Kommunistische Arbeiterpresse. Betriebszeitung der Zelle Westfalenhütte der KPD für die Hoesch-Arbeiter, Jg. 3, Nr. 22, 12. März 1973

12.03.1973:
Bei Hoesch Westfalenhütte Dortmund gibt die Zelle der KPD ihre 'Kommunistische Arbeiterpresse' (KAP - vgl. 10.3.1973, 24.4.1973) Nr. 22 mit 4 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Maria Bergmann, Dortmund, heraus. Berichtet wird von der Betriebsversammlung (BV - vgl. 22.2.1973) und den Steuererhöhungen (vgl. 1.7.1973). Im Leitartikel heißt es:"
LEHREN AUS DEM STREIK - GEGEN DIE TARIFPOLITIK DER IGM-FÜHRUNG
FÜR ECHTE LOHNERHÖHUNGEN KÄMPFEN

Während der vergangenen Wochen des Streiks, der Entlassung von 6 Kollegen, der allgemeinen Unruhe bei Hoesch, hat das Zusammenspiel von Kapitalistenklasse und Gewerkschaftsführung eine neue Stufe von Deutlichkeit und Offenheit erreicht. Die Kapitalisten gingen in die Auseinandersetzung von vornherein mit der festen Absicht, nicht einen Zoll nachzugeben. Sie wußten: die Preise werden steigen, die Lebensbedingungen der Stahlarbeiter in der ganzen BRD werden sich angesichts des gerade abgeschlossenen, lächerlich niedrigen Lohnabkommens, weiterhin rapide verschlechtern. Aus ihrer materiellen Not heraus werden die Stahlarbeiter immer wieder zu wilden Streiks greifen. Die Kapitalisten wünschten keinerlei Einbuße während ihres beginnenden konjunkturellen Aufschwungs, sie beschlossen: Wir bleiben eisenhart, und wenn uns der Produktionsausfall mehr kostet als die von den Stahlarbeitern geforderten Lohnerhöhungen bis zur nächsten Tarifrunde.

DIE KAPITALISTEN WOLLEN DER ARBEITERKLASSE EINE DAUERHAFTE NIEDERLAGE ZUFÜGEN, SIE WOLLTEN EIN EXEMPEL STATUIEREN.

Anders als im September 1969 gaben sie drei Tage lang nicht einen Zentimeter nach. Die Gewerkschaftsführung hieb genau in dieselbe Kerbe: Heuchelte sie bei früheren wilden Streiks meist noch Solidarität, so verurteilten sie den Hoesch-Streik offen als illegal. Dies war jedem streikenden Hoesch-Arbeiter ein Schlag ins Gesicht; dies trug mit zum Abbruch des Streiks bei. Kapitalisten und Gewerkschaftsführung waren sich einig: mit den wilden Streiks muß ein für allemal aufgeräumt werden. Besonders deutlich wurde das in der 2. Phase der Auseinandersetzung: Die westdeutsche Monopolbourgeoisie in Gestalt von BDI-Chef Sohl wollte die Niederlage der Stahlarbeiter vollständig machen. Er ordnete die Entlassung von 6 Kollegen an, die während des Streiks radikal aufgetreten waren. Wir dürfen uns nicht dadurch verwirren lassen, daß es sich größtenteils um sozialdemokratische und revisionistische Abwiegler handelte. Teile des westdeutschen Monopolkapitals haben noch Mißtrauen gegenüber der sozialdemokratischen Methode, die Arbeiterklasse niederzuhalten. Sie fühlen sich unwohl dabei, wenn sie Leute, die wortradikal auf den Tisch hauen, zu ihren Verbündeten zählen sollen. Bei Bekanntwerden der Entlassungen kam sofort wieder kämpferisches Leben unter die Hoesch-Arbeiter: Waren sie auch deprimiert und mutlos wegen des Streikabbruchs - das konnten sie dennoch nicht wortlos hinnehmen. Unterschriftensammlungen wurden organisiert, vom Betriebsrat wurde eine Belegschaftsversammlung gefordert. Die Hoesch-Kapitalisten waren nach ihrem ersten Erfolg siegessicher; denn sie haben die Logik der Arbeiterklasse nie verstanden. Durch diese Maßnahmen erreichten sie nur das Gegenteil dessen, was sie wollten. In dieser Situation sprang ihnen die IGM-Führung zuhilfe und schaffte vorläufig Ruhe.

SIE LEHRE DIE HOESCH-KAPITALISTEN, DAß DIE SOZIALDEMOKRATISCHE METHODE DER ABWIEGELEI DIE WIRKSAMERE IST

In der Nacht vor der Belegschaftsversammlung einigte man sich auf folgendes Vorgehen: Der Hoesch-Vorstand nahm die Entlassungen in einer 'großzügigen Geste' zurück. Der IGM-Vorstand machte den Hoesch-Arbeitern klar, daß die Sache 'dank ihres Eingreifens gerade noch mal gut gegangen ist, daß er das nächste Mal aber auch nicht mehr helfen könne. Die Kollegen sollten also in Zukunft bloß die Finger von wilden Streiks lassen. Die bürgerliche Presse schrieb zu diesem ganzen Vorgang naiv offen: Wörtlich sagte Schmithals: 'Wir sind sehr befriedigt darüber, daß der Vorstand der IG-Metall sich auf die Seite der Hüttenwerke gestellt hat. Das war uns die Rücknahme der Kündigung wert.' (Ruhrnachrichten 23. 2.).
Kollegen! Schon in der Tarifrunde im Januar war die Hauptschwierigkeiten des IGM-Vorstandes, seine Tarifpolitik und das 8, 5%-Ergebnis gegenüber Stahl- und Metallarbeitern durchzusetzen.

Die 2. Urabstimmung zeigte: die Kollegen wollten dieses dürftige Ergebnis nicht, sie wollten Streik. Der IGM-Vorstand brachte die 8, 5% nur mit knapper Mühe durch - gestützt auf die antidemokratische 75%-Klausel. Danach glaubte er, daß die 'Streikgefahr' gebannt sei. Diese Bonzen fürchten den Streik wie der Teufel. Ihre ganze Tarifpolitik läuft darauf hinaus, den Kollegen ca. alle 12 Monate soviel Lohn'erhöhung' zuzugestehen, daß die allgemeine Unzufriedenheit nicht in wilde Streiks umschlägt. Die Haltung von Loderer in diesem Streik ist nur konsequent: Er weiß: jeder wilde Streik ist eine Niederlage für die Tarifpolitik der IGM. Judith führte diesen Gedanken auf der Belegschaftsversammlung weiter:
- Streik ist das allerletzte Mittel im Lohnkampf;
- das ist doch gerade eine wichtige Errungenschaft unserer modernen Gesellschaft, daß solche Streitigkeiten heute friedlich in Verhandlungen beigelegt werden;
- wir kämen ja ins Chaos, wenn wir bei jeder Gelegenheit gleich streiken würden.

Kollegen, wir dagegen wissen: unsere berechtigten Lohnforderungen können nur im erbitterten Kampf gegen die Kapitalistenklasse durchgesetzt werden. Die Tarifpolitik der IGM-Führung geht nur darauf aus, diesen Kampf zu verhindern, uns ein Trostpflästerchen zu geben, damit wir still sind. Kämpfe für echte Lohnerhöhungen müssen sich auch gegen die Tarifpolitik der IGM-Führung richten, wir müssen sie selbst in die Hand nehmen!
WER SICH AUF LODERER, JUDITH UND TROCHE VERLÄSST, DER IST VERRATEN!

NICHT BIS ZUR NÄCHSTEN TARIFRUNDE WARTEN - DIE PREISE WARTEN AUCH NICHT!"

Auf Seite 4 heißt es:"
HOESCH-TRADITION - DER WOHLFAHRTSLOHN

Der unverschämte Ausspruch von Arbeitsdirektor Sieber: 'Die niedrigsten Löhne bei Hoesch liegen immer noch 100 DM über dem Wohlfahrtssatz', ist kein Ausrutscher. Er hat Hoesch-Tradition. Als nämlich vor rund 100 Jahren Leopold Hoesch zur Arbeiterfrage gehört wurde, kam es zu folgender Unterhaltung: Frage: 'Welche Vorteile und Nachteile haben bisher Lohnerhöhungen auf die Arbeitsleistung gehabt?' Herr Hoesch: 'Die hohen Löhne sind ein Unglück gewesen. Der hohe Lohn von den Jahren 1873 und 1874 ist niemals der Familie zugute gekommen, nur dem Wirtshaus. Die wahnsinnig hohen Löhne brachten eine große Demoralisierung unter die Arbeiter. Bei uns war wie gesagt der Durchschnitt 4, 10 (Tageslohn, die Red.). die hohen Löhne dienten der Verzehrungs- und Zerstreuungssucht der Arbeiter und im Grunde genommen nur dem Wirtshaus. 100 Jahre Ausbeutung, 100 Jahre Kapitalismus haben die Logik der Kapitalisten nicht geändert. Nur daß sie heute für den Vorstand durch den IGM-'Kollegen' Sieber im Namen der Mitbestimmung vorgebracht wird - das ist der feine Unterschied."

Ebenfalls auf Seite 4 wird berichtet:"
KOLLEGEN BERICHTEN: HOESCH VERDIENT SICH GESUND: WIR ARBEITEN UNS KRANK

KALTWALZWERK WESTFALENHÜTTE:
Vor nicht allzulanger Zeit arbeitete ich noch im alten Kaltwalzwerk. Die meisten Kollegen kennen die Zustände dort, im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt, bei ständigem Durchzug, an den Arbeitsplätzen nerventötender Lärm, überall unheimlicher Dreck. Daneben die große Arbeitshetze. So werden an der Kaltbandstraße, die für eine Höchstleistung von 40.000 t. ausgelegt wurde, tatsächlich 56.000 t. gewalzt. Für die Kollegen heißt das ständige Hetze, an Pause ist da nicht zu denken. Außerdem sind die Kollegen ständig in Schwaden der Emulsionsflüssigkeit eingehüllt, was nicht nur sehr unangenehm, sondern auch gesundheitsschädlich ist. Da ich und viele andere Kollegen mit den Arbeitsbedingungen äußerst unzufrieden waren, und sich im letzten Jahr die Gelegenheit bot, ins neue Kaltwalzwerk zu gehen, griff ich dann auch zu, in der Hoffnung, dort würde es besser, zumal die Hoesch-Kapitalisten ihr neues Kaltwalzwerk überall als eines der modernsten und umweltfreundlichsten in Europa preisen. Wie freundlich es allerdings zu den Kollegen ist, sollte ich bald erfahren. So müssen auch hier, im Einlaufteil der neuen Conti-Band Beize die Kollegen ständig Ohrenschützer tragen, weil der Lärm des mit großer Geschwindigkeit dahinjagendes Bandes ohrenbetäubend ist. Jagt das letzte Stück Band aus dem Haspel, meint man, einem würde das Trommelfell platzen. Hat die Anlage Millionen gekostet, so ist offensichtlich kein Geld mehr für eine ausreichende Hallenbeheizung vorhanden. In der Bundvorbereitung, Halle 3a, wo ständig Schwertransporter die Bunde reinfahren und die Tore geöffnet sind, ist nicht einmal ein einziges Heizgebläse vorhanden. Die Kollegen frieren in großer Kälte, zur Erwärmung sind nur Propangas-Heizstrahler da, über Weihnachten war es in der Beize sogar so kalt, daß das Hydrauliköl dick wurde und die Anlage nicht lief. Habe ich vor kurzem noch gemeint, die schlechten Arbeitsbedingungen lägen an der veralteten Anlage, so sehe ich jetzt, da selbst bei modernsten Anlagen für die Kollegen kein Deut mehr herausspringt. Wenn unsere Arbeitsbedingungen schlecht sind, so dürfen wir nicht auf die Zukunft und den Fortschritt hoffen, sondern müssen uns bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen!

HOCHOFEN PHOENIX:
Die Arbeit am Hochofen Phoenix übertrifft alles, was ich bisher gesehen habe. Wenn Besuchergruppen kommen, sehen sie die Ofenleute mit den Händen in den Taschen stehen. Denn sie kommen nur, wenn Abstich ist und da ist ausnahmsweise mal nichts zu tun. Doch sind die Besucher weg und der Ofen wird zugemacht, dann fängt die Maloche erst an. Am schlimmsten sind die Schlackenmänner oder 4 Männer dran. Sie haben die Aufgabe, die Schlackenrinne sauberzumachen und sie für den nächsten Abstich herzurichten. Das heißt genauer: Zentnerschwere Schlackenbrocken nur mit einem Eisenhaken aus der Rinne zerren, die Rinne mit der Schaufel in Ordnung bringen, die Schieber mit Sand auskleiden usw. Bei dieser Arbeit herrscht eine Temperatur von über 85 Grad, doch das ist noch nicht einmal das schlimmste. Während der Arbeit liegt in der Luft ein Schwefeldampf, der so ätzend ist, daß die Kollegen in Zeitabständen an die frische Luft rennen, weil sie keine Luft mehr kriegen. Manche sind sogar schon mal umgefallen. Das sind unhaltbare Zustände: Deshalb müssen unsere Forderungen sein:
EINSTELLUNG VON MEHR KOLLEGEN!
LÄNGERE UND HÄUFIGERE PAUSEN!
BEREITSTELLUNG VON AUSREICHENDEN ATEMSCHUTZGERÄTEN!"
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 22, Dortmund 12.3.1973

Dortmund_Hoesch_KPD113

Dortmund_Hoesch_KPD114

Dortmund_Hoesch_KPD115

Dortmund_Hoesch_KPD116