Heisse Eisen - Berichte - Skizzen - Analysen - Mitteilungen für die Hoesch-Belegschaft, Jg. 3, Extrablatt Wir gehen den Linksturnern nicht in die Netze, Okt. 1971

11.10.1971:
Bei Hoesch Dortmund gibt die DKP vermutlich in dieser Woche ein auf Oktober datiertes Extrablatt ihrer 'Heisse Eisen' (vgl. 20.9.1971, 9.11.1971) mit 4 Seiten DIN A 4 und folgendem Leitartikel heraus:"
WIR GEHEN DEN LINKSTURNERN NICHT IN DIE NETZE - SIE HABEN KEINE ARGUMENTE SONDERN NUR HETZE

HEISSE EISEN veröffentlicht unter obiger Überschrift den Leserbrief eines Vertrauensmannes der Hoesch Westfalenhütte, der Mitglied der SPD ist. Die Leser von HEISSE EISEN werden verstehen, daß der Inhalt dieses Leserbriefes sich nicht vollinhaltlich mit der Meinung der Redaktion deckt.

Kolleginnen und Kollegen!

Seit Monaten werden hier bei den Hoesch Hüttenwerken von Schülern und Studenten, von Jugendlichen, zum Teil aus anderen Städten, Flugblätter verteilt, die den Eindruck erwecken sollen, als ob sie im Namen von Kollegen einer hier ganz und gar nicht bestehenden 'Betriebsgruppe' geschrieben worden sind. Aber keiner dieser Linksturner, die angeblich Kommunisten sind, hatte und hat etwas mit Hoesch, insbesondere mit der Westfalenhütte zu tun. Sie bezichtigen einige unserer aktiven Kollegen laufend und mit System, als Handlanger von Parteien und sogenannten rechten Gewerkschaftsführern. Sie bezichtigen sie in einer Art, daß ganz klar erkennbar ist, daß sie - diese Schreiber - keine Kommunisten sind, sondern sich wirklich als Handlanger der Kapitalisten betätigen, weil sie die wenigen aktiven Kollegen tagtäglich mit Dreck bewerfen. Dreck, den sie aus den 'Geldtresoren' der Kapitalisten geschaufelt haben. Sie mißbrauchen dabei alte bekannte Arbeiterembleme und nennen sich Kommunisten ML.
Meine Kollegen und ich verstehen unter Kommunisten etwas anderes. Wir meinen, Kommunisten sind Menschen, die für die Befreiung der arbeitenden Menschen vom kapitalistischen Joch, von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, eintreten. Die für die Selbstbestimmung des Menschen und die Freiheit über sich selbst entscheiden zu dürfen eintreten. Die den Menschen im Mittelpunkt der Gesellschaft sehen und wissen, was sie als Voraussetzung dafür zu tun haben, dabei stets davon ausgehen, daß dieses nur in Gemeinsamkeit mit allen Arbeitern ohne Parteienhaß in einer gemeinsamen Organisation, der Gewerkschaft, möglich ist. Aber diese Jungen und Mädchen da draußen vor dem Tor mit ihren verwirrten politischen Thesen schaden durch ihr handeln, durch ihre spalterische Tätigkeit nicht nur der Gewerkschaft, sondern gleichermaßen auch dem Kommunismus und damit der Einheit der Arbeiterklasse. Sie schreiben gegen ein Lohndiktat der SPD und vergessen (vergessen sie es wirklich?) gegen das Lohndiktat der Unternehmer etwas zu sagen. (Oder sollten sie das auch gar nicht wollen?) Halten sie uns etwa für so dämlich, daß sie glauben wir wissen nicht, von wem wir Arbeiter unser verdientes Geld zu fordern hätten? Wir meinen, wir haben es von den Unternehmern zu fordern und nicht von der SPD.
Sie aber versuchen mit ultralinken Phrasen, mit kriminellen Verleumdungen von aktiven 'ehrenamtlichen' Gewerkschaftlern die wachsende Bewegung der Werktätigen kaputt zu kriegen. Ihr Geschmiere vom Lohndiktat der SPD soll von unserem wirklichen Hauptfeind, vom Kapital, ablenken. Umso ungestörter kann uns dann das Unternehmen ausplündern. Wer so handelt, kann kein Kommunist sein. Viele Kollegen sind mit Recht über eine Reihe von Maßnahmen der SPD-Regierung empört, das ist verständlich, daraus ergibt sich immer ein Problem, wenn man trotz der Empörung, trotz der Kritik an der Politik der SPD mit den Kollegen für gemeinsame gewerkschaftliche Interessen zusammenarbeitet. Man muß auch daran denken, wie viele Parteiausschlüsse aus der SPD es schon gab, weil sie als Sozialdemokraten mit Kommunisten gemeinsam Aktionen durchgeführt und geleitet haben.
Als Schreiber dieser Leserzuschrift, und meine Kollegen meinen das auch, ist es eine Grundsatzfrage, klar zu stellen, daß wir als Gewerkschaftler mit den Ultralinken nichts zu tun haben. Wir müssen hier ganz klar auseinanderhalten, und das geht an die Adresse meiner SPD-Kollegen, zwischen den jungen ML-'Klosterschülern' und den ehrlichen Kollegen, die wir alle kennen, die ihre politische Heimat in der DKP haben. Lest einmal, Kolleginnen und Kollegen, die Thesen der DKP zum Düsseldorfer Parteitag, dann wird richtig erkennbar, daß die Mädchen und Jungen da draußen mißbraucht werden, um den Begriff Kommunist zu verfälschen, um die Gewerkschaften und die Arbeiterschaft zu spalten. Solch eine Politik stinkt nach rechter Steigbügelhalterei, sie ist orientiert auf eine entpolitisierte Arbeiterschaft. (Das beweist der Stil in dem sie schreiben.) Sie starten diese Ablenkungsmanöver und schießen mit voller Breitseite auf die aktiven Gewerkschaftler im Betrieb und damit letzten Endes gegen uns, die Gewerkschaften überhaupt. Da, wo sich langsam Leben entwickelt, wo sich etwas bewegt, wird alles niedergetreten. Das verstehen nur die Kapitalisten und freuen sich entsprechend darüber. Wir Hoesch-Leute haben unsere eigenen Erfahrungen in Arbeiterkämpfen, wir wissen Lohnkampf ist immer dann erfolgreich, wenn wir geschlossen mit und in der IG Metall kämpfen. Deshalb stellen wir unsere Forderungen als IG Metaller auch selbst auf, denn wir müssen die daraus sich ergebenden Konsequenzen auch selbst tragen und nicht diese kleinen 'Zopfträger' da draußen vor dem Tor.
Für uns gibt es keine Lohnforderungen der Kommunisten, der SPD oder sonstiger Gruppen, sondern es gibt bei uns nur die Lohnforderung der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Die Meinung zu diesen Forderungen zu äußern, das kann ein jeder tun. Was die Kritik an unseren gewerkschaftlichen Funktionären im Betrieb anbelangt, mit denen setzen wir uns tagtäglich auseinander und zwar Auge in Auge und nicht über Kontaktadressen oder plump auf die Dummheit der Arbeiter bauende Schlagworte aus der Zeit von 1918 bis 1945. Wir lehnen solche Art der Kritik ab, weil sie die IGM nicht stärkt, sondern gewerkschaftsfeindlich ist. Ohne Gewerkschaften stünden wir dem Kapital hilflos gegenüber. Genau das scheint auch beabsichtigt zu sein. Bei aller notwendigen Kritik an diesem oder jenen Gewerkschaftsfunktionär, der irgendwo seinen Platz in der (leider vorhandenen) Gewerkschaftsbürokratie hat, haben meine Kollegen genau wie ich hier bei Hoesch, ihren Arbeitsplatz von dem wir alle gemeinsam abhängig sind. Bei aller Kritik an der nicht gerade arbeiterfreundlichen Politik des Herrn Schiller (SPD), wird uns Gewerkschaftler kein ML Mann davon ablenken können, daß unser Klassengegner das Kapital ist. Wir geben uns keinen Illusionen hin, das ersieht jeder Leser daraus, daß ich an HEISSE EISEN schreiben muß und meinen Unmut nicht an anderer Stelle äußern kann. Meine Kollegen und ich wissen was Kampf bedeutet, denn unsere Wiege stand in einem Arbeiterhaus und deshalb können wir nur gemeinsam als Klasse unseren Kampf führen und unsere Probleme lösen. Alles andere ist nicht nur hemmend, sondern stört und zerstört; denn TARIFPOLITIK IST MACHTKAMPF UND KEINE SPIEGELFECHTEREI"

Kommentiert wird dieser Artikel von der KPD/ML-ZK (vgl. 11.10.1971).

Berichtet wird in "Die Karten auf den Tisch des Hauses!" von den Fusionsplänen (vgl. 4.10.1971) sowie vom Manöver 'Gutes Omen' der Bundeswehr vom 18.9.-1.10.1971 in Baden-Württemberg (die Rede ist hier allerdings von Norddeutschland). Aufgerufen wird zu Spenden. Auf der letzten Seite findet sich eine:"
LESERZUSCHRIFT EINES VERTRAUENSMANNES DER WESTFALENHÜTTE

NEUES BVG - ODER IST DER KUCHEN SCHON GEGESSEN BEVOR WIR IHN SAHEN?

Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Da wir auf Hoesch alle gewerkschaftlich organisiert sind, ist es wohl an der Zeit, etwas zum zur Debatte stehenden BVG zu sagen.
Eine alte marxistische These sagt, daß man nur abwarten braucht, das Kapital wirtschaftet sich selbst durch sein Profitgiersystem ab und zugrunde. Das stimmt und war seit 1910 allein in Deutschland schon einige Male der Fall. Aber wir, die Arbeiter oder besser gesagt die uns vertretenden Gewerkschaften und Parteien (mit Ausnahme der Kommunisten) haben diese These nie verstanden oder sie hatten Angst vor der eigenen Courage. Immer wenn es soweit war, daß dieses System in die Brüche ging, dann kamen Organisationen, die Arbeiter vertraten und von der Verantwortung sprachen, die sie gegenüber dem Staat und natürlich auch den Menschen haben und spielten Arzt am Krankenbett dieses kaum noch atmenden Patienten, dem kapitalistischen Staat und retteten ihn unter Aufopferung ihrer eigenen Kraft. So eine Rettungsaktion ist auch das neue BVG.
Es rettet zwar den Betriebsrat vor dem endgültigen Ertrinken, aber die Kapitänsfunktion der Unternehmer ungleich mehr als bisher und soll dafür sorgen, daß das Schiff des Kapitalismus nicht untergeht. So werden beide schön brav wie gehabt dafür sorgen, daß die See ruhig bleibt, kein Sturm und keine Wellen das so gut eingefahrene Schiff gefährden. Sollte es jedoch Taucher geben, die von unten an das Schiff herankommen möchten, um wenigstens den Rost ein wenig abzuschlagen, dann kommen sie von ganz allein wieder nach oben.
Also dann man weiter so 'Partner'.

DIE REDAKTION 'HEISSE EISEN', DIE AUS MITGLIEDERN DER BETRIEBSGRUPPE DER DKP BESTEHT, HAT ZU VORSTEHENDEM LESERBRIEF FOLGENDE MEINUNG:
Der Kollege schriebt: 'Eine alte marxistische These sagt, daß man nur zu warten braucht. Das Kapital wirtschaftet sich selbst durch sein Profitgiersystem zugrunde.' Es muß hier ganz deutlich gesagt werden, daß es eine solche marxistische These nicht gibt. Marx, Engels und Lenin haben stets nachgewiesen, daß der Kapitalismus nicht automatisch verschwindet. Sie haben - und das ist ihr großer Verdienst - nachgewiesen, daß das kapitalistische System nur durch den organisierten und gemeinsamen Kampf aller Arbeitenden beseitigt werden kann. Das heißt übertragen auf das BVG, daß alle Arbeiter, Angestellten, ob jung oder alt, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, insbesondere aber Sozialdemokraten und DKP-Kommunisten, gemeinsam kämpfen müssen, um das schlechte BVG vom Tisch zu bringen. Damit wäre zwar das Profitgiersystem nicht beseitigt, aber die Arbeiter und Angestellten hätten eine günstigere Ausgangsposition im Kampf gegen das staatsmonopolistische System in unserem Lande."
Quellen: Heisse Eisen Extrablatt Wir gehen den Linksturnern nicht in die Netze, Dortmund Okt. 1971; Rot Front Nr. 16, Dortmund 1971

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