Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO

Aachen
Der Protest gegen den Numerus clausus

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, Juni 2004


Materiallage

Während uns zur ersten NC-Kampagne in Aachen nur Sekundärmaterialien vorlagen, wird die zweite Kampagne anhand verschiedener örtlicher öffentlicher und bewegungsöffentlicher Materialien, u.a. der GIM, des SSK, des AStAs und des KSV dokumentiert.


Die Organisationen

Während von der ersten NC-Kampagne nur die DKP berichtet sind an der zweiten Kampagne nahezu alle linken Organisationen Aachens, die aus diesem Zeitraum bekannt wurden, mit Ausnahme der ML Aachen und der ausländischen Studentengruppen, beteiligt. Das Spektrum reicht dabei von den Freunden der DKP über die trotzkistische GIM, die maoistischen Gruppen KSV der KPD und KSG/ML des KABD und den ZRV, der vermutlich eher dem bürokratischen Sozialismus des Sozialistischen Büros Offenbach nahe steht als den operaistisch-spontaneistischen Streetfightern des Revolutionären Kampfes (RK) Frankfurt, aber vermutlich doch in einem ideologischen Spannungsfeld zwischen deren beiden Lehrmeinungen verharrt.


Wichtige Themen und Ereignisse

Der hier dokumentierte Protest gegen den Numerus clausus (NC) in Aachen verläuft zeitlich in zwei Phasen und auf recht unterschiedliche Art und Weise.

Die erste NC-Kampagne, die eingebettet ist in eine bundesweite Protestwelle vor allem an den Gymnasien, entsteht auch in Aachen an den Gymnasien (vgl. 10.3.1970, 19.3.1970) und bleibt vermutlich auch auf sie beschränkt. Von Seiten bewaffneter Kräfte wird mit brutaler Gewalt versucht diese Bewegung zu zerschlagen (vgl. 12.3.1970, 26.3.1970), wobei eine Verurteilung der Verantwortlichen bisher nicht ermittelt werden konnte, allerdings auch keine Weiterführung der Aktionen. Dies kann ebenso gut der Brutalität der Polizei geschuldet sein, an der vor allem auffällt, dass diese in der bundesweiten Berichterstattung linker Gruppen, soweit wir sie aufgearbeitet haben, nicht auftaucht – selbst die DKP berichtet nur NRW-weit, als auch dem Umstand, dass der NC bundesweit nicht verhindert werden konnte.

Die zweite NC-Kampagne scheint an den Schulen Hochschulen mit einem Flugblatt der GIM (vgl. Feb. 1973) zu beginnen so wiemitAktionen,u.a.des KSV der KPD (vgl. 15.2.1973) anläßlich der Einführung des NC an der RWTH Aachen.

Es folgt die Bildung eines NC-Komitees (vgl. 1.3.1973) mit einer beachtlichen Zahl von teilnehmenden Menschen (170) als auch Organisationen. Es finden sich hier stramme moskautreue (MSB Spartakus sowie SHB) und tübingentreue (Roter Pfeil bzw. KSG/ML des KABD) Marxisten-Leninisten im trauten verschwörerischen Verein mit den von den Vereinigten Sekretären der Vierten Internationale höchst offiziell autorisierten Trotzkisten der GIM sowie den eher spontaneistischen Gruppen um den ZRV. Alle ausländischen Studentengruppen allerdings fehlen.

Die Bemühungen solch unterschiedlicher Beteiligter um eine gemeinsame Plattform bzgl. kapitalistischer Ausbildungsökonomie und dem Protest dagegen, die wir detailliert dokumentieren, lassen also durchaus verschiedene Ansätze in der Auseinandersetzung miteinander deutlich werden.

Nicht beigetreten sind dem Redaktionsausschuss für die Plattform die Sympathisanten des KSV der KPD, da diese bereits einen eigenen Plattformvorschlag erarbeitet (vgl. 1.3.1973) bzw. vermutlich von höherer Stelle bezogen haben. Interessant an den Forderungen: Im Vorschlag der KSV-Sympathisanten ist neben der Abgrenzung von den Konzepten der demokratischen Hochschule und der Forderung nach mehr Arbeiterkindern an der Hochschule, vor allem die Forderung nach der Verweigerung der Zusammenarbeit zwischen RWTH und Wissenschaftsministerium. So soll also eine ganze Behörde wie die RWTH in den offiziellen Widerstand treten.

Für den Schulbereich bzw. zunächst nur die Gymnasien konkretisiert das Sozialistische Schülerkollektiv (SSK) Aachen, welches vermutlich auch in der ebenfalls teilnehmenden Bezirks-SMV, d.h. dem Verband der Schülervertretungen Aachens sowie vermutlich einiger Landkreise, vertreten ist, die Kampagne mit einem Papier (vgl. 9.3.1973), welches vor allem den Aufbau längerfristiger Strukturen als Ziel benennt.

Bei der nächsten hier dokumentierten Redaktionssitzung (vgl. 18.3.1973) taucht die KSG/ML des KABD zwar nicht mehr in der Teilnehmerliste auf, bestimmt aber durch das von ihm vorgelegte Papier doch die Diskussion des restliches Redaktionsausschusses aus über den staatsmonopolistischen Kapitalismus (STAMOKAP).

Am 29.3.1973 hat sich die bunte Mischung verschiedener Gruppen nun doch auf eine gemeinsame Plattform geeinigt, was nun zur inhaltlichen Ausgrenzung nicht nur des KSV, sondern auch der KSG/ML führt. Überregionale Kontakte wurden mittlerweile nach Frankfurt aufgenommen. In einem zu der Sitzung vorgelegten Papier, welches vermutlich von Seiten der GIM und dem dieser wohl nahe stehenden SSK kommt, wird erneut die Wichtigkeit von Lehrern und Medizinern betont, von denen man sich offensichtlich eine Linderung der Übel des Kapitalismus erhofft.

Am 17.4.1973 verlassen dann sowohl KSV als auch KSG/ML offiziell das NC-Komitee, da den anderen Beteiligten deren Analyse der Monopole als monolithischem bewusst agierenden Block welcher den Staat kontrolliert, als zu platt erschien.

Genauere Analysen werden seitens der verbliebenen noch im NC-Ausschuss bzw. NC-Komitee vereinigten Strömungen sodann (vgl. 18.4.1973) in sechs Arbeitsgruppen, davon eine für Schüler, angestrebt. Es konnten sodann zwar noch die Ankündigung verschiedener Projekte (vgl. 24.4.1973, 24.4.1973, 25.4.1973, 2.5.1973) gefunden werden und auch noch ein Bericht seitens des AStAs der RWTH (vgl. 9.5.1973), trotz der erfolgten Auswertung weiterer Ausgaben der 'Aachener Studentenzeitung' aber kann hier derzeit leider nichts von der weiteren Arbeit der Arbeitsgruppen berichtet werden.

Da sowohl die Schul- als auch die Semesterferien noch etwas auf sich warten ließen, könnte ein Einschlafen der NC-Kampagne vor allem in zwei Ursachen vermutet werden. Einerseits könnten die Differenzen zwischen den trotzkistisch-spontaneistischen Kräften einerseits und den sog. 'gewerkschaftlich orientierten' (GO) Kräften MSB/SHB andererseits angesichts der Sprengung der SVI-MV zu stark für ein weiteres Bündnis geworden sein, es könnte aber auch die Aktualität der Demonstrationsverbote in Aachen zu einer Verlagerung des Interesses einiger Aktivisten geführt haben.


Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)


10.03.1970: 

In Aachen wird an einigen Gymnasien, laut 'apo press' Köln, beschlossen,

bis zum Wochenende einen NC-Streik durchzuführen, in dessen Verlauf auch

Demonstrationen zu anderen Schulen stattfinden (vgl. 12.3.1970).

=Apo press Nr.3,Köln März 1970



12.03.1970: 

In Aachen findet im Laufe des NC-Streiks der Schüler (vgl. 10.3.1970),

laut 'apo press' Köln, eine Demonstration während des Unterrichts mit

2 500 Teilnehmern statt.

Dadurch, daß die Polizei in den Demonstrationszug hineingefahren sei,

habe es Verletzte gegeben.

=Apo press Nr.3,Köln März 1970



19.03.1970: 

Die DKP gibt die Nr.12 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ)

heraus (vgl. 12.3.1970, 26.3.1970).

Am Rhein-Maas Gymnasium Aachen streikten 300 Schüler gegen den NC.

=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.12,Essen 19.3.1970



26.03.1970: 

Die DKP gibt die Nr.13 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ)

heraus (vgl. 19.3.1970, 4.4.1970).

In Aachen prügelte die Polizei auf einer Demonstration von 2 000 Schülern,

woraufhin sich 5 von 7 Gymnasien solidarisch zeigten.

=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.13,Essen 26.3.1970



Februar 1973: 

In Aachen gibt die GIM vermutlich im Februar das folgende Flubglatt mit

zwei Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von W. Dubois, Aachen, heraus:"

Numerus clausus



Seit nun mehreren Jahren werden Abiturienten, die an westdeutschen

Universitäten studieren wollen mit dem Numerus clausus konfrontiert. Im Juni

1972 wurde diese 'NC-Kontinuität' bundesrepublikanischer Bildungspolitik vom

Bundesverfassungsgericht (BVG,d.Vf.) als 'am Rande des verfassungsrechtlich

Hinnehmbaren' sanktioniert, obwohl der NC ein im Grundgesetz garantiertes

Recht (Recht auf freie Berufswahl) verwehrt.



So plant die Bund-Länder-Kommission für 1976 einen Fehlbestand von 8 000 (!)

Studienplätzen ein.



Die einzige Maßnahme, die im 'Staatsvertrag über die Vergabe von

Studienplätzen' anvisiert wird, ist die Schaffung einer zentralen

Verteilungsstelle (ZVS,d.Vf.) der Studienplätze, eines zentralen

Lenkungsinstrumentes in der Hand des Staates.



Nach den Richtlinien des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung NRW's

werden die zur Verfügung stehenden Studienplätze wie folgt verteilt:

- zu 60% an Bewerber, die nach 'Eignung und Leistung' ausgewählt werden

- zu 40% an Bewerber, die nach dem Zeitpunkt des Erwerbs der Hochschulreife

ausgewählt werden.



So werden zur Zeit für das Fach Allgemeine Medizin mehr als zwei Drittel der

Bewerber zurückgewiesen, im Fach Pharmazie gar 93% (!).



Besonders auffällig ist, daß der NC in Fächern wie Medizin und den

Lehrerfächern am schärfsten ist, was beim Zustand der medizinischen

Versorgung der westdeutschen Bevölkerung und des westdeutschen

Ausbildungswesens wie Hohn anmutet.



Der NC in diesen Fächern ist, da er die Zahl der Mediziner und Lehrer noch

weiter senkt, ein direkter Angriff auf die Lebens- und Arbeitsmöglichkeit,

auf die Bedürfnisse der Bevölkerung auf Gesundheit und Ausbildung. (Wen's mal

wieder nicht trifft sind die Kapitalisten, die sich in Privatkliniken

versorgen lassen und ihre Kinder auf private Internate schicken können, die

von der öffentlichen Bildungsmisere nicht berührt werden)



Diese Fächer werden im Kapitalismus immer unterentwickelt sein, da diese

Bereiche für den Kapitalisten zur Erzielung seines Mehrwerts nicht direkt zu

verwerten sind, obwohl sie für das Bestehen des Kapitalismus nötig sind um

die Arbeiter auszubilden bzw. fit zu halten.



In Aachen droht NC in:

- Biologie  - Medizin      - Mathe        - Anglistik

- Chemie    - Soziologie   - Architektur  - Politologie

- Bauing.   - Germanistik  - Sport        - Erziehungswissenschaften

- Bauwesen  - Psychologie  - Geographie



Der gegenwärtige Numerus clausus ist lediglich ein Mittel zur Regulierung der

quantitativen Probleme des Ausbildungssektors im Kapitalismus. Diese

Notwendigkeit zur quantitativen Regulierung ergibt sich durch die Tatsachen,

daß

- die Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften für den Fortbestand des

Kapitalismus unbedingt notwendig ist

- aber diese notwendige Ausbildung möglichst wenig kosten soll, da sie

kapitalistisch unrentabel ist (unrentabel deshalb, weil mit ihr kein

Kapitalist Profit machen kann).



Dieser Widerspruch führt dazu, daß in den Ausbildungssektor durch wirksamere

Nutzung der vorhandenen Kapazitäten mehr in ihn hineingepreßt werden soll, um

die notwendige Anzahl von ausgebildeten Arbeitskräften für Wirtschaft und

Staat zu sichern ohne viel in den unrentablen Ausbildungssektor investieren

zu müssen.



Diese Kompression im Ausbildungssektor hat verschärften Leistungs- und

Ausleseterror, staatliche Reglementierung der Ausbildung, politische und

soziale Disziplinierung usw. usf. zur Folge.



Für die Unis bedeutet das:

Verschärfte Prüfungsordnungen (innerer NC), Verschulung des Studiums

(Einführung des Studienjahres statt wie bisher Semestern), soziale Auslese

durch Ausbildungsförderung (BAFöG), Kurzstudium (in der Regel nur noch sechs

Semester) usw.



Für die Schulen bedeutet das:

Numerus clausus, Unterricht in Leistungsgruppen (Oberstufenreform (OSR,d.

Vf.)), Straffung der Lehrpläne nach Gesichtspunkten, die von Staat und

Wirtschaft bestimmt werden usw.



Für die Berufsausbildung etwa das gleiche:

Verkürzung der Lehre auf in der Regel zwei Jahre (Krupp'scher Stufenplan),

weitere Verschlechterung der theoretischen (Berufsschul-) Ausbildung usw.



Diese Maßnahmen, flankiert von der politischen Disziplinierung der Lehrer,

Schüler, Lehrlinge und Studenten, führen aber nicht nur zu einer Schwächung

der quantitativen Widersprüche des Ausbildungswesens, sondern bewirken durch

verschärften Leistungsdruck auch eine qualitative, politische Anpassung der

Auszubildenden an die Leistungsprinzipien der kapitalistischen Gesellschaft.



Die gegenwärtige kapitalistische Bildungspolitik, wovon der Numerus clausus

nur eine Erscheinung ist, geht also auf die KOSTEN ALLER AUSZUBILDENDEN.



- GEGEN DIE KAPITALISTISCHE VERPLANUNG DER JUGEND

- GEGEN STAATLICHE REGLEMENTIERUNG DER AUSBILDUNG

- GEGEN AUSLESE- UND LEISTUNGSTERROR

- GEGEN DIE POLITISCHE DISZIPLINIERUNG ALLER AUSZUBILDENDEN"

=GIM:Numerus clausus,Aachen o.J. (1973)



15.02.1973: 

In der Aachener RWTH platzt eine Sitzung des Akademischen Senats (AS), in der

u.a. über die Einführung eines Numerus clausus (NC) diskutiert werden sollte.

Der Rektor droht mit Auflösung. Die 'Aachener Studentenzeitung' des AStA meint

dazu später:"

und das alles wegen einiger läppischer Transparente, vermittels derer sich

einige Kommilitonen, 'Sympathisanten des KSV' (der KPD,d.Vf.) etwas in den

Vordergrund drängen wollten. Die Sachen erledigten sich von selbst, als durch

Abstimmung unter der anwesenden studentischen Öffentlichkeit das

eigenmächtige und theatralische Auftreten der Kommilitonen mißbilligt

wurde" (vgl. 1.3.1973).

=Aachener Studentenzeitung Nr.19,Aachen 11.4.1973



01.03.1973: 

Ungefähr an diesem Tage findet in Aachen, laut AStA der RWTH, die erste

Sitzung eines NC-Komitees, mit ca. 170 Teilnehmern statt, nachdem es am

15.2.1973 zu Auseinandersetzungen über diese Frage gekommen war. Laut AStA

RWTH wird ein Redaktionsausschuß gebildet, an dem folgende Gruppen

teilnehmen: Asten RWTH, FHS und PH (letzterer nur als Beobachter), AStA/

Zentraler Regionalverband (ZRV) Seminar zur Bildungsökonomie und

Hochschulpolitik, GEW Fachgruppe Hochschulen (nur als Beobachter), GIM,

Projektgruppe Lehrerausbildung, Roter Pfeil Aachen des KABD, Sozialistische

Basisgruppe PH (Beobachter), Sozialistische Basisgruppe FHS, SHB, SMV,

Sozialistisches Schülerkollektiv, MSB Spartakus der DKP und ZRV (Beobachter).



Über den Verlauf der Sitzung und die Freunde der KPD wird u.a. ausgeführt:"

die KSV-Sympathisanten hatten sich gleich beim ersten NC-Plenum isoliert,

indem sie sich weigerten, dem 'massenfeindlichen' (...) Redaktionsausschuß

beizutreten."

=Aachener Studentenzeitung Nr.19,Aachen 11.4.1973



01.03.1973: 

Zu der vermutlich heute stattfindenden Gründung des Aachener NC-Komitees

geben die Sympathisanten des KSV der KPD an der TH am Gründungstag folgendes

Flugblatt von vier Seiten DIN A 4 ohne presserechtlich Verantwortlichen

heraus:"

PLATTFORMVORSCHLAG FÜR DIE ARBEIT DES ZENTRALEN AUSSCHUSSES GEGEN DEN NC



1. VORBEMERKUNG



Angesichts des Versuches hier in Aachen an der TH, den totalen NC über fast

alle Fachbereiche zu beschließen, sehen wir es als notwendig an, geeignete

Kampfmaßnahmen durchzuführen, die es ermöglichen, die Durchsetzung der

reaktionären Ziele der SPD/FDP-Regierung zu verzögern und ggf. an

Teilabschnitten zu verhindern.

Als geeignetes Instrument hat sich in den bisherigen Kämpfen an den

Hochschulen der BRD und Westberlin die Arbeit eines zentralen Ausschusses

bewiesen, in dem alle Studenten, die den Kampf an einem Kampfabschnitt führen

wollen, zusammengefaßt werden. Dieser zentrale Ausschuß erhält die Aufgabe,

sich über die inhaltlichen Punkte der Plattform zu vereinheitlichen, um so

viele Studenten in den Kampf gegen den totalen NC zu führen, sie in ihrem

Bewußtsein über den Charakter des kapitalistischen Systems und seiner SPD-

Regierung zu heben.

Um möglichst viele Studenten zu erreichen, verpflichtet sich der Ausschuß bei

Beginn des SS 1973 in den einzelnen Fachbereichen für die Einberufung von

Vollversammlungen zu sorgen, auf denen dezentrale Ausschüsse gebildet werden,

die die konkreten Auswirkungen des NC oder indirekten NC untersuchen und

bekämpfen sollen. Dabei kommt es darauf an, den Kampf gegen jede Art von NC

und gegen die Durchsetzung der reaktionär-bürokratischen Hochschulreform zu

verbinden.



2. ALLGEMEINE EINSCHÄTZUNG DES NC UND TOTALEN NC



Der NC ist zuallererst an den Hochschulen der BRD und Westberlins im Fach

Medizin aufgetreten. Heute ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung

der BRD so dürftig wie in keinem anderen Industriestaat der Erde. Jeder Arzt

hat mehr Patienten zu versorgen als er verantworten kann, die

Geburtensterblichkeit in der BRD entspricht denen mancher unterentwickelt

gehaltener Länder. Krankenhausbetten sind ständig überbelegt, es fehlt an

genügend Pflegepersonal, eine spezielle Behandlung des einzelnen Patienten

ist nicht möglich. Diese Beispiele zeigen, daß ein Hauptpunkt unseres Kampfes

der NC in der Medizin sein muß. Es gilt gemeinsam mit der werktätigen

Bevölkerung den Angriff der Monopole auf die medizinische Versorgung der

Werktätigen abzuwehren, obwohl die Medizin im Kapitalismus nur der

notdürftigen Wiederherstellung der Ware Arbeitskraft dient.



Der NC in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern soll die noch

bessere Regulierung der Absolventen der Hochschulen für die Industrie

gewährleisten.



Überall in der BRD versucht die Bourgeoisie und ihre SPD-Regierung, den NC an

PH's durchzusetzen. Damit sollen die Kosten der Ausbildung gesenkt werden,

was natürlich auf Kosten der Ausbildung der Kinder der Werktätigen geht.

Dieselbe Tendenz wird hier in Aachen verfolgt, wenn mit dem NC für die

Gewerbelehrer die schon dürftige Ausbildung der Lehrlinge weiter

verschlechtert wird, was zu einer Dequalifizierung ihrer Arbeitskraft führt,

damit zu einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Diesen Angriff gilt

es abzuwehren!



Ein besonders feines Mittel hat sich die SPD-Regierung mit der Einführung des

totalen NC ausgedacht: Versuchte Rektor Schwerte auf der Senatssitzung (vgl.

15.2.1973,d.Vf.) noch abzuwiegeln, so ist es eine Tatsache, daß durch

Staatsvertrag im Laufe des nächsten Jahres der Zustrom für alle Hochschulen

in NRW durch die eine zentrale Registrierstelle (ZVS,d.Vf.) geregelt wird.

Sie wird z.Zt. in Dortmund aufgebaut!



Mit dieser Regulierung soll die Ausbildung noch weiter unter die Interessen

des Kapitals subsumiert werden. Das bedeutet, daß je nach den Bedürfnissen

der Industrie die für sie interessanten Fachbereiche ausgebaut werden,

während andere verkleinert oder stillgelegt werden. So hängt der Ausbau der

Fachrichtung Fahrzeugbau in Köln wesentlich von der Entwicklung des

Ford-Konzerns ab. Oder hier in Aachen werden je nach Bedürfnissen von Philips

die Studentenzahlen in der E-Technik gesenkt oder gehoben werden. So schafft

sich die Bourgeoisie die Mittel, ihre kurzfristigen Ziele optimal an den

Hochschulen durchzusetzen. Was das heißt, wird klar, wenn man bedenkt, daß

die Professoren Ameling, Schreiber und Hennig offene Industriekontakte

besitzen, oder gar als 'Agenten' von Siemens o.ä. an der Hochschule

fungieren, ganz zu schweigen davon, daß sie teilweise eigene Elektro-Betriebe

besaßen oder besitzen. Daß diese Herren nicht den Interessen des Volkes

dienen, steht außer Frage. Auf der einen Seite Regulierung des Zustroms der

Studenten an die einzelnen Fachbereiche orientiert an den Interessen der

Monopole, auf der anderen Seite Senkung der Kosten für Medizin und die

Schulausbildung der Werktätigen. Nicht durch 'Mit der Rüstung runter - mit

der Bildung rauf' regelt die Bourgeoisie ihre Ausgaben an den Hochschulen,

sondern nach ihren spezifischen Kapital-Interessen!



Willy Brandt, der SPD-Friedenskanzler, hat in seiner Regierungserklärung

diese Richtung seiner Politik unmißverständlich zum Ausdruck gebracht: Die

Werktätigen müssen ihre Leistungsbereitschaft erhöhen und dafür auch

Konsumverzicht üben. Das bedeutet größere Arbeitshetze, niedrigere Löhne,

höhere Preise.



Entsprechend will dieselbe SPD-Regierung jetzt auch an den Hochschulen die

Interessen der Monopole durchsetzen.



2. EINORDNUNG DES NC IN DIE GEGENWÄRTIGE ETAPPE DER REAKTIONÄR-BÜROKRATISCHEN

HOCHSCHULREFORM



Sowie der NC direkt die Hochschulen den kurzfristigen Interessen der Monopole

unterwirft, so wird mittels der Hochschulreform die direkte Unterordnung der

Ausbildung unter die Monopolinteressen durch die SPD-Regierung durchgesetzt.

Da diese Reform in erster Linie aus der Notwendigkeit der Monopole

entspringt, möglichst viele unprofitable Kosten zu sparen (siehe oben:

Reproduktionskosten der Werktätigen, Medizin und Lehrer) werden in erster

Linie Drill, Formalisierung, Rationalisierung und politische Disziplinierung

durchgesetzt. Damit versucht die Bourgeoisie die Studenten an der Überprüfung

der gelehrten bürgerlichen Inhalte durch die Wirklichkeit zu hindern, sie

versucht sie verstärkt zu indoktrinieren und auszurichten. Ausdruck dieses

Versuches sind die Verschärfung der DPO bei den E-Technikern, Bauingenieuren

und Maschinenbauern. Ähnliche Verschärfung der Prüfungsordnungen ist

durchgesetzt worden an den Fachhochschulen (Streik von 40 000 FHS-Studenten),

an den PH's in NRW, mit dem reaktionären Löfflerplan bei den Westberliner

Lehrerstudenten.



Die Verschulung des Studiums ist ein anderer Ausdruck dieser Reform. Um die

reibungslose Durchsetzung dieser reaktionären Maßnahmen zu gewährleisten,

werden fortschrittliche Assistenten und Dozenten ihrer Lehrbefugnis beraubt,

wie es kürzlich dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Ch. Schramm bei den

Pädagogen widerfahren ist. Jeder fortschrittliche Lehrinhalt wird

wegrationalisiert, wer da nicht mitmacht, verliert seine Stelle! Um den Kampf

der Studenten zu zerbrechen, soll die unabhängige Verfaßte Studentenschaft

zerschlagen werden!



Konkrete Gestalt wird diese reaktionäre Reform, die die SPD-Regierung mit

bürokratischen Mitteln durchsetzt, bei der Errichtung der Gesamthochschule

(GHS,d.Vf.) Aachen annehmen. Dann werden in allen Fächern Zwischenprüfungen

und Prüfungsordnungen durchgesetzt, wie sie heute schon an der PH erlassen

sind, wie sie in anderen Fächern geplant werden oder gerade gegen den

Widerstand der Studenten durchgesetzt werden sollen. Dann wird die Einführung

der Regelstudienzeit und die Trennung in Grund- und Aufbaustudium Realität

werden.



Gleichzeitig wird die Bourgeoisie versuchen, die kommunistischen und

sozialistischen Studenten von den anderen Studenten zu isolieren, versuchen

sie zu kriminalisieren, wie es dem Chemie-Kommilitonen Anfang Dezember 1972

angedroht worden ist (vgl. Flugblatt des Roten Pfeil vom 13.12.1972).



4. PERSPEKTIVE UNSERES KAMPFES



Der Kampf gegen den totalen NC muß Teil des Kampfes gegen die Durchsetzung

der reaktionär-bürokratischen Hochschulreform durch die SPD-Regierung sein.

Deshalb muß der Kampf in den einzelnen Fachbereichen mit den konkreten

Konflikten verbunden werden.



Der Kampf gegen den NC darf nicht durch illusionäre und falsche Forderungen

wie 'Mehr Arbeiterkinder an die Hochschule' oder 'Für eine demokratische

Hochschulreform' in eine falsche Stoßrichtung gelenkt werden.



Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, als können die Studenten heute

eine demokratische Hochschulreform durchsetzen solange die Monopolbourgeoisie

bestimmt, welche Inhalte Lehre und Forschung bestimmen, solange sie an den

Hebeln der Macht des Staates sitzt. Das bedeutet, daß die wenigen

Arbeiterkinder, die zu einem Hochschulstudium kommen, durch ihre Privilegien

des Studiums in Widerspruch zur Arbeiterklasse geraten; aber der Charakter

der Ausbildung im Dienste der Monopole sich nicht ändert.



In der gegenwärtigen Etappe des Kampfes kommt es darauf an, die Übergriffe

des Staatsapparates abzuwehren, um günstigere Kampfbedingungen zu erhalten.

Deshalb kämpfen wir unter den Parolen:

FÜR DIE BRECHUNG DES BILDUNGSMONOPOLS DER HERRSCHENDEN KLASSE DURCH STURZ

IHRER AUSBEUTERORDNUNG!

WEG MIT DEM TOTALEN NC!

FÜR EINE EINDEUTIGE STELLUNGNAHME DES SENATS GEGEN DIE EINFÜHRUNG DES TOTALEN

NC AN DER TH! KEINE BERECHNUNGSGRUNDLAGEN AN DAS WIMI!

FÜR EINE EINDEUTIGE STELLUNGNAHME DER FACHBEREICHE GEGEN DIE EINFÜHRUNG DES

NC! KEINE WEITERGABE DER KAPAZITÄTSERMITTLUNGEN!

FÜR DIE OFFENLEGUNG ALLER FORSCHUNGSVORHABEN UND IHRER FINANZIERUNG!

KAMPF DER STÄNDIGEN VERSCHLECHTERUNG DER BERUFSAUSBILDUNG DER KINDER DER

WERKTÄTIGEN!

KAMPF DER KAPITALISTISCHEN KLASSENERZIEHUNG! KAMPF DER KAPITALISTISCHEN

AUSBILDUNG!

KAMPF DER VERSCHÄRFTEN STAATSAUFSICHT!

KAMPF DER POLITISCHEN DISZIPLINIERUNG FORTSCHRITTLICHER STUDENTEN UND

DOZENTEN!

KAMPF DER ZERSCHLAGUNG DER UNABHÄNGIGEN VERFASSTEN STUDENTENSCHAFT!



KOMMT ALLE ZUR GRÜNDUNG DES ZENTRALEN AUSSCHUSSES HEUTE UM 20 UHR IN DEN

THEATERSAAL DER MENSA TH"

=KSV-Sympathisanten TH Aachen:Plattformvorschlag für die Arbeit des zentralen

Ausschusses gegen den NC,Aachen o.J. (1973)



09.03.1973: 

Vom Sozialistischen Schülerkollektiv (SSK) Aachen wird folgendes Papier mit

drei Seiten DIN A 4 verfaßt:"

Zur NC-Kampagne im Bereich der Schule



1. Um zu verhindern, daß die NC-Kampagne lediglich eine kurzfristige

Mobilisation bleibt, aus der Erkenntnis heraus, daß der NC gar nicht oder nur

partiell aufzuhalten ist, müssen wir jetzt schon die längerfristigen

Perspektiven diskutieren, unsere Agitation und Propaganda dem unterordnen,

Etappen und Formen des Kampfes ausarbeiten und schon jetzt, vor der

eigentlichen Kampagne, Strukturen schaffen, die dieser Mobilisation eine

gewisse Kontinuität als einem politischen Faktor in der Schülerschaft, den

das SSK bisher nur ansatzweise darstellte, verleihen können.



2. Für unsere Agitation und Propaganda bedeutet das, daß sie weder

ständepolitisch oder nur auf die NC-Problematik beschränkt sein darf, sondern

den NC als einen Teil kapitalistischer Bildungspolitik, als einen Auswuchs

der kapitalistischen Verplanung der Jugend begreifen und aufzeigen muß. Die

Stoßrichtung muß also auf dieser Totalität, dem politischen Moment liegen und

die Verbindung mit anderen Teilsektoren der Ausbildung, besonders der

Berufsausbildung, nicht nur argumentativ herstellen.



3. Diese Totalität wird vermittelt über etwa folgende Konkretionsebenen:

Aufgreifen des konkret erfahrbaren wie NC, diverse Ausleseverfahren,

verstärkter Leistungsdruck etc. Systematisierung dieser Erfahrungen,

Aufdecken des Widerspruchs zwischen bürgerlicher Ideologie und

Ausbildungswirklichkeit, Zerstörung der Legitimationsgrundlagen dieser

Erscheinungen, Einbeziehung der Auswüchs kapitalistischer Bildungspolitik in

den anderen Teilsektoren der Ausbildung, Aufzeigen der gesellschaftlichen

Folgeerscheinungen (z.B. Entwertung der Arbeitskraft, medizinische

Unterversorgung), Herstellung des Zusammenhangs dieser Auswüchse, Zerstörung

der Ideologie der knappen Ressourcen und jeglicher Reformillusionen, Aufzeigen

des Wesens der kapitalistischen Bildungspolitik.



4. Eine Unterscheidung von zentralem und dezentralem Kampf wie an der

Hochschule ist nur sehr bedingt möglich. Eine Dezentralisierung des Kampfes

um Nahziele wie z.B. Verhinderung von Leistungsgruppen ist nicht

gerechtfertigt, da a) diese Erscheinungen an allen Schulen gleich sind (die

Bildungspolitik an der Schule ist an sich wesentlich zentralisierter als z.B.

an der Uni mit den einzelnen Instituten) und b) von solchen Erscheinungen oft

nur eine Minderheit von 20 - 30 Schülern betroffen ist, was einen Boykott

solcher Gruppen praktisch unmöglich macht (Boykott hier als eine Form des

Kampfes).



Natürlich soll die Kampagne auch auf dieser dezentralen Ebene an solchen

Themen entfacht werden, aber eine wirksame Kraft stellt sie erst dar, wenn

sie zentralisiert geführt wird.



5. Wichtig ist aber auch, daß schon jetzt organisatorische Strukturen für die

bewußtesten Schüler geschaffen werden etwa in Form von - zunächst ad hoc -

Schulungs- und Diskussionszirkeln zum Thema NC und Bildungspolitik. Kontakte

zu diesen Schülern müssen geschaffen werden durch ständige Diskussion über

kapitalistische Bildungspolitik, vermittelt über ihre Erscheinungen im

Unterricht, Schülerratssitzungen, SMV-Versammlungen usw. und von außen durch

die Zeitung, die diese Diskussion initiiert, vorantreibt und organisiert, als

zentrales Moment der Kampagne. Nur so, indem wir die bewußtesten Schüler zu

diesem Thema um das SSK versammeln, wird es uns möglich sein eine weitere

Basis für Aktionen zu gewinnen.



6. Wenn wir unsere relative Isolation von den größten Teilen der

Schülerschaft aufheben wollen, ist es nötig a) auf dieser Ebene die

Diskussion quantitativ und inhaltlich möglichst breit zu gestalten, was

natürlich nicht heißt, die Stoßrichtung der Kampagne dieser Diskussion oder

der Rekrutierung solcher Zirkel zu opfern, und b) möglichst alle Aktionen auf

dieser Ebene und aus dieser Ebene heraus zu entfalten. Nur so wird es möglich

sein, die NC-Diskussion zu vermassen, eine echte Politisierung möglichst

vieler Schüler zu gewährleisten und die bewußtesten Schüler an uns zu ziehen

und zu weiterer Arbeit zu bewegen und zu befähigen.



7. Mögliche Aktionen als Ausdruck der und Mittel der Politisierung können

sein: Verabschiedung von Resolutionen in der SMV, Einberufung von

Schülervollversammlungen mit Vorträgen zu diesem Themenkreis, kleinere

Meetings mit Bildungspolitikern, Boykott von jeglichen Leistungsgruppen,

Informationsstände in der Stadt zum NC und besonders seinen

Folgeerscheinungen, Demonstrationen vor Schulen und Einrichtungen der TH,

teach ins, aktiver Unterrichtsboykott. Natürlich handelt es sich hierbei nur

um Vorschläge, die sich in der Kampagne erst bestimmen und realisieren lassen

und sind insofern auch nicht näher zu bestimmen.



8. Die Stelle, die die SMV in der Kampagne einnimmt, bestimmt sich a) aus

ihrem durch Erlasse beschränkten Charakter als Wahrer des Schulfriedens und

Alibis für die Schulbürokratie und b) aus der Tatsache, daß die SMV subjektiv

die Interessenvertretung vieler Schüler ist und auf diese einen nicht zu

unterschätzenden Einfluß ausübt. D.h.: die SMV muß zu einem Instrument

unserer Agitation und Propaganda gemacht werden, zu einem Forum der NC-

Diskussion. Andererseits müssen wir in der Aktion, wenn die SMV an ihre

Grenzen (Erlasse) stößt, ihren beschränkten Charakter aufzeigen und mögliche

Alternativen wie Räte, Basisgruppen, Fachgruppen (zu bestimmten

Unterrichtsthemen) aufzeigen.



9. Eine Einbeziehung der Berufsschulen wird wahrscheinlich erst in einem

fortgeschrittenen Stadium der Aktion der NC-Kampagne möglich sein. Diese

Einbeziehung muß aber durch ständige Information über die Situation der

Berufsschüler, Berichte von Aktionen der Gymnasiasten und Studenten und durch

das Aufzeigen der Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens aller

Auszubildenden vorbereitet werden. Außerdem muß mit den SMV's der

Berufsschulen zusammengearbeitet werden, da uns im Moment keine anderen

Kontakte zur Verfügung stehen. Erst wenn hierüber einige lose Kontakte

geschaffen sind, kommen wir in die Berufsschulen rein, d.h. können dann auch

die Diskussion von innen anregen und die Solidarität zwischen Lehrlingen,

Schülern und Studenten entfalten, indem wir die gemeinsame Betroffenheit

aller Auszubildenden aufzeigen. Allerdings ist kurzfristig nicht mit breiten

Aktionen in diesem Bereich zu rechnen, da uns erstens die praktische

Erfahrung in diesem Bereich fehlt, und zweitens z.Z. die Auswüchse der

kapitalistischen Bildungspolitik in diesem Bereich nicht so spektakulär wie

der NC sind."

=SSK:Zur NC-Kampagne im Bereich der Schule,o.O. (Aachen) 9.3.1973



18.03.1973: 

Aus Aachen lag uns folgendes Dokument vor:"

Protokoll der Diskussion im Redaktionskollektiv für eine Plattform zur NC-

Kampagne vom 18.3.1973



Anwesend waren Delegierte bzw. Beobachter folgender Organisationen:



AStA FHS, AStA TH, GEW, GIM, Hochschulseminar, Lehrergruppen, MSB Spartakus

(der DKP,d.Vf.), SBG - FHS, SHB, SMV, SSK (Sozialistisches Schülerkollektiv,

d.Vf.) und ZRV.



Zunächst Diskussion über die Methode der Diskussion:

Auf Vorschlag, anhand des Papiers vom Roten Pfeil (Gruppe Roter Pfeil der

KSG/ML des KABD,d.Vf.), 'zur Frage des staatsmonopolistischen Kapitalismus

und der gegenwärtigen Monopoloffensive'', die heutige Staatsfunktion zu

diskutieren, kommt Einwand, der Schwerpunkt müsse auf Nachweis der Funktion

des NC liegen, d.h. eine allgemeine Diskussion über Staatsfunktion würde den

Rahmen des RK sprengen.

Dem entgegen steht die Betonung der Notwendigkeit zur Abklärung

grundsätzlicher Fragen als Voraussetzung zu einer gemeinsamen Bestimmung der

Stoßrichtung der Kampagne.



Letzteres wird akzeptiert.



Im Folgenden werden die zusammengefaßten Beiträge zur Kritik und Verteidigung

der Stamokap-Position gegenübergestellt.



Kritik am 'Roter Pfeil'-Papier: Die Monopole sind dargestellt als homogene

Einheit mit einheitlicher Stoßrichtung ohne Konkurrenz untereinander, die dem

Volk antagonistisch gegenüberstehen.

Eine glatte Entwicklung vom Monopol zum Staatsmonopol wird unausgewiesen

festgestellt, wobei Begrifflichkeiten unklar (was heißt Monopol -

Staatsmonopol). Staatsmonopolistisches Kapital kann kein Kapital sein in

marxistischem Sinne, da es allenfalls beiträgt zur Umverteilung von Mitteln

und sich nicht selbst verwertet.



DAGEGEN: Der Staat übernimmt wenig produktive Zweige wie Verkehr, VW und ist

somit - Kapitalist.



Das ist genau das Argument für die Rolle des Staates, Kosten in Bereichen zu

tragen, die für das Kapital nicht interessant, weil nicht profitabel sind. Es

ist somit unsinnig, den Staat als Monopol neben Monopolen darzustellen. Er

konstruiert sich in erster Linie als ideeller Gesamtkapitalist und eben nicht

als Kapitalist, wie auch im Roter Pfeil-Papier widersprüchlicherweise

dargestellt (siehe S.3 Togliatti-Zitat).



DAGEGEN: Notwendigkeit, die Hauptseite des Widerspruchs bei der

Staatsfunktion gegenüber der Nebenseite herauszukristallisieren und

Hauptseite ist die Funktion als Stamokap.



Behauptung, bestimmende politische Macht in der BRD sei der einheitliche

Block Monopole, läßt ständig sich wandelnde konjunkturelle Fraktionierung

außer acht.

Bitte um Begriffserläuterung: Ist Stamokap ökonomischer Begriff im Sinne von:

Monopole gehen über Staatseigentum oder politischer: Staat handelt als

Marionette in der Hand des homogenen Blocks Monopole.



DAGEGEN: Es wird Engels zitiert zur Rolle des Staates bei Bismarck aus

'Proletarier aller Länder vereinigt euch' (Oberbaum), wobei der Bezug zur

Klärung der gestellten Frage dem Protokollanten verborgen bleibt.



Die entscheidende Ebene für die Diskussion muß die der Kapitalverwertung sein

und die daraus resultierende Bewegung zum Monopol. Dabei wäre es ein Fehler,

die Monopole als Einheit darzustellen; die Konkurrenz ist ein Kennzeichen des

Kapitalismus, auch in seiner Phase als Spätkapitalismus mit Monopolbildung.

Der Staat kann nicht Monopol neben anderen sein. Er ist der Garant des

Klasseninteresses der Bourgeoisie. Der im Papier gebrauchte Begriff der

'Verschmelzung' von Monopolen und Staat ist ein mystischer, der die Funktion

des Staates als Regulativ divergierender Kapitalinteressen nicht erfaßt. Die

heut verstärkte Funktion des Staates als 'Krisenmanager' gegenüber dem

'Manchester-Kapitalismus' ist zu erklären aus den veränderten

Verwertungsbedingungen, nicht aus irgendeiner 'Verschmelzung'.



DAGEGEN: Widersprüche innerhalb der Monopolbourgeoisie sind existent. Aber 3

- 4 Großbanken haben einen immensen Einfluß. Der Staat versucht die durch den

tendenziellen Fall der Profitrate bedingten Verwertungsschwierigkeiten

einzelner Monopole durch Übernahme zu beheben. Der Staat ist nur noch

Vertreter der Monopole, da die kleinen Unternehmen völlig abhängig sind.

Ein beispiel für den Einfluß der Monopole ist die konzertierte Aktion, wo

neben Gewerkschaften und Staat nur Monopole vertreten sind.



Gegen die Rolle des Staates als langfristig planendes Instrument in den

händen der Monopole spricht die Unmöglichkeit langfristiger Planung im

Kapitalismus überhaupt, bedingt durch die Anarchie der Produktion. Deutliche

Zeichen sind die um mehr als hundert Prozent divergierenden Prognosen von

'Planern'.



Deshalb kann NC kein bewußt eingesetztes langfristiges Steuerungsintsrument

sein, sondern widerspiegelt die Widersprüchlichkeit zwischen Staat und

Bourgeoisie und zeigt die strukturelle Unfähigkeit, über den unproduktiven

Charakter des Bildungswesens hinaus den an es gestellten Anforderungen genüge

zu tun. Dabei bestreitet niemand die zentrale Steuerung als Ausdruck

kurzfristiger Planung.



DAGEGEN: Da langfristige Berechnungen nicht möglich sind, wendet man bewußt

Mittel wie politische Disziplinierung an, züchtet sich mit der Errichtung von

Bundeswehrhochschulen (BWHS,d.Vf.) eine Elite heran.

Hier zeigt sich wieder deutlich der Einfluß der Monopole auf den Staat.



Die Diskussion in ihrem allgemeinen Charakter wird abgebrochen.

Man entschloß sich, anhand des Papieres von Ulli H. konkret weiter zu

diskutieren.



Der Begriff 'strukturelle Unfähigkeit' wird kritisiert. Man könne nicht von

Unfähigkeit des Staates zur Verbesserung der Bildung sprechen, sondern es

handele sich um Unwilligkeit.



DAGEGEN: Der Begriff 'Unwilligkeit' suggeriert eine Entscheidungsfreiheit z.

B. des Staates, die nicht vorhanden ist.

Entscheidungen sind determiniert von Notwendigkeiten ökonomischer Art und da

zeigt sich die strukturelle Unfähigkeit des Staates, die Widersprüche in den

Griff zu bekommen.

Deshalb auch Austauschbarkeit von Personen im Staat bei bestehender Funktion.



Es wird eingewandt, der Begriff 'strukturelle Unfähigkeit' ließe sich in der

Form nicht vermitteln.



DAGEGEN: Es handelt sich um einen analytischen Begriff von 'struktureller

Unfähigkeit' und 'kollektive Bedürfnisse' in einem Ergänzungspapier

darstellen soll." (?,d.Vf.)

=N.N.:Protokoll der Diskussion im Redaktionskollektiv für eine Plattform zur

NC-Kampagne vom 18.3.1973,o.O. (Aachen) o.J. (1973)



21.03.1973: 

In Aachen tagt, laut AStA RWTH (vgl. 29.3.1973), der NC-Ausschuß (vgl.

1.3.1973, 29.3.1973).

=AStA RWTH:Info Nr.39,Aachen 29.3.1973,S.1



29.03.1973: 

In Aachen gibt der AStA RWTH sein 'AStA-Info' Nr.39 (vgl. **.3.1973,

18.4.1973), mit zwei Seiten DIN A 4 heraus:"

HEUTE:



PLENUM DES NC-AUSSCHUSSES



Bei der letzten Sitzung des NC-Ausschusses am Mittwoch letzter Woche (vgl.

21.3.1973,d.Vf.) lagen zwei Plattformvorschläge auf dem Tisch, eine vom

Roten Pfeil (der KSG/ML des KABD,d.Vf.), die andere von den im

Redaktionskollektiv vertretenen Gruppen (AStA TH, AStA FH (FHS,d.Vf.), ZRV-

Basisgruppen, GIM, SBG FH und PH, SHB, Bezirks-SMV, MSB (der DKP,d.Vf.),

SSK, Spartakus (?, evt. gemeint ist der schon erwähnte MSB Spartakus,d.Vf.),

Hochschulseminar, SBL und GEW-Beobachter). Per Abstimmung wurde von der

großen Mehrheit der Anwesenden beschlossen, über die NC-Einschätzung, wie

sie im Papier des Red.Koll. entwickelt worden war, weiterzudiskutieren. In

dieser Diskussion zeigte sich, daß es unmöglich war, sich mit dem Roten

Pfeil und den 'Volksfreunden' vom KSV (der KPD,d.Vf.) gemeinsam auf den

Boden des analytisch bildungs-ökonomischen Teils der vorgelegten Plattform

zu stellen, geschweige denn sich gar über die politische Stoßrichtung der

Kampagne und ein Aktionsprogramm auf Grundlage dieser Analyse zu einigen.



Da es uns allerdings für eine solche Kampagne keineswegs ausreichend schien,

nur wilde und entschlossene Bekundigungen des starken Kampfwillens von sich

zu geben, einigte man sich darauf, die bisherige Plattform noch einmal neu

zu überarbeiten und zu ergänzen und bereits erste konkrete Vorschläge für

ein Aktionsprogramm, die Perspektive unseres Kampfes gegen den NC zu

entwerfen.



1. Das ist inzwischen geschehen.

Heute Abend wird deshalb zunächst noch einmal der neuüberarbeitete

analytische Teil der Plattform des Redaktionskollektives zur Diskussion

gestellt und im Anschluß daran sehr konkret die Zielrichtung und die

Aktionen der NC-Kampagne diskutiert werden.



2. Im Folgenden werden dann Kommilitonen aus den verschiedenen

Fachbereichen und Abteilungen über die konkreten Erscheinungsformen des

Numerus clausus berichten, wie wir sie alle unmittelbar erfahren (In Form

von Zwischenprüfungen, Zulassungsklausuren, neuen RPOs und DPOs,

Laborplätzen etc.); wir werden gemeinsame überlegen müssen, welche konkreten

Schritte wir hier im Rahmen der gesamten Kampagne unternehmen können.



3. Hieran wird sich noch ein kurzer Bericht über die ersten überregionalen

Kontaktaufnahmen anschließen (z.B. über die NC-Aktionen der Frankfurter

Schüler und Studenten).



Die notwendige intensive wechselseitige Kommunikation zwischen den

Studenten, die in verschiedenen Fachbereichen von unterschiedlichen

Erscheinungsformen des NC betroffen sind, den Schülern und überregionalen

Kontakten im NC-Ausschuß wird unseren Kampf auf eine sehr breite Basis

stellen.



Kommt deshalb heute abend um 19 Uhr



19 UHR IM THEATERSAAL DER MENSA".



Enthalten ist noch ein Zeitungsartikel über die RWTH (vgl. 23.3.1973).



Vermutlich auf der heutigen Sitzung des NC-Ausschusses wird auch das folgende

anonyme Papier von sechs Seiten DIN A 4 diskutiert, das offensichtlich Teil

der Plattform sein soll:"

ZUR NC-KAMPAGNE IN AACHEN



I. Zur politischen Perspektive der Kampagne

Die vorangegangene Analyse hat die allgemeine Stoßrichtung des Kampfes gegen

den NC und seine vermittelten Erscheinungsformen aufgezeigt: Dabei wurde

deutlich, daß es sich beim NC nicht um ein bewußt gehandhabtes

Planungsinstrument in der Hand der Monopole, noch um einen vereinzelten

Auswuchs 'falscher' Bildungspolitik handelt, sondern um den elementaren

Ausdruck struktureller Widersprüche kapitalistischer Bildungspolitik. Daher

kann der NC zwar seine konkreten Erscheinungsformen ändern, ist jedoch als

Selektionsmechanismus im Kampitalismus nicht 'abschaffbar'.



Wir gehen davon aus, daß eine breite Politisierung nicht allein durch die

Analyse möglich ist, sondern nur durch die praktische Auseinandersetzung und

Aktion am Ort. Dazu ist aber die Analyse eine notwendige

Argumentationsgrundlage.



Voraussetzung einer wirksamen Agitation ist die realistische Einschätzung der

Rahmenbedingungen des Politisierungsprozesses, sowie die materielle

Betroffenheit der Zielgruppe und deren Bewußtseinslage (hierzu siehe Teil

II.).



Für die politische Perspektive des Kampfes sind drei Aspekte zu

berücksichtigen:

1. Langfristigkeit

2. Schaffung von politischem Bewußtsein über die Totalität des Problems

3. Erringung konkreter Teilerfolge



zu 2. Für unsere Agitation bedeutet das, daß sie nicht nur auf die NC-

Problematik beschränkt sein darf, sondern den NC als einen (Ausdruck,d.Vf.)

kapitalistischer Bildungspolitik, als einen Auswuchs der kapitalistischen

Verplanung der Jugend begreifen und aufzeigen muß. Die Stoßrichtung muß also

auf dieser Totalität, dem politischen Moment liegen und die Verbindung mit

anderen Teilsektoren der Ausbildung, besonders der Berufsausbildung nicht nur

argumentativ herstellen.



zu 1. Die Langfristigkeit des Kampfes ist notwendig, um eine

kontinuierliche Politisierung, die über den konkreten Anlaß des NC hinausgeht,

zu gewährleisten.



zu 3. Der Kampf gegen den NC als Kampf gegen das Abstraktum Kapitalismus ist

von vornherein zum Scheitern verurteilt, da er nicht politisierend und

mobilisierend wirkt.

Auch die Einsicht, daß der NC als Selektionsinstrument im Kapitalismus nicht

zu verhindern ist, darf uns nicht davon abhalten, konkret erkämpfbare

Teilziele anzugeben (z.B. VERHINDERUNG der Einführung von NC in bestimmten

Fächern, Kampf gegen Zulassungsklausuren etc. siehe Teil III.



II. RAHMENBEDINGUNGEN DER DURCHFÜHRUNG EINER NC-KAMPAGNE IN AACHEN



Die Rahmenbedingungen des Kampfes gegen den NC sind bedingt durch seine

verschiedenen Erscheinungsformen. Die Voraussetzunen für sozialistische

Agitation und Propaganda sind bei den Betroffenen durchaus unterschiedlich.

Grob kann man zunächst unterscheiden zwischen

a) durch äußeren NC Betroffenen

b) durch inneren NC Betroffenen

(Zur inhaltlichen Strukturierung orientieren wir uns im Folgenden an drei

Fragen: 1. Wer ist vom NC in welcher Weise betroffen? 2. Wie ist das

politische Bewußtsein einzuschätzen? 3. Welche Agitationsgrundlage ergibt

sich daraus?)



zu a) Vom äußeren NC betroffen sind primär die Schüler (Gymnasiasten) und

indirekt die Eltern, vermittelt über ihr Sozialprestige und Erziehungsideal.



Bei den Eltern wird die Mobilisierung dadurch erschwert, daß sie

1. keine homogene Gruppe darstellen

2. bereits festgefahrene Bewußtseinsstrukturen haben

3. nicht ZENTRAL erreichbar sind.



Zu den Schülern:

Sie sind direkt betroffen

1. Durch den Zwang, ein gutes Abschlußzeugnis zu bekommen und den daraus

folgenden Erscheinungen wie Leistungsdruck, Konkurrenzverhalten und Isolation

bereits während der Schulzeit.

2. Durch die Unmöglichkeit, das Fach ihrer Wahl zu studieren.



Ausgehend von der spezifischen materiellen Betroffenheit der Zielgruppe

ergibt sich die Art der Agitation.

Das bedeutet für die Schüler:

Bei der Agitation wird am Widerspruch von Verfassungsnorm und

Verfassungswirklichkeit angesetzt. So setzt der Schulkampf zunächst einmal an

einem breiten demokratischen Bewußtsein an (Grundgesetz), mit dem Ziel, einen

politisch interessierten Teil der Schülerschaft zu aktivieren und zur

Weiterarbeit zu befähigen (BG's).

Es ist jedoch unbedingt notwendig, die Diskussion in der BG so zu führen, daß

sie ein politisch höheres Niveau erhält und einen sozialistischen Kampf an

der Schule initiieren kann.



Als Besonderheit im Schulkampf zeigt sich die Notwendigkeit einer

Zentralisierung des Kampfes. Eine Dezentralisierung des Kampfes um Nahziele,

wie z.B. Verhinderung von Leistungsgruppe ist nicht gerechtfertig, da a) die

Erscheinungen an allen Schulen gleich sind (die Bildungspolitik an der Schule

ist an sich wesentlich zentralisierter als z.B. an der Uni mit den einzelnen

Instituten) und b) von solchen Erscheinungen oft nur eine Minderheit von 20 -

30 Schülern betroffen ist, was einen Boykott solcher Gruppen praktisch

unmöglich macht (Boykott hier als eine Form des Kampfes) (dieser Teil wurde

fast wörtlich aus einem Papier des SSK Aachen vom 9.3.1973 übernommen,d.Vf.).

Natürlich soll die Kampagne auch auf dieser dezentralen Ebene an solchen

Themen entfacht werden, aber eine wirksame Kraft stellt sie erst dar, wenn

sie zentralisiert geführt wird.



zu b) Vom inneren NC betroffen ist die Studentenschaft.

Hier zeigt sich eine Unterscheidung als notwendig zwischen

1. Technikern

2. Sozial- und Geisteswissenschaften

3. Mediziner und Lehrer



zu 1. Die technischen Fächer sind vom ÄUSSEREN NC nur sekundär betroffen

(hierzu siehe Analyse: Technische Berufe sind Berufe innerhalb des

produktiven Gesamtarbeiters und daher profitträchtig für das Kapital). Der

ÄUSSERE NC tritt in diesen Fächern auch deswegen kaum auf, da die Kapazitäten

in diesen Fächern nicht durch eine bestimmte Anzahl von beispielsweise

Zeichen- und Laborplätzen eingeschränkt werden.

Auf der anderen Seite ist der INNERE NC in den technischen Fächern umso

rigider. Er vermittelt sich durch Zulassungsklausuren, Zwischenprüfungen mit

hohen Durchfallsraten. Verbunden damit ist ein hoher Leistungsdruck,

Konkurrenzverhalten, Isolation.

Diese repressiven Studienbedingungen bewirken zweierlei:

Zum einen wird der Selektionsmechanismus in das Studium hineinverlegt.

Dazu kommt, daß es ein hohes Ausmaß an ideologischem Opportunismus verlangt,

will man den Leistungsansprüchen gerecht werden. Eben dieser ideologische

Opportunismus ist das Schmieröl für die kapitalistische

Produktionsmaschinerie.



Wodurch ist das politische Bewußtsein der Techniker geprägt? Aus dem

bürgerlichen Verständnis von Wissenschaft und Technik ergibt sich das

spezifische Bewußtsein der in diesem Umfeld arbeitenden und studierenden

Individuen. Die Ideologie von der Wertneutralität wissenschaftlicher

Erkenntnisse reproduziert sich in den Köpfen der Techniker und Ingenieure als

'unpolitische Überparteilichkeit'. An diesem Bewußtsein gilt es anzuknüpfen.



Zentrale Bedeutung für die Agitation kommt dabei dem Leistungsbegriff zu; zum

einen, da die Studenten in den technischen Fächern am stärksten unter

Leistungsdruck stehen, zum anderen, da der Leistungsbegriff im

Selbstverständnis von Technikern und Ingenieuren eine zentrale Rolle spielt,

jedoch nicht verstanden als kapitalistisch geprägte Verhaltensnorm, sondern

als 'wertfreie Tugend'.



Die Funktion dieses ideologischen Leistungsbegriffes aufzudecken und darüber

die Kritikfähigkeit gegenüber der eigenen gesellschaftlichen Role zu

erlangen, wäre ein erster Schritt sozialistischer Politik in diesem Bereich.



Die Mobilisierung zur NC-Kampagne bei den Technikern setzt also am Problem

des INNEREN NC und der damit verbundenen Leistungsideologie an.



zu 2. Die Sozialwissenschaften sind z.Z. noch nicht so unmittelbar vom NC

betroffen.

In einigen Fächern gibt es bereits den ÄUSSEREN NC. Dieser bewirkt, daß die

abgewiesenen Studenten quasi als Notlösung an die Fachhochschule gehen.



Die allgemeine Tendenz besteht nun darin, daß im Zuge der

Gesamthochschulentwicklung die FH's in die dreijährigen Kurzstudiengänge

integriert werden, wo 'praxisnahe' Techniken zur Konfliktregelung in

möglichst kurzer Zeit (Unkosten einsparen) vermittelt werden sollen.



Der INNERE NC zeigt sich in Form von Reglementierung des Studiums (Prüfungen,

Leistungsnachweise etc.). Die Reglementierung selbst ist Ausdruck der

Tatsache, daß sich die Sozialwissenschaften zunehmend von

Ideologieproduzenten zu Herrschaftstechnologen entwickeln. In dem Maße, wie

sich die Sozialwissenschaften in Methodik und gesellschaftlicher Funktion an

die Naturwissenschaften angleichen, gleichen sich auch ihre

Studienbedingungen und -formen an die der positiven Wissenschaften an.



Für die NC-Agitation ergibt sich hier ein guter Ansatzpunkt, indem die oben

aufgezeigte allgemeine Tendenz z.B. durch die Analyse der Empfehlungen des

Wissenschaftsrates (WR,d.Vf.) zur Reform der Sozialwissenschaften sowie die

Analyse der diversen Prüfungsordnungen und Studienreformmodelle untermauert

wird.



zu 3. Mediziner- und Lehrerausbildung

Mediziner und Lehrer stellen für die Agitation einen Sonderfall dar: NC in

diesen Fächern ist nicht nur Ausdruck struktureller Widersprüche

kapitalistischer Bildungspolitik, sondern bedeutet gleichzeitig Klassenkampf

von oben. Denn durch NC werden die Möglichkeiten zur Reproduktion und

Qualifikation der Arbeiterklasse eingeschränkt. An dieser Tatsache gilt es

bei der Agitation anzuknüpfen: sie setzt also primär am Klassencharakter des

NC in diesen Fächern an. Erst in zweiter Linie gewinnen Momente wie

Leistungsdruck etc., also Formen des inneren NC, an Bedeutung (vgl. hierzu

die Ausführung unter 2).



Für die Lehrerstudenten stellt sich das Problem des NC auf einer anderen

Ebene dar. Die Auswirkungen des NC erstrecken sich hier nicht nur auf das

Studium, sondern vor allem auf den späteren Beruf. Denn der NC bedeutet eine

Verringerung an Lehrpersonal bzw. eine Erhöhung der Klassenfrequenzen. Dies

ist wiederum mit erschwerten Lehrbedingungen für den einzelnen Lehrer

verbunden. Das zunächst rein materielle Interesse am Kampf gegen den NC muß

hier politisiert werden zu einem antikapitalistischen Bewußtsein.



III. AKTIONSPROGRAMM



1. Charakter des Kampfes (Zentralisierung - Dezentralisierung)

2. Organisationsstrukturen und Verlauf der Kampagne



zu 1. Die vorangegangene Untersuchung über die Situation in den einzelnen

Hochschulbereichen hat aufgezeigt, daß der NC in unterschiedlichen Formen

auftritt. Daraus ergibt sich der dezentrale Charakter des Kampfes.



Im Unterschied zur Hochschule tritt der NC an den Schulen wesentlich in der

Form des äußeren NC auf und macht somit einen zentral geführten Kampf der

Schüler notwendig (vgl. oben).

An der Hochschule zeigt sich jedoch auch die Notwendigkeit der

Zentralisierung der Kämpfe, da der NC zwar in verschiedenen Formen auftritt,

als bildungspolitische Maßnahme jedoch die ganze Hochschule betrifft;

außerdem wurden in der Analyse die strukturellen Zusammenhänge der

verschiedensten bildungspolitischen Maßnahmen aufgezeigt. Aus dieser Einsicht

heraus ergibt sich auch die Notwendigkeit der intensiven Zusammenarbeit der

Studenten mit den Schülern.



Die praktischen Konsequenzen dieser Überlegungen wären z.B.: Herausgabe einer

zentralen NC-Zeitung; gemeinsame Teach-Ins, Demonstration mit allen

Betroffenen; sowie Koordination der dezentralen Kämpfe im NC-Pelnum.



zu 2. Organisationsstrukturen und Ablauf



Grundsätzlich: Das Plenum setzt arbeitsfähige Kleingruppen ein, die aktuelle

Themen und Probleme behandeln und damit die Diskussion im Plenum

vorstrukturieren. Nach wie vor bleibt es Aufgabe des Plenums, weitere

Aktionen zu beschließen.

Anstehende Themen für die Arbeitsgruppen wären:

- Vorbereitung einer Zeitung

- Sammlung und Herausgabe einer NC-Dokumentation

- Vorbereitung (inhaltlich und organisatorisch) von Teach-Ins

- Schaffung bzw. Intensivierung überregionaler Kontakte

- Kontaktgruppe Schule

- Kontaktgruppe Eltern/Lehrer



Voraussetzung für das Gelingen dieser Aktion ist:

1. Verabschiedung der Plattform im Plenum, um eine solide gemeinsame

Grundlage für die Agitation und Propaganda zu haben.

2. Einrichtung der Arbeitsgruppen.

3. Entfaltung der regionalen Agitation.

4. Durchführung eines aktiven Streiks mit der inneren Funktion der

Politisierung der Betroffenen (Studenten, Schüler) und der äußeren Funktion

der Demonstration gemeinsamer Stärke und Vermittlung der Problematik an die

Bevölkerung.



Um dem politischen Anspruch eines solchen aktiven Streiks gerecht zu werden,

ist bereits jetzt der Einstieg der vorhandenen Basisgruppen in die Diskussion

über Analyse und Kampfziel der NC-Kampagne von großer Bedeutung. Aufgabe muß

es auch sein, am jeweiligen Ort - soweit noch nicht vorhanden - neue

Basisgruppen zu gründen, da diese eine wichtige weitertreibende Funktion

während des Streiks haben und durch die Kontinuität ihrer Arbeit verhindern

sollen, daß der studentische Widerstand gegen den NC und die kapitalistische

Bildungsreform in einer schnell abklingenden Kampagne mündet."

=AStA RWTH:Info Nr.39,Aachen 29.3.1973;

N.N.:Zur NC-Kampagne in Aachen,o.O. (Aachen) o.J. (1973)



17.04.1973: 

Der AStA der RWTH Aachen berichtet:"

NC-KOMITEE EINEN SCHRITT VORWÄRTS!



ROTER PFEIL (der KSG/ML des KABD,d.Vf.) UND KSV (der KPD,d.Vf.) VERLASSEN DAS

NC-KOMITEE - KONKRETES AKTIONSPROGRAMM BESCHLOSSEN - PROJEKTGRUPPEN

EINGERICHTET



Das gestrige 5. NC-Plenum war gekennzeichnet von der politischen

Auseinandersetzung zwischen dem Roten Pfeil und KSV einerseits, den

Basisgruppen, Schülern, FHS- und TH-AStA andererseits. Die mehrwöchige

Konsolidierungsphase des NC-Komitees endete damit, daß das von Vertretern der

Basisgruppen, Schüler, ASTEN und einer Reihe anderer Organisationen

vorgelegte Aktionsprogramm (das wir in der nächsten Woche veröffentlichen)

vom Plenum mit einigen Verbesserungsvorschlägen verabschiedet wurde. Damit

steht der Aufnahme konkreter Aktionen gegen den NC nichts mehr im Wege!



Die relativ lange Konsolidierungsphase des NC-Komitees ist vor allem darauf

zurückzuführen, daß nicht nur eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten

hinsichtlich der Einschätzung des NCs auftraten, sondern auch hinsichtlich

der Frage, welche Stoßrichtung der Kampf bekommen sollte.



Die Mehrzahl der anwesenden Studenten und politischen Organisationen konnte

nicht den Thesen von KSV und Rotem Pfeil zustimmen, deren Stoßrichtung gegen

'die Monopole' gerichtet ist. Denn 'die Monopole' hätten sich, da sie den

Staat besetzt hielten, im NC ein genau kalkuliertes Steuerungsinstrument der

Bildungsplanung geschaffen. Der vom Roten Pfeil selbst initiierte

Redaktionsausschuß des NC-Plenums war allerdings in seiner Analyse (vgl. ASZ

19 (vgl. 11.4.1973,d.Vf.)) zu einer anderen, differenzierteren Einschätzung

gekommen; sie zeigt deutlich auf, daß die These von der aalglatten

Unterwerfung des Ausbildungssektors unter das Interesse der Monopole zwar

zunächst plausibel und eingängig ist, sich bei näherem Hinsehen jedoch

schlicht als falsch erweist. Und zwar deswegen, weil der kapitalistische

Staat nicht einfach der verlängerte Arm der 'Monopole' ist (welcher Monopole

außerdem? Auch zwischen Monopolen existiert Konkurrenzkampf!), sondern

'ideeller Gesamtkapitalist' (Engels), d.h. eine Instanz, die die allgemeinen

Bedingungen zum reibungslosen Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft,

sowie den politischen und sozialen 'Frieden' zu sichern hat; als 'regierender

Ausschuß der Bourgeoisie' (Marx) hat der Staat als oberstes Ziel seiner

Politik die langfristige Sicherung der Klassenherrschaft ('innere' und

'äußere Sicherheit').



Da der kapitalistische Staat also nicht nur Handlanger der Monopole ist,

sondern als 'ideeller Gesamtkapitalist' innerhalb einer ganzen Reihe von

Ansprüchen und Widersprüchen zu entscheiden und zu handeln hat, ist seine

Politik selbst widersprüchlich und uneinheitlich. Im Bereich der

Bildungspolitik zeigt dies z.B. am Widerspruch zwischen zahlreichen

detaillierten Planungskonzeptionen (Wissenschaftsrat (WR,d.Vf.), Bund-Länder-

Kommission, Bildungsrat etc.) und der Unfähigkeit, die Planungskonzeptionen

zu verwirklichen, vor allem im Bereich der Finanzierung.



Für den Kampf gegen den NC heißt das, daß er nicht primär gegen 'die

Monopole' geführt werden kann, sondern, daß es darauf ankommt, Bewußtsein

darüber zu schaffen, daß der NC Ausdruck der Unfähigkeit des kapitalistischen

Systems ist, kollektive Bedürfnisse der Bevölkerung wie auf Bildung

ausreichend zu befriedigen. Er ist dazu unfähig, weil in dieser Gesellschaft

EIN Bedürfnis über alle anderen dominiert: nämlich das Bedürfnis des Kapitals

nach Profit. Wo kein Profit zu machen ist, wie im Bildungs- oder

Krankenversorgungsbereich (3. Klasse vor allem), wird nur minimal investiert,

d.h. die kollektiven Bedürfnisse werden nur soweit befriedigt, wie unbedingt

notwendig.



Der Rote Pfeil und KSV haben bis zuletzt keine inhaltliche Kritik gegen die

Analyse des Redaktionsausschusses vorbringen können. Das einzige was sie

vorzubringen hatten, war ihre Aufregung über die Länge der Analyse, die

angeblich 'massenfeindlich' sei!!! Zu diesem Stil der politischen

Auseinandersetzung gehören dann natürlich auch jene infantilen Verbalinjurien

gegen einzelne AStA-Mitglieder, die die KSV-Flugblätter so lesenswert

machen."

=Aachener Studentenzeitung Nr.20,Aachen 9.5.1973;

AStA-Info Nr.42,o.O. (Aachen) 18.4.1973,S.1f



18.04.1973: 

In Aachen gibt der AStA RWTH sein 'AStA-Info' Nr.42 (vgl. 29.3.1973,

**.*.1973), mit zwei Seiten DIN A 4 heraus, in dem er vom gestrigen 5.

NC-Plenum berichtet und fortfährt:"

Wie geht es weiter?



Nachdem der Rote Pfeil (der KSG/ML des KABD,d.Vf.) und der KSV (der

KPD,d. Vf.) das NC-Komitee verlassen hatten, weil ihre Plattformen die

überwiegende Mehrheit der Studenten nicht überzeugen konnten, ging das

NC-Komitee an die konkrete Verwirklichung des beschlossenen

Aktionsprogramms.



Als erster Schritt wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, die inhaltliche

und organisatorische Vorbereitungen zur Durchführung der NC-Kampagne

treffen sollen. Wir weisen Euch darauf hin, daß in den Gruppen jeder

mitmachen kann und sollte, der die Notwendigkeit des Kampfes gegen den

NC sieht. Die Arbeit in diesen Gruppen ist immens wichtig, denn es kommt

nicht nur darauf an, im Plenum großartig 'theoretisch' zu diskutieren,

sondern den Kampf konkret aufzunehmen. Dazu bedarf es der genauen

Vorbereitung in den Arbeitsgruppen!



BETEILIGT EUCH AKTIV AN DER KAMPAGNE GEGEN DEN Numerus clausus!"



Von den sechs Arbeitsgruppen ist eine die der Schüler (vgl. 25.4.1973),

die "Gruppe zur Vorbereitung von Teach-Ins etc. wird adhoc eingerichtet"

und der Termin der "Kontaktgruppe Eltern/Lehrer/Gewerkschaften" ist im

AStA zu erfragen. Weitere Gruppen tagen am 24.4.1973 und am 2.5.1973.

=AStA-Info Nr.42,o.O. (Aachen) 18.4.1972



24.04.1973: 

Im AStA der RWTH Aachen soll sich um 14 Uhr die Gruppe zur

Vorbereitung der

NC-Zeitung treffen.

=AStA-Info Nr.42,o.O. (Aachen) 18.4.1973,S.2



24.04.1973: 

Im Hochschulreferat des AStA der RWTH Aachen soll sich um 14 Uhr die

Informationsgruppe zur NC-Kampagne treffen.

=AStA-Info Nr.42,o.O. (Aachen) 18.4.1973,S.2



25.04.1973: 

In der Phil Fak der RWTH Aachen soll sich um 16 Uhr die Kontaktgruppe

Schüler der NC-Kampagne treffen.

=AStA-Info Nr.42,o.O. (Aachen) 18.4.1973,S.2



02.05.1973: 

Im AStA der RWTH Aachen soll sich um 19 Uhr die Gruppe zur Herausgabe einer

NC-Dokumentation treffen.

=AStA-Info Nr.42,o.O. (Aachen) 18.4.1973,S.2



09.05.1973: 

In der Nr.20 seiner 'Aachener Studentenzeitung' (vgl. 29.5.1973) geht der

Sozialistische AStA der RWTH u.a. auf die Entwicklung im Aachener NC-

Komitee (vgl. 17.4.1973) ein. Berichtet wird auch von der SVI-MV (vgl.

13.4.1973).

=Aachener Studentenzeitung Nr.20,Aachen 9.5.1973

Valid HTML 4.01!   Valid CSS!

[ Zum Seitenanfang ]   [ Zur Hauptübersicht der Datenbank MAO ]