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Die Hausbesetzung in Göttingen im Zeitraum Oktober 1980 - Juni 1981 dürften in gewisser Weise die Vorboten der Besetzungen 1986/87 (vgl. Dietmar Kesten: „Hausbesetzungen in Göttingen: Schieferweg, Burgstraße, Theaterplatz, Bürgerstraße, Luisenschule“) gewesen sein. Auch in diesem Zeitraum kam es zu einer Reihe von Hausbesetzungen, über die die Dokumentation berichtet.
Hausbesetzungen in Göttingen lassen sich bis zum Januar 1977 zurückverfolgen, der Besetzung des „KBR - Kreuzbergrings 30-32“. Am 26.1.1977 wurde der KBR von Studenten besetzt, die dort wohnen wollte. Damals entstand schon eine „Mieterinitiative“, die auf die weiteren Pläne des Umbaus des KBR zu einer vierspurigen Straße aufmerksam machte.
Wir danken dem Archiv Schwarzer Stern in Dortmund für die freundliche Unterstützung.
18.10.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ findet in Göttingen ein „Bunte Liste Fest“ statt, auf dem eine „Bespitzelungsaktion“ stattfindet. Bei einem sich „anschließenden sofortige Räumungsversuch der in der selben Nacht besetzen (und wieder verlassenen) Zahnklinik, erlebte Göttingen eine Eskalation des polizeilichen und juristischen Vorgehens. Dieses richtet sich vor allem gegen die Häuserkampfbewegung“.
Quelle: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 2.
20.10.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ werden nach der Räumung der Zahnklinik „bei einer Bank Scheiben eingeworfen“. Bei „vier Personen“ werden die „Personalien festgestellt“ und „Ermittlungsverfahren“ eröffnet. Ein erster Prozess gegen drei Beteiligte soll am 15. Juni 1981 stattfinden.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 38.
12.11.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ findet an diesem Tag in der Göttinger Stadthalle „eine Tagung der Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrttechnik statt“. Auch Bundespräsident Carstens ist anwesend. „Die Tagung in Göttingen stand stellvertretend für die für die ständig steigenden Rüstungsausgaben und auf der anderen Seite Einsparungen im sozialen Bereich, z. B. Mittel für den Wohnungsbau. Um auf diese Verknüpfung aufmerksam zu machen, fand eine Demonstration statt, die schließlich durch einen brutalen Knüppeleinsatz der Polizei aufgelöst wurde.“
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 6.
12.11.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ kommt es an diesem Tag „zu schweren Übergriffen von Seiten der Polizei“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 38.
20.11.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ stattet eine Delegation von Wohnungssuchenden „dem neuen Oberstadtdirektor Vieten (FDP) einen Besuch ab“. Vieten „erklärte das Gespräch für beendet und drohte bei Nichtbefolgung seiner Anweisung, die Polizei zu rufen“.
Auf dem Markt wurde anschließend „ein Bericht per Megaphon gegeben“. Die Polizei versucht, „die Personalien des Berichterstatters (Rädelsführer?) festzustellen“. Er und eine andere Person „wurden auf der Polizeiwache ed-behandelt“. Prozesstermine für beide sind: 16.6.1980 (wegen „versuchter Gefangenenbefreiung“) und 29.6.1980 (wegen „Strafvereitelung“ und „Widerstand“).
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 9.
20.12.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ kommt es an diesem Tag zu einer „Sprühaktion am Neuen Rathaus“. Daraufhin werden drei Personen „aufgegriffen“. „Gegen sie wird wegen Sachbeschädigung ermittelt“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 39.
12.12.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ werden an diesem Tag die „Jüdenstraße 35 und die Prager Schule besetzt“. „Hierdurch konnte das langersehnte Projekt - Aufbau eines autonomen Kultur- und Jugendzentrums - zumindest ansatzweise verwirklicht werden“. Die Besetzer kommen aus dem Umkreis der „Initiative Wohnungsnot“. Das Haus in der Jüdenstraße würde „seit August 1980 leerstehend“ und die „Prager Schule seit über einem Jahr“.
Gefordert wird:
- Mietverträge für alle Bewohner der besetzen Häuser.
- Denkmalschutz für das Haus Jüdenstraße 35
- Keine gewaltsame Räumung durch die Polizei
- Genaue Untersuchung der Spekulationsskandale in der Stadt
- Zweckentfremdungsklagen gegen die Besitzer leerstehender Häuser.
- Vermietung aller leerstehenden Häuser.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 10.
12.12.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ entsteht seit dem 12.12. „in der ehemaligen Prager Schule und jetzigen ‚Kraaker Schule‘ („Kraker“ oder „Kraaker“ nannte man die holländischen Hausbesetzer, d. Verf.) ein Haus des Lebens“. Vermutlich wird hier die Initiative für ein „Freies Kulturzentrum“ begründet. Erklärt wird: „Die Notwendigkeit eines solchen Zentrums ist nicht mehr wegzudiskutieren. Schon jetzt besuchen einige tausend Leute unsere Veranstaltungen. Täglich kommen neue Gruppen, die hier mitarbeiten und Räume einrichten …“
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 11.
31.12.1980:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ erklärt der „Ermittlungsausschuss“ in einer „Presseerklärung“, dass in der „Sylvesternacht“ die Polizei „dem Sylvestertreffen auf dem Markt ein brutales Ende“ setzte. „Den willkürlichen Verhafteten und Misshandelten wird mit extremer Strafanklage gedroht. Schwerer Landesfriedensbruch, Körperverletzung, versuchte Gefangenenbefreiung und die Androhung von 10 Jahren Knast treiben die Kriminalisierung auf die Spitze.“
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 17.
Januar 1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ dürfte sich in Göttingen die „Linke Bündnisliste“ mit den Besetzern der „Jüdenstraße 35 und der ehemaligen Prager Schule, jetzt Kraaker Schule“, solidarisch erklärt haben. „Alle Sympathisanten der Besetzung“ werden aufgefordert, „verstärkt den Schutz der Häuser … mitzutragen“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 15.
05.01.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ soll an diesem Tag ein „erstes wichtige Treffen aller Einzelnen, Initiativen und Gruppen“ stattfinden, die „das Kulturzentrum mit ins Leben rufen wollen“. Gemeinsam will man „über die Möglichkeiten reden, die uns dieses Haus bietet: Selbstverwaltung, Instandbesetzung und Renovierung, Raumverteilung und Nutzung, Vereinsgründung (?), öffentliche Unterstützung.“
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 11.
15.01.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ erklärt die Stadt Göttingen: „Alle Personen, die sich gegen den Willen des Eigentümers im Hause Jüdenstraße 35 und in den ehemaligen Räumen der Prager-Schule am Ritterplatz 2-3 aufhalten, erfüllen mit ihrer Handlungsweise den Strafrechtsbestand des Hausfriedensbruchs.“ Die Stadt bzw. der Oberstadtdirektor ruft „zum Verlassen der Häuser“ auf. „Sollte dieser Aufforderung nicht freiwillig und fristgerecht nachgekommen werden, werden die Gebäude unter Anwendung unmittelbaren Zwanges geräumt… Auf mein Ersuchen hin würde die Zwangsräumung die Polizei vornehmen.“
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 12.
16.01.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ erklären, vermutlich an diesem Tag, die Besetzer in einer „Presseerklärung“, dass die, die „Bewohner und Instandbesetzer der Jüdenstraße 35 und der Kraaker Schule“ u. a., dass „wir uns mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen eine Störung unseres Hausfriedens zur Wehr setzen“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 13.
25.01.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ erscheint nach dem 25. März ein „Offener Brief“ des „Ermittlungsausschuss Gruppe 82erPlatz.“ Danach will man Aufklärung über das „Handeln der Polizeibeamten in den frühen Morgenstunden des 1. Januar 1981 auf dem 82er Platz und in der Polizeiwache am Steinsgraben“. Es ergeht auch die Aufforderung, „gegen die beteiligten Polizeibeamten wegen aller in Betracht kommenden Straftatbestände Ermittlungsverfahren einzuleiten.“ Dazu stellt der „Ermittlungsausschuss“ Fragen zu den Polizeieinsätzen, die bis zum Mai 1981 „ohne Antwort“ geblieben seien.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 20ff.
29.01.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ kommt es vermutlich an diesem Tag zur Besetzung des „Dawe Hauses“ an/in der „Weender Landstraße 51. Laut einer Göttinger Tageszeitung sollen „50 junge Leute“ daran beteiligt gewesen sein. Gegen 19.00 Uhr sei das Haus geräumt worden. Ermittelt wird seit der Besetzung wegen „Hausfriedensbruch“ und „gegen 2 Bewohner wegen Strafvereitelung“. Der „Eigentümer und Wohnungsspekulant Dawe - FPD Ratsmitglied stellte sofort Räumungsklage“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 26 u. 30.
04.02.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ kommt es an diesem Tag zur „Räumung der Jüdenstraße 35 und der Kraaker Schule.“ Zur Räumung seien „300 Bereitschaftspolizisten aus ganz Niedersachsen angerückt … Die Eingangstüren wurden eingeschlagen, Polizisten stürmten die Jüdenstraße“.
Die Besetzer hatten sich vermutlich vorzeitig zurückgezogen. Vor den Häusern hätten sich „rund 1.000 Leute vor den Häusern“ zusammengefunden. Es schloss sich eine „spontane Demonstration durch die Innenstadt an, an der gut 2.000 Leute teilnahmen“. Eine erneute Besetzung fand statt, die „Besetzung des Mitteltrakts der Inneren Medizin“ (verm. Am gleichen Tag).
Dazu erscheinen „Instandbesetzernachrichten“, in denen Kritik an der Stadtverwaltung geübt wird. Gefordert wird u. a. eine „klare Stellungnahme zu geplanten klammheimlichen Zerstörung sozialen Wohnraums“. Gefordert wird weiter:
- Einstellung aller Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Hausbesetzer und Demonstranten in Göttingen und überall
- Freiheit für alle, sonst gibt es Krawalle
- Für ein freies und autonomes Kulturzentrum.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 27ff.
05.02.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ wird „nach der Räumung der Jüdenstraße eine Person nach einer Sprühaktion aufgegriffen. Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 39.
26.02.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ werden in der Nacht „vom 26. auf den 27.2. drei weitere Personen nach einer Sprühaktion aufgegriffen und Verfahren wegen ‚Sachbeschädigung‘ eingeleitet“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 39.
13.03.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ werden am „nationalen Aktionstag der Häuserkämpfer“ „in der Nacht in der Prinzenstraße und im Stumpfebiel über 20 Scheiben eingeworfen“. Drei Personen werden festgenommen. Es wird ermittelt wegen „Sachbeschädigung“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 39.
30.03.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ wird an diesem Tag ein „Gebäudekomplex gegenüber der Hauptpost an der Friedrichstraße besetzt“, um „den für den 1. April geplanten Abriss der Häuser zu verhindern“. Nachmittags kam die Polizei, „einschließlich Wasserwerfer, Panzerfahrzeug und Hundestaffel“. Die Besetzer begannen die Friedrichstraße „mit Barrikaden abzuriegeln“. Eine weitere Blockade findet gegen Mitternacht statt. Gegen „Wasserwerfer und giftigem CN-Gases“ sei man „machtlos“ gewesen. 2 Personen seien festgenommen und ED-mäßig behandelt worden. Ermittelt wird wegen „Landfriedensbruch“ und „Körperverletzung“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 29.
06.05.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ kommt es an diesem Tag zu einer weiteren Besetzung eines Hauses in der „Weender Landstraße“, dieses Mal der Nr. 15. Auch ein Haus in der „Goßlerstraße 17“ wird besetzt. Am Nachmittag wird die Nr. 15 der „Weender Landstraße“ wieder geräumt.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 31.
06.05.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ findet vermutlich abends in der „Goßlerstraße 17“ eine „Hausdurchsuchung“ statt, „und der Inneren Medizin an der Humboldallee“. Dabei kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 33ff.
26.05.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ findet an diesem Tag in Göttingen „im Rahmen des nationalen Aktionstages der Häuserkampf-Bewegung Aktionen verschiedener Art statt“. Mit ca. „500 Menschen wird eine Demonstration durchgeführt“. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die im Verlaufe der Demo die Demonstranten auseinander treibt.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 36.
27.05.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ erhebt der AStA der Uni Göttingen schwere Vorwürfe gegenüber der Polizei bei der Demo am 26.5. und spricht von einem „besonders hinterhältigem Zusammenspiel von Zivilbeamten und Hundeführern“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 36f.
15.06.1981:
Laut der Doku „Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen“ finden in der Zeit vom 15. Juni bis 30. Juni 1981 vor dem Landgericht in Göttingen die ersten Prozesse gegen Hausbesetzer statt:
- 15. Juni: wegen „schweren Landfriedensbruch“
- 16. Juni: wegen „versuchter Gefangenenbefreiung“
- 29. Juni: wegen „Strafvereitelung“ und „Widerstand“
- 30. Juni: wegen „Widerstand mit Waffen“.
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981), S. 55.
Juni 1981:
Vermutlich erscheint Anfang Juni 1981 die „Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen.“ Herausgegeben wird sie vom „Ermittlungsausschuss Göttingen“. Im Vorwort heißt es:
„Mit den Bespitzelungsaktionen auf dem Bunte Liste Fest am 18.10.80 und dem anschließenden sofortigen Räumungsversuch der in derselben Nacht besetzten (und wieder verlassenen) Zahnklinik, erlebte Göttingen eine Eskalation des polizeilichen und juristischen Vorgehens. Dieses richtet sich vor allem gegen die Häuserkampfbewegung. Wir dokumentieren diese Entwicklung anhand der uns bekannt gewordenen Festnahmen, sowie der Misshandlungen währenddessen und danach. Besonderen Stellenwert haben dabei die Ermittlungs- und Strafverfahren, die von Sachbeschädigung über Hausfriedens- und Landfriedensbruch bis zu Widerstand mit Bewaffnung reichen. Damit wird ein Stück Polizei-Stadtentwicklung aufgezeigt, in der die politische Auseinandersetzung von Seiten der Stadt, bzw. der privaten Verantwortlichen, polizeitaktischen Erwägungen untergeordnet wird.
Konkret: Verhandlungen bspw. mit Vertretern der Stadt über besetzte Häuser, dienen nur noch der Vorbereitung der Räumung. Oder: völlig legale Demonstrationen werden von der Polizei ausschließlich beobachtet, um die ‚Szene‚, bzw. den ‚harten Kern‘ zu erfassen. Den Demonstrationen selbst wird der Ruch der Unrechtmäßigkeit angedichtet. Wir dokumentieren sowohl die Kriminalisierung im direkten Zusammenhang der großen Aktionen, Besetzungen, Demos etc., als auch Verfahren gegen Leute, die irgendwann unter irgendwelchen Vorwürfen festgenommen wurden.
U. E. gehört beides zusammen: Nachdem Hausbesetzer zum Kern oder Keim eines neuen Terrorismus erklärt worden sind, nimmt der Staat Polizei und Justiz in die Pflicht; sie haben den Nachweis für den Terror zu erbringen. Die nächtliche Jagd auf Parolensprüher wird verstärkt - aus Flucht vor willkürlicher Verhaftung wird Widerstand gegen die Staatsgewalt, aus wehrlos Zusammengeschlagenen werden gefährliche Angreifer. So ist es täglich in der Presse nachzulesen, die GT- und Blickreporter an vorderster Front; die Gerichte sollen nachzeichnen und den Schlusspunkt setzen. Das Urteil von 1 1/2 Jahren ohne Bewährung gegen Frank H. wegen vermeintlicher Brandstiftung ist dabei nur der erste Glockenschlag, der eine Serie von Verknastungen einläuten soll. Von den Politikern unter Erfolgs zwang gesetzt, geht die Polizei mit allen Mitteln vor. Ihre Präsenz wurde erhöht, ihre Ausrüstung - Wasserwerfer, Hundestaffeln, neue Tränengaswerfer, Greif- und Dokumentation -trupps, verstärkter Spitzeleinsatz -verbessert. Einem bundesweiten Trend folgend, werden Einsätze zentral auf Landesebene verordnet; nur das rein taktische Vorgehen wird noch vor Ort entschieden.
Dies führt nicht nur zu eher lustigen Ergebnissen - Ministerpräsident Albrecht kündigt in Berlin (!) die Räumung eines Hauses in Göttingen an, von der Göttinger Polizei aber als spontan durchgeführte und notwendige Razzia ausgegeben - , sondern auch zu einer ständigen ‚Hochspannung‘ der politischen Situation. In diesem Klima werden faktisch demokratische Rechte abgebaut, die auf dem Papier noch gelten, wie Demonstrationsrecht, Informationsfreiheit, Recht auf Wohnen, usw.
Auf Grundlage dieser realen Kriminalisierung müssen gegenwärtig alle Angebote zum Dialog, alles Verständnis für ‚die Jugend‘, alle Versprechen auf Änderung der Wohn- und ‚Freizeitsituation gesehen werden. Die hier zusammengestellte Dokumentation eines halben Jahres ‚Polizeistadt Göttingen‘, belegt den Willen der Verantwortlichen, soziale und politische Probleme mit dem Polizeiknüppel und der Justiz zu erledigen. Von uns hängt es ab sie damit durchkommen.“
Die Broschüre besteht aus einer „Chronologischen Dokumentation“. Sie enthält:
- 18.10.80 Bunte Liste Fest
- Zahnklinik Besetzung
- Carstens Demonstration
- „Sturm auf den Steinsgraben“
- Vieten-Besuch
- Besetzung Jüdenstraße
- Silvester-„Ereignisse“
- Besetzung „Dawe-Haus“
- Räumung „Dawe-Haus“
- Räumung Jüdenstraße
- „Peking“-Besetzung.
- Der 6. Mai
- Weender Ladstraße 16
- Goßlerstr. Razzia
- Begleitende Aktionen
Weiter aus Teil 2 (Entwicklung der Polizeistrategien) und Teil 3 (Juristische Sicht).
Q: Ermittlungsausschuss Göttingen: Dokumentation: Ein halbes Jahr Abriss- und Polizeistadt Göttingen, Göttingen, o. J. (1981).
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