. Allein der organisierte Kampf der Mieter, der organisierte Mietboykott kann gegen Wohnungsbaugesellschaften und Spekulanten was ausrichten. Für diese Kämpfe muß das Jugendzentrum ein Stützpunkt sein". Offensichtlich richtet sich der Artikel auch gegen spontaneistische Tendenzen, die wohl auch im Dobhardt-Haus aufgetaucht sind; denn weiter heißt es:"
Die Linie 'Jugendzentrum als freie Insel' hat auch noch eine andere Variante: Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung und individuelle Emanzipation hat ein Teil der Bewegung auf seine Fahnen geschrieben. Befreit von den Zwängen der Umwelt sollen die Jugendlichen im Jugendzentrum ohne Kontrolle ihren eigentlichen Bedürfnissen nachgehen. Eine emanzipative Freizeitgestaltung und Kommunikation soll ihre durch die kapitalistische Umwelt verschütteten Anlagen und Fähigkalten entfalten, soll sie zu 'freien, emanzipierten Menschen machen'. Wird aber gefragt, was wir eigentlich mit einem selbstverwalteten Jugendzentrum wollen: ob es uns nicht noch in anderer Hinsicht helfen kann, z.B. indem wir besprechen, warum wir eigentlich eine so beschissene Ausbildung im Betrieb erhalten, oder gar warum der Kampf der indochinesischen Völker auch von Bedeutung für die Jugendlichen in unserem Lande ist, dann wittern sie Gefahr … Letzten Endes sitzen die Verfechter dieser Linie der Illusion der linken Sozialpädagogik auf, durch emanzipatorische Erziehung freie Menschen (zu) erziehen. Immer mehr emanzipierte Menschen erziehen, das wirkt sich aus, schließlich werden sogar die Kapitalisten durch ihre Agenten im Staatsapparat überzeugt und wenden sich von der Ausbeutung und Unterdrückung ab und der Menschlichkeit zu. Als wäre die Freizeit vor allem vom Charakter und der Erziehung der Menschen abhängig. Daß die Kapitalistenklasse nicht aufgrund ihres schlechten Charakters das Leben der Werktätigen ständig verschlechtert, sondern weil sie weiß, daß es ihnen gut geht, solange wir für sie schuften und daß dies solange so bleibt, wie sie die Macht hat, daß die Erziehung zum großen Teil in den Händen des Staates ist und dieser allein im Interesse der Kapitalisten handelt, daß die Freizeit des Einzelnen nicht möglich ist ohne die Freiheit der ganzen Gesellschaft und daß nur durch den Klassenkampf, durch den Sturz der kapitalistischen Diktatur zu erreichen ist, all das wollen die linken Sozialpädagogen nicht sehen. Daß wir im Jugendzentrum uns gegenseitig helfen, Solidarität untereinander zu üben, das ist wichtig und richtig. Aber Solidarität ist erst dann eine Waffe, wenn man sie benutzt, und zwar zum Kampf gegen die Kapitalistenklasse und ihren Staat und gegen die Verschlechterung unserer Lage in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dies wird dann aber als Überfremdung diffamiert. Sowohl die spontaneistische Vorstellung, im Kampf um unabhängige Jugendzentren, als auch die kleinbürgerlich-reformistische haben einen gemeinsamen Kern: Sie dienen objektiv dazu, zu verhindern, daß immer mehr Jugendliche den umfassenden und kompromißlosen Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus aufnehmen. Sie führen stattdessen dazu, daß man in dem scheinbaren Freiraum alles Elend des kapitalistischen Alltags vergißt. Letzten Endes dienen sie auf ihre Weise der Integration der Jugendlichen in die Ausbeuterordnung, anstatt sie zum Widerstand zusammenzuschließen. Sie laufen auf eine 'linke' Form der bürgerlichen Jugendpflege hinaus, deren Vorzug darin besteht, daß sie für viele Jugendliche noch anziehender ist, als die öde und offen disziplinierende staatliche Jugendpflege, weil sie sich mit dem Schein der Freiheit umgibt".
Q: KJV: Agitationsheft Nr. 4, Dortmund März 1974

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