Georg-August-Universität Göttingen
Theologische Fakultät

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 16.11.2009

Sicherlich darf von einer wissenschaftlichen Einrichtung universellen Anspruches wie der Georg-August-Universität Göttingen auch das Studium der Irrlehren und Wahnvorstellungen, der Abartigkeiten und Perversionen erwartet werden. Erstaunlich und befremdend allerdings mutet es an, dass einem einzigen der zahlreichen, etwa in DSM und ICD aufgelisteten, Phänomene, dem christlichen Glauben evangelischer Provenienz, gleich eine ganze Fakultät gewidmet wird, auch wenn vermutlich die VertreterInnen anderer, wissenschaftlich orientierter Fächer, eine Zusammenlegung mit den kirchlich inspirierten Wundergläubigen empört ablehnen würden.

Die an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen, nach unserer wie immer unvollständigen Quellenauswertung, aktiven linken Gruppen, bei denen es sich allein um die Kommunistische Hochschulgruppe (KHG) Göttingen (vgl. 11.1.1973, 24.1.1973, 5.2.1973, 25.4.1973) zu handeln scheint, sind sich der Anrüchigkeit ihres Studienfaches durchaus bewusst, kritisieren zwar die Disziplinierung in der Evangelischen Kirche, die um die Unvereinbarkeit ihrer Theorien und des Atheismus zu wissen scheint, sind aber selbst nicht bereit, ohne weiteres das Pfarrerpanier zu ergreifen, wobei sich Unterschiede zu den Heidelberger NRF-Vertretern zu offenbaren scheinen.

Sowohl die KHG Göttingen als auch die KHG (NRF) Heidelberg allerdings ordnen sich später dem KBW zu, so dass vermutlich auch eine inhaltliche Vereinheitlichung auf in der Frage des Paffe-Werdens oder -Seins erfolgte, die hier aber derzeit nicht dokumentiert werden kann.

Der aus dem Zusammenschluss der KHG und des alten KSB hervorgegangene vereinigte Kommunistische Studentenbund (KSB) Göttingen, die Studentenorganisation des KBW Göttingen, scheint sich dann in den wenigen hier bisher erschlossenen Quellen nicht von ungefähr mit den Religionslehrerstudenten zu befassen (vgl. 16.4.1974, 7.2.1975), orientiert vermutlich eher auf eine Berufspraxis in diesem Bereich, um die schulische religiöse Indoktrination zu sabotieren.

Zum vorläufigen Abschluss dieser Darstellung engagiert sich der Fachschaftsrat Theologie in der Friedensbewegung, die aber von linken Gruppen dominiert scheint (vgl. 1.9.1980)

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

11.01.1973:
An der Universität Göttingen erscheint, laut KHG (vgl. 25.4.1973) eine Wahlsondernummer der 'Göttinger Theologenzeitung', u.a. mit einem Artikel zur Eingangsphase, "der im wesentlichen den entsprechenden Artikel aus dem ROTEN KURS (des KSB Göttingen,d.Vf.), Sondernummer 6 rezipierte."
Quelle: Fachkollektiv Theol. Fak. Nr.3,Göttingen 25.4.1973,S.12

24.01.1973:
Die Kommunistische Hochschulgruppe Göttingen (KHG) gibt eine Wahlzeitung der 'Fachkollektiv Theol. Fak.' (vgl. 5.2.1973) heraus.
Q: Fachkollektiv Theol. Fak. Nr.3,Göttingen 25.4.1973,S.12

05.02.1973:
Die Kommunistische Hochschulgruppe Göttingen (KHG) gibt die Nr.2 ihrer Zeitung 'Fachkollektiv Theol. Fak.' (vgl. 24.1.1973, 25.4.1973) heraus.
Q: Fachkollektiv Theol. Fak. Nr.3,Göttingen 25.4.1973,S.13

25.04.1973:
Die Kommunistische Hochschulgruppe Göttingen (KHG) gibt die Nr.3 der 'Fachkollektiv Theol. Fak.' (vgl. 5.2.1973) als Sozialistische Zeitung für Theologen in einer Auflage von 600 Stück heraus. Der Leitartikel ruft zu den BV auf: "Organisieren wir uns im Kampf gegen die Berufsverbote und die politische Entrechtung!", wobei außer auf die Disziplinierung kirchlicher Mitarbeiter durch die Kirchenbürokratie, wie in der EKD (vgl. 16.3.1973), auch Bezug genommen wird auf Berufsverbotekomitees in Heidelberg, Bremen und bald auch Göttingen, die bundesweite Demonstration (vgl. 14.4.1973), eine geplante Konferenz in Hamburg (vgl. 12.5.1973) und die BOTh (vgl. 28.4.1973).
Zur Nachfolge von Prof. Strothmann wird gefragt: "Was soll Syrische Kirchengeschichte?", zitiert wird aus der Hamburger Theologiefachschaftszeitung '01' (vgl. Jan. 1973). "Zur Diskussion gestellt" werden Auszüge aus dem Politischen Bericht der Fachbereichszelle Theologische Fakultät der KHG an das Sekretariat und alle Mitglieder und Kandidaten der KHG, in dem auch auf die Basisgruppe Theologie Heidelberg, "die faktisch eine KHG (NRF)-Institutsgruppe ist" (vgl. Jan. 1973), auf die Plattform des Sozialistischen Arbeitskollektivs an der Kirchlichen Hochschule Berlin sowie auf die Humanistische Union (HU) eingegangen und festgestellt wird, dass die KHG die einzige politische Gruppe am Fachbereich und seit Anfang Januar 1973 dort aktiv sei (vgl. 11.1.1973, 24.1.1973). Dargestellt wird auch die Arbeit in der Kirchenopposition auf Bundes- (vgl. 17.2.1973) und Landesebene (vgl. 30.3.1973) sowie in der Konferenz theologischer Fachschaften (KThF – vgl. Juni 1972), wobei man sich neben der BG Theologie Heidelberg, die nur Gäste waren, da die dortige Fachschaft vom Arbeitskreis Sozialistischer Theologen (ASTh) des SHB/SF (eigentlich SHS,d.Vf.) gestellt werde, als vorwärtstreibend erwiesen, die Geschäftsführung aber mittlerweile an die Basisgruppe Theologie Kiel (Rote Zellen Kiel /ML) abgetreten habe.

Das Fachkollektiv als Massenorganisation der KHG umfasse während des Semesters 10 Genossen. Abgelehnt werden die sozialistische Berufspraxis, aber auch die Ansicht der KHG (NRF), dass man ruhig Pfarrer werden könne. Geworben wird für den Buchladen Rote Straße 10, den 'Gemeinsamen Kampf' und das 'Kommunistische Forum' der KHG.
Q: Fachkollektiv Theol. Fak. Nr.3,Göttingen 25.4.1973

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28.04.1973:
Heute soll an der Universität Göttingen, laut und mit KHG Göttingen (vgl. 25.4.1973), die zweite Arbeitskonferenz der BOTh, d.h. vermutlich der Basisorganisation Theologie, stattfinden.
Q: Fachkollektiv Theol. Fak. Nr.3,Göttingen 25.4.1973,S.1 und 6

02.05.1973:
Heute will das Fachkollektiv Theologische Fakultät der KHG Göttingen (vgl. 25.4. 1973) eine Diskussionsveranstaltung durchführen.
Q: Fachkollektiv Theol. Fak. Nr.3,Göttingen 25.4.1973,S.6 und 14

16.04.1974:
Die Zelle Theologische Fakultät des KSB Göttingen gibt ihre Zeitung 'Der Widertäufer' Nr.3 (vgl. 7.2.1975) heraus. Aufgerufen wird zur Solidarität mit der PFLOAG in Oman und Dhofar, denn: "Die Revolution ist in Gefahr!". Berichtet wird in "Ein Angebot zur Stille" über eine Studien- und Meditationstagung in Bethel, erklärt wird: "Warum verkaufen wir die Kommunistische Volkszeitung?", wobei erwähnt wird, dass deren Verkaufszahlen in Göttingen zwar steigen, an den Hochschulen aber stagnieren. Angekündigt wird eine Broschüre der Kommunistischen Fraktion im VDS, gefordert wird: "Sofortige Einstellung von W. Motzkau!" als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Osnabrück.
Q: Der Widertäufer Nr.3,Göttingen 16.4.1974

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07.02.1975:
Die Zelle Theologische Fakultät des KSB Göttingen gibt ihre Zeitung 'Der Widertäufer' Nr.1 (vgl. 16.4.1974) mit dem Leitartikel "Herr Fey muss prüfungsberechtigt bleiben!" in einer Auflage von 400 Stück heraus. Aufgerufen wird: "Solidarität mit dem Kampf des vietnamesischen Volkes verstärken!" und auch zur Palästinaveranstaltung am 12.2.1975. Berichtet wird von der eigenen Palästinaveranstaltung.
Q: Der Widertäufer Nr.1,Göttingen 7.2.1975

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01.09.1980:
Laut KB kommen wahrscheinlich heute in Göttingen ca. 200 Menschen zu einer Podiumsdiskussion zum Antikriegstag (AKT) zusammen. Ein Aufruf von BBU und DFG-VK: "Atomanlagen und Atomwaffen gemeinsam abschaffen" wird zur Grundlage gemeinsamer Aktivitäten verschiedener Gruppen. "Dem beachtlichen Unterstützerkreis gehören an: SO, Gewaltfreie Aktion, DFG-VK, BuLi-Initiative, KB, Arbeitskreis gegen Atomenergie, DKP, MSB, SDAJ, VVN, Jusos (der SPD,d.Vf.), Fachschaftsrat Theologie, Christen für den Sozialismus, Buchladen Rote Straße, DFI."
Q: Arbeiterkampf Nr.184,Hamburg 8.9.1980,S.15

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