Pädagogische Hochschule Dortmund: AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung, Nr. 11, o. J. (Mai 1972)

02.05.1972:
Der AStA der PH Dortmund gibt vermutlich frühestens heute seine 'AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung' Nr. 11 (vgl. 24.4.1972, 9.6.1972) mit sieben Seiten DIN A 4 heraus.

Die regelmäßigen Termine von ESG, PGH und GEW sind unverändert, abgesehen von der Umbenennung des AK Heilpädagogen in Heilpädagogen AG und der Umlegung des AK Politische Sozialisation auf Donnerstag, 14 Uhr im ESG-Heim. Bekanntgegeben wird der Wahltermin in der Fächergruppe VI (vgl. 10.5.1972).

Im ersten Artikel heißt es zu den BV:"
BERUFSVERBOTE IN DER BRD

In den letzten Jahren häufen sich in der Bundesrepublik die Fälle, wo Lehrer, Juristen, Assistenten, Professoren usw. sowohl als Angestellte als auch als Beamte nicht in den öffentlichen Dienst (ÖD) aufgenommen werden bzw. wieder entlassen werden. Nicht nur Mitglieder und Sympathisanten sozialistischer Gruppen sondern auch Teilnehmer an Demonstrationen, sog. 'Demonstrationstäter' und Leute, die sich sonst irgendwie verdächtig gemacht haben, werden an Schulen und Universitäten diszipliniert.

Dem Berufsverbot ähnliche Maßnahmen werden auch in den Betrieben getroffen (siehe auch das neue Betriebsverfassungsgesetz (BVG - vgl. 10.11.1971,d.Vf.), das den 'Arbeitsfrieden' sichern soll).

Arbeitgeberverbände legen 'schwarze Listen' von Kommunisten und fortschrittlichen Gewerkschaftern an. Kollegen, die sich bei Streiks hervorgetan haben, werden unter fadenscheinigen Gründen diffamiert, isoliert, versetzt und entlassen.

ANPASSUNG ODER RELEGATION HEISST DIE DEVISE!

Hier einige Beispiele für Disziplinierungsmaßnahmen:
Schur (Duderstadt - vgl. S2.**.197*,d.Vf.)) wurde als Vertrauenslehrer für einen Artikel in der Schülerzeitung verantwortlich gemacht; Sahm (Burgdorf (vgl. S2.**.197*,d.Vf.)) verteilte gesellschaftskritische Flugblätter an seine Schüler; Pauen (Viersen (vgl. S2.**.197*,d.Vf.) führte das Buch 'Sexualinformationen für Jugendliche' von Claessons in den BERUFSschulunterricht ein.

Diese Beispiele zeigen eindeutig, daß nicht nur die Organisation in einer sozialistischen Partei oder Gruppe oder die offensichtliche Distanzierung vom Grundgesetz (GG,d.Vf.) für eine beliebige Disziplinierung entscheidend sind.

GRUNDGESETZ IST ZUR FARCE GEWORDEN!

Wo die Kriminalisierung von Demokraten oder Sozialisten nicht gelingt, und ihnen auch sonst nichts in ihrem Beruf nachzuweisen ist, genügt der bloße Verdacht auf mangelnde Verfassungstreue, um die Einstellung zu verwehren oder die Entlassung zu bewirken.

Daß schon Zweifel daran genügen, hat Brandt (SPD - vgl. S3.*.1972,d.Vf.) in einer kürzlich abgegebenen Erklärung ganz deutlich zum Ausdruck gebracht.

Helmut Kohl (CDU), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz (vgl. S3.*.1972,d.Vf.), schlug vor, Lehrer sollten schriftlich erklären, daß sie sich auf 'die freiheitlich demokratische Grundordnung' (FdGO,d.Vf.) stellten. Die Ministerpräsidenten der Länder nahmen diesen Vorschlag dankbar an.

Mit dieser Erklärung, die die Lehrer abgeben sollen, werden sie an einen 'Gummiparagraphen' geknebelt, der mit Leichtigkeit jederzeit später gegen sie ausgelegt werden kann.

Es erweist sich also heute als eine Illusion, auf juristischem Wege mit Berufung auf das Grundgesetz sich vor irgendwelchen Disziplinierungsmaßnahmen schützen zu wollen.

Innenminister Genscher hat bereits eine VERFASSUNGSÄNDERUNG in Erwägung gezogen, um das an sich VERFASSUNGSWIDRIGE VORGEHEN DER REGIERUNG ZU LEGITIMIEREN.

Benda (CDU (vgl. S3.*.1972, S3.*.1972d.Vf.)), der ebenfalls eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen hat, ist zum Verfassungsrichter ernannt worden.

Der Staat, der eindeutig die Interessen der Herrschenden vertritt, geht so mit seiner Verfassung um, wie er es für seine volksfeindliche Politik gerade braucht.

INDUSTRIE UND MILITÄR AUF DEM VORMARSCH IN UNSEREN SCHULEN

Die Regierung hat längst erkannt, daß Erziehung nicht unpolitisch ist, wie es von vielen Erziehern heute noch geglaubt und gelehrt wird. Obwohl die Regierung gerade im Schulbereich die Ideen von Pluralismus und Demokratie propagiert, zeigt sich deutlich, daß die vorgeschriebenen Lehrinhalte die Schüler zu einem kritiklosen Übernehmen der jetzigen Gesellschaftsordnung zwingen. Z.B. zeigt sich dies daran, daß der Lehrer dazu verpflichtet ist, den Schülern im Wehrkundeunterricht (WKE,d.Vf.) die 'Notwendigkeit des Wehrdienstes' zur Landesverteidigung einsichtig zu machen. Im Fach Wirtschafts- und Arbeitslehre wird besonders deutlich wie die Lehrinhalte an den Interessen der Industrie orientiert sind.

Somit bleibt dem Lehrer keine Wahl mehr bei der Entscheidung, ob er die Schüler für die Interessen des Kapitals oder für die der Arbeiterklasse als der Masse aller Lohnabhängigen erzieht."

Zu den BV wird auch ein Zeitungsartikel über die SPD (vgl. 21.1.1972) verbreitet.

Zum KSV der KPD heißt es:"
DIE LAGE DES KSV IN DORTMUND

Verschiedene Teach-Ins und Publikationen, auf und in denen sich der Kommunistische Studentenverband (KSV) mit dem Projektbereich Gesamthochschule (PGH) auseinandersetzte, veranlassen uns, die Lage des KSV, die Entwicklung seiner Arbeit in Dortmund näher zu betrachten. Gedacht als Diskussionsbeitrag innerhalb der Auseinandersetzung, die unter den Linken stattfindet, kann dieser Artikel aber auf einige Richtigstellungen nicht verzichten.

Ende des Sommersemesters 1971 (vgl. Juli 1971,d.Vf.) versucht der KSV (Berlin-West) seine Arbeit im Ruhrgebiet aufzunehmen. Schwerpunkte sind die RU Bochum (RUB,d.Vf.) und die PH Dortmund. In Dortmund sucht der KSV erste Kontakte mit dem PGH. In mehreren Diskussionsrunden werden inhaltliche Auseinandersetzungen geführt. Eine wesentliche Kritik des PGH setzt an bei der vom KSV behaupteten Notwendigkeit des Sozialistischen Studiums in der gegenwärtigen Situation.

Im Sozialistischen Studium soll der Student für eine revolutionäre Berufspraxis ausgebildet werden. Es ist leicht einzusehen, was mit den Intellektuellen geschieht, die an ihrem Arbeitsplatz 'revolutionäre Berufspraxis' ausüben wollen, ebenso mit denen, die sich im Studium eine derartige Qualifikation aneignen wollen.

Sie sind für die Bourgeoisie nicht brauchbar und auf dem Markt für wissenschaftlich qualifizierte Arbeitskräfte werden sie vielleicht als Exoten bestaunt, aber nicht eingestellt.

Diese Kritik konnte nicht entkräftet werden. Inzwischen hat der KSV Konsequenzen gezogen. Das Sozialistische Studium wurde zu Beginn des Sommersemesters 1972 gestrichen.

Anläßlich des 1.Mai 1972 fand die Diskussion zwischen KSV und PGH ihre Fortsetzung. Auf dem Teach-In des KSV (vgl. 24.4.1972,d.Vf.), zu dem der PGH aufgefordert worden war, zu erscheinen, fand jedoch eine Auseinandersetzung zwischen den Marxisten-Leninisten (vermutlich KSB/ML der KPD/ML-ZK,d.Vf.) und dem KSV statt. Dieses wieder einmal auf einem Niveau, das für die Masse der Studenten unerreichbar war.

In der Zeitung 'Dem Volke Dienen' (DVD - vgl. Berlin Apr. 1972,d.Vf.) findet sich nun einiges über den PGH, das der Korrektur bedarf. Doch zunächst mal zum Titel der Zeitung.

Der Begriff 'Volk' hat in jeder Entwicklungsstufe eine andere Bedeutung. Der KSV macht nur dunkle Andeutungen zur konkreten Bedeutung der Parole.

Die Parole 'Dem Volke Dienen' kann ihren kämpferischen Inhalt erst im Stadium entfalteter Klassenkämpfe gewinnen, in einer wirklichen Bewegung aller im antagonistischen Widerspruch zur Bourgeoisie stehenden Teile der Bevölkerung.

Doch nun zum Artikel in genannter Zeitung mit der Überschrift 'Aktivitäten des KSV'. In diesem Artikel tauchen einige Unwahrheiten auf, die hier richtiggestellt werden sollen.

Es wird behauptet, der PGH habe die Diskussion mit dem KSV gescheut. Das wundert uns, denn die Diskussion, die zu Beginn des Sommersemesters 1971 (oben war noch vom Ende des Semesters die Rede,d.Vf.) begonnen hatte, wurde vom KSV abgebrochen.

Aus Scheu vor der Diskussion seien Genossen des KSV daran gehindert worden, an der Erstsemesterfreizeit (vgl. S6.**.197*,d.Vf.) teilzunehmen. Wir haben den Genossen klargemacht, daß eine solche Freizeit nicht der Ort für eine ideologische Auseinandersetzung zweier Gruppen ist. Dazu stehen wir immer noch.

Die Plenumsdiskussion, von der der KSV schreibt, hat nicht stattgefunden, weil der KSV anfänglich von einer solchen Diskussion nichts wissen wollte.

Dem PGH einen reformistischen Charakter zu unterstellen, ist einfach. Den Beweis für diese Unterstellung ist uns der KSV bislang schuldig geblieben.

Wenn der KSV schreibt, er habe einen großen Teil der Mitglieder für sich gewonnen, so ist das eine Anmaßung. Mehr nicht.

Welche Absichten verfolgt der KSV?

Zu Anfang der Diskussion zwischen PGH und KSV versuchte letzterer aus den Reihen des PGH Sympathisanten zu gewinnen. da dies nicht gelang, versuchte er es mit Massenarbeit an der Hochschule, daß auch dies wenig Erfolg zeitigt, liegt wohl auch am Unterschied zwischen Berliner Hochschulen und unserer PH.

Der Versuch der Spaltung des PGH ist nicht gelungen. Das lag wohl nicht zuletzt am nicht ausgewiesenen Führungsanspruch.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch das Neue Rote Forum (NRF - vgl. Okt. 1971,d.Vf.) Heidelberg zitieren:
'Es ist zu fragen, welchen Sinn es haben kann, wenn sich jeder örtliche Zirkel oder jede politische Strömung heute pathetisch zur 'Kommunistischen Partei' hochjubelt und seinen Führungsanspruch durchsetzen will. WEM NÜTZT DAS? Der Arbeiterklasse doch wohl kaum. Denn das Auftreten immer neuer Möchtegerne als 'Kommunistische Partei' ist nur geeignet, das prinzipielle Mißtrauen der Arbeiter zu verstärken gegen JEDE kommunistische Organisation. Aus dieser Entwicklung schlagen kurzfristig auch die Revisionisten Kapital, obwohl sie bei etwas mehr politischen Weitblick sehen müßten, daß sie sich mit ihrer Demagogie gegen die Zersplitterung der Linken langfristig selbst ins Kreuz treten.

Es wäre gut, wenn weniger vom 'FÜHRUNGSANSPRUCH' geschwätzt würde, sondern angegangen würde von der VERPFLICHTUNG der Kommunisten, sich als Führung zu erweisen. Anspruch also nicht an die Massen, sondern Anspruch an die Kommunisten selbst, sich in der Praxis für ihre Aufgabe zu qualifizieren.'

Die Diskussion innerhalb der Linken muß geführt werden. Sie muß in der gegenwärtigen Situation aber mit der Absicht geführt werden, ihre Einheit herzustellen. Wir sind bereit, die Diskussion fortzusetzen.

Sie muß aber inhaltlich und auf Argumenten aufgebaut sein. Lügen, Halbwahrheiten und Unterstellungen sind dafür keine Basis.

Wir haben diesen Artikel geschrieben, um die Lage zu klären. Die Diskussion muß und wird fortgesetzt werden. Wir sind auch der Meinung, daß sie vor den Studenten geführt werden soll, aber dann in einer Form, die den Studenten verständlich ist und ihnen die Notwendigkeit zur Veränderung unserer Gesellschaft aufzeigt."
Q: AStA PH Dortmund: AStA-Information Nr.11, Dortmund o. J. (Mai 1972); DOS Sdr.Nr. Einführung in das PH-Studium, Dortmund o. J. (1972), S. 36


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