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Rheinberg

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 27.3.2008

Für diese wie immer unvollständige Darstellung wurden keine lokalen Dokumente ausgewertet.

Rheinberg tritt hier von seiner Industrie her nicht mit Rauschmitteln (vgl. 24.7.1969) oder der Textilbranche (vgl. Mai 1977), sondern vor allem mit dem Salzbergbau der Deutschen Solvay in Borth, wobei auch allgemeine Bezugnahme auf diese Solinger Firma hier aufgenommen wurden. Zunächst wird bei Solvay nicht nur gestreikt, sondern mutmaßlich gleich die Bundeswehr eingesetzt (vgl. Aug. 1970), sodann die offenbar fragwürdige Vergangenheit der Firma enthüllt (vgl. 15.10.1970), die sich auch im Kalibereich engagiert (vgl. 21.11.1970).

Den weiteren Verlauf dieser Darstellung dieser Darstellung beherrscht die geplante Ansiedlung der VEBA-Chemie im Orsoyer Rheinbogen, wogegen eine Bürgerinitiative protestiert, die offenbar im Verein mit weiteren solchen agiert (vgl. 15.3.1973, 26.3.1973), ohne die Landesregierung umzustimmen zu können (vgl. 27.3.1973), was zu weiteren Protesten auch im benachbarten Dinslaken führt (vgl. 29.3.1973). Den jungen Sozialdemokraten in Dortmund dient dies als Beispiel für die Theorie vom staatmonopolistischen Kapitalismus (vgl. 26.11.1973).

Die KPD spannt abschließend den Bogen von der Deutschen Solvay zum Umweltschutz (vgl. 16.12.1975).


Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

24.07.1969:
Die DKP gibt die Nr.17 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 17.7.1969, 31.7.1969). Berichtet wird u.a. aus Rheinberg vom Eingreifen des DGB Ortskartells (OK) und der Jusos der SPD bei Underberg (300 Besch.).
=Unsere Zeit NRW Nr.17,Essen 24.7.1969

August 1970:
Ein Streik im Salzbergwerk Deutsche Solvay in Borth am Niederrhein wird, laut KPD/ML-ZB, vermutlich im August, mit einer Lohnerhöhung von 5 DM pro Schicht erfolgreich abgeschlossen. Während des Streiks sei die Grube hermetisch abgeriegelt worden und ein Hubschrauber der Bundeswehr sei dort gelandet, um die Streikenden einzuschüchtern. Der Sicherheitsbeauftragte der IGBE habe dies dagegen als normale Katastrophenübung bezeichnet. Die Kumpel forderten eine außerordentliche Betriebsversammlung, um den Betriebsrat auf's Korn zu nehmen, der sich gegen ihre Forderungen ausgesprochen hatte.

Der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. Dez. 1970) berichtet:"
SOLDATEN LANDEN AUF BETRIEBSGELÄNDE - BETRIEBSRAT SIEHT NUR SANITÄTER

Bei einem Streik der Bergarbeiter des Salzbergwerkes Solvay bei Moers landete ein Hubschrauber der Bundeswehr auf dem Bergwerksgelände. Als die Kollegen den Betriebsrat fragten, was die Soldaten hier zu suchen hätten, bekamen sie zur Antwort: um Verletzte ins Krankenhaus zu transportieren."
=Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.6,Bochum Dez. 1970,S.7;
Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.26,Bochum 22.8.1970;
Das Rote System Nr.2,Berlin Sept. 1970;
Der Schwartzkopff-Hammer Nr.1,Berlin Sept. 1970


15.10.1970:
Für die DKP berichtet Hans Thiel:"
DEUTSCHE BANK VERKLAGT CZICHON
WAHRHEIT ÜBER H. J. ABS
...
In der Klageschrift stellen Abs und die Deutsche Bank den Antrag, das Gericht solle entscheiden, die Beklagten hätten zu unterlassen, die folgenden Behauptungen wörtlich oder sinngemäß aufzustellen oder zu verbreiten:
...
19. daß Abs als Aufsichtsratsvorsitzender der Accumulatorenfabrik AG, der Mechanik GmbH Rochlitz, der Schlesischen Bergwerks- und Hütten AG, der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG in Wuppertal und der Deutschen Solvay-Werke AG Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kinder habe beschäftigen lassen."
=Unsere Zeit Nr.39 und 43,Düsseldorf 26.9.1970 bzw. 24.10.1970,S.19 bzw. S.4

21.11.1970:
Die Nr.52 des 'KND' der KPD/ML-ZB (vgl. 18.11.1970, 25.11.1970) erscheint. In "Konzentration im Kalibereich" heißt es:"
BASF will seine Monopolstellung auf dem Kalisalze-Sektor weiter ausbauen. Es will damit eine bessere Stellung gegenüber der imperialistischen Konkurrenz von Kanada, der UdSSR und den USA sowie gegenüber der DDR erreichen. Die Konzentration im Kalibereich ist typisch für den westdeutschen aggressiven Imperialismus, der seine Stellung auf dem Weltmarkt immer mehr ausbauen will.

Schon längere Zeit bestand ein Kali-Verkaufssyndikat. 1969 setzte es sich aus folgenden Gesellschaften zusammen: der Wintershall AG (36,9%; indirekt von der Quandt-Gruppe kontrolliert), der Salzdetfurth AG (26,4%), der Kali-Chemie-AG (2,7%), deren Muttergesellschaft Deutsche Solvay-Werke (1,6%) sowie mehreren Bergbaugesellschaften."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.52,Bochum 21.11.1970

September 1971:
In der Nr.9 seines 'Der Kampf der Arbeiterjugend' (KDAJ) (vgl. 14.8.1971, Okt. 1971) berichtet der KJVD der KPD/ML-ZB u.a. über das Salzbergwerk Solvay in Moers.
=Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.9,Bochum Sept. 1971

24.09.1972:
Laut IGBE (vgl. 15.12.1971, 15.5.1972) soll heute in Hannover ihr 10. Gewerkschaftskongreß (vgl. 30.9.1971) beginnen (vgl. 3.1.1972), der am 28.9.1972 abgeschlossen sein soll und auch in Rheinberg aktiv vorbereitet wurde.
=Einheit Nr.24, 10, 15 und 19,Bochum 15.12.1971, 15.5.1972, 1.8.1972 bzw. 1.10.1972,S.1, S.3, S.4 und 6ff bzw. S.1ff

15.03.1973:
Für die Kommunistische Fraktion im Ruhrgebiet für den Wiederaufbau der Kommunistischen Partei (KFR - vgl. 28.3.1973) berichtet Klaus B.:
DUISBURG: STAHLPRODUKTION SCHÄDIGT GESUNDHEIT DER ANWOHNER

Vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht einigten sich die August-Thyssen-und Hütten AG und das staatliche Gewerbeaufsichtsamt, das ursprünglich die sofortige Stillegung gefordert hatte, auf eine 5-Punkte-Verpflichtung des Unternehmens. Ausgelöst war die Verwaltungsklage durch einen massiven Protest der umliegenden Bevölkerung. Die Gewerbeordnung schreibt eine Lärmbelästigung von höchstens 35 Phon in der Nacht vor. Der neue Thyssen-Hochofen schickt seinen Anliegern Nacht für Nacht 65 Phon ins Schlafzimmer. Seit Anheizens des Ofens konnten Erwachsene nur noch mit Hilfe von Schlaftabletten schlafen und Kinder schliefen nachts fast gar nicht mehr, weil bei ihnen Schlafmittel nicht wirken oder stark gesundheitsschädlich sind. Diese skandalösen Verhältnisse waren dem staatlichen Gewerbeaufsichtsamt bekannt. Doch aktiv wurden die Herren erst, als der Protest der betroffenen Anwohner so massiv wurde, daß er nicht mehr vertuscht werden konnte. Die Ursachen hierfür liegen in der engen Verzahnung von Kapital und Staat, in der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Konzernleitungen und staatlichen Behörden. So ist in diesem Beispiel Regierungspräsident H.O. Bäumer sowohl Chef des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes wie auch Mitglied im Aufsichtsrat der ATH! Verständlich das Zögern des Gewerbeaufsichtsamtes, ehe es überhaupt etwas unternahm und verständlich die schnelle Einigung zwischen ihm und der Konzernleitung auf dem Rücken der Bevölkerung. So ist das einzige faßbare Ergebnis des Vergleichs das Versprechen der ATH-Bosse, den Lärm nachts um ganze 10 Phon während der nächsten Monate zu senken. Das ist kein Vergleich oder Kompromiß, sondern der Plumpe Versuch, die zu Recht erregte Bevölkerung mit einigen schönen Worten zu beruhigen!

Entsprechend hat auch die betroffene Bevölkerung reagiert. Sie setzen ihren selbständigen Kampf gegen die gesundheitsschädigenden Produktionsmethoden der ATH fort, und fordern den sofortigen Umbau des Hochofens aus den Profiten der Konzerne. Deshalb werden sie am Montag gemeinsam mit den VEBA-Ansiedlern im Orsoyer Rheinbogen in Düsseldorf gegen die zwischen Thyssen und der Gewerbeaufsicht erzielte Einigung demonstrieren.
VORWÄRTS IM KAMPF FÜR DIE RECHTE DER ARBEITERKLASSE UND DES VOLKES!"
=Die Rote Front Nr.7,Dortmund/Castrop Rauxel 1973,S.6

26.03.1973:
Die KPD berichtet vom Umweltschutz im Raum Dinslaken (vgl. 27.3.1973):"
DÜSSELDORF: 2 000 DEMONSTRIERTEN GEGEN VEBA-ANSIEDLUNG!

'Kühn raus', 'Feigling', 'Mörder', 'Volksverräter' - riefen knapp 2 000 Demonstranten am 26.3. vor der Staatskanzlei in Düsseldorf. Aus dem ganzen Kreis Dinslaken waren sie gekommen, die Dörfer Götterswickerhamm und Mehrum waren fast vollzählig da, angeschlossen hatten sich auch Werktätige aus Marxloh in Duisburg (vgl. 22.3.1973,d.Vf.). Ihr Protest galt der volksfeindlichen Politik der Landesregierung, die trotz zahlreicher Gutachten sich für die Ansiedlung der VEBA (CPK-Bereich,d.Vf.) aussprechen wollte.

Angesichts dieser Sprechchöre mußte sich Landesvater Kühn (SPD,d.Vf.) bereit erklären, die Sprecher der Demonstranten zu empfangen. Er äußerte Verständnis. Wie geheuchelt das war, zeigte sich am nächsten Tag. Die Landesregierung stimmte der 'Umwidmung' der Grünflächen im Orsoyer Rheinbogen in Industrieanbauflächen (?,d.Vf.) zu. Ihr Versuch, sich eine reine Weste zu verschaffen, indem sie die letzte Verantwortung dem kommunalen Planungsverband zuschob, schlug fehl. Längst war bekannt, daß sie den Aufkauf von 600 ha Land durch die VEBA mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 14,5 Mio. DM unterstützt hatte. Auch ihre Täuschungsmanöver, mit 40 Auflagen an die VEBA Umweltschutzmaßnahmen zu treffen, zog nicht: Nicht nur daß die VEBA sich von vornherein weigerte, die Vorschriften für Schwefel- und Rußfilter einzuhalten - da kein Vertrag über die Begrenzung von Umweltschäden existiert, hat die VEBA freie Hand. 'Niemand kann die VEBA zwingen, Auflagen zu erfüllen, die nach der geltenden Rechtslage nicht gefordert werden können' (Oberstadtdirektor Caumanns, Duisburg).

Obwohl die Landesregierung durch zahlreiche Gutachten weiß, welche Gefahr für die Menschen die Ansiedlung der VEBA bedeutet, stimmte sie zu. Die Sicherung der Profite der Chemiekapitalisten gilt ihr mehr als die Menschen. Ein Plakat der 'Interessengemeinschaft gegen geführliche Industrieansiedlung Dinslaken' benennt richtig, um was für eine Politik es sich handelt:

'Wer VEBA ansiedeln will, STEAG, BP, KAPAL und KHD (IGM-Bereich,d.Vf.) erweitern möchte, ist kriminell und gehört auf die Anklagebank!' ...

'Wir wählten Kühn, das haben wir davon' - dieser Ruf der Düsseldorfer Demonstranten macht deutlich, daß die SPD-Landesregierung ihre volksfeindliche Politik nicht mehr mit schönen Worten übertünchen kann."
=Rote Fahne Nr.14,Dortmund 4.4.1973,S.5

27.03.1973:
Die KPD berichtet vom Umweltschutz im Raum Dinslaken (vgl. 26.3.1973, 29.3.1973), daß die Landesregierung NRW heute der Umwidmung von Grünflächen im Orsoyer Rheinbogen in Industrieflächen zustimmt.
=Rote Fahne Nr.14,Dortmund 4.4.1973,S.5

29.03.1973:
Die KPD berichtet vom Umweltschutz im Raum Dinslaken (vgl. 27.3.1973) über den Beschluß der Landesregierung NRW über die Umwidmung von Grünflächen im Orsoyer Rheinbogen in Industrieflächen:"
Zwei Tage nach dem Beschluß demonstrierten in Dinslaken 2 000 Schüler gegen die VEBA-Ansiedlung und drohten mit Schulstreik. Die Bürgerinitiative hat klargestellt, daß sie nicht eher ruhen wird, bis die Gefahr der Ansiedlung beseitigt ist."
=Rote Fahne Nr.14,Dortmund 4.4.1973,S.5

26.11.1973:
Der UB Dortmund der Jusos der SPD gibt vermutlich in dieser Woche seine 'Juso Information' Nr.4 (vgl. 23.7.1973, 3.12.1973) heraus. Von Albert Herzmann stammt der Artikel:"
ZUM BEISPIEL: DIE VERFLECHTUNG DES STAATES MIT DEN MONOPOLEN

Manchen Jungsozialisten wird vorgeworfen, daß sie reale Vorgänge und Tatsachen des Wirtschaftslebens in unserem Lande beim Namen nennen und es dann auch noch wagen, Kritik daran zu üben. So kreidet man ihnen an, daß der bürgerliche Staat nach ihrer Meinung die Interessen der Kapitalistenklasse und unter diesen wiederum in erster Linie die der Monopolkapitalisten vertritt. Daraus schließen nun einige, wie Johano Strasser, der Staat würde kurzerhand zum Instrument der Monopole versimpelt, andere malen flugs Gespenster an die Wand, die der gute alte Marx schon zu vertreiben suchte.
...
Deshalb soll im folgenden das Faktum der Verflechtung des Staates mit den Monopolen anhand zweier Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zu belegen versucht werden:
...
Zweiter Fall: VEBA im Orsoyer Rheinbogen (CPK-Bereich in Rheinberg,d.Vf.)

Minister Halstenberg wendet sich in scharfer Form gegen die Bürgerinitiative (BI,d.Vf.) 'pro grün': In Zukunft müsse das Land die Planungsvorhaben wieder selbst in die Hand nehmen (vgl. S5.*.1973,d.Vf.). CDU-Landtagspräsident Lenz (vgl. S5.*.1973,d.Vf.) schwadroniert, die Bürger hätten in ihren Abgeordneten ihre Interessenvertreter (z.B. Steiner) und nicht in irgendwelchen Bürgerinitiativen. 1969 erklärt Willy Brandt in seiner Regierungserklärung (vgl. S5.**.1969,d.Vf.): 'Wir wollen mehr Demokratie wagen!' Und wenn dann Bürger von einer verantwortungslosen, am Profit der Konzerne orientierten Planung betroffen sich initiativ zusammenschließen und für die Erhaltung ihrer Lebensbedingungen gegen das Profitinteresse der Chemiemonopole kämpfen, dann sollte von Sozialdemokraten erwartet werden, daß sie demokratische Initiativen dieser Art begrüßen.

Aber gerade die Äußerungen der oben zitierten Landespolitiker zeigen nur zu deutlich, daß diese Maßnahmen des Staates nicht im Interesse der überwiegenden Mehrzahl der Bürger liegen, sondern daß sie offen das Profitinteresse der Großkonzerne unterstützen.

Beide Beispiele belegen die eingangs aufgestellte These, daß der Staat, auch ein unter sozialdemokratischer Regierung stehender, nur zu häufig im Interesse derer handelt, die eben nicht die Mehrzahl der Bevölkerung und auch Wähler der SPD ausmachen.

Im übrigen: Man stelle sich 'mal vor, die Bundesregierung hätte gestützt auf Art. 15 Grundgesetz die Ruhrkohle AG vergesellschaftet. Man stelle sich 'mal vor, die Landesregierung hätte den Teilerfolg der Aktion 'pro grün' gegen die VEBA-Chemie begrüßt. Kann man sich das überhaupt vorstellen?"
=SPD-LV NRW-Bezirk Westliches Westfalen-UB Dortmund-Jusos:Juso Information Nr.4,Dortmund 1973

16.12.1975:
Die KPD gibt ihren 'Roten Fahne Pressedienst' (RFPD) Nr.6 (vgl. 9.12.1975, 23.12.1975) heraus und berichtet u.a. von der Versalzung des Rheins durch die Chemische Fabrik (CF) Köln-Kalk (CPK-Bereich) und die Deutsche Solvay (IGBE-Bereich) in Roderberg, womit vermutlich Moers-Rheinberg gemeint ist, wo sich ein Werk der Solvay befindet.
=Rote Fahne Pressedienst Nr.6,Köln 16.12.1975

Mai 1977:
Vermutlich im Mai findet, laut AB, in dem Textilbetrieb Reichel (500 Besch.) in Rheinberg ein Warnstreik statt.
=Kommunistische Arbeiterzeitung Nr.112,München 14.5.1977

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