Pädagogische Hochschule Dortmund: AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 12, o. J. (Juni 1972)

12.06.1972:
Der AStA der PH Dortmund gibt vermutlich in dieser Woche seine 'AStA-Information - DOS (Dortmunder Studentenzeitung) Nr. 12 (vgl. 9.6.1972, 21.6.1972) mit acht Seiten DIN A 4 und folgendem Inhalt heraus:
1. Zur Geschichte der verfaßten Studentenschaft
2. Das Gesamthochschulentwicklungsgesetz
3. Das Semesterprogramm des neuen AStA

Der Diskussionstreff der GEW-AG findet nun, immer noch in der Soz.-Forsch. Raum 24 aber Monatgs um 18 Uhr statt. Die anderen Termine sind unverändert, nur ein ESG Jour Fix der ESG wird nicht mehr erwähnt. Neu ist der Hinweis auf das täglich von 11 bis 13 Uhr geöffnete GEW-Büro.

In den beiden ersten Artikeln heißt es zur VS:"
1.) ZUR GESCHICHTE DER VERFASSTEN STUDENTENSCHAFT (vgl. RPK Nr.170 (u.a. des KSV der KPD - vgl. 2.6.1972,d.Vf.))

Eine verfaßte Studentenschaft gibt es bereits seit 1920. Der Relevanz halber möchten wir uns hier auf die Geschichte nach 1945 beschränken.

Die ersten Studentenparlamente wurden nach dem 2.Weltkrieg von den Alliierten EINBERUFEN. Diese sahen in der studentischen Selbstverwaltung eine Möglichkeit, dem Faschismus in der BRD entgegenzuwirken (gemeint war aber nur der Faschismus nationalsozialistischer und hitlerischer Prägung).

Mit der Einsetzung der Studentenparlamente wollten die Besatzungsmächte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Auf der einen Seite sollten die Studenten 'demokratische Verhaltensweisen erlernen'. Auf der anderen Seite intendierte man aber, daß die Studenten ihre Kraft in die Gremien investieren und damit ihre Aktivitäten auf den Hochschulbereich beschränken würden.

Die Beschränkung der studentischen Arbeit auf die Hochschulpolitik bedeutet aber, daß gesamtgesellschaftliche Vorgänge von den Studenten nicht genügend reflektiert werden. Dadurch wird das kapitalistische System nur gestützt.

Daß die Hochschule nur als Absaugkanal für 'demokratische Bedürfnisse' gedacht war, hat sich klar gezeigt: Sobald die Studenten kritisch zu politischen Ereignissen in der Welt Stellung nahmen, wurde ihnen das Recht darauf abgesprochen mit der Begründung, die verfaßte Studentenschaft habe kein politisches Mandat.

Das Zunehmen von sozialistischen und fortschrittlichen Organisationen innerhalb der Studentenschaft gab den Herrschenden zu denken.

Sie fürchten die studierende Intelligenz als einen der wichtigsten stabilisierenden Faktoren des bestehenden Systems zu verlieren.

Damit war der verfaßten Studentenschaft eindeutig ein politisches Mandat zugesprochen - aber im Sinne der Herrschenden.

2.) DAS GESAMTHOCHSCHULERRICHTUNGSGESETZ UND SEINE AUSWIRKUNGEN

Nach diesem kurzen Abriß der Geschichte der verfaßten Studentenschaft ist es notwendig, klarzumachen, weshalb die Ministerialbürokratie ein Interesse an der Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft hat und diese auch bereits in einigen Bundesländern abgeschafft hat.

Mit der zunehmenden Politisierung der Studenten - resultierend aus der Einsicht, daß in dieser Gesellschaft etwas faul ist - wurden die Studentenparlamente und ASten Kampfmittel gegen die Unterdrückung seitens Ministerialbürokratie etc.

Man versucht jetzt die Studenten in möglichst viele Gremien und Kommissionen hineinzubekommen, damit sie dort ihre Kraft verschwenden. Man isoliert diese Studenten von der Masse der Studenten, zu denen die Organe der verfaßten Studentenschaft noch direkten Kontakt haben. Eine Abwehrmaßnahme also einer Herrschaft, die sich bedroht fühlt. Wie die weiteren Maßnahmen aussehen zeigt unter anderem folgender Artikel über das Gesamthochschulerrichtungsgesetz (GHEG).

Das GHEG ist die Krönung der Bildungsreform an den Hochschulen. Es reiht sich nahtlos ein in die Gesamttendenz der Hochschulgesetzgebung.

Eine isolierte Betrachtung des Gesetzestextes ist wenig sinnvoll. Wichtiger ist die Untersuchung der Inhalte dieser Politik und die Offenlegung ihres Charakters. Wesentlich sind die Mechanismen (Numerus Clausus, Studienberatung, Verfahren bei Neugründungen), die die Verwirklichung der staatlichen Bildungsreform gewährleisten sollen.

Bei der Betrachtung des GHEG ist es wichtig, die Erfahrungen anderer Bundesländer heranzuziehen.

In Berlin und Baden-Württemberg wurden solche Vorschaltgesetze dazu benützt, die verfaßte Studentenschaft zu zerschlagen. Begründung: Die Studenten sind in allen Gremien vertreten, ergo erübrigt sich die Studentenvertretung in der bisherigen Form. Auch in NRW muß ständig mit der Zerschlagung der verfaßten Studentenschaft gerechnet werden, ist der Minister befugt, solche Fragen per Erlaß zu regeln (Paragraph 18 GHEG).

Wie solche Gesetze zustande kommen, zeigt das GHEG mustergültig. Nach einem Hearing (vgl. S3.**.197*,d.Vf.) aller Beteiligten (Professoren, Studenten, Assistenten etc.) über die Gesetzesvorlage holte Herr Rau aus der Schublade einen neuen Entwurf und ließ ihn vom Landtag verabschieden (vgl. S4.**.197*,d.Vf.). Das alles innerhalb von wenigen Wochen. Soetwas nennt man dann 'demokratische Willensbildung'. Das sei allen Verfechtern der Mitbestimmungsideologie ins Stammbuch geschrieben.

Kommen wir nun zum Begriff 'Gesamthochschule':

Die formale Klassifizierung von FH (FHS,d.Vf.), PH und UNI wird abgeschafft. Was kommt??

Abgestufte Studienabschlüsse, Trennung von praxis- und forschungsorientierten Studiengängen, Kurzstudium von sechs Semestern für die Masse der Studenten.

Das heißt bei Rau (man möge ihn nicht verteufeln, wärs er nicht, wärs ein anderer Handlanger der Industrieinteressen) 'die Kapazitäten wirtschaftlich verwenden'.

Was verändert sich also?

Das Firmenschild! - Und die Möglichkeit der zentralen Steuerung für die Interessen der Kapitalseigner. Die wird besser!

Die Berufung auf gesamtgesellschaftliche Interessen ist in diesem Zusammenhang ein Hohn. Die Ware Arbeitskraft - in diesem Fall die der technischen und geistigen Intelligenz - optimal einzusetzen, ist erst dann im Interesse der Gesamtgesellschaft, wenn die Profite der Gesamtgesellschaft zu gute kommen und nicht einigen wenigen Kapitaleigentümern.

Kommen wir nun zum Stichwort: ZENTRAL.

Zentrale Studienberatung und zentrales Studienplatzverteilungsverfahren.

Genau wie der NC werden diese Maßnahmen zur Reglementierung und Bedarfsregelung eingesetzt. In diesem Zusammenhang weisen wir auch auf das Ordnungsrecht hin, das in Bayern bereits existiert.

Die Studienberatung ist verpflichtend für alle Studenten. Bei dieser Studienberatung wird den Studenten der Studiengang empfohlen, für den sie 'qualifiziert' sind. Der wird dann auch eingeschlagen.

Das zentrale Studienplatzverteilungsverfahren ist für die Fachhochschüler bereits Realität. Der umfassende Überblick über alle Hochschulen verschafft der Industrie besten Überblick und die Möglichkeit der Steuerung.

Die Aussicht für Neugründungen von Gesamthochschulen - wie es in Dortmund der Fall sein wird - ist erfreulich. Die Hochschule braucht sich keine Studienordnung zu erarbeiten. Die wird nämlich vom Minister zentral verordnet und dann zwei Jahre lang nicht geändert werden. Welche Aufgabe hat der Gründungssenat?

Die Verordnungen auszuführen! Denn neben der Studienordnung erläßt der Minister unter den gleichen Bedingungen die Verfassung der Hochschule.

Über Paritäten braucht hier kein Wort verloren zu werden. Stellen die Studenten 25% im Gründungssenat, so liegt das an den günstigen örtlichen Verhältnissen. Im Normalfall sind es weniger.

Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, das Modell der INTEGRIERTEN Gesamthochschulen sei abzulehnen. Unter integrierter Gesamthochschule ist nämlich nicht nur die formale und verwaltungsmäßige Kooperation zwischen den einzelnen Hochschulen, wie Fachhochschulen, PH's und Unis zu verstehen.

Wir wollen aber klarmachen, daß dieses Modell in unserer Gesellschaft nicht zu verwirklichen ist, da es nicht den Interessen der herrschenden Klasse entspricht. Die jetzt konzipierte Gesamthochschule befriedigt das Interesse der Industrie, nicht das der Bevölkerung.

Was müssen wir aus solchen Hochschulgesetzen lernen?

Diese Hochschulreform im Dienste unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist nicht durch Arbeit in Gremien oder Kommissionen zu unterlaufen.

Das haben die Erfahrungen gerade mit diesem Gesetz gezeigt. Die Arbeit, die im Moment zu leisten ist, liegt in der Aufklärung über den Charakter der Bildungsreform, die uns zur Zeit geboten wird. Sie ist auch nicht zu trennen von anderen Vorgängen in der Gesamtgesellschaft.

Ein Ordnungsrecht an der Hochschule, der Friedensparagraph im Betriebsverfassungsgesetz (BVG,d.Vf.) und der Aufbau des Grenzschutzes (BGS,d.Vf.) zur Innenarmee, die Errichtung von bundeswehreigenen Hochschulen (BWHS,d.Vf.) - das alles ist nicht voneinander zu trennen. Das geschieht nicht nur zufällig zeitlich gleich.

Das ist eine Tendenz und eine Intention.

Eine Herrschaft, die sich bedroht fühlt und ihren Anspruch nicht mehr rechtfertigen kann, wehrt sich - und zwar mit allen Mitteln."

Bekanntgegeben durch den AStA und die Gruppen PGH und GEW-AG das:"
SEMESTERPROGRAMM DES ASTA

Die Funktion und die Aufgaben der Arbeit im AStA werden bestimmt durch verschiedene Faktoren.

Eine wichtige Rolle spielen die Hochschulgruppen, insbesondere ihre Analysefähigkeit und ihre Praxis als Gruppe, sowie das Verhältnis zwischen Gruppe und AStA. Hochschulpolitik ist nur im Hinblick auf die Entwicklung innerhalb der Gesellschaft möglich. Die Bestimmung der Hochschulpolitik erfolgt zum großen Teil durch Analyse des Charakters der Hochschule innerhalb der Gesellschaft, wobei eine der zentralen Fragen die nach dem Stand und dem Charakter des Klassenkampfes ist.

Es gilt, jede Unterdrückungsmaßnahme in die Entwicklung des gesellschaftlichen Widerspruchs einzuordnen. Dies, sowie die Konsequenzen und Alternativen, sollen den Studenten in einer breiten Informationsarbeit vermittelt werden. Diese Informationsarbeit wird vertieft durch die Studienbegleitung, in der vordringlich hochschul- und studienspezifische Probleme in Bezug auf ihre Bedeutung für die Interessen der Studenten und auf ihre Funktion und ihre Relevanz in der gesellschaftlichen Situation untersucht und vermittelt werden.

Aus der spezifischen Situation an der Hochschule ergeben sich Konsequenzen bei der Massenarbeit, denn sie muß bei den Interessen und Bedürfnissen der Studenten ansetzen, diese im Blick auf die Gesellschaft analysieren, sie vertreten und befriedigen und eine Perspektive aufzeigen.

Grundsätzliche Zusammenarbeit mit allen linken Gruppen, d. h. ein Optimum an Zusammenarbeit unter diesen Gruppen soll angestrebt werden.

KONKRETION DER EINZELNEN AUFGABEN

1.) Informationspolitik
a) DOS
Die Vermittlung von Informationen und Hintergründen hat im letzten AStA eine wichtige Rolle gespielt. Mit DOS ist ein Organ geschaffen worden, das von den Studenten anerkannt und gelesen wird. Es wird darauf ankommen, bereits herausgegebenen Informationen weitere Erläuterungen und Hintergründe anzufügen. Durch die Neugründung des Studienreferates sollte DOS in Zukunft mehr zur Ausbildungs- und Berufsproblematik bringen, diese in die gesellschaftlichen Verhältnisse einordnen und in einen Zusammenhang bringen.

Hierbei wird es notwendig sein, sich eingehender mit der Hochschulgesetzgebung und ihrer Analyse zu beschäftigen.

Des weiteren sollte versucht werden, mit den Lesern in direkten Kontakt zu kommen.

b) Pressereferat
Eine Archivierung eingehender Informationen ist unbedingt notwendig. In bestimmten Fragen soll auf bereits bestehende Stellungnahmen o.ä. zurückgegriffen werden.

Eine weitere Aufgabe ist die Sammlung und Weitergabe von Informationen an die einzelnen AStA-Referenten und an DOS.

Weiterhin ist die Kontaktaufnahme mit anderen Hochschulzeitungen (BSZ (an der RUB Bochum,d.Vf.) etc.) und mit der örtlichen Presse (z.B. Initiativkreis Kritische Presse) notwendig.

Um die kontinuierliche Arbeit des Pressereferates nicht zu gefährden, etwa durch Krankheit, Tagungen etc., übernimmt das Redaktionskollektiv der DOS die Vertretung der Pressereferentin.

2. Überregionale Arbeit
Eine engere Zusammenarbeit mit den Hochschulen im Geamthochschulbereich Dortmund sowie mit der Ruhruniversität Bochum muß angestrebt werden.

3. Die Vorsitzenden
Neben der überregionalen Vertretung gehören zu den Aufgaben der Vorsitzenden die Koordinierung der AStA-Arbeit und die Vertretung der AStA-Politik vor SV und SK.

Da in die Legislaturperiode dieses AStA und der Umzug der PH fällt, und aus diesem Grund mit zahlreichen Schwierigkeiten zu rechnen ist (Verkehrs- und Neubaufragen) erscheint es notwendig, daß sich die Vorsitzenden dieser Aufgabe widmen.

Aufgrund der im letzten Jahr gesammelten Erfahrungen ist es angebracht, daß diese Aufgaben von den Vorsitzenden wahrgenommen wird, da von Seiten der Verwaltung in der Regel nur Vorsitzende als Kompetente erachtet werden.

4. Finanzreferat
Vorrangige Aufgaben des Finanzreferenten sollen sein:

1.) Erstellung der Haushaltspläne in Zusammenarbeit mit dem gesamten AStA
2.) Die Buchführung jederzeit überprüfbar zu halten
3.) Forcierung der endgültigen Abrechnung der letzten Haushalte durch den Kanzler.

Zahlungsweisen sind vom 1. Vorsitzenden und von dem Finanzreferenten zu unterzeichnen.

5. Das Studienreferat
Das Studienreferat sollte am stärksten innerhalb der Studentenschaft verankert sein. Es nimmt Aufgaben wie Studienvorbereitung (Sonderprüfung, Information der Oberschüler), Studieneinführung, Studienablauf (Zusammenarbeit mit Studienkollektiven, Tutoren etc.) wahr.

Verstärkt sollte versucht werden, die Studenten zur inhaltlichen Kritik der Lehrinhalte zu befähigen. Diese Aufgaben sind selbstverständlich nur leistbar in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Gruppen, die den AStA tragen.

Da die verschiedenen Arbeitsgebiete nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, wird keine schematische Trennung vorgenommen.

Der Finanzreferent ist - soweit es seine Aufgaben zulasssen - Mitarbeiter im Studienreferat.

6. Sozialreferat
Das Sozialreferat setzt sich in erster Linie mit den sozialen und materiellen Bedürfnissen der Studenten auseinander. Dazu gehört in Zukunft auch die Wohnungs- und Jobvermittlung.

Weiterhin wird die studentische Sozialgesetzgebung etc. analysiert und weitergegeben werden.

7. Grundsatzfragen
Lösung AStA-interner Differenzen geschieht durch Diskussion nicht durch Abstimmung.

Es finden regelmäßige AStA-Sitzungen statt.

Außenvertretung des AStA und bindende Absprachen des Gesamt-AStA werden nur durch imperatives Mandat wahrgenommen. Die Art des Votums des Mandatsträgers legt die AStAsitzung fest.

Kommt kein Kompromiß zustande, werden beide beteiligten Gruppen den AStA auflösen."

Aufgerufen wird:"
Kommilitoninnen! Kommilitonen!

Die Verwaltung der PH bat uns, Euch folgendes bekanntzugeben:

Die Räume der PH in der Kreuzstraße sind von der Stadt Dortmund angemietet.

Die Stadt hat jetzt Geldforderungen wegen ungebührlicher Abnutzungen in den Räumen an die PH gestellt.

Brandlöcher im Fußboden und Fensterrahmen sind Punkte der Beanstandung.

Die Verwaltung bittet alle Studenten in Zukunft darauf zu achten, daß solche Schäden im erträglichen Maß bleiben. Wir meinen, kein Student erleidet Schaden, wenn er seine Zigarettenkippen in einen Behälter wirft und den Fußboden oder die Fensterrahmen verschont."
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr. 11 und Sdr. Nr. Einführung in das PH-Studium, Dortmund o. J. (Juni 1972) bzw. o. J. (1972), o .S. bzw. S. 23


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