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Dr. Fritz Storim, Physiklehrer und erklärter Anti-AKW Gegner, der schon auf der Bundeskonferenz der BI‘s in Wilster am 12.2. 1977 aktiv war und im dortigen „siebenköpfigen Sprecherrat“ (vgl. Jürgen Schröder: AKW Brokdorf) saß, war kurze Zeit später auch in Hannover am 14./15.5.1977, dem bisher „größten Bundeskongress der Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke“ (vgl. Schröder, ebd.) mit ca. „256 AKW-Initiativen aus dem gesamten Bundesgebiet“ (vgl. Schröder, ebd.) dabei. Er war dort wohl einer der Sprecher in der sog. „Storim-Gruppe“ (Arbeitskreis „Politische Ökologie“ in der BUU - autonome AKW-Gegner, die sich gegen den KB stellten).
Storim wurde später vorgeworfen, an der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift: „Sabot - Hamburger Infosammlung“ mitgearbeitet zu haben. Mit der im März 1987 erschienenen Ausgabe 14 wurde gegen ihn Anklage erhoben. „Er soll durch seine angebliche Mitarbeit an dieser Ausgabe ein Vergehen nach § 129a begangen haben, weil in dieser Ausgabe zwei Redebeiträge veröffentlicht wurden, die sich mit der Hafenstraße und der Isolationshaft der inhaftierten Mitglieder der ‚Roten Armee Fraktion‘ beschäftigten.“ (Klassenjustiz? Materialien zum 129a-Prozess gegen Fritz Storim, o. O, o. J., S. 9).
Bereits lange vor dem Prozess fanden Ermittlungen gegen Storim statt, die bis zum 30.10. 1980 zurückreichten (bspw. Hausdurchsuchungen) (vgl. Schröder, ebd.). Storim (GEW-Mitglied) wurde überdies am 26. April 1988 vom „Gymnasium Allee-Altona fristlos gekündigt“ (Klassenjustiz? Materialien zum 129a-Prozess gegen Fritz Storim, o. O, o. J., S. 19).
Storim sollte „laut Haftbefehl am 28.4.84 mit anderen (Unbekannten) einen Sprengstoffanschlag nach § 131 StGB begangen haben, indem an drei Pfeilern eines Strommastes in der Nähe des AKW-Brokdorf eine Sprengladung angebracht und der Mast mit Hilfe dieser umgelegt wurde“. (vgl. Flugblatt: „Neuer Haftbefehl gegen Fritz Storim: Solidarität ist unsere Waffe“, S. 1)
Wegen dieser Verdachtsmomente wurde Storim am 17. Januar 1989 vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt. Wie in ähnlichen Fällen lautete die Begründung auf „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Zusätzlich wurde er noch zu einer Geldstrafe von 1.950 DM verurteilt.
Laut Flugblatt: „Neuer Haftbefehl gegen Fritz Storim: Solidarität ist unsere Waffe“ trat Storim die „Haftstrafe nicht an“ und wurde „am 31. Mai in einer Blitzaktion von sieben Zivilfahndern in Hamburg-St. Pauli festgenommen“. Ein neuer Haftbefehl gegen ihn wurde „im Juli 1989“ erlassen und, so das FB, er würde seit „Ende Mai in Isolationshaft“ sitzen (ebd. S. 1)
Wichtig wäre noch, darauf hinzuweisen, dass vor dem Hintergrund des Verfahrens gegen Fritz Storim, der 1976 eingeführte § 129a StGB (Gründung und Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“) eine wichtige Rolle spielte (siehe auch Anhang zur Broschüre). So wurde im Zuge der Baader-Meinhof-Fahndung dieser Paragraph verschärft gegen Mitglieder der Roten Zora/RZ, gegen die Hausbesetzer- und autonome Szene sowie gegen AKW- und Flughafengegner usw. angewandt.
Helge Lehmann schätzte die Anzahl der Ermittlungsverfahren von 1982 bis 1985 auf ca. „939“, was sich allerdings nicht nachprüfen lässt (vgl. Helge Lehmann: Die Todesnacht in Stammheim. Eine Untersuchung. Indizienprozess gegen die staatsoffizielle Darstellung und das Todesermittlungsverfahren, Bonn 2011, S. 178).
Die vorliegenden „Infos“ und Flugblätter sowie die Auszüge aus der „Roten Hilfe“ dokumentieren u. a. die Vorgeschichte des Prozesses um Fritz Storim sowie den Prozessverlauf bis zur Verhaftung und der späteren Urteilsverkündung.
Flugblätter, Infos, „Rote Hilfe“ 1988-1989:
Die vorliegende Broschüre („Klassenjustiz? Materialien zum 129a-Prozess gegen Fritz Storim“) dokumentiert insbesondere den Prozessverlauf (vgl. Januar 1989).
November 1988:
Vermutlich Anfang November 1988 erscheint in Hamburg ein 8-seitiges Flugblatt zum Prozess gegen Fritz Storim: „Vorwärts und nicht vergessen. Gegen das 129a-Verfahren in Hamburg“, vermutlich das „Info 1“.
Dabei geht es um Fritz Storim, dem vorgeworfen wird, „eine Vereinigung unterstützt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, unter anderem Mord, erpresserischen Menschraub, Geiselnahme und Sprengstoffverbrechen zu begehen (aus der Anklageschrift)“. Verwiesen wird darauf, dass Storim an der Zeitung „Sabot - Hamburger Infosammlung“ mitgearbeitet haben soll“. Der Prozess gegen Storim sei auch ein gezielter Angriff gegen ihn selbst, da er „seit langem aktiv ist (Anti-AKW Bewegung, Häuserkampf, Hafenstraße, Internationalismus, Anti-IWF-Kampagne)“. Er solle „stellvertretend für die Entwicklung des Widerstandes verknackt werden“. Parolen sind: „Solidarität mit Fritz und den Angeklagten aus dem Flora Widerstand und der Palästina- und Mittelamerikademo!“, „Weg mit den Prozessen“, „Hafen und Schanze bleiben - Rote Flora kommt.“, „Weg mit der Isolationsfolter.“, „Zusammenlegung der politischen Gefangenen.“
Quelle: Flugblatt: Vorwärts und nicht vergessen (Prozessinfo 1), o. O., o. J. (1988)
November 1988:
Die „Rote Hilfe“, Zeitung der Roten Hilfe, Nr. 4/1988, die herausgegeben wird vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V., berichtet vom Hamburger § 129a-Verfahren gegen Fritz Storim. Danach erklärt eine „Prozessgruppe n. m. d. 129a“ in einem Flugblatt, dass Storim eine „Vereinigung unterstützt habe, deren Zweck und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, unter anderem Menschenraub, Geiselnahme und Sprengstoffverbrechen zu begehen“. Er soll maßgeblich „an der Herstellung und Verbreitung der in Hamburg herausgegebenen periodischen Druckschrift‚ Sabot - Hamburger Info-Sammlung‘ beteiligt war“. Der Prozess wird in den Zusammenhang mit dem „Verfahren Kommunikationsstrukturen der radikalen Linken“ gestellt, die „kriminalisiert“ werden soll, und mit dem „Münchener 129a Verfahren“.
Q: Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe, Nr. 4/1988, Kiel, S. 4f.
30.11.1988:
Vermutlich erscheint Ende November/Anfang Dezember in Hamburg zum Prozess gegen Fritz Storim das 2-seitige Flugblatt: „Vorwärts und nicht vergessen - Info 2“. Mit dem Flugblatt wollen die Verfasser „über den 129a-Prozess gegen Fritz Storim und über unsere Aktionen dagegen informieren“. Es würde um „Sabot Nr. 14“ gehen, in dem „ein Redebeitrag dokumentiert ist“, u. a. „über den Aufbau einer politisch-militärischen Front in Westeuropa und vom gemeinsamen Kampf für die Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand und aller kämpfenden Gefangenen“.
Q: Flugblatt: Vorwärts und nicht vergessen - Info 2, o. O., o. J. (1988).
Dezember 1988:
Vermutlich erscheint Anfang Dezember 1988 das 4-seitige Flugblatt: „Für Aufstand gegen 129. Hamburg,. München, überall. Gegen das 129a Verfahren in Hamburg.“ Danach läuft „seit dem 28. November im Staatsschutztrakt des Oberlandesgerichts Hamburg der 129a Prozess gegen Fritz Storim“, dem vorgeworfen wird: „Beteiligung an der Herausgabe der Zeitschrift ‚Sabot - Hamburger Infosammlung Nr. 14/März 87“. Dort habe er „Redebeiträge“ veröffentlicht.
Der Prozess ziele ab auf „die Schwächung und Isolierung unseres Kampfes und Widerstandes“. Storim solle nun „für seine politische Gesinnung und Position stellvertretend für den gesamten Widerstand kriminalisiert werden“. Aufgerufen wird zu: „Einstellung des Verfahrens gegen Fritz Storim/aller 129a Verfahren!“, „Weg mit §129a“, „Fritz bleibt draußen!“, „Den §129a bringen wir zum Verfall“.
Zudem werden die Prozesstermine zu Storim bekannt gegeben: 13.12.; 14.12.; 15.12. Und es wird zu Spenden aufgerufen.
Q: Flugblatt: Für Aufstand gegen 129. Hamburg,. München, überall. Gegen das 129a Verfahren in Hamburg, o. O., o. J. (1988).
Januar 1989:
Vermutlich erscheint Mitte Januar 1989 (noch vor der Urteilsverkündung) die Broschüre: „Klassenjustiz? Materialien zum 129a-Prozess gegen Fritz Storim“. Ein Impressum gibt es nicht. Auch ist unklar, wo die Broschüre erschienen ist.
Inhalt ist:
- Fritz Storims Prozesserklärung
- Beitrag des antiimperialistischen Plenums Hamburg
- Beitrag aus der Hafenstraße
- Beitrag zur Pressekonferenz, 11. November 1988
- Auszug aus dem Befangenheitsantrag der Verteidiger in der Strafsache gegen Dr. Fritz Storim
- GEW-LV Hamburg: Antrag auf Zulassung von Prozessbeobachtern im Verfahren gegen Dr. Fritz Storim
- Ablehnungsantrag des Hanseatischen Oberlandesgerichtes
- Pressedienst GEW zum Prozess gegen Fritz Storim
- Schreiben des Didaktischen Zentrums Hamburg
- Pressebericht
- Initiativkreis für den Erhalt der Hafenstraße
- Dokumentation zum 129a.
Q: Klassenjustiz? Materialien zum 129a-Prozess gegen Fritz Storim, o. O., o. J. (1989).
22.04.1989:
Vermutlich erscheint um den 22.4. herum das 4-seitige Flugblatt: „Neuer Haftbefehl gegen Fritz Storim: Solidarität ist unsere Waffe“. Herausgeber ist vermutlich eine „Solidaritätsgruppe Fritz.“
Danach wurde Fritz Storim nach „einem zweieinhalbmonatigen 129a-Prozess vor dem Oberlandesgericht … am 17. Januar 1989 zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt … Vorwurf: Er sei für die Dokumentation zweier Beiträge zur ‚Zusammenlegung der politischen Gefangenen‘ in der Hamburger Info-Sammlung Sabot mitverantwortlich und habe damit die terroristische Vereinigung RAF unterstützt …“. Dazu wird Brokdorf als „Symbol für den AKW-Widerstand“ bezeichnet. Auf 2 Seiten wird eine „Erklärung zum Anschlag auf den Strommast von Brokdorf“ dokumentiert, weil sie „die Stimmung und Bestimmung des militanten Widerstandes zum damaligen Zeitpunkt wiedergibt …“.
Zum Anschlag auf den Strommasten bekennt sich eine „Autonome Revolutionäre Aktion“. Das Flugblatt fordert: „Aufhebung des Haftbefehls und sofortige Freilassung von Fritz“, „Zusammenlegung aller Gefangenen aus RAF und Widerstand“, „Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen“, „Gegen ein Europa der Kapitalisten und Imperialisten“. Verantwortlich zeichnet eine „Solidaritätsgruppe Fritz“ in Hamburg.
Q: Flugblatt: Neuer Haftbefehl gegen Fritz Storim: Solidarität ist unsere Waffe, Hamburg 1989.
September 1989:
Die „Rote Hilfe“ - Zeitung der Roten Hilfe, Nr. 3/1989, berichtet u. a. davon, dass „Fritz Storim verhaftet“ worden sei, dies „am 31.5“. „Zivilfahnder in Hamburg“ hätten zugegriffen. Vorgeworfen wird ihm die „angebliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Storim sei seit Januar d. J. gesucht worden. Und bereits zu „einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt worden“. Storim wird weiter vorgeworfen, dass er an der „Herstellung der Zeitung ‚Sabot - Hamburger Info - Sammlung‘ beteiligt gewesen“ sein soll. Er sei jetzt „verschärften Isolationsbedingungen ausgesetzt, das heißt Einzelhaft und Einzelhofgang“.
Der Prozess gegen Storim würde weiter eine „Verfahrensflut nach sich“ ziehen. Ca. 20 Verfahren seien anhängend (Folgeverfahren).
Q: Rote Hilfe - Zeitung der Roten Hilfe, Nr. 3/1989, Kiel, S. 8.
September 1989:
Vermutlich erscheint im September 1989 das 4-seitige Flugblatt: „Wer das Geld hat, hat die Macht. Und die Macht bestimmt das Recht.“ Es berichtet über Fritz Storim, der „seit Ende Mai im Untersuchungsgefängnis in Hamburg in Einzelhaft“ sitzt. Er wurde „im Zusammenhang mit einem 129a-Verfahren, in dem ihm vorgeworfen wurde, für die Dokumentation zweier Beiträge zur Zusammenlegung der politischen Gefangenen in der Zeitung Sabot mitverantwortlich gewesen zu sein, zu einem Jahr Haft verurteilt“. Gefordert wird, „den Angriffen des Staates gegen Fritz zurückzuweisen und sich für die Aufhebung des Haftbefehls und die sofortige Freilassung von Fritz einzusetzen“. Ein Impressum gibt es nicht. Nur eine Kontaktadresse für die „Unterstützungsarbeit.“
Q: Flugblatt: Wer das Geld hat, hat die Macht. Und die Macht bestimmt das Recht, o. O., o. J. (1989).
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