Fahrpreiserhöhungen in Hannover: Die Proteste des Jahres 1970

09.01.1970:
In Hannover will, laut DKP, die Bürgerinitiative "Stoppt die Preise", in der sich zunächst 15 Organisationen, u.a. Judos der FDP, AUD, SDAJ der DKP, der Club Voltaire, die DKP und der Deutsche Freidenkerverband (DFV), später gar 34 Gruppen, zusammengeschlossen haben, eine erste Kundgebung vor dem Opernhaus gegen die Fahrpreiserhöhungen durchführen. Wegen Eisregen aber fällt die Aktion aus (vgl. 10.1.1970).
Q: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr. 3 und 4, Düsseldorf 15.1.1970 bzw. 22.1.1970

10.01.1970:
In Hannover führt, laut DKP, die BI Stoppt die Preise eine Kundgebung vor dem Opernhaus mit mehreren hundert Teilnehmern (vgl. 9.1.1970, 12.1.1970) durch.
Q: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr. 3 und 4, Düsseldorf 15.1.1970 bzw. 22.1.1970

10.01.1970:
Vermutlich heute erscheint in Hannover das 'Info' Nr. 1 (vgl. 13.12.1969, 24.1.1970). Enthalten sind auch die "Materialien zur neuesten Entwicklung der ÜSTRA".
Q: SDS-Gruppe Hannover: Info Nr. 1, Hannover 1970

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12.01.1970:
In Hannover führt, laut DKP, die BI Stoppt die Preise eine Kundgebung vor dem Opernhaus (vgl. 10.1.1970) durch.
Q: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr. 3, Düsseldorf 15.1.1970

07.02.1970:
Vermutlich heute erscheint in Hannover das 'Info' Nr. 3 (vgl. 24.1.1970, 21.2.1970). Enthalten sind die "Materialien zur Sarstedter ÜSTRA-Aktion im August 1969".
Q: SDS-Gruppe Hannover: Info Nr. 3, Hannover 1970, S. 18ff

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02.03.1970:
Das Aktionskomitee der sozialistischen Arbeiter-, Schüler- und Studentengruppen Hannovers, welches über das SDS-Postach im AStA der TU Hannover erreichbar ist, gibt vermutlich in dieser Woche das folgende Flugblatt von zwei Seiten DIN A4 heraus, welches auf der einen Seite einen großen Roten Punkt und den Text "Was wir gemeinsam erkämpft haben, lassen wir uns nicht kampflos wieder nehmen! Die Fahrt zu Arbeitsplatz und Ausbildungsstätten aus UNTERNEHMERPROFITEN bezahlen!" und auf der Rückseite den folgenden Text enthält:"
LASSEN WIR UNS KEINEN SAND IN DIE AUGEN STREUEN: FAHRPREISERHÖHUNG

Im letzten Juni setzten Üstra-Benutzer und Rot-Punkt-Automobilisten gemeinsam mit den aktiven Blockierern einer Fahrpreiserhöhung entschiedenen Widerstand entgegen. Als der Konflikt in den Großbetrieben selber aufzubrechen drohte, wurde der Druck so stark, daß Üstra-Bosse und Stadt-Bürokraten nicht nur gezwungen waren, die Erhöhung rückgängig zu machen, sondern den 50-Pfg-Einheitstarif zuzugestehen. Die Verkehrsträger im Großraum mußten nachziehen.

Jetzt haben die Verkehrtsräger und die Bürokraten der Stadt und des Großraumverbandes wieder eine Fahrpreiserhöhung ausgeheckt: Der Einheitstarif wird auf 80 bzw. 60 Pfg. erhöht.

Aber: WAS WIR GEMEINSAM ERKÄMPFT HABEN, LASSEN WIR UNS NICHT KAMFLOS WIEDER NEHMEN.

Wie rechtfertigen die Bosse der Verkehrsträger und die Bürokraten die Preiserhöhung????

Der 'Großraumfahrschein' erlaube es, von 'Burgdorf bis zum Steinhuder Meer' unter Inanspruchnahme verschiedener Verkehrsmittel für 80 bzw. 60 Pfg. zu fahren. Wer aber tagtäglich von Vahrenheide bis Conti Vahrenwald (CPK-Bereich, d.Vf.) fahren muß, den interessiert die Fahrt von Burgdorf nach Steinhude wenig. Er bezahlt jetzt nämlich 80 bzw. 60 anstatt 50 Pfg. (Und wer zum Steinhuder Meer segeln fährt, ist sowieso nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.) Nur für den kleinen Teil der sog. 'Pendler', die gezwungen sind, auf ihrem Weg zum Arbeitsplatz mehrere Verkehrsträger, z.B. Bahn UND Üstra, in Anspruch zu nehmen, bedeutet der neue Tarif kein Preiserhöhung.

Was haben Bosse und Bürokraten für uns geleistet????????

- Sie haben acht Meinungsumfragen und Gutachten in Auftrag gegeben. Für eine INFAS-Untersuchung z.B. (Frage: 'Sitzen Sie in der Straßenbahn lieber links oder rechts?') haben sie 90 000 DM Steuergelder verpulvert.

- Sie haben einen Vertrag zusammengeschustert, der es erlaubt, ohne Nachlösen von 'Burgdorf zum Steinhuder Meer' zu fahren, nach dem Motto 'Billiger zum Steinhuder Meer, teurer zum Arbeitsplatz'.

- Sie haben eine Verpackung für die Preiserhöhung gebastelt, neue Wörter erfunden ('Großraumfahrschein', 'Gemeinschaftstarif', 'Verbundvertrag'), von einem Grafiker ein hübsches Zeichen für ihren 'Großraumverkehr' malen lassen, Anzeigen in die Zeitungen gesetzt, Prospekte gedruckt, Presse und Interessenverbände auf ihre Seite gebracht.

Wo bleiben wirkliche Verbesserungen??????

In Hemmingen gibt es z.B. einen Metallbetrieb (IGM-Bereich, d.Vf.), dessen Bushaltestelle 20 Min. vom Fabriktor entfernt ist. Die Busse verkehren dort alle 20 Min. Wo bleiben betriebsnahe Haltestellen? Wo die entscheidende Verkürzung der Zugfolge? Wenn es um konkrete Verbesserungen geht, dann ist die Rede von 'zukünftig', 'Zug um Zug', 'Programm' - Vertröstungen, nichts Handfestes.

Was ist Fahrgeld???????

Nach der Preiserhöhung zahlt ein Arbeiter mit einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 750 DM ca. 5% seines Lohnes, um dahin zu kommen, wo er das einzige verkauft, was er zu verkaufen hat - seine Arbeitskraft. Fahrgeld ist direkter Abzug vom Lohn! (Gleichzeitig ist Fahrgeld verlängerte Arbeitszeit - unbezahlte Arbeitszeit. Das erhöht jene 5% noch beträchtlich.) Fahrgeld ist außerdem eine direkte Verteuerung eingekaufter Waren! Fahrgeld ist eine direkte Verteuerung der Ausbildungskosten!

Wem dient der öffentliche Nahverkehr???????

Die wichtigste Aufgabe der Nahverkehrsmittel ist es, für die Bedürfnisse der Privatwirtschaft Bevölkerungsmassen zu transportieren: Arbeitskräfte in die Fabriken, die der Kapitalist dort zur Schaffung seiner Profite benötigt, Hausfrauen in die Einkaufszentren zur Realisierung dieser Profite. Und für diese 'Dienstleistung' wird uns noch Geld abverlangt!

Trotzdem arbeitet der öffentliche Nahverkehr unrentabel. Die Privatwirtschaft überläßt ihn daher der 'öffentlichen Hand' oder verlangt hohe Subventionen. Unrentabel ist der Nahverkehr durch die Konkurrenz des privaten Individualverkehrs, die PKWs, der dem Kapital die Superprofite bringt. Mit ihren Subventionen sichert die 'öffentliche Hand' kapitalistische Profite und gerät dabei in Bedrängnis:

DIE FAHRT ZU ARBEITSPLATZ, EINKAUSFZENTRUM UND AUSBILDUNGSSTÄTTE AUS UNTERNEHMERPROFITEN BEZAHLEN!

Dann haben wir genug Geld für Krankenhäuser, Kindertagesstätten und Schulen. (Kaufhäuser zahlen schon jetzt die Parkgebühren ihrer Kunden. Warum nicht auch den Fahrschein?) Im letzten Juni haben die Bosse selber ein Beispiel gegeben: Als ihnen der Stillstand der Bänder drohte, waren sie bereit, auf einen winzigen Teil ihrer Profite zu verzichten. Viele Arbeiter kamen umsonst an die Stechuhren - die Unternehmer hatten Busse für sie gechartert. Stillstand der Bänder in den Fabriken, Umsatzrückgänge in den Großkaufhäusern der City - diese Sprache verstehen die Unternehmer und ihre Agenten, die Stadt- und Großraumbürokraten. In dieser Sprache sollten wir mit ihnen reden - die Macht dazu haben wir, das haben wir schon einmal gezeigt!"
Q: Aktionskomitee der sozialistischen Arbeiter-, Schüler- und Studentengruppen Hannovers: Lassen wir uns keinen Sand in die Augen streuen: Fahrpreiserhöhung, Hannover o.J. (1970)

05.03.1970:
Die DKP gibt die Nr. 10 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 26.2.1970, 12.3.1970). Auf Seite 11 heißt es von ja.:"
FAHRSCHEINE IN ZAHLUNG
WAS FACHLEUTE VON DKP-VORSCHLÄGEN HALTEN

Ursprünglich sollte diese Umfrage herausbringen, was die Direktoren verschiedener nordrhein-westfälischer Verkehrsbetriebe zur Einführung eines Einheitsfahrscheins in Hannover sagen. Fast zufällig ergab sich dabei jedoch ein zweites Thema. Und das kam so: Die Leiter der Verkehrsbetriebe in Köln, Düsseldorf und Dortmund waren fast einhellig der Meinung, daß der Einheitstarif eine gute Sache sei.

Doch alle drei Städte, so sagten sie, könnten keinen Geldgeber finden, der die Verluste trage, das heißt, der das Geschäft subventioniert."
Q: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr. 10, Essen 5.3.1970

07.03.1970:
Vermutlich heute erscheint in Hannover das 'Info' Nr. 5 (vgl. 21.2.1970, 28.3.1970). Enthalten sind die Beiträge:
- Günter Mangold: Roter Punkt und Rote Fahne (aus 'Rotes Forum' Heidelberg Nr. 4/1969)
- Alfred Krovoza: Von der Kritik am autoritären Rechtsstaat zur Kritik am autoritären Sozialstaat
- Ausschnitte aus der Debatte des Niedersächsischen Landtages vom 19.6.69 zum Thema: 'Situation des öffentlichen Nahverkehrs'
- Alvons Diemer: Dem autoritären Wohlfahrtsstaat die Massenloyalität aufkündigen!
- Dokumentation: Flugblätter zur ÜSTRA-Kampagne

Erschienen sei die erste Nummer der 'Arbeitersache' - die erste antirevisionistische Betriebszeitung Hannovers, die von Axel R. Oestmann, BPG III, der Aktionsgruppe sozialistischer Hannoveraner Arbeiter und Lehrlinge (AHL), der INFO-Redaktion und der Druck- und Verlagskooperative herausgebracht wurde und sich mit der ÜSTRA befaßte.

Termine werden auch bekanntgegeben von der ÜSTRA-Rechtshilfe.
Q: SDS-Gruppe Hannover:Info Nr. 5, Hannover 1970

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12.03.1970:
In der TU Hannover soll vom SDS und vom Aktionskomitee der sozialistischen Arbeiter-, Schüler- und Studentengruppen Hannovers ein Teach In "Autoritärer Sozialstaat und Massenloyalität" durchgeführt werden, zu dem u.a. die, im Aktionskomitee vertretenen, Gruppen Schülerbasisgruppe (SBG) I, Aktionsgruppe sozialistischer Arbeiter und Lehrlinge und Basisgruppe Mathematik / Projektgruppe Technologie je ein Flugblatt herausgeben.
Q: SDS-Gruppe Hannover: Info Nr. 5, Hannover 1970

16.03.1970:
In Hannover findet eine Demonstration gegen die Fahrpreiserhöhungen statt, an der sich, laut der Hannoveraner 'Arbeitersache', 300 Personen beteiligen (vgl. 19.3.1970).
Q: Arbeitersache Nr. 2, Hannover 13.4.1970

19.03.1970:
In Hannover findet eine Demonstration gegen die Fahrpreiserhöhungen statt, an der sich, laut der Hannoveraner 'Arbeitersache', 3 000 Personen beteiligen (vgl. 16.3.1970, 23.3.1970).

Laut DKP sind es gar über 4 000 auf der Kundgebung vor dem Opernhaus, zu der u.a. sozialistische Arbeiter-, Schüler- und Studentengruppen aufriefen.

Laut SDS Göttingen (vgl. 22.4.1970) ist dies die erste große und einzig erfolgreiche Protestaktion.
Q: Unsere Zeit NRW Nr. 13, Düsseldorf 26.3.1970; Arbeitersache Nr. 2, Hannover 13.4.1970;Roter Kurs Nr. 1, Göttingen 22.4.1970, S. 2f

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23.03.1970:
In Hannover beteiligen sich, laut DKP, 2 000 an einer Kundgebung der Aktion Roter Punkt (ARP) gegen die Fahrpreiserhöhungen (vgl. 19.3.1970).
Q: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr. 14, Düsseldorf 4.4.1970

08.04.1970:
In Heidelberg gibt der SDS eine Ausgabe der 'Roten Kommentare' (vgl. 20.3.1970, 17.4.1970) heraus mit dem Artikel "Belagerte Stadt: Hannover" zu den Fahrpreiserhöhungen der ÜSTRA.
Q: Rote Kommentare 1. Mai 70: Kampftag der Arbeiterklasse oder Krampftag des DGB, Heidelberg 8.4.1970, S. 4

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11.04.1970:
Vermutlich heute erscheint in Hannover das 'Info' Nr. 7 (vgl. 28.3.1970, 2.5.1970). Enthalten sind die Beiträge:
- "Zentralkollektiv der SALG: ÜSTRA-Aktion 70"; die SALG habe nach diesen Aktionen ein neues Auffangkollektiv bilden können;
- "Alvons Diemer: Anmerkung zur Pressefreiheit. Die Freie Presse als Rathauspresse (Analyse zur ÜSTRA-Berichterstattung)";
- "Dokumentation: Flugblätter zur ÜSTRA-Aktion".
Q: SDS-Gruppe Hannover:Info Nr. 7, Hannover 1970, S. 9-25

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13.04.1970:
In Hannover erscheint die 'Arbeitersache' Nr. 2 (vgl. 28.4.1970) mit dem Artikeln - "Die Verfolgung und Verhaftung des Genossen G. Weiberg - ausgeführt durch Innenminister Lehners Polizeitruppe" über die ÜSTRA-Kampagne, zu der ein Extrablatt der 'Arbeitersache' erschienen sei und "Üstra-Berichterstattung: die Polizei war immer lieb" sowie "DGB-Chef Theilmann in der ersten Reihe".
Q: Arbeitersache Nr. 2, Hannover 13.4.1970, S. 3ff

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02.05.1970:
Vermutlich heute erscheint in Hannover das 'Info' Nr. 8 (vgl. 11.4.1970, 23.5.1970). In einem Artikel "Zum Stellenwert des Internationalismus in der antirevisionistischen Linken" wird u.a. berichtet, daß "letzten Herbst eine harte Auseinandersetzung um den Stellenwert des Internationalismus" geführt worden sei. Diese leitete "einen Prozeß der Fraktionierung ein, der mit den Aktionen anläßlich der Fahrpreiserhöhung im März … seinen vorläufigen organisatorischen Abschluß gefunden hat."
Q: SDS-Gruppe Hannover: Info Nr. 8, Hannover 1970, S. 22