"Unser Blättche"
Betriebszeitung für die Kollegen von Opel Rüsselsheim

Materialien zur Analyse von Opposition

Einleitung von Achim Dresler / MAO-Datensätze von Dietmar Kesten, 3.1.2024

Im Dezember 1979 erscheint bei Opel Rüsselsheim erstmalig "UNSER BLÄTTCHE", im Untertitel "mit den neuesten Informationen für unsere Kollegen von aktiven IG Metallern in der Adam Opel AG". Herausgeber ist eine Gruppe von ein bis zwei Dutzend linken Gewerkschaftern mit unterschiedlichem politischem Hintergrund, darunter ehemalige MLer, die auf einen breiteren Kreis von Unterstützern unter den Opel-Gewerkschaftsfunktionären setzen können. Damit ist der Wirkkreis bedeutsamer als jener der diversen anderen linken Betriebszeitungen. Matthias Beltz (1945 - 2002) gibt seinen prominenten Namen als Herausgeber und alleinigen im Impressum genannten Namen. Beltz kam 1970 für den "Revolutionären Kampf" zu Opel Rüsselsheim, war später Block-Vertrauensmann der IG Metall und verließ Opel 1977, um freiberuflich als Kabarettist tätig zu sein.

Inhaltlich steht für die Zeitung die kritische Begleitung der Arbeit von Betriebsrat (links-sozialdemokratisch dominiert) und Gewerkschaft im Vordergrund.

Matthias Beltz wirbt für die "vollkommen unabhängige und überparteiliche Zeitung" in einem Spendenaufruf für "Unser Blättche" (Nr. 2, 1980, S. 3) und begründet dies auch mit dem Fehlen einer IG-Metall-Zeitung für den Betrieb. Es ist gleichzeitig die Zeitenwende von den wechselnden Autokonjunkturen in den 1970er Jahren zur Strukturkrise und Globalisierung der 1980er Jahre. Das "Blättche" greift weiter skandalträchtige Ereignisse auf und setzt damit selbst Themen in der Öffentlichkeit. Dazu gehören die Zahlungen von Opel an den CDU-MdB Otto Zink (Unser Blättche 3 und 4/1980) oder die Grundwasserverschmutzung von Opel (1983, Ausgaben noch nicht vorhanden). Ergänzend werden Artikel aus anderen links-gewerkschaftlichen Publikationen übernommen.

Das Blatt wird in A3 gefaltet mit vier Seiten gedruckt. Wiedererkennungswert erhält das gelbe Druckpapier. Die Auflage liegt vermutlich unter 1.000 Exemplaren, verteilt von den Unterstützern im Werk sowie auch an Portalen.

Es sind hier die ersten fünf Ausgaben von "Unser Blättche" dokumentiert, erschienen 1979 bis 1980. Außerdem ein weiteres Format: "Unser Blättche", Betrieblicher Informationsdienst Nr. 1 vom 20.03.1980 und ein Extrablatt im vermutlich Mai 1980 zum Kampf gegen Entlassungen. "Unser Blättche" erscheint weiter, vermutlich bis 1983. Die Redaktion freut sich über die Zusendung weiterer Ausgaben.

Angaben zu den einzelnen Nummern

Im Dezember 1979 erscheint das erste "UNSER BLÄTTCHE" (Nr. 1, Dez. 1979). Aufmacher auf Seite 1 ist die beginnende Strukturkrise im Automobilbau: "Opel baut ab, wenn wir nicht aufpassen. Die Krise ist da! Was tun?". Außerdem geht es um die Tarifrunde ("Opel-Vertrauensleute: 250 Mark für alle!"). Dazu kommen Gewerkschafter aus den Abteilungen zu Wort. Italienische und türkische Übersetzungen finden sich auf S. 4.

Im Februar 1980 erscheint "UNSER BLÄTTCHE" erneut (Nr. 2, Feb. 1980) mit dem Aufmacher "Der Boss wird reich im Sitzen und ihr sollt pausenlos schwitzen. Kampf für Erholzeiten!". Unter dem Titel "Die Flußpiraten vom Untermain" geht es um die vertuschte Wasserverschmutzung von Opel (S. 1). Ein vertrauliches Betriebspapier zu Management-Privilegien wird geoutet (S. 1). Auf S. 4 startet eine Serie zur Opel-Historie unter dem Titel "So sind sie reich geworden".

Am 20.3.1980 erscheint erstmalig "UNSER BLÄTTCHE" mit dem Untertitel "Betrieblicher Informationsdienst Nr. 1, gedruckt auf A4 auf 6 gehefteten weißen Seiten. Die Herausgeber begründen dieses Format auf S. 1 mit dem Platzmangel für aktuelle Informationen im "Blättche", die sich speziell an gewerkschaftlich aktive Kollegen richten und künftig "nach Bedarf erscheinen" sollen. Der Titel lautet "Wie können wir gegen Entlassungen kämpfen?". Es folgen Berichte zur Vertrauensleutearbeit (darunter auch der Konflikt um die Startbahn West sowie den rechten türkischen Betriebsrat Akkeci) sowie zur IG-Metall-Vertreter-Versammlung am 1.3. Weiter sind Artikel aus anderen Gewerkschaftsquellen abgedruckt.

Im April 1980 erscheint die dritte Ausgabe von "UNSER BLÄTTCHE" (Nr. 3, April 1980). Unter dem Aufmacher "400.000 DM an Opels Mann in Bonn" werden Zahlungen von Opel an den CDU-MdB Otto Zink aufgedeckt. Auf S. 1 wird zur Betriebsversammlung aufgerufen: "Sozialplan oder Kampf um Arbeitsplätze". Neu ist eine Leserbriefspalte S. 3

Vermutlich im Mai 1980 erscheint "UNSER BLÄTTCHE" Extra, gedruckt auf zwei Seiten A4 auf gelbem Papier. Unter dem Titel "Heute Solidarität - morgen ist`s vielleicht zu spät!" wird aufgerufen, mit Unterschriften die Vertrauensleute-Vollversammlung am 2.6. für IG Metall mitgliederöffentlich zu machen.

Im Juli 1980 geht es "UNSER BLÄTTCHE" (Nr. 4, Juli 1980) im Titel um die Haltung von Betriebsrat und IG Metall zum Arbeitsplatzabbau ("Unter Kopfgeldjägern"). Interne Vertragsinhalte zur Verlagerung von Opelproduktion an einen österreichischen Standort werden geoutet ("Millionengeschichten aus dem Wienerwald"). Das Pressecho zur Enthüllung von Geldzahlungen Opels an den Politiker Zink (vgl. Nr. 3) wird dokumentiert (S. 4).

Im November 1980 erscheint "UNSER BLÄTTCHE" (Nr. 5, Nov. 1980). Erneut geht es auf der Titelseite um die Abbaupläne von Opel ("Der Worte sind genug gewechselt … Strategie und Taktik im Kampf um Arbeitsplätze"). Die Zeitung lädt auf S. 1 zu einer Veranstaltung mit dem IG Metaller Jakob Moneta mit Titel "Arbeiterinteressen oder Sozialklempnerei?" am 9.11. in Rüsselsheim ein. Auf S. 2 folgen "Thesen zur Opel-Krise" und ein kritischer Rückblick auf den Besuch des IG-Metall-Chefs Eugen Loderer im Opel-Werk ("Chefvisite"). Die Leserbriefspalte auf S. 3 ist gewachsen. Auf S. 4 berichten Mitglieder der "Blättche"-Gruppe von ihrer Reise nach Turin ("Opeler lernen aus dem Fiat-Streik").

Liste der als Scans vorhandenen Zeitungen

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

Dezember 1979:
Bei Opel in Rüsselsheim erscheint von aktiven IG-Metallern die Nr. 1 der Zeitung: "Unser Blättche".
Inhalt u. a.:
- Opel baut ab
- Streikbrecher im weißen Kragen. Interne Anweisungen bei Opel
- Die Krise ist da. Was tun?
- Tarifrunde. Nachholbedarf: Opel Vertrauensleute: 250,- DM für alle!
- Zur Ursache der Autokrise
- Für wen wir arbeiten
- Gedanken eines Vertrauensmanns …
- Kollegen berichten
Quelle: Unser Blättche, Nr. 1, Rüsselsheim, Dezember 1979.

Februar 1980:
Bei Opel in Rüsselsheim erscheint von aktiven IG-Metallern die Nr. 2 der Zeitung: "Unser Blättche".
Inhalt u. a:
- Der Boss wird reich im Sitzen und ihr sollt pausenlos schwitzen
- Die Flusspiraten vom Untermain
- Kämpft für Erholzeiten
- Bandarbeiter wehrt euch
- Droht ein 7% Abschluss?
- Zur Herausgabe von 'Unser Blättche'
- IG-Metaller an der Rechtsfront
- IG Metaller auf der Abschussliste
- Die Opel-Story: 1. Folge: Die wunderbare Gründung der Opel-Werke
Q: Unser Blättche, Nr. 2, Rüsselsheim, Februar 1980.

20.03.1980:
Bei Opel in Rüsselsheim erscheint von aktiven IG-Metallern die Nr. 1 der Zeitung: "Unser Blättche" in neuem Format als "Betrieblicher Informationsdienst".
Inhalt u. a:
- Wie können wir gegen Entlassungen kämpfen?
- Dokumentation: Die Entschließung der Mannesmann-Vertrauensleute vom 15. Februar im Wortlaut
- Vor dem Gewerkschaftstag der IG Metall 1980
Q: Unser Blättche, Nr. 1, Rüsselsheim, 20. März 1980.

April 1980:
Bei Opel in Rüsselsheim erscheint von aktiven IG-Metallern die Nr. 3 der Zeitung: "Unser Blättche".
Inhalt u. a:
- 400.000 DM an Opels Mann in Bonn
- Auf zur Betriebsversammlung
- Sozialplan oder Kampf um Arbeitsplätze
- 90 Jahre 1. Mai
- Internationale Basisarbeit, oder Genfer Konferenzklima?
- Vor dem Gewerkschafstag
- Gewerkschaftsarbeit bei Opel (Interview)
- Die Opel-Story: 2. Folge: Firmenaufstieg und Arbeiternot
Q: Unser Blättche, Nr. 3, Rüsselsheim, April 1980.

Mai 1980:
Vermutlich Ende Mai erscheint bei Opel in Rüsselsheim von aktiven IG-Metallern ein "Extra" von "Unser Blättche" mit der Schlagzeile: "Heute Solidarität. Morgen ist es vielleicht zu spät?" Informiert wird über "VF-Fokker" und "Verlagerungen der Produktion". Aufgerufen wird zu einer Vertrauensleutevollversammlung am 2.6. in der Rüsselsheimer Stadthalle.
Q: Unser Blättche, Extra, Rüsselsheim, Mai 1980.

Juli 1980:
Bei Opel in Rüsselsheim erscheint von aktiven IG-Metallern die Nr. 4 der Zeitung: "Unser Blättche".
Inhalt u. a.:
- Reportagen aus dem Wirtschaftsdschungel: Unter Kopfgeldjägern
- Millionengeschichten aus dem Wienerwald
- Blockvertrauensleute tagten …
- Mit Brecht gegen Strauß
- Wo Ausbeuter Arbeiter feuern - wird Widerstand zur Pflicht
- Schnüffler im Presswerk
- Willi Weber (BR-Vors. VFW) und G. Pfeifenroth (VKL) erläutern ihre Erfahrungen: Nur Druck schafft Luft
- Die Opel-Story: Folge 3: Die Gewerkschaft

Informiert wird u. a. über den "Anachronistischen Zug" des AB. Motto: "Brecht statt Strauß". Dazu soll am 11.7. ein Film- und Diskussionsabend in Rüsselsheim stattfinden.
Q: Unser Blättche, Nr. 4, Rüsselsheim, Juli 1980.

November 1980:
Bei Opel in Rüsselsheim erscheint von aktiven IG-Metallern die Nr. 4 der Zeitung: "Unser Blättche".
Inhalt u. a.:
- Der Worte sind genug gewechselt …
- Unsere Alternative: Ein Aktionsprogramm der Taten
- Strategie und Taktik im Kampf um Arbeitsplätze
- Der Chef war da
- "Zum Hellsehen muss es dunkel sein." Thesen zur Opel-Krise
- Mehr Geld für Oberstreber
- Ein Vorschlag zur Betriebsratswahl
- Opeler lernen aus dem FIAT-Streik
- Die Opel-Story: Folge 4: "Zum Krieg führen gehören PS, PS und abermals PS"

Aufgerufen wird zu einer Diskussionsveranstaltung mit Jakob Moneta: "Arbeiterinteressen oder Sozialklempnerei?" in Rüsselsheim am 9.11.
Q: Unser Blättche, Nr. 5, Rüsselsheim, November 1980.

Letzte Änderung: 03.02.2024