"Grohnde - 19.3.1977 - Dokumentation"
Hrsg. von den BI Hameln, Hannover, Göttingen, Kassel und den Ermittlungsausschüssen aus Hamburg und Kassel (1977)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 31.3.2022

Die folgende Dokumentation beschäftigt sich mit den Aktionen am Bauplatz des AKW Grohnde (Niedersachsen). Sie soll "eine vorläufige Materialsammlung zu den Ereignissen am 19.3. darstellen", so die Einleitung.

Siehe dazu auch:

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

07.04.1977:
Von den BI Hameln, Hannover, Göttingen, Kassel und den Ermittlungsausschüssen aus Hamburg und Kassel herausgegeben, erscheint die Dokumentation "Grohnde - 19.3.1977".

In der Einleitung heißt es dazu u. a.: "Am 5.3. beschlossen die anwesenden Vertreter von ca. 50 Bürgerinitiativen auf der Regionalkonferenz in Kirchohsen am 19.3. eine Demonstration am Bauplatz des geplanten AKW Grohnde durchzuführen.

Als Grundlage der Mobilisierung diente eine einstimmig gefasste Resolution, in der sich die BIs nicht - wie zunächst von einigen beabsichtigt - auf eine gewaltfreie Aktion festlegten: alle Formen des Widerstandes, einschließlich des Versuchs einer Platzbesetzung sollten in dieser Aktion ihren Platz finden.

Gleichzeitig wurde beschlossen, eine zentrale Demonstrationsleitung aus Vertretern aus Hamburg, Bremen, Hannover, Münster, Bielefeld, Göttingen, Kassel, Hameln, Vertretern der Weserberglandinitiativen, sowie je einem Vertreter aus den drei Ausschüssen zu bilden (Verkehrsausschuss, Saniausschuss, Ermittlungsausschuss).

Die Diskussion in der Demoleitung war von Anfang an stark durch die Auseinandersetzungen mit zwei Vertretern des WSL (Weltbund zum Schutze des Lebens) aus Pyrmont bestimmt. Sie bestanden darauf, gegen den Mehrheitswillen der Demoleitung die Demonstration polizeilich anzumelden. Sie bestanden auf einer eigenen Kundgebung in Kirchohsen, für die sie auch eigenmächtig Redner eingeladen hatten, obwohl das geplante Kühlturmgelände für die zentrale Kundgebung zur Verfügung gestellt worden war. Schließlich beanspruchten sie sogar ein Vetorecht für sich, wollten eigene Ordnertruppen aufstellen, da sie als polizeilich Verantwortliche die Demonstration angemeldet hatten. Als die Demoleitung am Kirchohsener Beschluss: Demonstration am Bauplatz festhielt und keinen Grund sah, irgend jemandem eine Sonderstellung oder gar ein Vetorecht einzuräumen, verließen die zwei WSL-Vertreter die Demonstrationsleitung.

Die Verantwortlichen einiger örtlicher Initiativen zogen sich daraufhin sofort von allen Aktivitäten am 19.3. einschließlich technischer Hilfeleistung wie Bereitstellung von Räumen etc. zurück. Um so bedeutsamer ist es, dass dennoch große Teile der Bevölkerung sich an der Demonstration beteiligt und besonders durch Hilfeleistungen für unseren Sanidienst praktische Solidarität geübt haben.

Die erfreuliche Mobilisierung und der Ablauf der Aktion haben gezeigt, dass die Mehrheit der AKW-Gegner nicht Ort und Zeit ihres Protestes von der Regierung oder irgendwelchen Behörden vorschreiben lässt.

Trotz der Totschweigetaktik der bürgerlichen Presse kamen am 19.3. 20.000 nach Grohnde, zu großen Teilen fest zum Angriff auf den Bauzaun entschlossen. Das entschlossene und einheitliche Vorgehen, durch das die Polizeisperre in Kirchohsen durchbrochen und trotz Wasserwerfern, Tränengas und Polizeiübergriffen breite Löcher in den Zaun gerissen wurden, zeigte, dass sich die Anti-AKW-Bewegung nicht nur in Brokdorf, sondern auch in Grohnde und anderswo praktischen Widerstand leisten wird.

Der brutale Angriff der Polizei forderte zahlreiche Verletzte unter den Demonstranten, wovon die meisten von unserem eigenen Sanidienst versorgt wurden. (…)

Der rücksichtslose Polizeieinsatz, die in sämtlichen Medien einsetzende Hetze, die von allen Politikern und Parteien forcierte Kriminalisierung aller in Grohnde beteiligten AKW-Gegner sind ein Zeichen, wie ernst es den AKW-Befürwortern mit der Durchsetzung ihrer ehrgeizigen Pläne ist. (…)

Diese Dokumentation stellt eine vorläufige Materialsammlung zu den Ereignissen am 19.3. dar, mit der wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit den Lügen der gleichgeschalteten Presse entgegenwirken können und die als Grundlage für die Auseinandersetzung um Erfolge und Schwächen der Grohnder Aktion und die nächsten Aufgaben der Anti-AKW-Bewegung dienen kann.

Sie hat nicht den Anspruch, eine umfassende politische Einschätzung vorzunehmen; dieses war aufgrund der unterschiedlichen Meinungen, die innerhalb der Demoleitung zu den verschiedensten Punkten bestanden, auch kaum möglich. Dazu sollen die einzelnen BIs in eigenen Stellungnahmen sich äußern; bereits vorliegende drucken wir hier ab, zukünftige sollten dann in örtlichen und regionalen AKW-Infos Berücksichtigung finden."

Artikel sind u. a.:
- "Einleitung"
- "Beschluss der Regionalkonferenz am 5.3.1977 in Kirchohsen. Aufruf zur Großkundgebung am Atomkraftwerksbauplatz Grohnde am 19.3.1977"
- "Presseerklärung der Demonstrationsleitung vom 19.3.1977"
- "Erklärung der Demonstrationsleitung vom 18.3.1977"
- "Bericht des Verkehrsausschuss"
- "Ablauf der Demonstration (Kirchohsen, Grohnde, Am Bauplatz, Polizeiangriff)"
- "Polizeifunk 19.3."
- "Sanitätsbericht"
- "Augenzeugenberichte I"
- "Bericht des Ermittlungsausschuss"
- "Augenzeugenberichte II"
- "Hameln, Lohstr. 25"
- "Presseerklärungen"
- "'… die müssen wir fertig machen!'"
- "Ermittlungsverfahren"
- "Jagdszenen aus Niedersachsen"
- "Offener Brief an Albrecht"
- "Presseauswertung"
- "Gesichter des Terrors und des Friedens …"
- "Reaktion der Kirche'"
- "Kriminalisierung"
- "Reaktionen, Stellungnahmen … (Grohnde, Kassel, Hameln)"
- "Marschenkonferenz"
- "Nicht ernstzunehmende Stimmen"
- Fotos

Berichtet wird von der "Marschenkonferenz" am 1.4.1977, auf der die Solidarität mit den Festgenommenen und Verletzten zum Ausdruck gebracht wird (vgl. S. 69).
Quelle: Grohnde - 19.3.1977 - Dokumentation, Hannover, 7. April 1977.

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Letzte Änderung: 31.03.2022