Pädagogische Hochschule Dortmund: DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Jg. 3, Nr. 20, o. J. (1973)

21.05.1973:
Vermutlich in dieser Woche gibt der AStA der PH Dortmund seine 'DOS' - Dortmunder Studentenzeitung Nr. 20 (vgl. 9.4.1973, 27.6.1973) mit 17 Seiten DIN A 4 heraus.

Enthalten sind Artikel über eine Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums (WiMi) NRW vom 24.4.1973, eine Stellungnahme des Sekretariats des Projektbereichs Internationalismus (PBI) des VDS bezüglich der allgemeinen Situation am persischen Golf bzw. speziell bezüglich Oman und Dhofar (vgl. Mai 1973)

Zum 1.Mai heißt es:"
FASCHISMUS UND 1.MAI

Die Polizei nahm 51 Demonstranten vorläufig fest, nachdem zuvor – im Gegensatz zum Bonner Rathaussturm (vgl. 10.4.1973,d.Vf.) – diesmal unbewaffnete Demonstranten zum Teil mit Schlagstöcken brutal niedergeschlagen worden waren. Das NRW-Innenministerium, das 'noch nie solche Sicherheitsvorkehrungen getroffen' hatte, stoppte zudem rund zehn Busse mit KPD-Sympathisanten in Städten außerhalb des Reviers. In Gelsenkirchen, Witten und Kamen hielten sich linksradikale Kommunisten oder rechtsradikale 'Aktion-Widerstand'-Mitglieder (AW,d.Vf.) am Rande der Mai-Kundgebung auf (genau dieser Text findet sich auch in einem Faksimile eines Zeitungsartikels, vermutlich aus der 'WR', ist aber in keiner Weise als Zitat gekennzeichnet,d.Vf.).

Die Vorfälle am 1.Mai in Dortmund, über die schon in der SVV am Mittwoch, den 2.5.1973 und in einigen Flugblättern ausführlich berichtet wurde, zeigen, daß der Abbau demokratischer Rechte, hier insbesondere Demonstrations-, Rede- und Versammlungsfreiheit, von seiten des Staats verschärft vorangetrieben wird. Eine richtige Einschätzung der Ereignisse in Dortmund scheint uns die Resolution des Regionalen Mai-Komitees in Essen (vgl. S4f.5.1973,d.Vf*) zu geben:
'Die 1.Mai-Demonstration in Dortmund und anderen Städten der BRD, zu denen demokratische und kommunistische Gruppen aufgerufen hatten, sind verboten worden. Zur Begründung des Demonstrationsverbots der Gruppe 'Rote Fahne' (KPD) und der Gruppe 'Roter Morgen' (KPD/ML) heißt es, daß diese Organisationen zu einem 'kämpferischen 1. Mai' und gegen die arbeiterfeindliche Politik der Gewerkschaftsführung aufgerufen hatten.

Die politischen Anschauungen der Kommunisten, daß der bürgerliche Staat nur gewaltsam überwunden werden kann, wurde zum Verbotsgrund gemacht (vgl. Weyer in FAZ vom 30.4.1973).

Mit riesigen Polizeiaufgeboten wurde in Dortmund und anderen Städten versucht, jeden Protest gegen das Demonstrationsverbot niederzuschlagen.

Kommunisten wurden aus den gewerkschaftlichen Mai-Demonstrationen herausgegriffen, durchsucht und teilweise verhaftet. Die Polizei provozierte tätliche Auseinandersetzungen. Bei jeder Gelegenheit prügelten sie auf spontane Demonstrationsgruppen ein. Doch der Protest ließ sich nicht unterdrücken. Spätere Kundgebungen und Demonstrationen durchbrachen das Demonstrationsverbot. Der Protest muß weitergehen!'

Die zunehmende politische Unterdrückung findet ihren Ausdruck im verschärften Abbau demokratischer Rechte. Verschiedene Einzelmaßnahmen, die sich hier einreihen, der letzten Wochen, sind:
Hausdurchsuchungen in den Büros der Liga gegen den Imperialismus (Lgdi der KPD,d.Vf.) in mehreren Städten der BRD, Beschlagnahme von 'Beweismaterial' sowie Verhaftung von kommunistischen und anderen fortschrittlichen Menschen unter fadenscheinigen Gründen.

Wer glaubt, die Rathausbesetzung sei ausschließlich Ursache für all diese Maßnahmen gewesen, ist genau auf die Hetze der Presse gegen alle Gruppen, die links von den im Bundestag vertretenen Parteien stehen, hereingefallen. Die Bonner Rathausbesetzung der Gruppe 'KPD' am 10.4.1973 diente lediglich als Vorwand.

Weyer hat ein Demonstrationsverbot gefordert, das gegen alle Kommunisten gerichtet ist, gleich welcher Gruppierung sie angehören. Seit Monaten werden schon Verbotsanträge gegen einige kommunistische Organisationen wie Kommunistischer Bund Bremen (KBB), Gruppe 'KPD' und Gruppe 'KPD/ML' (Roter Morgen (KPD/ML-ZK,d.Vf.)) vorbereitet. Verschiedene Staatsanwaltschaften sind damit beauftragt worden, 'Beweismaterial' (Akten, Fahnen, Flugblätter etc.) zu sammeln, um auf ein baldiges Verbot hinzuarbeiten.

Die von der Regierung angestrebten Maßnahmen richten sich nicht nur gegen Kommunisten, sondern gegen jeden, der bei einer Demonstration versucht, mittels eines Megaphons oder eines Lautsprecherwagens zu agitieren (s. Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ,d.Vf.) vom 4.5.1973 (vgl. NRW - 3.5.1973,d.Vf.).

Am Tag der Rathausbesetzung empfing Bundespräsident Heinemann den Völkermörder Thieu in Bonn. Gegen diesen Besuch, der eine Provokation für alle fortschrittlichen Menschen darstellte, wurden verschiedene Demonstrationen durchgeführt. Anläßlich dieser Aktion hat eine Gruppe von Demonstranten, vorwiegend Mitglieder der Gruppe 'KPD', überraschend das Rathaus besetzt, verbunden mit einem Ultimatum, vermutlich an die Bundesregierung gerichtet, das die Aufhebung der Einreiseverbote gegen Vertreter der indochinesischen Völker und die sofortige Abreise Thieus forderte.

Hier wurde der Regierungssitz einer Kommune besetzt - nicht durch empörte Stadtbewohner, sondern durch angereiste Vertreter einer Organisation, die sich 'KPD' nennt, diese Besetzung ausdrücklich als die ihre proklamiert, der Regierung ein Ultimatum stellt und sich aufspielt, als wolle sie die Machtfrage stellen.

Wenn gewisse Leute innerhalb der kommunistischen Bewegung nicht begreifen können, daß die Kommunisten von sich aus und jenseits der Massenaktionen keine Politik der physischen Konfrontation mit der bürgerlichen Staatsmacht betreiben, dann gehören sie in den politischen Kindergarten.

Etwas anderes ist es, wenn in spontanen Massenbewegungen, z.B. bei Straßenbahndemonstrationen der Polizei Widerstand geleistet wird. Bleibt eine Massensolidarisierung und Massenmobilisierung aus, so ist es politisch sinnlos und schädlich, solche Widerstandsaktionen durchzuführen.

Obwohl wir die Bonner Rathausbesetzung für politisch falsch und schädlich halten, solidarisieren wir uns mit denen, die unter dem Vorwand dieser Aktion verfolgt und verhaftet werden.

Für Meinungs- und Demonstrations- und Versammlungsfreiheit!
Gegen politische Unterdrückung in Betrieb, Schule und Hochschule!
Weg mit dem KPD-Verbot!"

Nachgedruckt wird auch der erwähnte Artikel aus der 'SZ' und in einem weiteren Beitrag heißt es:"
POLIZEITERROR UND SEINE HINTERGRÜNDE

Seit der Fertigstellung des vorliegenden Artikels zur verbotenen 1.Mai-Demonstration der 'KPD' fanden der Abbau der demokratischen Rechte und die Illegalisierung kommunistischer Gruppen einen neuen Höhepunkt in den Vorfällen am 18. und 19.Mai.

Was ging dem offensichtlichen Polizeiterror voraus? Für den 18. und 19.Mai waren in Dortmund zwei Demonstrationen angemeldet worden. Die Demonstration am Freitag, dem 18.5., richtete sich gegen die Einschränkung der Demonstrations- und Meinungsfreiheit, wie sie z.B. in dem Verbot der 1. Mai-Demonstration der 'KPD' sichtbar geworden war, und wurde vom regionalen Komitee gegen das Demonstrationsverbot organisiert. Diesem Komitee gehörten bis dahin die Kommunistische Fraktion (KFR,d.Vf.), Arbeiter-, Schüler- und Studentengruppen an. Die 'KPD' und 'KPD/ML' hatten die Teilnahme an dieser Demonstration abgelehnt. Stattdessen veranstaltete die 'KPD' eine gesonderte Kundgebung gegen die Demonstrationsverbote vor der geplanten Demonstration des Komitees.

Die 2. Demonstration, am Samstag, dem 19.5. war gegen den Besuch Breschnews gerichtet und wurde von den Gruppen 'KPD' und 'KPD/ML' getragen. Beide Demonstrationen wurden verboten.

Man versuchte diese Verbote durch den massiven und überaus unberechtigten Einsatz von Polizei- und Bundesgrenzschutzkräften (BGS,d.Vf.), der in keinem Verhältnis zur Zahl der Demonstranten stand, durchzusetzen. Die Presse spricht von 4 000 eingesetzten 'Ordnungshütern', doch muß nach Augenzeugenberichten die Zahl erheblich höher eingeschätzt werden. Kennzeichnend für den Polizeiterror waren die Richtlinien, die der Polizeipräsident und Einsatzleiter Riwotzki ausgegeben hatte. Parolen, wie z. B. 'Knüppel frei', und der Wille, durch massenhafte Festnahmen die Innenstadt zu entvölkern (Zitat dem Polizeifunk entnommen: Festnehmen, was festzunehmen ist!), gaben jedem 'Schützer' der Bevölkerung das Recht, ihm verdächtige Personen, d.h. potentielle Demonstranten, willkürlich und unter Einsatz aller Machtmittel zu verhaften, und gegebenenfalls vorher kurz einmal zusammenzuschlagen. Daß dabei hauptsächlich Passanten getroffen wurden, störte die Polizei sehr wenig, was allerdings zur Folge hatte, daß große Teile der Bevölkerung sich mit den Demonstranten solidarisierten und sich zu zahlreichen Diskussionen bereitfanden. Die Festgenommenen wurden unter gesetzwidrigen Bedingungen festgehalten, und selbst ein Gespräch mit einem Rechtsanwalt wurde ihnen nicht gestattet.

Um das Vorgehen der Polizei während der beiden Demonstrationen richtig einschätzen zu können, muß man neben der Auswertung der Vorgänge am 18., 19. 5. und der Verbotsbegründung des Polizeipräsidenten auch die vorbereitende und begleitende Hetze der Landes- und Bundesregierung und der Zeitungen beachten. Für die Verbotsbegründung gegen die Demonstration des Komitees gegen die Demonstrationsverbote mußte die Behauptung herhalten, daß 'KPD'-Mitglieder und -Sympathisanten an dieser Demonstration teilnehmen könnten und damit eine Gefährdung der 'öffentlichen Sicherheit und Ordnung' gegeben sei. Außerdem wird gesagt, daß im Komitee die Kommunistische Fraktion im Ruhrgebiet mitarbeitet, die die Revolution anstrebt und somit der 'KPD' gleichzusetzen ist. Diese beiden Begründungen lassen sich letztlich auf jede demokratische und kommunistische Demonstration anwenden, da an jeder Demonstration Mitglieder und Sympathisanten der 'KPD' teilnehmen können und alle Kommunisten letztendlich eine Revolution anstreben.

Der 1.Grund zeigt, daß erste Ansätze einer Beschneidung der freien Meinungsäußerung vorhanden sind, der 2., daß versucht wird, die Verbotsdrohung gegen die 'KPD' auf alle kommunistische Organisationen auszudehnen. Unterstützt wird diese Ausage durch die Äußerungen der Presse und Mitglieder der bürgerlichen Parteien, die immer mehr dazu übergegangen sind, nicht mehr das Verbot der 'KPD', sondern das der 'Maoisten', also der kommunistischen Organisationen, die nicht der D'K'P (DKP,d.Vf.) nahestehen, und in letzter Zeit verstärkt das Verbot der D'K'P einbeziehen.

Es muß eindeutig festgestellt werden, daß diese Verbotsdrohungen nicht aufgrund einer einzelnen und sinnlosen Aktion, wie es der Bonner-Rathaussturm war, ausgesprochen wurden, sondern aufgrund der sich in den letzten Jahren immer mehr verstärkenden Kämpfe der Arbeiterklasse. Zunehmende Arbeitshetze im Betrieb, brutale Rationalisierungsmaßnahmen, Massenentlassungen, allgemeine Teuerung, zunehmende Umweltverschmutzung und Erkrankungshäufigkeiten - es sind in erster Linie gar nicht die linken Studenten, sondern die Arbeiter selbst, die sich gegen diese Auswirkungen unseres Systems wehren. Von den Septemberstreiks 1969 bis hin zu den spontanen Streiks bei Mannesmann (MM, IGM-Bereich in Duisburg - vgl. 28.2.1973,d.Vf.) und Hoesch (IGM-Bereich in Dortmund - vgl. 8.2.1973,d.f.) ist in der Arbeiterklasse eine Bewegung entstanden, die für den kapitalistischen Staat tausendmal gefährlicher ist als eine verzweifelte Rathausbesetzung in Bonn. Darum, weil die Gefahr besteht, daß die kommunistischen Organisationen den Arbeitern in verstärktem Umfang diese Probleme durchsichtig machen können und die Gefahr besteht, daß die Arbeiter durch diese größere Information das bestehende System immer mehr in Frage stellen und dagegen angehen, sieht es das Kapital als notwendig an, die kommunistischen Organisationen zu verbieten. Um eine breite Solidarisierung aller Organisationen zu verhindern, werden diese Verbote nicht auf einen Schlag gegen alle ausgesprochen. Durch die einzelne Behandlung der Gruppen wird zudem die Möglichkeit geschaffen, das Verbot der folgenden propagandistisch vorzubereiten.

Darum, weil hier eindeutig mit fadenscheinigen Gründen das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird und eine politische Opposition ausgeschaltet werden soll, ist es nötig, daß sich alle Demokraten, Sozialisten und Kommunisten dagegen wehren.

Wir möchten euch auffordern, an den Sitzungen des Hochschulkomitees des neukonstituierten regionalen Komitees gegen das Demonstrationsverbot teilzunehmen und es aktiv zu unterstützen! Dieses Komitee erarbeitet eine Arbeitsgrundlage, die eine möglichst breite Aktionseinheit ermöglichen soll.

KOMMT ZU DEN SITZUNGEN DES HOCHSCHULKOMITEES!
KAMPF DER EINSCHRÄNKUNG DER DEMONSTRATIONS- UND MEINUNGSFREIHEIT!
Q: DOS Nr. 20, Dortmund o.J. (1973)


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