Provinz - Zeitung für Wiesbaden und Mainz, Wiesbaden, Nr. 12, April 1977

April 1977:
Die Nr. 12 der "Provinz - Zeitung für Wiesbaden und Mainz" erscheint.
In der "Bekanntmachung" heißt es u. a.: "Wieder mal hat es Ärger bei uns in der Redaktion gegeben, nur stand diesmal die Existenz der PROVINZ auf dem Spiel, tatsächlich sah es so aus, als ob die nächste Nummer nicht erscheinen würde. Aber um zu verdeutlichen, warum die Situation sich so zugespitzt hat, muss hier weiter ausgeholt werden und die Geschichte der PROVINZ bzw. der Leute, die die PROVINZ bisher machten, verdeutlicht werden:

Anfangs war das Konzept für die PROVINZ, eine Zeitung für Mainz und Wiesbaden mit dem Schwerpunkt Kultur zu machen. Auf dem ersten Plakat hieß es: 'Eine Zeitung für die Leser von den Lesern'. Wir haben gemerkt, dass das wirklich nur teilweise möglich ist, da ganz einfach nicht genug Artikel von unseren Lesern bzw. Gruppen, die hier im Raum Mainz/Wiesbaden arbeiten, kommen. Auch war das feed-back mehr als miserabel. Dadurch ergab sich für uns die Tatsache, dass mehr redaktionelle Arbeit geleistet werden muss, d.h. dass wir uns selbst um Artikel kümmern bzw. selbst Artikel schreiben müssen.

Das ist eine der Hauptschwierigkeiten, die wir immer noch nicht bewältigt haben. Dazu kam dann, dass die Besetzung der Redaktion sich änderte und dadurch natürlich auch andere Inhalte in die Zeitung eingebracht wurden. Anfang September gab es dann eine Auseinandersetzung zwischen 'Kulturfraktion' und 'Politfraktion', die dann leider damit endete, dass drei Leute mehr oder weniger aus der Redaktion ausschieden. Wieder mal wurde der Versuch unternommen ein Konzept für die Zeitung - soweit ein derartiges Konzept möglich ist - zu erstellen. Wir einigten uns darauf, dass überregionale Berichterstattung und lokale Berichterstattung sehr wohl nebeneinander in einer Stadtzeitung möglich sind, mehr dass dadurch der Machenschaften unseres Staates viel deutlicher wird. Bei dieser Feststellung blieb es dann. Die Leute, die in der Redaktion arbeiteten, waren mehr oder weniger funktionalisiert.

Es gab Leute die waren zuständig für den überregionalen Teil, Leute für den regionalen Teil, andere für die Kultur und wieder andere für Gedichte, Lyrik usw. Soweit der inhaltliche Teil der Funktionalisierung, aber auch die technischen Sachen wurden immer weitgehend von den 'dafür zuständigen' Machern erledigt. Somit wurde eine Arbeitsteilung in die Redaktion eingeführt, die wir nie gewollt oder beabsichtigt hatten. Man machte zusammen eine Zeitung, aber die Personen selbst bzw. ihre Inhalte wurden in der Gruppe nie berücksichtigt, konnten in diesem Rahmen auch nie berücksichtigt werden. Treffpunkt war immer die Redaktionssitzung, auf der dann meistens nur über das Technische geredet wurde, eine Diskussion der Artikel gab es immer nur an Punkten, nie wurden die unterschiedlichen Meinungen und Auffassungen in der PROVINZ transparent.

Aus diesem Grunde und aus der Tatsache, dass wieder viele neue Leute in die Redaktion gekommen sind, beschlossen wir wieder mal Anfang Januar eine 'Grundsatzdiskussion' zu machen. Dort entschlossen wir uns zwei getrennte Redaktionen für Mainz und Wiesbaden zu bilden, die sich dann auf die beiden Städte besser konzentrieren konnten. Weiter wurde beschlossen Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen zu machen, um nicht immer nur über Phänomene zu berichten, sondern auch in der Lage zu sein den Hintergrund der Phänomene darzustellen. Soweit das Konzept, aber praktisch sah es nicht so aus, die Koordination zwischen der Mainzer und der Wiesbadener Redaktion war nicht zu realisieren.

Statt das einzelne jetzt mehr entlastet waren, trat das Gegenteil ein, die beiden letzten Zeitungen wurden hauptsächlich von drei bis vier Leuten erstellt. Das bedeutete einen Arbeitsaufwand, der kaum zu bewältigen war. Dann traten persönliche Schwierigkeiten auf, aufgrund derer sich dann die gesamte Mainzer Redaktion entschloss, nicht mehr mitzuarbeiten. So war dann der Stand vor etwa zwei Wochen, d. h. dass es nunmehr nur noch fünf Leute in der Redaktion gab, die aber absolut nicht in der Lage waren die Arbeit zu bewältigen. Deshalb versuchten wir mit vier Wiesbadener Gruppen, sowie Einzelpersonen die Möglichkeit zu diskutieren, dass die PROVINZ von dort aus weitergetragen wird, d. h. dass die Redaktion eine neue Zusammensetzung haben wird und dass wir im kommenden Monat endlich mal einen Organisationsplan sowie die Umrisse eines Konzeptes erstellen werden. Somit ist jetzt wieder gewährleistet, dass es die PROVINZ weitergibt.

Eine Schwierigkeit wird sich sicherlich noch ergeben, nämlich dass die Mainzer ihre eigene Redaktion machen wollen, weil eine weitere Auseinandersetzung mit uns nicht möglich ist. Hier müßte man öffentlich diskutieren, was es heißt wenn zwei Alternativzeitungen für das gleiche Gebiet gemacht werden, aber besser wohl problematisieren ob es nicht ne Möglichkeit gemeinsam an einer Zeitung zu arbeiten, gibt!"

Artikel der Ausgabe sind:
- "Bekanntmachung"
- "Leserbrief"
- "Isolation"
- "Rückblick auf unsere Alternativversuche"
- "Frauenbuchladen"
- "Nieder mit dem Europa der Bullen und der Herren"
- "Pressemitteilung: Internationale Untersuchungskommission zur Aufklärung der Todesumstände von Ulrike Meinhof"
- "BDP/BDJ"
- "Aktion Hessenkolleg"
- "Filmbesprechung"
- "Buchtipp"
- "Irrlicht"
- "Kuba, Afrika und Angola"
- "Der innere Feind"
- "Werden linke Bücher besser bei Springer gedruckt"
- "Interview mit den Gefangenen aus der Roten Armee Fraktion"
- "Zensur"
- "Irland"
- "Frieden um jeden Preis"
- "Unternehmen Entebbe"
- "Arbeitslosenselbsthilfe"
- "Grohnde"

Berichtet wird u. a. über G. Hanisch und seinen Haftbedingungen, über Alternativversuche (z. B. Bäckerei, Folk Club), über den Frauenbuchladen "Sappho", "wie er entstand, was er ist", über eine Demonstration am 26.2.1977 in Colmar "gegen die Auslieferung von Detlef Schulz an die BRD und gegen die Antiterrorismuskonvention", über den Pfadfinderverband BDP/BDJ. Berichtet wird weiter über Kuba, Afrika und Angola, über Interviews mit den Gefangenen aus der RAF-Auszüge aus "Le Monde Diplomatique". Berichtet wird noch über Irland und den Film "Unternehmen Entebbe". Das Zwischenergebnis der UK zum Tode von Meinhof soll "Zweifel an der von offizieller Seite verbreiteten Selbstmordthese" genährt haben.
Q: Provinz - Zeitung für Wiesbaden und Mainz, Wiesbaden, Nr. 12, April 1977.

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