Hamburg: Norddeutscher Rundfunk (NDR)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 16.8.2013

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Vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) Hamburg können hier bisher nur wenige Dokumente und Berichte erschlossen werden. Wir bitten um Ergänzungen.

Einleitend wird der Protest der NDR-Belegschaft gegen die Vereinnahmung durch den Springer-Verlag geschildert (vgl. Feb. 1970, 12.2.1970), ist damals der öffentlich-rechtliche Rundfunk doch offenbar durch die Vereinnahmungsversuche von Privatunternehmen und Parteien bedroht (vgl. 1.3.1971).

Die Mitarbeiter des NDR unterliegen immer wieder der Disziplinierung und Suspendierung wegen Beiträgen zur Chilesolidarität (vgl. Okt. 1973), gegen die Bundeswehrhochschulen (vgl. 20.2.1974), gegen den § 218 (vgl. 20.3.1975, 17.4.1975) und die Atomkraftwerke.

Vertreten war beim NDR zeitweise die Berufstätigensektion der Sozialistischen Studentengruppe (SSG) Hamburg des KBW mit einer Zelle, die auch eine Betriebszeitung veröffentlichte (vgl. 7.12.1973, 30.1.1974, 1.3.1974).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Februar 1970:
Vermutlich im Februar gibt die Sozialistische Arbeiterbasisgruppe (SABG) Mainz die Nr. 3 ihrer 'Roten Arbeiterpresse' (vgl. Dez. 1969, März 1970) heraus mit der Meldung aus Hamburg:"
Arbeiter des NDR gegen Meinungsmonopol

Der Betriebsrat des Norddeutschen Rundfunks mußte gehen. Warum? - Weil er hinter dem Rücken der Arbeiter und Angestellten einem Geschäft des NDR mit Springer zugestimmt hatte, durch das die Macht dieses Pressemonopolisten noch größer geworden wäre. Die Belegschaft stellte ihre 'Vertreter' in einer Betriebsversammlung bloß und zwang sie so zum Rücktritt.

Recht so! Wer die Belegschaften hinters Licht führt und gegen ihre Interessen handelt, der hat auf dem Platz von Arbeiter- und Angestellten-Vertretern nichts zu suchen.

Wir können uns selber helfen!!"
Quelle: Rote Arbeiterpresse Nr. 3, Mainz o. J. (1970), S. 4

12.02.1970:
Die DKP bringt die Nr. 7 ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 5.2.1970, 19.2.1970). Auf Seite 2 fordert Horst Boje, Bürgerschaftskandidat und Mitglied des DKP-Landesvorstandes Hamburg: "
STOPPT SPRINGER JETZT!

Wer über Springer die Wahrheit sagt, bedroht die Pressefreiheit. Auf diese Formel möchten der Pressezar und seine Kugelschreiber die Tatsachen zurechtstutzen. Landauf, landab läuft eine von der 'Abteilung Information' des Springer-Hauses gesteuerte Aktion 'Weißer Riese'. Weißer als Springer sei keiner, möchte man den Menschen aufschwätzen.

Brandt, Wischnewski, Bahr und neuerdings Conrad Ahlers sind gegenwärtig die bevorzugten Zielscheiben. Springer, maßgeblicher Partner im erzreaktionären 'Freundeskreis Strauß', will mit seinen Attacken vor allem anderen zweierlei erreichen. Erstens soll die Bundesregierung eingeschüchtert werden, nicht dem vielfältigen Drängen der immer größer werdenden 'Anerkennungspartei' zu folgen und die Beziehungen zur DDR über eine völkerrechtlich verbindliche Anerkennung zu regeln. Zweitens will Springer von der eigenen Aktivität ablenken, mit der er sein Meinungsmonopol noch weiter ausbauen will.

Springer greift wieder zum Fernsehen. Es ist ihm nicht genug, daß er und seine Freunde aus der CDU/CSU durch ihre Kampagnen eine halbe Legion Fernsehredakteure, die ihnen nicht genehm waren, abgeschossen haben. Er will nicht nur bestimmen, was die Bundesbürger lesen, er will auch entscheiden, was sie in der Flimmerkiste zu sehen bekommen.

In Hamburg startete er einen besonderen Coup. In der größten Stadt der Bundesrepublik, in der er jetzt schon 70 Prozent des Tageszeitungsmarktes in Händen hält und mit 100 Prozent den Sonntagsmarkt völlig beherrscht, ist er in das Fernsehgeschäft offiziell eingestiegen. Der erste Griff nach der 'Studio Hamburg Ateliergesellschaft', die dem NDR nahesteht, scheiterte. Klammheimlich wollte er diese Gesellschaft, die einen hohen Anteil der vom NDR gesendeten Fernsehproduktion herstellt, unter seine Fuchtel bringen. Hilfestellung leisteten ihm dabei Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Weichmann und der Bundestagsabgeordnete Meinecke, der den Vorsitz im NDR-Verwaltungsrat führt.

Als dieser Coup ruchbar wurde, hagelte es Proteste. Der DGB, die NDR-Journalisten protestierten gemeinsam mit großen Teilen der Öffentlichkeit gegen diese Manipulation. Auf dem Landesparteitag der Hamburger SPD gab es einen Sturm der Entrüstung über die Beihilfe der SPD-Spitze in der Hansestadt zum Springer-Coup. Gegen eine Stimme wurden die Vertreter der SPD im Verwaltungsrat aufgefordert, den Verkauf des 'Studio Hamburg' an Springer zu verhindern.

Da kamen dem Pressezar seine Busenfreunde aus der CDU zur Hilfe. Die CDU-Vertreter im Verwaltungsrat boykottierten eine Sondersitzung des Rates. Sie ermöglichten damit eine neue Transaktion. Der eilig einberufene Aufsichtsrat der 'Studio Hamburg Ateliergesellschaft', in dem die NDR-Vertreter dominieren, beschloß, das ganze 'Studio Hamburg' zu verkaufen. Damit ist für Springer das Tor zum Fernsehen weit geöffnet. Zunächst wird der Filmproduzent Trebitsch das 'Studio Hamburg' übernehmen, aber mit der Maßgabe, daß sich weitere Interessenten an der Gesellschaft beteiligen. Nach Lage der Dinge wird dies Springer sein.

Dieser Skandal sucht seinesgleichen. Die DGB-Zeitung 'Welt der Arbeit' (WdA, d.Vf.) hatte die Rundfunkanstalten gewarnt. Sie schrieb: 'Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden unglaubwürdig, wenn sie selbst der Privatwirtschaft die Tür zum Fernsehen öffnen.'

Diese Warnungen sind ebenso wie die zahlreichen Proteste bisher wirkungslos geblieben. Möglich wurde diese Transaktion nur, weil sich führende Sozialdemokraten in Hamburg aus Furcht vor dem Meinungsmacher nicht mit dem Hause Springer anlegen wollten. Aber man kann den verderblichen und gefährlichen Einfluß von Springer nur überwinden, wenn man ihn bekämpft und nicht, wenn man sich durch Zugeständnisse sein Wohlverhalten erschleichen will.

Springer handelt nur in seinem und seiner reaktionären Freunde Interesse. Auch wenn er der Hamburger SPD über Helmut Schmidt zur Bürgerschaftswahl 1966 als Wahlspende 100 000 DM zusteckte. Schon einmal stürzte die Springer-Zeitung in Hamburg einen SPD-Bürgermeister. Von Springer ist weiter bekannt, daß er in Hamburgs Innenstadt Grundstücke aufkaufte, was ihm ermöglicht, die Stadtplanung zu blockieren oder nach seinem Willen zu manipulieren.

Bürgermeister Weichmann handelte gegen die Interessen der Hamburger Bürger, als er Springer beim Griff zum Fernsehen half. Was not tut, ist: Springer und seinem Meinungsmonopol endlich Einhalt zu gebieten. So wie vor zwei Jahren Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten und andere Demokraten ihre Aktionen gegen Springer gemeinsam führten, so muß man heute gemeinsam handeln.

Die DKP in Hamburg hat in ihrem Zehn-Punkte-Programm zu den bevorstehenden Bürgerschaftswahlen die Forderung gestellt, marktbeherrschende Unternehmen und Schlüsselbetriebe in öffentliches Eigentum zu überführen. Darum stoppt Springer jetzt - enteignet ihn!"
Q: Unsere Zeit Nr. 7, Essen 12.2.1970

01.03.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich u.a. aus dieser Woche: "
CSU PLANT ÄNDERUNG DES BAYRISCHEN RUNDFUNKGESETZES

Schon seit längerer Zeit plant die CSU eine Änderung des bayrischen Rundfunkgesetzes, in diesem Monat soll im bayrischen Landtag darüber beraten werden.

In einer ERGÄNZUNG zum Rundfunkgesetz soll die Errichtung PRIVATER Rundfunk- und Fernsehgesellschaften ermöglicht werden, wobei das bayrische Kultusministerium (KuMi, d.Vf.) Kontrollorgan bleibt.

Träger einer solchen Gesellschaft soll die Münchener 'Intermedium Funkgesellschaft mbH' werden, die zu 85% BERTELSMANN gehört - also einem Monopolkonzern, der schon seit längerer Zeit die reaktionären und faschistischen Organisationen in der BRD unterstützt (Bertelsmann-Generalbevollmächtigter Mohn zahlt z.B. an die NLA).

Außerdem hat die 'Studiengesellschaft für staatspolitische Öffentlichkeitsarbeit e.V.' - in der u.a. der Strauß-Freund und Großgrundbesitzer Freiherr von und zu Guttenberg sitzt - eine ÄNDERUNG des Rundfunkgesetzes vorgeschlagen: Nach diesem Entwurf sollen im Rundfunkrat des Bayrischen Rundfunks (BR, d.Vf.) nicht mehr wie bisher Vertreter der Stände (Arbeitgeber, Gewerkschaften, Stände usw.) sitzen, sondern Vertreter der politischen Parteien, und zwar entsprechend ihrer Stärke im Landesparlament.

Diese Regelung (die beim WDR und NDR schon praktiziert wird), würde den Bayrischen Rundfunk völlig zu einem Instrument der CSU-Regierung machen."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 20, Bochum 13.3.1971, S. 6f

Oktober 1973:
Der KHB/ML des AB gibt erst im Oktober seine 'Kommunistische Studentenzeitung' (KSZ) Nr. 17 für September/Oktober (vgl. Juli 1973, Nov. 1973) heraus. Berichtet wird auch in "Meinungsfreiheit…" aus Hamburg von der Suspendierung der NDR-Mitarbeiter Monika Jette und Wolfgang Ebersberger.
Q: Kommunistische Studentenzeitung Nr. 17, München Sept./Okt. 1973, S. 26

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07.12.1973:
Die Berufstätigensektion der Sozialistischen Studentengruppe (SSG) Hamburg des KBW gibt beim NDR ihre 'Informationen für die Kollegen beim Norddeutschen Rundfunk' (vgl. 30.1.1974) in einer Auflage von 400 Stück unter der Schlagzeile "Kampf den Notstandsmassnahmen der Bourgeoisie und ihres Staates" heraus. Aufgerufen wird zur Demonstration (vgl. 8.12.1973).

Ein Artikel behandelt das Thema "Der NDR und die Energiekrise".
Q: Informationen für die Kollegen beim Norddeutschen Rundfunk Kampf den Notstandsmassnahmen der Bourgeoisie und ihres Staates, Hamburg 7.12.1973

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30.01.1974:
Die Berufstätigensektion der Sozialistischen Studentengruppe (SSG) Hamburg des KBW gibt beim NDR ihre 'Informationen für die Kollegen beim Norddeutschen Rundfunk' (vgl. 7.12.1973, 1.3.1974) in einer Auflage von 400 Stück unter der Schlagzeile "Der Kampf der Kollegen im öffentlichen Dienst ist auch unser Kampf!" zur Tarifrunde im Öffentlichen Dienst (ÖDTR) heraus.
Q: Informationen für die Kollegen beim Norddeutschen Rundfunk Der Kampf der Kollegen im öffentlichen Dienst ist auch unser Kampf!, Hamburg 30.1.1974

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20.02.1974:
Der KBW gibt seine 'Kommunistische Volkszeitung' (KVZ - vgl. 6.2.1974, 6.3.1974) Nr. 4 heraus. Berichtet wird aus Hamburg in "Nach Absetzung eines Hörspiels: NDR-Kollegen gehen auf die Strasse. Sprecher und Redakteure wehren sich gegen politische Zensur" aus dem RFFU-Bereich vom NDR über ein Hörspiel zur Bundeswehrhochschule.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 4, Mannheim 20.2.1974, S. 15

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01.03.1974:
Die Berufstätigensektion der Sozialistischen Studentengruppe (SSG) Hamburg des KBW gibt beim NDR ihre 'Informationen für die Kollegen beim Norddeutschen Rundfunk' (vgl. 30.1.1974) in einer Auflage von 500 Stück unter der Schlagzeile "Staatsrundfunk kürt seinen Intendanten!" heraus.

Weitere Artikel sind:
- "Forderungen auf den Tisch" zur RFFU-Tarifrunde;
- "Die 'Wahlnacht'" zur SPD-Veranstaltung zur Intendantenwahl;
- "Der 'eiserne' Intendant";
- "Beim NDR keine Zensur?";
- "'Die Lehrerin Frau Huth muß bleiben, sonst werden wir's dem Apel zeigen!'";
- "NDR-Notizen";
- "Bürgerschaftswahlen"; sowie
- "Pressefreiheit in China".
Q: Informationen für die Kollegen beim Norddeutschen Rundfunk Staatsrundfunk kürt seinen Intendanten!, Hamburg 1.3.1974

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20.03.1975:
Die Ortsgruppe Hamburg des KBW gibt eine Ortsbeilage Hamburg zur 'Kommunistischen Volkszeitung' (KVZ) Nr. 11 (vgl. 13.3.1975, 27.3.1975) heraus. Berichtet wird "Moderator beim NDR suspendiert", da dieser zum § 218 eine Strophe des Gedichts 'Patriotisches Bettgespräch' von Erich Kästner und das Lied 'Die alte Engelmacherin' gesendet hatte.
Q: Kommunistische Volkszeitung Ortsbeilage Hamburg Nr. 11, Hamburg 20.3.1975, S. 3

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17.04.1975:
Die Ortsgruppe Hamburg des KBW gibt eine Ortsbeilage Hamburg zur 'Kommunistischen Volkszeitung' (KVZ) Nr. 15 (vgl. 10.4.1975, 24.4.1975) heraus. Vom NDR bzw. dem § 218 wird berichtet in "Suspendierung von Wolfgang Hahn aufgehoben".
Q: Kommunistische Volkszeitung Ortsbeilage Hamburg Nr. 15, Hamburg 17.4.1975, S. 3

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31.01.1977:
Die KPD (vgl. 9.2.1977) berichtet vermutlich aus dieser Woche über Medienkontrolle für das AKW-Programm gegen Moderatoren beim NDR und u.a. über die Haltung der RFFU.
Q: Rote Fahne Nr. 6, Köln 9.2.1977

Letzte Änderungen: 20.8.2013

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