Roter Widia Arbeiter - Zeitung der Widia-Betriebsgruppe der KPD/ML, Jg. 1, Nr. 4, Mai 1970

04.05.1970:
In Essen erscheint vermutlich in dieser Woche bei Krupp die Nr. 4 des 'Roten Widia Arbeiters' (vgl. 20.4.1970, Juni 1970) der Widia Betriebsgruppe KPD/ML bzw. bald KPD/ML-ZB, für die Werner Fremd in Bochum verantwortlich zeichnet, mit 9 Seiten DIN A 4 und dem Leitartikel:"
MILLIONENPROFITE FÜR DIE KRUPPBOSSE - 20 DM MEHR FÜR UNS ARBEITER

Jetzt wird schon seit Wochen verhandelt! Aber herausgekommen ist dabei immer noch nichts. Der Betriebsrat und die rechten Gewerkschaftsführer sagen: 'Ein Ergebnis liegt noch nicht vor, aber es wird weiter verhandelt.'

Wir haben 50 Pfg. Lohnerhöhung gefordert, wir wissen, daß unsere Forderung berechtigt ist. Wir wissen, daß die Kapitalisten unsere Forderung erfüllen können. Denn schließlich haben auch wir gelesen, daß die Widia-Fabrik ihren Umsatz im letzten Jahr um 31% gesteigert hat; daß Widia 1969 einen Umsatz von 152 Millionen DM gegenüber 116 Mio. im Jahre 1968 hatte. Das ist eine Steigerung von 36 Millionen DM.

Wir Arbeiter haben schließlich durch unsere Arbeitskraft diese Steigerung erzielt. Aber uns wollen die Kapitalisten mit 12 Pfg. abspeisen. Lächerliche 20 DM im Monat, wie wir es bei der letzten Lohnabrechnung schwarz auf weiß gelesen haben. Die Ausbeuter behaupten, mehr als diese 20 DM seien für uns Arbeiter nicht drin. das ist eine unverschämte Lüge. denn der Krupp-Konzern hat 1969 rund 1 MILLIARDE DM mehr umgesetzt als im Vorjahr. Obwohl die Belegschaft um 7 300 zurückgegangen ist! Welche Riesengewinne die Krupp-Herren gemacht haben, kann man ganz klar daran sehen, daß Krupp 300 Millionen Bundesbürgschaft zurückgezahlt hat und 400 Millionen Bankschulden bezahlte.

Da lassen wir uns nicht weismachen, für uns seien nur 20 DM drin. Das sagen die Ausbeuter nur, damit sie weiterhin ihre Riesenprofite einheimsen können, damit sie uns nicht 50 Pfg. pro Stunden mehr zu geben brauchen. Aber wir haben ja gesehen, was sie durch die Ausbeutung unserer Arbeitskraft für Riesenprofite gemacht haben.

NEUES WIDIA-WERK FÜR 4 MILLIONEN DM

Hier bei Widia soll Ecke Harkort/Münchener Straße ein neues Magnetwerk gebaut werden. Für 4 Millionen Mark! Daran sieht man mal wieder, was die Kapitalisten aus uns herausgequetscht haben und wofür wir arbeiten. Nämlich nur für neue Werke, das heißt, größere Profite für die Kapitalisten. Das ist ihr einziges Ziel. Und uns wollen sie mit 20 DM im Monat beruhigen.

Doch da haben sie sich getäuscht. Denn die Unruhe unter uns ist groß. Nicht nur in der Widia sind die Kollegen unzufrieden. In der Maschinenfabrik hat sich das bereits sehr deutlich gezeigt.

KÜNDIGUNGSWELLE IN DER MASCHINENFABRIK

Unsere Kollegen in der Maschinenfabrik hatten gestreikt (vgl. 24.3.1970, d.Vf.). Sie forderten 1 DM mehr von den Krupp-Bossen. Die Ausbeuter lehnten es ab, die Forderung unserer Kollegen zu erfüllen. Viele Kollegen kündigten - wie zuvor abgesprochen, falls ihre Forderung nicht erfüllt wird.

Aber dadurch, daß viele Kollegen kündigen, ist im Grunde auf lange Sicht noch nichts erreicht. Auch wenn sie im Moment woanders mehr verdienen.

DENN WIR WISSEN JA, DASS DIE KAPITALISTEN ALLE UNTER EINER DECKE STECKEN UND WIR DESHALB GEGEN DIE KLASSE DER KAPITALISTEN GEMEINSAM KÄMPFEN MÜSSEN. Alleine erreichen wir nämlich nichts.

GEGEN DIE FRONT DER KAPITALISTEN HILFT NUR DIE FRONT DER ARBEITER

Die Kollegen dort hätten gemeinsam für die Durchsetzung ihrer Forderungen kämpfen müssen.

Denn nur durch einen längeren Streik können wir Druck auf die Kapitalisten ausüben und unsere Forderungen durchsetzen.

Ein längerer Streik hätte die Krupp-Kapitalisten nämlich aus dem Gleichgewicht gebracht und ihnen große Verluste zugefügt. Unter solch einem Druck nur hätten sie unseren Forderungen nachgeben müssen.

ORGANISIERT VORGEHEN

Gemeinsames Vorgehen aller Kollegen, das ist der richtige Weg, wie wir Arbeiter unsere Forderungen durchsetzen. Daß wir aber auch tatsächlich vorgehen, erreichen wir dadurch, daß wir uns organisieren. Organisieren müssen wir uns dort, wo für unsere Interessen gekämpft wird.

DIE BETRIEBSGRUPPE WIDIA DER KPD/ML KÄMPFT FÜR DIE INTERESSEN DER ARBEITER"

Neben zwei Fotos von streikenden Kollegen heißt es in riesigen Lettern "Mit der KPD/ML gegen die Krupp-Herren".

Im nächsten Artikel heißt es:"
JETZT SCHON 1/3 UNSERES LOHNES FÜR DIE MIETE. WIE SOLL DAS WEITERGEHEN?

Nicht nur wir Krupp-Arbeiter haben unter der Mietwucherei der Kapitalisten zu leiden.

Kollegen aus Dortmund schickten uns folgenden Bericht über die katastrophalen Wohnverhältnisse dort.

'In der Stahlwerkstraße 22 gibt es Ratten auf dem Hof, weil die Mülltonnen nicht geleert werden. Das Dach ist undicht und alles ist feucht.

Im Bleichmärsch 22 ist das Treppenhaus seit 40 Jahren nicht mehr gestrichen worden, die Fenster schließen nicht dicht und die meisten Wohnungen sind Bruch.

Und wie hoch ist die Miete?
Die Hausbesitzer knöpfen uns für solch einen Saustall 150 DM ab.

Nicht besser ist es in der Wambeler Straße 24. Überall im Haus gibt es Flecken, weil das Dach Löcher hat. Die Türen sind noch von Bombeneinschlägen verbannt.

Und die größte Unverschämtheit haben sich die Hausbesitzer geleistet! Sie haben bei diesen Zuständen auch noch die Mieten um 11 DM erhöht.

Und in der Oesterholzstr. 11 müssen die Mieter 140 DM zahlen für eine Wohnung, wo die Decke bald herunter kommt.'

GEMEINSAM MIT DER KPD/ML GEGEN DIE MIETWUCHEREI

Auch aus uns Widia-Arbeitern pressen die Kapitalisten unverschämt hohe Mieten heraus. Ein Drittel unseres Lohnes knöpfen uns die Krupp-Herren monatlich für die Miete ab. Sie haben erst gerade die Mieten erhöht, und im Juli erwartet uns eine weitere Mieterhöhung.

Lassen wir uns das nicht gefallen!

Kämpfen wir gegen die Mietwucherei der Krupp-Kapitalisten!

FORDERN WIR: HERUNTER MIT DEN MIETEN!

FORDERN WIR: ZUM AUSGLEICH EINE LOHNERHÖHUNG!

BESTEHEN WIR AUF UNSERER 50 PFG.-LOHNFORDERUNG!

Kolleginnen und Kollegen!

Schickt uns Berichte über eure Wohnverhältnisse. Schreibt, wie hoch eure Mieten sind. Nehmt Kontakt mit uns auf. Wir brauchen eure Unterstützung, um gegen diese Mietwucherei zu kämpfen."

Unter der Parole "Herunter mit den Mieten" finden sich sechs Fotos von einer Demonstration, bei der sich vermutlich um die Dortmunder Maidemonstration des KJVD und der späteren KPD/ML-ZB handelt.

In der Rubrik "Die Arbeiterklasse kämpft und wird siegen" wird berichtet aus dem IGM-Bereich vom Aluminiumwerk Nürnberg (vgl. Apr. 1970), Albert Frankenthal (vgl. 27.4.1970) und der Eisen- und Metall AG in Mülheim (vgl. Apr. 1970).

Der letzte Artikel (vgl. 30.4.1970) lautet:"
DER EINMARSCH IN KAMBODSCHA

Amerikanische und südvietnamesische Truppen fielen vorige Woche in Kambodscha ein.

50 000 US-Soldaten rücken ins Landesinnere vor und verwüsten das Land.

Am 18. März nutzten rechte Offiziere die Abwesenheit des Staatschefs Sihanouk aus, um die Macht mit Hilfe des CIA an sich zu reißen. Dieses reaktionäre Regime, das für die Interessen der US-Imperialisten arbeitet, ließ gleich Hunderte von Vietnamesen umbringen. Dem Volk waren jedoch die Machenschaften dieser rechten Führer klar und daß dahinter die US-Ausbeuter stehen.

Das neue Regime verlangte, daß die Nordvietnamesen abziehen sollen, die seit Jahren die Volksbefreiungsfront in Südvietnam mit Nachschub durch Kambodscha versorgen.

Die US-Imperialisten fielen in Kambodscha ein. Sie hatten es nicht einmal nötig, ihre Handlanger in Kambodscha um Erlaubnis zu fragen. Sie erhielten jedoch anschließend die Bestätigung.

Präsident Nixon befahl den Einfall der 50 000 US-Soldaten in Kambodscha, um das Hauptquartier für die gesamten kommunistischen Militäroperationen in Südvietnam anzugreifen.

Über den Einfall der US-Truppen in Kambodscha diskutierten die Kollegen im Betrieb heftig. Sie waren sich darüber einig, daß damit nicht der Vietnamkrieg beendet wird, sondern das bedeutet eine Erweiterung des Indochinakrieges. Es ist eine Lüge, wenn Nixon sagt, daß mit der Besetzung des Hauptquartiers in Kambodscha der Vietnamkrieg beendet ist.

Das ist uns allen klar. Doch was einigen Kollegen nicht klar war, wo Widersprüche und falsches Verständnis auftauchten, das war die Stellung des US-Imperialismus und seiner Machenschaften.

Warum kämpfen die US-Imperialisten in Indochina? Warum weiten sie jetzt auch noch den Krieg auf Kambodscha aus? Die US-Imperialisten kämpfen in Kambodscha, weil ihre Interessen bedroht sind. Indochina war nämlich für die Imperialisten ein äußerst günstiger Rohstoffquellen- und Absatzmarkt. Ihr einziges Interesse ist es, das Land auszubeuten und ihre Macht zu erweitern. Die Folge dieser imperialistischen Ausbeutung und Unterdrückung war der Kampf des vietnamesischen Volkes für seine Befreiung. Mit allen Mitteln versuchen die Ausbeuter weiterhin das Volk zu unterdrücken. Als das Volk sich zur Wehr setzte und gegen diese Unterdrücker kämpfte, sich unter der Führung der Kommunisten organisierte und sich nicht mehr ausbeuten lassen wollte, setzten die US-Imperialisten ihre mächtige Militärmaschinerie ein, um mit grausamen Mitteln den Aufstand niederzuschlagen. Sie bombardierten Nordvietnam schlimmer Als im 2. Weltkrieg Deutschland.

Mit allen Mitteln versuchen die Unterdrücker, das kleine vietnamesische Volk niederzuwerfen. Und zwar ganz brutal. Doch trotz ihrer gigantischen Militärmaschinerie müssen sie immer mehr Verluste hinnehmen und immer weiter zurückweichen. Denn das vietnamesische Volk führt einen gerechten Volkskrieg. Und damit hat es die Gegner immer weiter zurückgeschlagen. Die US-Imperialisten haben auf dem Lande längst allen Einfluß verloren und mußten sich auf schwerbefestigte Stützpunkte an der Küste zurückziehen. Ihre Niederlage wird immer klarer. Bisher büßten sie 40 000 Soldaten und eine halbe Billion - täglich mehrere Millionen - ein.

Diese Niederlage der US-Imperialisten läßt sie auf solche Wahnsinnstaten kommen, daß sie den Krieg ausweiten und in Kambodscha einmarschieren. Ihre Angst vor der Niederlage treibt sie zu solchen Taten und damit immer weiter in ihren Untergang hinein.

Mit dem Einmarsch in Kambodscha haben die Imperialisten ihre kriegerischen Absichten klar gezeigt. Es ist eine große Lüge, wenn Nixon sagt, daß er Truppen aus Vietnam abziehen will, den Krieg beenden will, aber in Kambodscha einfällt. Wenn er vom Frieden spricht, meint er Krieg. Wenn er von Entspannung redet, vergrößert sich die Spannung aber immer mehr. Das entlarvt ganz klar seine ausbeuterischen, kriegerischen Absichten. Nur die Macht- und Profitgier treiben ihn zu solchen Taten und ganz bestimmt nicht der 'Wunsch' nach Frieden. Er will nämlich keinen Frieden, sondern Indochina nur als Sprungbrett benutzen, um eventuell China aufzurollen. Das wäre die größte Wahnsinnstat. Doch die Machtgier wird sie dorthin treiben.

Mit dem Einfall in Kambodscha werden die Imperialisten nichts erreichen, sie haben auch bisher nichts erreicht. Sie wollten den Stützpunkt finden, haben ihn aber nicht gefunden.

Die Vietnamesen haben nämlich die Unterstützung des kambodschanischen Volkes. Auch die Kambodschaner wehren sich gegen die Unterdrückung der Imperialisten. Gegen ihre Regierung, die neuen Machthaber, die nicht mehr lange an der Macht bleiben werden, da das kambodschanische Volks sich organisiert hat und gegen den Feind vorgeht. In Kambodscha gibt es auch eine nationale Befreiungsfront wie in Südvietnam. Sie wird dem Volk zum Sieg verhelfen. Die US-Imperialisten werden hier genau so eine Niederlage erleben wie in Vietnam.

Kollegen!
Genau wie Adenauer, Erhard und Kiesinger unterstützt auch die SPD-Regierung unter Brandt den US-Imperialismus.

Jährlich zahlt die Bundesrepublik mehrere Milliarden Militärunterstützung an den US-Imperialismus - neben den eigenen Militärabgaben von 22 Milliarden DM.

Westdeutsche Soldaten werden in den USA ausgebildet - für denselben Zweck wie die amerikanischen Soldaten: Für den Einsatz gegen die unterentwickelten Völker in Lateinamerika, Asien und Afrika.

Brandt weigert sich, den Krieg des US-Imperialismus offen zu verurteilen. Warum? Weil die Bundesregierung die gleichen Ziele hat wie der US-Imperialismus: In aller Welt sind die westdeutschen Kapitalisten tätig und rauben den unterdrückten Völkern ihre Rohstoffe, beuten die billigen Arbeitskräfte aus und verbünden sich mit den reaktionären Regimes in diesen Ländern.

Deshalb fordert die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten:

SCHLUSS MIT DER UNTERSTÜTZUNG DES US-IMPERIALISMUS !!!!"

Aufgerufen wird, sich in der Widiabetriebsgruppe zu organisieren. Zur Kontaktaufnahme werden u.a. je eine Telefonnummer aus Bochum und Essen angegeben, wo täglich zwischen 17 und 20 Uhr angerufen werden kann.

Auch die Kabelwerke Reinshagen (KWR) Bochum Betriebsgruppe der KPD/ML und des KJVD (IGM-Bereich - vgl. 4.5.1970) berichtet über das Erscheinen und die vorhergehenden Repressionen (vgl. Apr. 1970).
Q: Rotes Kabel Nr. 2, Bochum Mai 1970, S. 2f; Roter Widia Arbeiter Nr. 4, Essen Mai 1970

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