Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 27, 21. Jan. 1974

17.12.1973:
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 21.1.1974) berichtet u.a. über heute:"
VERSCHULUNG

In der letzten AK am 12.12.1973 stand der Top 'Verschulungstendenzen' zur Diskussion.

Wir machten auf die Problematik der Verschulung des Studiums wie sie in Zukunft geplant ist (HRG / PO / Fachausschußerlaß) aufmerksam.

Wie schon in der DOS 26 ((vgl. 17.12.1973, d.Vf.) Studenten unter Verfolgungswahn) berichtet, war bei den Teilnehmern der AK keine Bereitschaft vorhanden, diese Diskussion aufzunehmen. Es wurde nur einseitig über Karteien diskutiert. Hierzu bekamen wir einen Brief von Herrn Schaumann. Diesen und eine Richtigstellung drucken wir im Wortlaut ab.

'Pädagogische Hochschule Ruhr
Abteilung Dortmund
Dipl. Paed. F. Schaumann

Dortmund, den 17.12.1973

An den
AStA der PH Dortmund
- Pressereferat -
z.Hd. Herrn Horst Delkus

Lieber Herr Delkus,

in der Nr. 26 der Dortmunder Studentenzeitung (DOS) vom 17.12.1973 wird auf Seite 2, linke Spalte, 1.Absatz eine Darstellung meiner Äußerung in der Abteilungskonferenz vom 12.12. gegeben, die unrichtig ist.

Richtig ist vielmehr: Ich habe ihre Interessen (gemeint sind die Studenten) nicht als 'Blödsinn' deklariert und auch nicht zur 'Bagatellisierung' ihrer Bedenken beigetragen. Vielmehr führte ich aus, daß es m.E. notwendig sei, der Gefahr der Reglementierung des Studiums dadurch zu begegnen, daß die Studenten sich verstärkt der Forderung nach gemeinsamer Bestimmung der Lehrinhalte zuwenden. Ich ging dabei davon aus, daß mit dem 'Aufhänger' Studentenkartei in keiner Weise dieser auch von mir gesehenen Gefahr begegnet werden kann und bezeichnete deshalb diese TAKTIK als 'blödsinnig'.

Ich weiß nicht, ob die DOS im Sinne des Presserechts verpflichtet ist, diese Gegendarstellung abzudrucken, möchte Sie aber im Sinne einer fairen Auseinandersetzung bitten, die entsprechende Passage Ihres Berichts vom 17.12. richtig zu stellen.

Mit freundlichem Gruß

F. Schaumann

P.S.: Ich halte es für außerordentlich schädlich, studentische Interessen dergestalt zu vertreten, daß man sich aus Personen, die dies bisher ziemlich oft getan haben, ohne Popanz aufbaut, um eine in der o.a. Sache irrationale politische Taktik zu legitimieren.'"

Dokumentiert wird auch die undatierte Antwort:"
'Lieber Herr Schaumann,

hinsichtlich ihres Briefes vom 17.12.1973 ist folgendes zu sagen:

1. dürfte aus dem Verlauf der Diskussion in der AK am 12.12. zum Top 'Verschulungstendenzen' deutlich hervorgegangen sein, daß wir nicht einfach die platte Forderung nach Abschaffung der Karteien allein gestellt haben. In den Fachschaftsversammlungen befassen sich die Studenten der einzelnen Fächer z.B. mit der Frage, in welchen Fächern zwecks Beschaffung von Material Karteien notwendig sind. Die Legitimation der Paßbilder auf Karteien ist allerdings keinem Lehrenden überzeugend gelungen.

Wir haben die Einrichtung von Karteien im Zusammenhang mit Maßnahmen wie dem Führen von Seminarnachweisen etc. auf dem Hintergrund der zu erwartenden Reglementierungen (HRG / PO / Fachausschußerlaß) abgelehnt, um diese nicht schon von vornherein zu sanktionieren.

Das haben wir in der Diskussion auch des öfteren herausgestellt, ohne daß Sie oder die anderen Lehrenden darauf eingegangen wären.

2. In der von Ihnen angebotenen Forderung nach gemeinsamer Mitbestimmung der Lehrinhalte sehen wir in keinster Weise eine Alternative zu unserer Taktik. Aber das nur nebenbei.

Interessant ist vielmehr, Ihre Vorstellung von Hochschulpolitik, nämlich die Illusion einer wirksamen Mitbestimmung. Sie sollten eigentlich aus eigenen Erfahrungen gelernt haben!

(Wir erinnern z.B. nur an Ihre 'Mitarbeit' im Satzungskonvent.) Ober betrachten Sie sich nur einmal Arbeitsweise und Funktion der Fachausschüsse, die in drei Sitzungen inhaltliche Bestimmungen zur PO bearbeiten sollen, und Studienreformkommissionen (StRK, d.Vf.), die auch nur empfehlenden Charakter haben. Hier zeigt sich doch eindeutig die Alibifunktion dieser Gremien.

Dem von Ihnen unter PS aufgeworfenen Vorwurf halten wir folgendes entgegen: Erstens sollten eigentlich Personen, die sich für die studentischen Interessen einsetzen wollen, nicht als Gegenleistung kritikloses Verhalten der Studenten erwarten; und zweitens wüßten wir gerne, eben aufgrund unserer obigen Ausführung bezüglich unseres Vorgehens gegen Verschulungstendenzen an unserer Hochschule, inwiefern selbiges irrationalen Charakter hat.

Wenn Sie sich über Tendenzen und Funktionen der ganzen anlaufenden 'Hochschulreform' im Klaren sind (und das sollte man eigentlich von Ihnen erwarten können) und dazu noch Vertreter studentischer Interessen sein wollen, so können wir es nur als Zynismus interpretieren, dann noch Mitbestimmungsillusionen verbreiten zu wollen.

Mit freundlichen Grüßen

AStA PH Dortmund"
Q: DOS Nr. 27, Dortmund 21.1.1974, S. 2f

Januar 1974:
Der GEW-AjLE Berlin veröffentlicht spätestens im Januar eine Dokumentation über Berufsverbote-Anhörungsverfahren (BV).

Der AStA der PH Dortmund (vgl. 21.1.1974) berichtet:"
SOZIALDEMOKRATISCHE INQUISITION
Abdruck eines Dokumentationsauszugs des AjLE Berlin

13 der ca. 200 Bewerber für den Vorbereitungsdienst des höheren Lehramtes sollten sich 'Gesprächen' unterziehen, da 'Zweifel' entstanden waren, ob die 'jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung (FdGO, d.Vf.) im Sinne des Grundgesetzes (GG, d.Vf.) und der Verfassung von Berlin' eintreten würden.

Das 'Gespräch' wurde in Anwesenheit der Behördenvertreter Bayer (Senatsdirektor), Buchholz (Oberschulrat), Hoffmann (leitender Oberschulrat), Mastmann (Oberschulrat) und Hausknecht (Jurist) geführt, wobei die 'Gesprächs'-Leitung bei Landesschulrat Bath lag.

Die Vertreter der Behörde wurden den Bewerbern trotz ihrer Bitte nicht vorgestellt. Rechtsbelehrung wurde niemandem erteilt. Ein offizielles Protokoll wurde abgelehnt, was einen der Senatsvertreter nicht davon abhielt, ständig Notizen 'zum eigenen Gebrauch' zu machen.

Die 'Gespräche' hatten eindeutig den Charakter von Verhören mit der Funktion, in diesen Verhören weiteres ''belastendes' Material gegen die Bewerber zu sammeln.

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß der Schulsenator Löffler einen Verhandlungstermin mit der GEW über Lehrerausbildung platzen ließ, weil ein Vertreter der GEW die 'Gespräche' als Verhöre bezeichnete.

DIE PROTOKOLLE

1. GEDÄCHTNISPROTOKOLL

Frage: Haben Sie ein Flugblatt vom 1.Mai 1968 unterschrieben (Flugblatt wurde nicht vorgelegt)?
Antwort: Weiß ich nicht. Ich habe an Diskussionen teilgenommen, die den 1.Mai betrafen.

Frage: Waren Sie Mitglied der Basisgruppe Friedenau?
Antwort: Ich weiß nicht, ob man die Gruppe 'Basisgruppe' nennen konnte – es hatten sich Bürger in Friedenau getroffen, um Fragen der Resozialisierung von Strafgefangenen zu besprechen und Strafgefangene zu betreuen.

Frage: Haben Sie einen Polizeibeamten geschlagen?
Einspruch des Personalrats: Durch diese Fragestellung würden Beschuldigte durch die Amnestie Nachteile erleiden, was im Gegensatz zum Zweck der Amnestie stehe, da der Tatbestand nicht gerichtlich festgestellt sei, dennoch hier zur Grundlage gemacht würde.
Antwort: Dies sei nicht erheblich, da nur zu klären sei, ob Herr… einen Beamten geschlagen habe.
Antwort: Dies sei genau die Aufgabe des Gerichts.

Frage: Haben Sie einen Polizeibeamten geschlagen?
Antwort: ich habe in Nothilfe einem Gerichtsdiener eine 'Kopfnuß' gegeben. Dies geschah in Nothilfe (war auch meine Auffassung vor Gericht), da der Beamte rechtswidrig eine Person entgegen der Räumungsrichtung an den Haaren zerrte.

Antwort: Mitglied des SHB, solange der in Berlin existierte und Mitglied der SPD.
Frage: Seit wann?

Antwort: Seit 1969.

2.GEDÄCHTNISPROTOKOLL

Ich bestand darauf, daß geklärt würde, ob es sich um ein offizielles Gespräch handelt, Bath bejahte das. Auf die Frage des Personalrats, ob denn auch ein Protokoll geführt würde, verneinte Bath. Der Personalrat wies auf den Widerspruch hin, zu dem Bath dann Ausflüchte machte.

Frage: Haben Sie für Fachbereichsgremien kandidiert? Für welche Gruppen? (Danach rückte er mit dem Material heraus: drei Kandidaturen für Rote Zelle und später DVD, was vom KSV (der KPD, d.Vf.) unterstützt wurde.)

Frage: Wie sind Sie auf die erste Stelle dieser Liste gekommen, die vom KSV unterstützt wurde?
Antwort: Solche Listen werden vom KSV in öffentlichen Versammlungen begründet und der KSV spricht auch Studenten an, die er kennt, ob sie bereit sind, zu kandidieren. Ich bin dem KSV auch bekannt gewesen, als einer, der beispielsweise gegen die kapitalistische Ausbeutung auftritt.

Frage: Sind Sie Mitglied des KSV?
Antwort: Ich lehne es ab, auf diese Frage zu antworten, bevor ich mich mit einem Rechtsanwalt unterhalten habe, ob diese Frage zulässig ist. Sie hat meiner Ansicht nach nichts mit der Überprüfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnungsgesinnung von mir zu tun.
Die Herren: Doch, sonst würden wir die Frage nicht stellen! Ja oder nein (dreimal)? Sonst nehmen wir zur Kenntnis, daß sie darauf nicht antworten wollen.

4. GEDÄCHTNISPROTOKOLL

Frage: Handelt es sich bei Ihrer Wohnung um eine Wohngemeinschaft (WG, d.Vf.)?
Antwort: Ich bin Untermieterin bei…

Frage: Haben Sie Kontakt zu den anderen Untermietern?
Antwort: Ich kenne die anderen Untermieter.

Frage: Wissen Sie, ob die Leute, die in ihrer Wohnung wohnen, in einer politischen Gruppe arbeiten?
Antwort: Nein, das weiß ich nicht.

Frage: Führen Sie politische Gespräche mit diesen Leuten?
Antwort: Nein. Ich bin selten zu Hause, habe wenig Kontakt zu den übrigen Untermietern, da ich… an der… Schule als Lehrer arbeite.

Frage: Haben Sie z.B. Plakate geklebt?
Antwort: Nein, ich bin nie mit der Polizei in Berührung gekommen.

Frage: Haben Sie in einer politischen Organisation gearbeitet?
Antwort: Nein.

Frage: Kennen Sie politische Gruppen?
Antwort: Ja, alle Gruppen. Als ich noch an der Universität studierte, habe ich mich umfassend informiert, auch Flugblätter gelesen.

Frage: Welche Gruppen kennen sie?
Antwort: Alle.

Frage: Kennen Sie eine Gruppe Internationaler Marxisten (Abkürzung GIM)?
Antwort: Ja, ich habe schon mal Flugblätter gelesen. Sonst weiß ich nichts von der Gruppe.

Frage: Kennen Sie prominente Mitglieder dieser Gruppe?
Antwort: Ja, Ernest Mandel.

Frage: Woher kennen Sie den?
Antwort: Von einer Fernsehsendung.

Frage: Was halten Sie denn von Wohngemeinschaften überhaupt, als Wohnform? Halten Sie Wohngemeinschaften für begrüssenswert?
Antwort: Ich habe keine Erfahrung. Aber angesichts der Wohnlage in Berlin für Studenten…

5. GEDÄCHTNISPROTOKOLL

Frage: Sie benützen auffallend häufig das Wort 'die Herrschenden', 'die herrschende Klasse'. Bitte erklären Sie uns, was Sie damit meinen.
Antwort: Der Begriff 'Herrschende' bezeichnet diejenigen, die in einem Staat die Macht ausüben.

Frage: Wer ist das bitte?
Antwort: Das wissen Sie doch so gut wie ich: das sind die Eigentümer der Produktionsmittel, die Parteien…

Frage: Meinen Sie die Bundestagsabgeordneten oder die Vorstände?
Antwort: Diejenigen, die die Macht ausüben.

Frage: Und wer sind die Beherrschten?
Antwort: Diejenigen, die nicht die Macht ausüben.

Frage: Wer ist das, bitte?
Antwort: Diejenigen, die nicht durch Besitz oder Amt an der Ausübung der Macht beteiligt sind, die Arbeiter, die Lehrer, die Krankenschwestern…

Frage: Sind Sie der Meinung, daß z.B. der Schulsenator zu den Herrschenden gehört?

Antwort: Das kommt darauf an, welche Politik er macht. - Ich in nicht der Meinung, daß die Parteien einfach den Block der Herrschenden darstellen und die anderen den Block der Beherrschten. Gerade in der SPD wird doch darüber diskutiert, welche Interessen die Partei hauptsächlich vertreten will, da gibt es Widersprüche zwischen der Parteibasis und der Parteispitze…

Frage: Kennen Sie einen Jürgen Z.?
Antwort: Natürlich, der hat ja im selben Haus gewohnt.

Frage: Haben Sie mit Herrn Z. zusammengearbeitet?
Antwort: Nein.

Frage (blättert in seinen Unterlagen): Kennen Sie eine Gruppe namens PL/PI?
Antwort: Ja, von dieser Gruppe habe ich gehört.

Frage: Waren Sie Mitglied dieser Gruppe?
Antwort: Nein.

Frage: Können Sie uns den Begriff 'demokratischer Zentralismus' erläutern?
Antwort: Wieso?

Frage: Haben Sie einmal ein Papier verfaßt 'Die Klassenanalyse unter Führung der M-L Organisation in Angriff nehmen' (vgl. ???)?
Antwort: Ja.

Frage: Sie wollten sich nur wissenschaftlich damit auseinandersetzen?
Antwort: ja.

Frage: Was halten Sie denn vom demokratischen Zentralismus, etwa wie er in der DDR gehandhabt wird?
Antwort: Wir sind zunächst einmal vom Begriff ausgegangen. Was in der Geschichte des Kommunismus daraus gemacht wurde, ist eine andere Frage."
Q: DOS Nr. 27, Dortmund 21.1.1974, S. 4ff

21.01.1974:
Der AStA der PH Dortmund gibt seine 'DOS' - Dortmunder Studentenzeitung Nr. 27 (vgl. 17.12.1973, 4.2.1974) mit 17 Seiten DIN A 4 unter der Redaktion von Ulrich Klimmek und Horst Delkus in einer Auflage von 1 000 Stück heraus.

Berichtet wird über einen Briefwechsel (vgl. 17.12.1973) zur letzten Abteilungskonferenz (AK - vgl. 12.12.1973) und aus Berlin von den Berufsverboten (BV - vgl. Jan. 1974).
Q: DOS Nr. 27, Dortmund 21.1.1974


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