1. Mai 1970 und 1. Mai 1971 in Bremen

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin

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Diese, wie immer unvollständige Darstellung, behandelt die Bremer Aktionen zum 1. Mai 1970 und zum 1. Mai 1971, aber nur einen gewissen Ausschnitt dieser, da sich dieser Text derzeit wesentlich auf Publikationen des KB Bremen bzw. später des KBW und befreundeter Organisationen stützt.

Aus dem Jahr 1970 kann hier der erste Protest gegen die Staatstreue des DGB gemeldet werden (vgl. 1.5.1970), der umgehend mit Repression beantwortet wird (vgl. Okt. 1970), ein Jahr später sind die Oppositionellen, die sich mittlerweile teilweise zum Kommunistischen Bund Bremen (KBB) zusammengeschlossen haben (vgl. März 1971, Apr. 1971) und auch aus Delmenhorst anreisen (vgl. Apr. 1971), bereits vermutlich bereits weit zahlreicher (vgl. 1.5.1971), auch wenn die Bremer Spartacisten den klar oppositionellen Block vermissen, zu dem sie selbst aufriefen (vgl. 8.3.1971, Feb. 1972). Der KBB kritisiert die offizielle Mairede des SPD-Vertreters im Nachhinein (vgl. Juni 1971).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

01.05.1970:
In Bremen demonstrieren, laut KBB, von den 3 000 Teilnehmern ca. 600 Lehrlinge und Jungarbeiter unter roten Fahnen, während die ÖTV 5 DM für das Tragen von schwarz-rot-goldenen Fahnen zahlte. Darauf folgt bald die erste Konferenz der Lehrlinge und Jungarbeiter, die unter dem Motto "Die Schulung organisieren!" steht. Eine Vereinheitlichung habe sich durch die Opposition zur Regionalzentrale Nord, einer Hamburger Studentengruppe, ergeben, woraufhin ein Koordinationskollektiv gebildet wurde (vgl. Dez. 1969, 31.5.1970). Laut DKP beteiligen sich 8 000 an der Maidemonstration.
Quellen: Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.19,Düsseldorf 9.5.1970; Kommunistische Arbeiter Korrespondenz Nr.3 und 7,Bremen Feb. 1971 bzw. o.J. (1971);Wahrheit Nr.4,Bremen Mai 1972

Oktober 1970:
Für die DKP berichtet Willi Meyer-Buer vermutlich u.a. aus dem Oktober über Berufsverbote (BV):"
GESINNUNGSZWANG
SENAT WILL KEINE MARXISTEN AN DER BREMER UNIVERSITÄT

Die Bremer Universität steht vor einer neuen Krise. Senator Speckmann, der stellvertretende Vorsitzende der Universitätskommission im Bremer Senat, hat im Rahmen dieser Kommission dem Gründungssenat mitgeteilt, daß drei Bewerber für die wissenschaftliche Planungsarbeit als ungeeignet abgelehnt werden müßten. Der Grund: Die abgelehnten Bewerber sollen Mitglieder des 'Roten Mai-Komitees' (RMK,d.Vf.), des 'Republikanischen Clubs' (RC,d.Vf.), des SDS, der DKP sein oder der außerparlamentarischen Opposition angehören."
Q: Unsere Zeit Nr.45,Düsseldorf 7.11.1970,S.11

März 1971:
Der KB Bremen (KBB) gibt vermutlich im März die Nr.5 seiner 'Kommunistischen Arbeiter Korrespondenz' (vgl. 7.2.1971, Apr. 1971) heraus mit dem "Aufruf zum 1. Mai" als Leitartikel.
Q: Kommunistische Arbeiter-Korrespondenz Nr. 5,Bremen o. J. (1971), S. 1

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08.03.1971:
In Bremen gibt Spartacus KJO vermutlich in dieser Woche das Flugblatt "Die Rolle der Arbeiterjugend im Kampf für eine bessere Ausbildung" heraus zur Nachbereitung der Demonstration vom 4.3.1971. Kritisiert werden DKP und KBB. Gefordert wird die verstärkte Zusammenarbeit des DBBS mit dem DGB KJA. Aufgerufen wird zu einem oppositionellen Gewerkschaftsjugendblock am 1. Mai.
Q: KJO Spartacus: Die Rolle der Arbeiterjugend im Kampf für eine bessere Ausbildung, O. O. (Bremen) o. J. (1971)

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April 1971:
Der KB Bremen (KBB) gibt die Nr. 6 seiner 'Kommunistischen Arbeiter-Korrespondenz' (vgl. März 1971, 9.5.1971) heraus mit dem Leitartikel "Heraus zum 1. Mai!". Geschildert wird auch der "Verlauf der Mai-Demonstration" und ein Artikel fordert zum 1. Mai bzw. zum BVG: "Arbeiterjugend für eine Einheitsfront gegen das Betriebsverfassungsgesetz!". Es finden sich die Liedtexte der "Internationale" und von "Brüder zur Sonne, zur Freiheit", festgestellt wird "Die Geschichte des 1. Mai ist die Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse", wobei auch über die erste Bremer Maidemonstration im Jahr 1890 berichtet wird. Auch "Betriebsgruppe AG-Weser: Kampf dem arbeiterfeindlichen BVG-Entwurf!" ruft zum 1. Mai auf.
Q: Kommunistische Arbeiter-Korrespondenz Nr. 6, Bremen Apr. 1971, S. 1ff

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April 1971:
In Bremen erscheint die 'Berufsschulzeitung des Kommunistischen Bundes Bremen' Nr. 2 (vgl. 22.2.1971, Juli 1971) mit dem Leitartikel "Heraus zum 1. Mai!" und den Artikeln "Verlauf der Mai-Demonstration" sowie "Die Geschichte des 1. Mai ist die Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse".
Q: Berufsschulzeitung des Kommunistischen Bundes Bremen Nr. 2, Bremen Apr. 1971, S. 1ff

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April 1971:
In Delmenhorst gibt die Ersatzdienstgruppe des Wichernstifts das 'Wichernstift Info' Nr. 4 (vgl. März 1971, Juni 1971) heraus mit den Artikeln "Der 1. Mai Kampftag der Arbeiterklasse!" und "Verlauf der Mai-Demonstration" in Bremen-Stadt und Bremen-Nord, wobei es für Delmenhorst einen Treffpunkt gibt.
Q: Wichernstift Info Nr. 4, Delmenhorst Apr. 1971, S. 5ff

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15.04.1971:
Der Kommunistische Bund Bremen (KBB) gibt, laut einer handschriftlichen Datierung heute, das Flugblatt "Gegen das arbeiterfeindliche Betriebsverfassungsgesetz!" heraus. Aufgerufen wird zum 1. Mai.
Q: KBB: Gegen das arbeiterfeindliche Betriebsverfassungsgesetz!, Bremen o. J. (1971)

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26.04.1971:
Der Kommunistische Bund Bremen (KBB) gibt vermutlich in dieser Woche im Metallbereich das Flugblatt "Überstundenabbau Kurzarbeit Entlassungen - Anzeichen der Krise!" heraus, das einleitend berichtet:"
Von Februar bis März 1971 erhöhte sich in der Bundesrepublik die Zahl der Kurzarbeiter um 9.100 auf 72.000. In Bremen gibt es Kurzarbeit bei Philips Electrologica. Entlassungen der 'Bummelanten' finden täglich statt, ob bei VFW, Siemens oder Klöckner.

- Bei Hanomag-Henschel beginnt man mit Entlassungen von Rentnern, ohne die Stellen wieder neu zu besetzen.
- Bei Klöckner werden durch Umstellung auf die 48-stündige betriebsweise Überstunden gespart. Trotz Unterbesetzungen in verschiedenen Abteilungen werden Einstellungen nicht mehr vorgenommen.
- Bei den Lloyd-Dynamo-Werken beginnt die Streichung der Überstunden, aus 'Sorge um die Gesundheit der Kollegen', wie das Direktorium versicherte.
- Auf den Werften wird bei vorläufig noch guter Auftragslage mit aller Schärfe rationalisiert."

Aufgerufen wird zum 1. Mai, angekündigt wird der Verkauf der Mai-Ausgabe der 'Kommunistischen Arbeiter-Korrespondenz' (KAK) für diese Woche.
Q: KBB: Überstundenabbau Kurzarbeit Entlassungen - Anzeichen der Krise!, Bremen o. J. (1971)

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01.05.1971:
In Bremen beteiligen sich, laut SALZ's Bremerhaven und Hamburg, 10 000 an der machtvollen Mai-Demonstration:"
In 13 Marschblöcken marschierte der Zug vom Sammelpunkt zum Domshof, dem Kundgebungsort. Allein der Jugendblock, der die Demonstration anführte, umfaßte 2 000 junge Kollegen. In dem Zug wurde eine große Zahl von roten Fahnen und Spruchbändern mitgeführt. Neben verschiedenen Spielmannszügen wurde die Demonstration von zwei Lautsprecherwagen begleitet, die Lieder der Arbeiterbewegung spielten."

Laut KBB sollten lediglich die Gewerkschaften Leder, Polizei, Kunst und GLF keine eigenen Blöcke bilden. Laut KBB beteiligen sich in Bremen-Mitte 10 000 und in Bremen-Nord 1 200. Geschildert wird auch "Die Auswertung der Maikampagne im KBB". Aufgerufen wurde vom KBB mit einem Flugblatt "Arbeitereinheit am 1. Mai!".

Später berichtet der KBB (vgl. 3.4.1972) u.a. über Ehmke (SPD):"
Am 1.Mai 1971 demonstrierten in Bremen 10 000 Arbeiter und Angestellte unter klassenkämpferischen Parolen. Der sozialdemokratische Minister Ehmke mußte seine klassenversöhnlerische Rede abbrechen."

Laut HBV-OJA (vgl. 30.3.1972) demonstrierten 12 000 Kolleginnen und Kollegen und erteilten der Vermögensbildungsdemagogie des sozialdemokratischen Ministers Ehmke eine lautstarke Absage."
Q: Wahrheit Nr. 3, Bremen Apr. 1972, S. 1 und 5; Kommunistische Arbeiter-Korrespondenz Nr. 6 und 7, Bremen Apr. 1971 bzw. o.J. (1971);Arbeiterstimme Nr. 9, Bremerhaven Mai 1971, S. 6;Kommunistische Arbeiter Zeitung Nr. 7, Hamburg 26.5.1971, S. 6;KBB: Arbeitereinheit am 1. Mai!, Bremen o. J. (1971)

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Juni 1971:
Auf der AG Weser (AGW) in Bremen gibt die Betriebsgruppe des KBB die Nr. 2 ihres 'Brenners' (vgl. Apr. 1971, Juli 1971) heraus mit dem Artikel "Ehmke hält es mit Karl Marx" zur Rede von Ehmke am 1. Mai.
Q: Der Brenner Nr. 2, Bremen Juni 1971, S. 4ff

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Februar 1972:
Innerhalb der KJO Spartacus erscheint das 'Interne Bulletin' Nr.10 (vgl. Okt. 1971, Mai 1972), welches sich vor allem mit den Ergebnissen der Abspaltung der Gruppe Spartacus B/L am 12.12.1971 befaßt. Berichtet wird auch aus der Region Nord, u.a. über die neuaufgebaute Gruppe Bremen/Delmenhorst (vgl. Nov. 1971). Dazu heißt es u.a.:"
Die Gruppe in Bremen/Delmenhorst gedeiht ganz vorzüglich. Unser Programm und unsere Losungen finden erheblichen Widerhall in der Arbeiterjugend. Die Ursache dafür scheint vor allem in dem Umstand zu liegen, daß die antiautoritäre Bewegung – hier in Form einer starken Schülermobilisierung – in einem Umfang zur Politisierung der Arbeiterjugend Bremens und Umgebung beigetragen hat, wie wir sie in den meisten anderen Städten der BRD nicht erleben konnten. Diese Politisierung muss tiefgreifender und umfassender gewesen sein.

Diesem Sachverhalt verdankt auch der KBB (Kommunistischer Bund Bremen), der übrigens von Arbeiterjugendlichen gegründet worden ist, seine aufgeblasene Existenz. Selbst Frucht der eben beschriebenen Entwicklung, versucht der KBB nun, sich zu einer Organisation der gesamten (!) Arbeiterklasse zu mausern. So etwas läuft natürlich nicht ohne Widersprüche und Zuckungen ab. Und hierin liegt eine große Chance für uns. Um nicht in den Geruch eines 'Spalters' der Arbeiterklasse zu kommen, wendet sich der KBB schroff gegen jede 'Bevorzugung' der Arbeiterjugend; aber er wendet sich damit gegen seine eigentliche Basis!
Die erste Kostprobe dieser Kinderei werden wir in der Frage des 1.Mai bekommen. Im vergangenen Jahr hatte sich sehr urwüchsig, auf der gewerkschaftlichen Demonstration so etwas wie ein oppositioneller Gewerkschaftsjugendblock herausgebildet. Selbstverständlich hatte vorher niemand solche bösen Absichten im Schilde geführt, aber faktisch hat es sich dann so herausgestellt. In diesem Jahr, in dem wieder eine gewerkschaftliche Demonstration stattfinden soll, haben KBB-Vertreter in den Gewerkschaften im besten Einvernehmen mit den Bonzen erklärt, daß der Platz der Gewerkschaftsjugend in den Reihen der älteren Kollegen sei! – Der Kampf um den opp. Gewerkschaftsjugendblock in Bremen scheint vielversprechend zu werden.

Demonstrationen mit mehreren tausend Lehrlingen, ein Dachverband der Bremer Berufsschüler, der z. Z. noch eine beherrschende Rolle im Bremer Berufsschulleben spielt und der KBB, das ist das Milieu, in dem sich unsere Genossen in Bremen/Delmenhorst ihre ersten Sporen verdienen werden. Wir werden ganz sicherlich einige harte Nüsse in Punkto Taktik zu knacken haben. Aber ich glaube, daß die Thesen zur Reorientierung unsere Zähne stark gemacht haben."
Q: KJO Spartacus: Internes Bulletin Nr. 10, o.O. Feb. 1972

Letzte Änderung: 08.09.2019

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