Kommunistische Arbeiterpresse. Betriebszeitung der Zelle Westfalenhütte der KPD für die Hoesch-Arbeiter, Jg. 3, Nr. 21, 16. Feb. 1973

16.02.1973:
Die Zelle Hoesch Westfalenhütte Dortmund (vgl. 12.2.1973, 19.2.1973) der KPD gibt eine 'Kommunistische Arbeiterpresse' heraus, mit der sie sogar Eingang in die Spalten der 'Welt' findet (vgl. 23.2.1973). Es handelt sich hierbei um die Ausgabe Nr. 21, in deren acht Seiten DIN A4 es neben einem Streikbericht vom 8.2.1973 bis 10.2.1973 eingangs heißt:"
EIN VERLORENES GEFECHT IST KEINE VERLORENE SCHLACHT!

Seit Donnerstag früh haben wir in der letzten Woche für die beiden Forderungen gestreikt: 14 PFENNIG MEHR FÜR ALLE! BEZAHLUNG DER STREIKSTUNDEN! Am Samstagabend wurde der Streik von der VK-Leitung abgewürgt, ohne eine der beiden Forderungen erfüllt wurde. Jetzt hat der Betriebsrat dem Angebot der Werksleitung zugestimmt: 5 Pfennig mehr für alle. Das ist genau das alte Angebot, nur linear umgerechnet. Kollegen! Heißes Eisen hat am Montag geschrieben: Obwohl die 14 Pfennig nicht voll durchgesetzt wurden, ist der Streik als Erfolg anzusehen. Jeder von uns weiß, daß diese Einschätzung nicht stimmt. Jeder Kollege weiß, daß der Streikbruch eine Niederlage war. Wie konnte es zu dieser Niederlage, wie konnte es zu diesem plötzlichen Streikabbruch kommen? Welche Lehren müssen wir aus dem Streik ziehen, um den nächsten Kampf zu gewinnen?"

Auf Seite 2 und 3 erscheint der Artikel:"
NACH DREI TAGEN STREIKKAMPF: WARUM SCHEITERTE DER STREIK?

Viele Kollegen sagen: was sollten wir denn am Samstag noch machen? Union und Phoenix wollten nicht mehr mitziehen, die VK-Leitung hat bis zuletzt alles versucht, aber immer mehr sind umgefallen, da mußte es doch so kommen. Stimmt das?
1. Wir haben bis zuletzt gefordert, und mit uns die 1.000 Kollegen in der alten Kantine: FORTSETZUNG DES STREIKS. Und wir sagen auch jetzt noch: wer sich auf die Kollegen beruft, die umgefallen sind, sieht nicht die URSACHEN, und sieht nicht, daß man den Streik hätte fortsetzen können. Wir bezweifeln nicht, daß die Streikfront an einigen Abschnitten abgebröckelt ist. ABER WARUM?
Deshalb, weil der Großteil der Betriebsräte und die Gewerkschaftsführung uns offen in den Rücken gefallen ist, weil sie den Streik sabotiert haben, wo sie nur konnten, weil sie den Kollegen Angst eingejagt haben und gespalten haben, was das Zeug hält. Bisher hat es immer noch ein Mittel gegeben, gegen die Drohungen der Kapitalisten: DIE GESCHLOSSENE FRONT ALLER KOLLEGEN!
Diese Front ist nicht von selbst abgebröckelt, sondern ist von den Arbeiterverrätern systematisch untergraben worden.

- Von Anfang an haben Betriebsräte wie Thiemann (PH) und Schäfer (U) die Kollegen bewußt irregeführt, z. B. 'der Streik ist in den anderen Werken schon zuende', als noch 10. 000 im Streik waren.
Oder IGM-Funktionär Samstagnachmittag auf Union ganz geschickt: 'Die Westfalenhütte will nicht mit uns streiken.' (worauf einige Abteilungen die Arbeit aufnahmen).
- Unter dem Vorwand 'ich will ja nur sachlich und wertneutral informieren', schüchterte A. Pfeiffer immer wieder die Kollegen ein: man muß an die juristischen Konsequenzen denken, Entlassungen, Krankenkassenentzug, Aussperrung usw. Jetzt, nach dem Streik, gibt Pfeiffer offen zu verstehen, daß er von Anfang an gegen den Streik gewesen ist.
- Da, wo Abteilungen den Streik durchbrochen haben, hatten oft Betriebsräte die Finger im Spiel, wie Betriebsrat Bruns (W) im SM 3, Samstag Mittag.
- Was soll man davon halten, wenn der 2. BR.-Vors. von Union, Schäfer, kurz nach Ende des Streiks zu Kollegen am Telephon sagt: 'Wir sind endlich aus dem SOLIDARITÄTSSCHWUR ENTLASSEN. Wir können jetzt sicher sein, daß kein Rollkommando mehr von der Westfalenhütte kommt.'
- Die Betriebsräte Brauckoff und Weber (Beide W) wurden bereits am Donnerstag Abend von Kollegen in die Streikversammlung geholt, weil sie Kollegen unter dem Vorwand des 'Notdienstes' weiterarbeiten ließ.
- DER GIPFEL: Auf Union hat sich folgendes abgespielt: auf SM 1 fanden häufiger gemeinsame Besprechungen von Werner Dietrich (1. Bevollmächtigter der IGM-Ortsverwaltung), Betriebsräten und Vorstandsvertreter statt. Unter anderem sollen diese Herren folgenden feinen Plan ausgeheckt haben: eine Serie von 4 Briefen war geplant, die an alle Hoesch-Arbeiter und Angestellten gehen sollte. Der 1. ist der, der bereits angekommen ist; der 2. sollte beinhalten: 'Auch Arbeitswillige bekommen keinen Lohn', der 3. Brief kündigt Aussperrung an, als 4. Stufe waren planmäßige Rausschmisse geplant. Sind das nicht feine Herren? Nicht einmal neutral haben sie sich verhalten, sondern die Betriebsräte und die Geschäftsführung hat zusammen mit Schmitthals und Abs und Sieber den Streik bekämpft. Der IGM-Boß Loderer, der seine Weisungen von seinen SPD-Regierungsfreunden in Bonn erhält, erklärte Freitag (S. 3) und Samstag: die Gewerkschaft denke überhaupt nicht daran, den Streik der Hoesch-Arbeiter zu 'legalisieren', er sei gewerkschaftsschädigend und ungesetzlich.'

SAMSTAG MORGEN: Ein Vertreter der Bezirksleitung Essen und des Düsseldorfer Zweigbüros werden von Loderer nach Dortmund geschickt…Was sie da gemacht haben, kann sich jeder denken.

2. Nur konsequent: AUCH VK-LEITUNG UMGEFALLEN. Am Samstag Nachmittag wurde auf der Sitzung der Leitungen aller drei VK's im Werk Union der Abbruch des Streiks beschlossen. GEGEN DEN WILLEN DER 1.000 KOLLEGEN DER WESTFALENHÜTTE IN DER ALTEN KANTINE, die 1-STIMMIG FÜR DIE FORTSETZUNG DES STREIKS EINTRATEN, drehten Borchert und der SPD-VK-Vorstand den Hahn zu. Der Verrat der SPD-VK-Leitung war in ihrem Verhalten während der Streiktage schon angelegt. Am Anfang vertrat sie mit radikalen Worten die Forderungen nach 14 Pf. und Streiktage-Bezahlung, sie gab bis kurz vor Abbruch des Streiks Durchhalteparolen aus. Die Kollegen sagten:
'Der Streik steht, die VK-Leitung macht das schon.'
IN WIRKLICHKEIT UNTERNAHM ABER DIE VK-LEITUNG NICHTS FÜR KONEQUENTE ORGANISIERUNG DES STREIKS.
Sie verhinderte, daß eine Streikleitung gewählt wurde, daß Streikposten aufgestellt wurden. Vor allem aber kniff die VK-Leitung den Schwanz ein vor der Gewerkschaftsführung und den Betriebsräten. Seit Samstag Morgen besaß die VK-Leitung der Westfalenhütte eine Tonbandaufzeichnung des Loderer-Interviews im Rundfunk. Dieses Interview wurde mit scheinheiligen Argumenten NICHT abgespielt ('Müssen wir erst intern analysieren'). Mit jeder Streikstunde wurde aber deutlicher: Wer den Streik erfolgreich führen will, der MUSS gegen die Spaltungs- und Sabotageakte von Pfeiffer und Dietrich organisiert vorgehen. Als die Lage sich zuspitzte, waren die SPD-Vorstandsmänner zu einem klaren Entschluß gekommen:
'Entweder streiken wir weiter, dann kommt die Polizei, und wir Familienväter werden wegen Hausfriedensbruch verhaftet. Das können wir nicht mehr verantworten.'
Die VK-Leitung wollte den Kampf um die 14 Pfennig führen - durch wortradikales Auftreten und großes Getöse. Als sich aber zeigte, daß dieser Kampf sich verschärfen mußte, daß dieser Kampf nicht gegen einen 'Herr-im Hause-Standpunkt', sondern einen organisierten Klassenfeind geführt werden mußte, entschieden sie sich klar GEGEN den Kampf und kapitulierten. Damit hat sie
allerdings auch den Kampf für 14 Pf. verraten und verloren.
SOFORTIGE BELEGSCHAFTSVERSAMMLUNG!
FORDERN WIR RECHENSCHAFT VON DER VK-LEITUNG!
FORDERN WIR RECHENSCHAFT VOM BETRIEBSRAT!"
Einige Ausschnitte sowie die Streikchronik werden von der KPD auch bundesweit verbreitet.

Zum Bericht über den Streik heißt es:"
Kollegen, wenn Ihr unseren Bericht für falsch oder für unvollständig haltet:
- schreibt uns: Rote Fahne Verlag, Zimmerstraße 19,
- ruft uns an: Telefon 834166,
- kommt vorbei: Arbeiterbuchhandlung Karl Marx, Zimmerstraße 19, täglich 17.00 - 20.00 Uhr.
KOMMT ZUR VERANSTALTUNG DER BETRIEBSZELLE ÜBER DEN STREIK BEI HOESCH.
Mittwoch 21.2.1973, 19 Uhr, Gaststätte Hackländer Hof, Münsterstraße 190 am Hackländer Platz."

In der Ausgabe wird auch auf Seite 3 Reklame für die 'Rote Fahne' der KPD gemacht. Dazu heißt es:"
(Aus Nr. 7/1973): Lohnkampf-Klassenkampf.
Wir Kommunisten sagen den Kollegen an Rhein und Ruhr: Lernt aus dieser Niederlage, daß sich die Kapitalistenklasse heute mit der SPD-Regierung stärker fühlt als je zuvor. Der Hoesch-Streik zeigt: Der Klassenfeind, die Kapitalistenklasse, die SPD-Regierung, die Gewerkschaftsführung sind nicht bereit, freiwillig auch nur einen Fußbreit Boden abzugeben. Unsere Betriebszelle schreibt in ihrem letzten Flugblatt vor dem Ende des Streiks: 'Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder die Kapitalisten schlagen zu oder die Arbeiter. Ein drittes gibt es nicht. Das ist die Lehre, die die Arbeiterklasse in den nächsten Wochen und Jahren durchmachen muß: Wer versucht, Lohnkampf und Klassenkampf auseinanderzuhalten, wer der Meinung ist, unter der SPD-Regierung gehe es mit ein bißchen 'Druck von unten', wer davor zurückschreckt, gegen Maßnahmen der Kapitalisten, selbst gegen Polizeidrohungen, selbst gegen die Kampfansage der IGM-Führung zu kämpfen, der steht bald vor der Alternative wie der DKP-Vorstand bei Hoesch: 'Aufgeben und keinen einzigen Pfennig holen - oder Verschärfung der Streikmaßnahmen und Fortsetzung des Kampfes bis zum Erfolg.'
Die Mitglieder der VK-Leitung, die zu Anfang von fast allen Kollegen als Führer des Streiks akzeptiert wurden, haben sich am Samstag allesamt zum Verrat des Streiks entschieden."

Aufgerufen wird in "Verstärken wir die Solidarität mit dem kämpfenden vietnamesischen Volk!" zur Dortmunder Vietnamveranstaltung am 17.2.1973.
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 21, Dortmund 16.2.1973; Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Nr. 2, Dortmund o. J. (1973), S. 34

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