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Zeche Graf Moltke Gladbeck

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 14.12.2006


Von der Zeche Graf Moltke Gladbeck lagen uns keine betriebliche Materialien vor. Da es hier um eine Zeche geht, behandelt diese Darstellung natürlich deren Stilllegung, die mit der Eingliederung in die Ruhrkohle AG beginnt (vgl. 18.7.1969, 1.12.1969, 5.12.1969). Schnell ist der Spaß an der RAG vorbei, Graf Moltke gehört zu den ersten Zechen, die stillgelegt werden sollen, wovon wir durch die KPD/ML-Zentralbüro erfahren (vgl. Juni 1970), die damals in Gladbeck durch ihren KJVD am Ort tätig war. Natürlich berichtet auch die, ebenfalls örtlich, wenn nicht gar betrieblich, präsente DKP (vgl. 15.6.1970). Durch den KJVD Bottrop/Gladbeck der KPD/ML-ZB wird die Schließung von Graf Moltke öffentlich angeprangert (vgl. 4.7.1970), die KPD/ML-ZB enthüllt anhand der Betriebsversammlung die offenbar nur bescheidene Vertrauenswürdigkeit der RAG (vgl. 5.7.1970), zeigt nicht nur auf, wohin die Kumpel verlegt werden, sondern erklärt auch die Sozialdemokratie zum eigentlichen Verursacher der Zechenstilllegungen (vgl. 19.8.1970), gegen die gerade auch die ja besonders weitgehende Montanmitbestimmung nicht geholfen habe (vgl. 1.9.1970).

Die zweite hier dokumentierte Betriebsversammlung scheint stürmisch zu verlaufen (vgl. 13.9.1970), ohne dass aber hier Kampfaktionen dokumentiert werden könnten. Die DKP stellt die mangelnde Mitbestimmung als den wahren Grund für die Zechenstilllegungen dar, enthüllt aber auch die Hintergründe des Defizits der RAG (vgl. Okt. 1970), berichtet auch auf der ebenfalls schließungsbedrohten Dortmunder Zeche Germania von Graf Moltke (vgl. 12.10.1970), und protestiert dort mit einem Brief an den Minister Figgen (vgl. 19.10.1970) gegen die am 15.10.1970 endgültig im großen Rahmen beschlossene Zechenstilllegung.

Der KJVD der KPD/ML-ZB berichtet von der Verschlechterung der Lebensbedingungen der versetzten Kumpel (vgl. März 1971), sowohl DKP als auch KPD von der nächsten RAG-Aufsichtsratssitzung, auf der weitere Zechen für die Stilllegung vorgemerkt werden (vgl. 30.6.1971).

Auf der Zeche Hannover-Hannibal Bochum enthüllt die DKP die Arbeitsbedingungen der letzten Tage von Graf Moltke, nachträglich berichten noch KPD/ML-ZB (vgl. 8.4.1972) und Spartacus BL (vgl. 14.4.1973) von der ehemaligen Zeche Graf Moltke.


Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

18.07.1969:  Laut IGBE (vgl. 1.8.1969) wird in Essen die Ruhrkohle AG (RAG - vgl. 6.3.1969, 11.8.1969) als Einheitsgesellschaft gegründet:"
Jetzt steht die Ruhrkohle-AG endgültig. Am 18.Juli wurde der Grundvertrag von 20 Zechengesellschaften in Essen unterschrieben. 47 Schachtanlagen, 28 Kokereien und 6 Brikettfabriken mit rd. 175 000 Beschäftigten gehören jetzt zur Ruhrkohle-AG."

Die IGBE berichtet auch:"
SIE GEHÖREN ZUR RUHRKOHLE AG

Der Ruhrkohle AG sind am 18.Juli 1969 folgende Bergbaugesellschaften durch die Unterschrift zum Grundvertrag beigetreten: ... Carolinenglück-Graf Moltke Bergbau AG (Gelsenkirchen,d.Vf.)".
=Einheit Nr.15,Bochum 1.8.1969,S.1f

01.12.1969:  ..Die IGBE gibt am 15.12.1969 die Betriebsdirektoren für Personal- und Sozialfragen (PS) der RAG bekannt: ...
GRUPPE III Bergbau AG Gelsenkirchen:
Graf Moltke: Walter Paczulla.
=Einheit Nr.24,Bochum 15.12.1969

05.12.1969:  Die IGBE (vgl. 15.11.1969) berichtet von der Ruhrkohle AG (vgl. 1.12.1969, 8.12.1969), daß heute die Gesamt-Betriebsräte der sieben Betriebsführungsgesellschaften gebildet werden sollen.

Am 15.12.1969 gibt die IGBE die Vorsitzenden der Gesamtbetriebsräte bekannt: ...
- Bergbau AG Gelsenkirchen: Vorsitzender Heinz Rex, Zeche Zollverein; Stellvertretender Vorsitzender: Heinz Fricke, Graf Moltke.
=Einheit Nr.22 und 24,Bochum 15.11.1969 bzw. 15.12.1969,S.* bzw. S.*

Juni 1970:  Die KPD/ML-ZB berichtet von den anstehenden Zechenstillegungen der Ruhrkohle AG (RAG) (vgl. 15.10.1970):"
Um den Zechenherren auch noch finanzielle Anreize für die Durchführung ihrer arbeiterfeindlichen Politik zu geben, hat die SPD-Regierung kurz vor den Landtagswahlen im Juni insgesamt 430 Mio DM an neuen Subventionen zugesagt, dafür aber eine 'zügige Konzentration auf die leistungsfähigsten Schachtanlagen' gefordert. Schon kurz nach den Landtagswahlen hat die RAG daher begonnen, die Schachtanlage 'Graf Moltke' in Gladbeck mit 2 000 Arbeitern stillzulegen" (vgl. 5.7.1970).
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.45,Bochum 26.10.1970,S.4

15.06.1970:  Für die DKP berichtet Jochen Mandel vermutlich aus dieser Woche von der RAG:"
ZEHN RUHRZECHEN AUF DER STERBELISTE
UZ ERFUHR PLÄNE DER RUHRKOHLE AG

Bei der Ruhrkohle AG (RKAG) wird für die nächsten Monate eine neue Zechenstillegungs-Welle vorbereitet. Wie die UZ aus sicherer Quelle erfuhr, soll die Gladbecker Zeche 'Graf Moltke 3/4' die erste von etwa zehn stillzulegenden Zechen sein. Insgesamt wird beabsichtigt, vorerst etwa 20 Millionen Tonnen Förderkapazität stillzulegen.

Diese Pläne werden zur Zeit in einem sogenannten Rahmenprogramm von der Verwaltung der Ruhrkohle AG erarbeitet. Die endgültige Fertigstellung dieses Programms wird bis Ende nächsten Monats erwartet. Wie verlautet, sind die Grundzüge dieses Programms mit den zuständigen Stellen in Bonn abgesprochen. Der Bundesbeauftragte für den Steinkohlenbergbau, Dr. Woratz, erklärte noch vor einigen Tagen nach einem Gespräch mit vier Vorstandsmitgliedern der Ruhrkohle AG, aus diesem Rahmenprogramm müsse beispielsweise ersichtlich sein, wo die Förderung von Steinkohle aufgestockt werden könne, welche Zechen allmählich auslaufen sollten, welche Felder sich gegebenenfalls zusammenlegen ließen und wo sich durch Belegschaftsversetzungen eine Konzentration auf die ertragsstärksten Zechen erreichen ließe.

KUMPEL SOLLEN LEISTUNG VERDOPPELN

Das Programm der Ruhrkohle AG läuft also auf ein 'Ausfahren' der besten Anlagen und auf ein 'Auslaufen' der Anlagen hinaus, die weniger Gewinne abwerfen. Diese Pläne hatte RKAG-Vorstandsmitglied Hawner bereits auf dem letzten Essener Steinkohlentag (vgl. **.**.19**,d.Vf.) entwickelt. Sie zielen auf eine Verdoppelung der zur Zeit vier Tonnen pro Mann und Schicht betragenden Leistung der Bergarbeiter. Um dieses Ziel zu erreichen, forderte Hawner, nur noch Abbaubetriebspunkte unter Tage beizubehalten, die eine tägliche Förderung von 3 000 Tonnen zuließen. Über Tage müßten Zentralanlagen mit einer täglichen Förderkapazität von mindestens 10 000 Tonnen angestrebt werden. Er forderte auch die gleitende Arbeitswoche im Bergbau. Daß bei der Schaffung rentabler Betriebspunkte auch an bereits stillgelegte Zechen gedacht ist, beweist eine Nachricht aus Herten. Dort hat die Zeche 'Ewald 1/2/7' jetzt die Genehmigung erhalten, die Kohleflöze der 1966 stillgelegten Nachbarzeche 'Graf Bismarck' abzubauen. Ähnliche Anträge sind für zehn weitere Schachtanlagen gestellt.

KOHLE UND KOKS WÜRDEN KNAPP

Die absolute Jahresförderung muß zwar hierdurch nicht unbedingt sinken, dennoch besteht durch die Ankündigung der Zechenstillegungswelle in Holland (Niederlande, d.Vf.), Belgien und Frankreich die akute Gefahr einer europäischen Kohle- und Koksverknappung. Karl van Berk, Präsident des beratenden Ausschusses der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, schätzt die durch diese geplanten Stillegungen ausfallende Fördermenge auf jährlich 23,5 Millionen Tonnen, die von der Bundesrepublik bei anhaltender Nachfrage nicht gedeckt werden können.

Auch die von Hawner geforderte gleitende Arbeitszeit für den Bergbau wird auf kaltem Wege planmäßig angesteuert. Wie die IG Bergbau und Energie in ihrem Organ 'Einheit' (vgl. **.*.1970,d.Vf.) feststellt, verfahren seit längerem an jedem Wochenende etwa zehntausend Bergarbeiter 'freiwillige Samstagsschichten', woraus sich eine Mehrförderung von wöchentlich 40 000 bis 50 000 Tonnen ergibt."
=Unsere Zeit Nr.25,Essen 20.6.1970,S.4

04.07.1970:  Der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. 1.8.1970) berichtet:"
'IM BETRIEB WIE IN DER KASERNE MÜSSEN DIE ARBEITER IHRE KNOCHEN HINHALTEN': KAMPF DEM MILITARISMUS!

Schon seit einiger Zeit warb die Luftwaffe der Bundeswehr in allen öffentlichen Gebäuden in Gladbeck (Ruhrgebiet) und auch in der Berufsschule für eine Ausstellung, in der sie Freiwillige werben wollte. ... Am Samstag, dem 5.Juli (4.7.,d.Vf.) um 15 Uhr versammelten sich die Mitglieder der Jugendorganisationen und weitere Jungarbeiter, Lehrlinge und ältere Kollegen (ca. 100) auf dem Meyplatz in Gladbeck, wo die Luftwaffe ihre Ausstellung aufgebaut hatte.

Nach der gemeinsamen Einleitungserklärung der acht Gruppen hielt eine Genossin des KJVD eine Rede, in der das Handlangertum der SPD gegenüber den Kapitalisten aufgezeigt wurde."
Der KJVD dokumentiert auch:"
WER DEN MILITARISMUS ABSCHAFFEN WILL, MUSS DEN KAPITALISMUS ABSCHAFFEN!
REDE DES KJVD AUF DER GLADBECKER KUNDGEBUNG
...
Kollegen,

das kann jeder sehen, daß es in unserem Land zwei Klassen gibt: die Kapitalisten und die Arbeiter, die sich dauernd gegen die Übergriffe der Kapitalisten wehren müssen.

Nehmen wir uns die letzte Woche: am Dienstag haben die Kollegen von Säureschutz an der Bottroper Straße gestreikt (CPK-Bereich - vgl. 30.6.1970,d.Vf.), am Freitag die Kollegen von der Krupp-Schmiede in Essen. In der gleichen Woche schachern die Ruhrkohlebosse um das weitere Schicksal der 2 000 Kollegen bei Graf Moltke hinter verschlossenen Türen und tun so, als ob man die Kumpel wie Nomaden von einer Zeche zur anderen schicken könne (IGBE-Bereich - vgl. 29.6.1970).

So verfahren die Kapitalisten mit den Arbeitern."
=Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.3,Bochum Aug. 1970,S.6f

05.07.1970:  In Gladbeck findet auf der Zeche Graf Moltke, laut KPD/ML-ZB, eine Belegschaftsversammlung (BV) statt, auf der der Betriebsrat im Beisein der Direktoren erklärt habe, daß die Ruhrkohle AG (RAG) erst am Ende des Jahres ihre Pläne bezüglich Stillegungen oder nicht bekanntgeben wolle. Am nächsten Morgen habe man dann aus der Zeitung von der beschlossenen Stillegung der Zeche erfahren (vgl. Juni 1970, 15.10.1970). Die 2 000 Kumpel sollen auf die Zeche Hugo in Gelsenkirchen-Buer verlegt werden. Dieser Zeitpunkt sei sehr geschickt gewählt gewesen. Gerade hätten die neuen Lehrlinge ihre Verträge abgeschlossen und auch 180 Türken, die man jederzeit verschieben könne, seien gerade eingestellt worden und auch die Urlaubszeit habe gerade begonnen. So hätten die Direktoren bald die 'vorbildliche Ruhe' der Belegschaft loben können.

Der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. Apr. 1971) berichtet von der Verlegung der Lehrlinge auf die Zeche Zollverein in Essen (vgl. März 1971).
=Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.4,Bochum Apr. 1971,S.4;
Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.13 und 25,Bochum 9.7.1970 bzw. 19.8.1970


19.08.1970:  Die Nr.25 des 'KND' der KPD/ML-ZB (vgl. 15.8.1970, 22.8.1970) erscheint. In einem Artikel, "Ruhrkohle AG beginnt neue Stillegungswelle" heißt es u.a.:"
Die Ruhrkohle AG war nach einem Plan von Abs, Sohl (Thyssen) und Henle (Klöckner) politisch durch die Sozialdemokraten Schiller und Arendt durchgesetzt worden. Sie sollte die sozialdemokratische Theorie beweisen, daß die Krisen des Kapitalismus durch technische Rationalisierung und sozialstaatliche Interventionen beseitigt werden könnten. Schon wenige Monate nach Beginn der Ruhrkohle werden wieder Stillegungen geplant." Dies bezieht sich u.a. auf die Zeche Graf Moltke in Gladbeck (vgl. 5.7.1970), wo jetzt scheinbar ein Sozialplan verhandelt werde. Die RAG habe versucht hier eine schwache Schachtanlage herauszugreifen und so die Solidarität der Kumpel, die 1965 die Stillegung der Zechen Thyssen 2/5 und Waltrop und 1967 von Hansa und Pluto vereitelt hatte, zu verhindern. Der größte Teil der Graf Moltke Kumpel solle nun zur Zeche Hugo in Gelsenkirchen kommen."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.25,Bochum 19.8.1970

01.09.1970:  Die Nr.29 des 'KND' (vgl. 29.8.1970, 5.9.1970) der KPD/ML-ZB berichtet u.a. von dem stillegungsbedrohten Phrix-Werk in Okriftel in Hessen wird über die Behinderung der Flugblattverteiler der KPD/ML-ZB durch den Betriebsrat berichtet. Die KPD/ML-ZB ruft im Gegenzug zur Wahl wirklicher Vertreter der Belegschaft für die Verhandlungen mit den Kapitalisten auf, bei denen u.a. eine Abfindung von drei Monatslöhnen für alle, Beschaffung neuer Arbeitsplätze und Überlassung der Werkswohnungen durchgesetzt werden müsse. Der Hauptvorstand der IG Chemie (CPK) führe ein übles Täuschungsmanöver durch und behaupte, daß es die Entlassungen nicht gegeben hätte, wenn eine qualifizierte Mitbestimmung vorhanden gewesen sei. Das Gegenteil sei aber jüngst bei der Schließung der Zeche Graf Moltke bewiesen worden, wo es ja die Montanmitbestimmung gibt.
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.29,Bochum 1.9.1970

13.09.1970:  Die KPD/ML-ZB berichtet von der heutigen Belegschaftsversammlung der Zeche Graf Moltke in Gladbeck, "die im Laufe dieses und des nächsten Jahres stillgelegt werden soll; 1 000 Arbeiter waren gekommen, sie forderten 4 000 DM Verlegungsgeld für alle, die auf einer anderen Zeche der Ruhrkohle AG (RAG,d.Vf.) weiterbeschäftigt werden sollen. Das 'letzte' Angebot der Ruhrkohlekapitalisten war gewesen: 2 400 DM, die ab 1. Sept. 1970 für zwei Jahre auf einer Sparkasse fest verzinslich angelegt werden sollten. Auf diese Zumutung ließen sich die Kollegen nicht ein: Empört unterbrachen sie den Betriebsrat und das anwesende Vorstandsmitglied. Voraussetzung für die Zahlung der Summe (über deren Höhe der Betriebsrat mit Gesamtbetriebsrat, IGBE und den 'Arbeitnehmervertretern' im Aufsichtsrat noch verhandeln wollte) sollte sein, daß alle Arbeiter ihre Schichten 'regelmäßig verfahren'. Der Betriebsrat hatte in den Verhandlungen diese Formulierungen präzisiert: 'Regelmäßig' soll nach der Zusatzvereinbarung heißen, daß nicht mehr als drei willkürliche Fehlschichten pro Jahr vorkommen dürfen. Vorher hatte der Betriebsrat noch über einen erweiterten Sozialplan verhandelt, der über den gesetzlichen Gesamtsozialplan hinausgehen sollte. Es fehlten aber vollkommen Vereinbarungen über die Lehrlinge, die verlegt werden sollten. Der Betriebsrat berichtete über die 'Verbesserungen' auf der Belegschaftsversammlung und rühmte die 'Ruhe der Belegschaft' seit Bekanntwerden des Stillegungsbeschlusses. Aber mit der Ruhe war es auf der Versammlung bald vorbei, als die Höhe des Verlegungsgeldangebotes bekannt wurde. Der erste Sprecher der Belegschaft verlas eine Erklärung seines Reviers, daß die Kollegen 4 000 DM fordern und daß bis Donnerstag darüber der Vorstand entscheiden soll. 'Sonst machen wir keine Überstunden mehr!' war die Forderung, mit der sich alle Kollegen solidarisiert. Sie machten klar, daß mit einer regelmäßigen Schicht am Freitag oder Montag nicht mehr gerechnet werden könne, wenn von der RAG kein Angebot käme. Die Arbeiter wiesen auf den zusätzlichen Gewinn hin, den die RAG bei der Förderaufstockung auf 'Hugo' (in Gelsenkirchen,d.Vf.) macht, wohin beinahe alle Arbeiter von Moltke verlegt werden sollen. Die Ersten sollen schon am 1.11. verlegt werden. Sie erhalten dort bessere Arbeitsbedingungen und so sollte versucht werden, die Kollegen untereinander zu spalten. Das gelang den Kapitalisten nicht. 'Die bei Hugo investierten 50 Millionen holen keinen Krümel Kohle aus der Erde, wenn wir sie nicht losmachen!' - damit wiesen die Arbeiter das Angebot der Kapitalisten zurück. 'Viertausend Mark, oder keiner geht zu Hugo!' war die letzte Parole. Damit waren auch einige Spaltungsmanöver der Kapitalisten, die Über- und Untertagearbeitern verschiedene Übergangsgelder anboten, endgültig abgeschlagen. Der Betriebsrat versuchte noch abzuwiegeln, indem er auf die vielen 'Verhandlungen' hinwies, die er noch wegen des 'Präsedenzfalles' führen wolle und drohte, daß eventuell nötige Schlichtungsverhandlungen auch zum Nachteil der Kollegen ausgehen könnten. Aber die Kollegen waren sich darüber im Klaren, daß ihr Kampf bei Moltke Beispiel für die Kollegen und die RAG bei weiteren Stillegungen sein würde. Deshalb blieben sie bei ihrer Forderung. Der Betriebsrat und die IGBE-Vertreter versuchten, durch Hinweis auf die Schlichtung weitere Aktionen der Kollegen zu verhindern. Deshalb wird es notwendig sein, daß die Kollegen bei Moltke organisiert ihre Forderungen durchsetzen."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.33/34,Bochum 19.9.1970,S.2f

Oktober 1970:  Für die DKP berichtet Jochen Mandel vermutlich aus dem Oktober von der RAG:"
SICHERE ENERGIE

Die Herren der Ruhrkohle kündigen eine neue Welle von Zechenstillegungen an. Graf Moltke (in Gladbeck,d.Vf.), Germania (in Dortmund,d.Vf.) und Katharina (in Essen,d.Vf.) sollen die ersten sein, über weitere Namen wird vorerst geschwiegen. Die Kumpel und Betriebsräte der einzelnen Schachtanlagen dürfen in der Zwischenzeit 'raten', ob sie die nächsten sein werden oder nicht. Information und Mitbestimmung passen eben nicht in das Profit-Konzept der Herren Unternehmer.

Diese versuchen statt dessen, die Öffentlichkeit mit gezielten Meldungen von der 'Notwendigkeit' der geplanten Stillegungen zu überzeugen und davon, daß alles sehr 'sozial' vor sich gehen soll.

So konnte man also kürzlich lesen, daß die Ruhrkohle AG, als einzigster der zehn größten bundesdeutschen Konzerne, das letzte Geschäftsjahr mit einem Defizit von 200 Millionen DM abschloß. Man verschwieg dabei allerdings, daß auch heute noch die Stahlindustrie, als Hauptaktionär der Ruhrkohle AG, den Hüttenkoks zu einem weit unter dem Handelspreis liegenden Schleuderpreis erhält. Das Defizit ist also organisiert, nicht echt.

Ähnlich ist es mit dem sogenannten Sozialplan, der jetzt für die Zeche Graf Moltke veröffentlicht wurde. 2 640 DM Verlegungsgeld sollen die Kumpel erhalten, die Fahrtkosten zur neuen Arbeitsstätte sollen für vier Jahre erstattet werden, und so weiter und so fort. Dieser 'Sozialplan' soll als Muster für alle anderen stillzulegenden Zechen dienen. Auch hier werden einige 'Kleinigkeiten' verschwiegen, die unter anderem von der DKP-Betriebszeitung für die Zeche Germania ('Der Lüfter' - vgl. 12.10.1970,d.Vf.) enthüllt wurden. Danach trifft dieser 'Sozialplan', oder besser Stillegungsplan genannt, nur für etwa 61 Prozent der Belegschaft zu, und auch nur dann, wenn sie einen 'zumutbaren' Arbeitsplatz, der bis zu einer Stunde Anmarschweg entfernt sein darf, nicht abgelehnt haben. Im Prinzip der gleiche Senf, der den Kumpeln schon vor Jahren präsentiert wurde.

Und daran ändert sich auch morgen nichts. Denn wer gestern Millionen investiert hat und heute behauptet, dabei falsch gerechnet und geplant zu haben, der kann nicht für sich in Anspruch nehmen, heute mit den Stillegungsplänen eine richtige Entscheidung zu treffen. Für den arbeitenden Menschen werden solche Entscheidungen immer falsch und mit Opfern verbunden sein, solange sie sich an der Profitgier der Unternehmer orientieren.

Pausenlos beweisen die Unternehmer, daß sie nicht in der Lage sind, den Bergbau im Interesse der Mehrheit unserer Bevölkerung und einer sicheren Energie zu führen. Es ist höchste Zeit, ihnen diese Verfügungsgewalt aus den Händen zu nehmen, in Übereinstimmung mit der Verfassung, der Satzung der IGBE und den Vorstellungen der Deutschen Kommunistischen Partei."
=Unsere Zeit NRW Nr.45,Düsseldorf 7.11.1970,S.16

12.10.1970:  Die DKP berichtet vermutlich aus dieser Woche über den 'Lüfter' (vgl. 19.10.1970):"
WIND BEKOMMEN
DER 'LÜFTER' LÜFTET EIN GEHEIMNIS DER KOHLENBOSSE

Eine Welle neuer Stillegungen steht im Steinkohlenbergbau an der Ruhr bevor. Graf Moltke in Gladbeck, Germania in Dortmund und Katharina in Essen sollen die ersten sein. Der 'Lüfter', die Betriebszeitung der DKP für die Belegschaft der Schachtanlagen Zollern/Germania befaßt sich in seiner letzten Ausgabe ausführlich mit diesem Problem und weist nach, daß sich trotz gegenteiliger Beteuerungen auch durch die Ruhrkohle AG (RAG,d.Vf.) nichts an der alten Unternehmerpraxis im Bergbau geändert hat. 'Der Plan zur Stillegung wurde wie eh und je unter den Bossen ausgeheckt und nur durch 'Verletzung der Geheimhaltung' bekam der Betriebsrat 'Wind' von der Sache', schreibt der 'Lüfter' und fragt: 'Was das mit Mitbestimmung zu tun hat, mag der Teufel wissen.'"
=Unsere Zeit - NRW Nr.43 und 45,Düsseldorf 24.10.1970 bzw. 7.11.1970,S.15 bzw. S.16

15.10.1970:  Heute stimmt, laut KPD/ML-ZB, der Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG (RAG) dem Gesamtstillegungsplan zu, woran sich auch die IGBE-Vertreter beteiligen.

Zur Situation bei der RAG schreibt die KPD/ML-ZB:"
Als die Krise der Zechenherren im Ruhrgebiet zu einer politischen Krise wurde, haben die SPD-Regierung und die verräterischen IGBE-Führer (damals Arendt und Vetter) den Kapitalisten aus der Klemme geholfen und mit ihnen zusammen die Ruhrkohle AG gegründet, um die Bergarbeiter zu täuschen und noch brutaler auszubeuten. Dank der Hilfe der SPD und der rechten IGBE-Führer ist es den Zechenherren heute möglich, ihre imperialistischen und arbeiterfeindlichen Pläne durchzuführen: So ist z.B. die Ruhrkohle an der Urangesellschaft beteiligt, die in Südwest-Afrika (Namibia,d.Vf.) jetzt Uran schürfen will. Daher ist aus der Sicht der Monopole eine weitere Stillegungspolitik unvermeidlich. Zusammen mit SPD-Schiller wurde bei der Bildung der Ruhrkohle vereinbart, bis zum 30.4.1971 20 Mio Tonnen Jahresförderung stillzulegen. Das entspricht 25% der jetzigen Förderung und etwa 12 Zechen, etwa 30 000 Bergarbeiter! ...

Die verräterische IGBE-Führung hat es Angst vor den Arbeitern schon 1968/69 nicht gewagt, konkret zum Plan der Stillegung der 20 Mio Tonnen Stellung zu nehmen, sondern diese sich vorbehalten bis zur Vorlage eines 'Gesamtplans' der Ruhrkohle. Die Ruhrkohle hat jedoch damit begonnen, einzelne Zechen herauszupicken und zu isolieren, während die anderen entweder in Sicherheit oder in Angst um ihre eigenen Arbeitsplätze gehalten werden sollen. Die IGBE-Führer stimmten allen Stillegungen zu, verschwiegen dies aber in ihrer Zeitung. Bis auf eine Notiz von Moltke haben sie seit drei Monaten kein Wort dazu geschrieben. Am 15.10., als sie diese Lügen hineintragen wollten, tagte der Aufsichtsrat der RAG, der dort hinter verschlossenen Türen dem Gesamtsstillegungsplan zustimmte.

So werden die Ausflüchte der verräterischen IGBE-Führung immer offensichtlicher. Während sie immer noch keine Stellung zu den 20 Mio Tonnen Zechensterben nimmt, weil sie angeblich noch auf den 'Gesamtplan' der Ruhrkohle wartet, stimmen ihre Führer im paritätischen Aufsichtsrat diesem Gesamtplan schon zu. Und die D'K'P wundert sich in der letzten UZ, daß dies möglich ist, wo doch Mitbestimmung bei der RAG besteht!"
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.45,Bochum 26.10.1970,S.3f;
Lüfter Brief an den Minister,Dortmund o.J. (1970)


19.10.1970:  Der DKP Kreisvorstand Dortmund gibt frühestens in dieser Woche eine Ausgabe seines 'Lüfter' (vgl. 12.10.1970, 8.3.1971) für die Belegschaft der Zechen Zollern und Germania heraus. Als Leitartikel dient ein:"
BRIEF AN DEN MINISTER
...
'Die Kohleförderung soll auf den nachhaltigsten ertragsstärksten Anlagen erfolgen. DIES IST DER KERN ALLER ÜBERLEGUNGEN.'

Die Schachtanlagen Germania, Moltke (in Gladbeck,d.Vf.) und Katharina (in Essen,d.Vf.) sind für die Stillegung benannt.

Nach dem 'Kern der Überlegungen' muß man davon ausgehen, daß selbst die Anlage Moltke eine höhere Mann und Schichtleistung aufweist, als der Durchschnitt ALLER Dortmunder Anlagen.

MOLTKE förderte pro Mann und Schicht im 2. Quartal 3 515 Kg.

IN DER GRUPPE DORTMUND waren es 3 441 Kg. Die Zahlen sind dem genannten gleichen Heft entnommen.

Wo also die Stillegungspolitik aufhören soll ist heute so ungewiß wie vor 10 Jahren!"
=Lüfter Brief an den Minister,Dortmund o.J. (1970)

März 1971:  Der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. Apr. 1971) berichtet vermutlich aus dem März:"
NOCH LÄNGERE ARBEITSZEIT

Im letzten Jahr (vgl. 5.7.1970,d.Vf.) wurde die Zeche Graf Moltke, die zur Ruhrkohle AG (RAG,d.Vf.) gehört, geschlossen. Die Belegschaft wurde auf andere Zechen verteilt. Für die Lehrlinge hieß das: Arbeit und Ausbildung auf der Zeche Zollverein in Essen. Sie müssen jetzt jeden Morgen zur Zeche Graf Moltke kommen und werden von da nach Essen gefahren. Ihre Arbeitszeit verlängert sich dadurch um eine ganze Stunde."
=Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.4,Bochum Apr. 1971,S.4

30.06.1971:  Laut DKP findet heute eine Sitzung des Aufsichtsrats (AR) Ruhrkohle AG (RAG) statt, auf der beschlossen wird bis 1975 weitere 10 Zechen zu schließen.

Die KPD (vgl. 13.8.1971) berichtet:"
RUHRKOHLE AG
VERSTAATLICHUNG DER VERLUSTE - REPRIVATISIERUNG DER PROFITE - RATIONALISIERUNG DURCH MASSENENTLASSUNGEN:
...
Der Rationalisierungsplan der RAG sieht vor:
- Stillegung von 10 Schachtanlagen,
- noch in diesem Jahr: Germania (Dortmund) mit 2 700 Beschäftigten und Graf Moltke (Gladbeck)".
=Rote Fahne Nr.23,Berlin 13.8.1971,S.1ff;
Kumpel-Post Die 'goldenen siebziger' Jahre für den Bergmann??,Dortmund Aug. 1971,S.1


01.07.1971:  Auf der Zeche Hannover-Hannibal Bochum gibt die DKP vermutlich heute ein Extrablatt des 'Hammer' (vgl. Nov. 1970, 1.11.1971) heraus, in dem auf den Streik vom letzten Montag (vgl. 28.6.1971) eingegangen wird:"
STAATSBEGRÄBNIS FÜR HANNOVER-HANNIBAL!
...
Und das kommt auf uns alle zu:
Mehr Maloche! Mehr Risiko am Arbeitsplatz und die neue Lohnabrechnung! Denn Auslaufplanung heißt nichts anderes als Raubbau. Nur noch die dickste Kohle abbauen, ohne richtig abzusichern. Hauptsache, die Kohlen stimmen. Bei Moltke (Graf Moltke in Gladbeck - vgl. 5.7.1970,d.Vf.), die auch dicht gemacht haben, stieg die Förderung sprunghaft auf 6 Tonnen pro Mann und Schicht. Das bedeutet, noch mehr Unfälle, noch mehr Tote. So sollen wir die Reichen noch reicher machen."
=Der Hammer Extrablatt Staatsbegräbnis für Hannover-Hannibal!,Bochum o.J. (Juli 1971)

08.04.1972:  Die Nr.26 des 'KND' der KPD/ML-ZB und des KJVD (vgl. 28.3.1972, 12.4.1972) erscheint und berichtet u.a. von der bereits geschlossenen Zeche Graf Moltke.
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.26,Bochum 8.4.1972

14.04.1973:  Spartacus Bolschewiki/Leninisten (SBL) gibt seinen 'Spartacus' Nr.4 (vgl. 5.3.1973, Mai 1973) heraus und berichtet u.a. von der Zeche Graf Moltke.
=Spartacus Nr.4,Mainz 14.4.1973

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