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Recklinghausen
Einzelhandel

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 28.2.2008

Hier werden allein die Aktionen der SDAJ Recklinghausen bzw. des Lehrlingskomitees Recklinghausen bei Karstadt Recklinghausen bzw. unter den dortigen Lehrlingen geschildert (vgl. 12.3.1970, 19.3.1970, 4.4.1970) geschildert, wobei das große Arbeiterjugendtribunal nicht nur von Mitgliedern der Gewerkschaft HBV, deren Fachgruppe Einzelhandel kurz vorm Tarifkampf stand (vgl.31.10.1970), sondern auch von weiteren GewerkschafterInnen unterstützt wurde (vgl. 9.10.1970).


Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

12.03.1970:
Die DKP gibt die Nr.11 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 5.3.1970, 19.3.1970). Berichtet wird u.a. über die Arbeit der SDAJ in einem Kaufhaus in Recklinghausen (HBV-Bereich).
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.11,Essen 12.3.1970

19.03.1970:
Die DKP gibt die Nr.12 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 12.3.1970, 26.3.1970). Das Lehrlingskomitee (LK) Recklinghausen verteilte vor der Städtischen Berufsschule Flugblätter, die sich u.a. mit den Karstadt-Häusern Recklinghausen und Wanne Eickel, wo es jeweils HBV-Betriebsgruppen gibt, befaßten. Erwähnung findet auch das Sozialistische Zentrum (SZ) Recklinghausen.
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.12,Essen 19.3.1970

04.04.1970:
Die DKP gibt die Nr.14 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 26.3.1970, 11.4.1970). In Recklinghausen beteiligten sich 350 an einer Demonstration der Karstadt-Lehrlinge, die auch vom Sozialistischen Zentrum (SZ) und der SDAJ unterstützt wurde.
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.14,Essen 4.4.1970

09.10.1970:
Für die DKP berichtet R. Ke. vom AJT der SDAJ:"
DIE BEWEISLAST WAR ERDRÜCKEND
ARBEITERJUGEND-TRIBUNAL VERURTEILT KARSTADT-KONZERN

Recklinghausen, 9. Oktober 1970. Das Gericht hat einen schweren Fall zu behandeln: Gefährdung sozialer Sicherheit, Blockierung beruflicher Zukunftswege von Lehrlingen, Nichtgewährung des rechts auf gleiches Geld für gleiche Arbeit, Mißachtung der Landesverfassung. Es wird in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt. Karstadt fürchtete die erdrückende Beweislast und blieb dem Verfahren fern. Stattdessen versuchten anonyme Angestellte Zuschauer auszufragen und einzuschüchtern. Die Verdunkelungsversuche fruchteten nicht.

Das Gericht: Werner Reumke, Jugendgruppenleiter der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (ehemaliger Jugendsprecher von Karstadt); Brigitte Teschner, Vertrauensfrau der IG Druck und Papier (DP,d.Vf.) und Rudi Leukert, Vertrauensmann der Gewerkschaft Nahrung und Genuß (NGG,d.Vf.) waren Beisitzer. Sozialarbeiter Ludger Hinse, Funktionär der ÖTV, vertrat die Anklage. Richter und Staatsanwalt waren Mitglieder des DGB-Kreisjugendausschusses (KJA,d.Vf.). Gutachter und Zeugen waren Lehrlinge und Angestellte des Kaufhaus-Konzerns.

Das Gericht tagte unter freiem Himmel und öffentlich; auf dem Dach einer fahrenden Baubude, mit Trecker unter dem Namen 'Dicker Bernhard' bekannt; das mobile Aktionszentrum der SDAJ.

Nur selten haben Prozesse soviele Zuschauer: 600 Interessierte. Ebenso selten kann die Öffentlichkeit solchen unmittelbaren Einfluß auf die Verhandlung nehmen, wie bei einem solchen Tribunal. Hier konnte das Volk - überwiegend Auszubildende und junge Arbeiter und Angestellte - miturteilen.

Die örtliche Presse versuchte das Tribunal totzuschweigen. Wer verdirbt es sich schon gerne mit einem Mammut-Konzern? Dazu braucht man Rückgrat und den Mut, einen einträglichen Inseratenkunden zu vergrellen. Spiegelbild der Pressefreiheit. Ungewollt wirken sie als Komplizen. Allerdings wenig erfolgreich.

Karstadt wurde überführt und für schuldig befunden:
- Gegen die gesetzlichen Bestimmungen der Berufsausbildung (BBiG),d.Vf.) verstoßen und damit die soziale Sicherheit gefährdet zu haben,
- Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte - insbesondere die Frauen - doppelt ausgebeutet zu haben,
- zur finanziellen Schädigung der SDAJ aufgefordert zu haben.

In der Urteilsbegründung hieß es: 'Der Karstadt-Konzern läßt sich bei all seinen Handlungen von blinder Profitgier leiten.'

Kommentar der Zuschauer: 'Was die Jungens hier machen, ist richtig.'

Obwohl sich das Arbeiterjugendtribunal ausschließlich mit den Verstößen der Karstadt-Firmenleitung gegen das Jugendarbeitsschutz-Gesetz (JuArbSchG,d.Vf.) und andere Berufsausbildungsvorschriften beschäftigte, gelangte während der Veranstaltung ein gegen die SDAJ gerichtetes Flugblatt zur Verteilung, in dem von 'kommunistischer Zweckpropaganda' und 'Beleidigung der Belegschaft' die Rede war. Mit zweifellos hohem Kostenaufwand erschien das Flugblatt am folgenden Tag noch als Beilage zur örtlichen Presse. Eine Stellungnahme der SDAJ und eine Presseerklärung des DKP-Kreisvorstandes hierzu wurden bezeichnenderweise nicht veröffentlicht."
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.43,Düsseldorf 24.10.1970,S.17

31.10.1970:
Für die DKP NRW berichtet Werner Reumke, Recklinghausen am 21.11.1970, u.a. über heute:"
MEHR GEHALT FÜR VERKÄUFERINNEN

Der Gehalts- und Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in NRW wurde von der Gewerkschaft Handel-Banken-Versicherungen (HBV) zum 31.10.1970 gekündigt. Die wichtigsten Forderungen sind: Wegfall der Ortsklassen; Abbau der Berufsjahre; im ersten Berufsjahr 600 DM, alle weiteren Berufsjahre 140 DM mehr, im neunten Berufsjahr 900 DM. Für Lehrlinge im ersten Lehrjahr 200 DM, im zweiten 250 DM und im dritten 400 DM. Für die Lohngruppe II wird eine Anhebung des Stundenlohnes auf 4,50 und für die Lohngruppe IIIc auf 5,60 DM gefordert.

Unter den Mitgliedern wächst die Kampfbereitschaft, sie äußert sich in zahlreichen Telegrammen an die Große Tarifkommission. In einem heißt es u.a.:
'Die Mitarbeiter und Kollegen unterstützen die Forderung der Gewerkschaft HBV und glauben, daß darüber hinaus noch mehr getan werden müßte, um das Gehaltsniveau der Angestellten des Einzelhandels den tatsächlichen Leistungen anzupassen. Wir wollen endlich vom erzielten Reingewinn unseren gerechten Anteil.'

Der Bezirk Ruhr-Nord der Gewerkschaft HBV veranstaltete eine Betriebsrätevollkonferenz, auf der Betriebsräte aus den größten Betrieben des Einzelhandels, wie z.B. Karstadt, Kaufhof, Kaufhalle, Kepa und Hertie, anwesend waren."
=Unsere Zeit - NRW Nr.47,Düsseldorf 21.11.1970,S.16

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