Vesper - Schülerzeitung, Jg. 1, Nr. 5, Nov. 1969

November 1969:
In Groß Gerau erscheint die Nr. 5 der Schülerzeitung 'Vesper' (vgl. Sept. 1969, Dez. 1969) in einem Umfang von 20 Seiten, von denen uns leider die Seiten 5 bis 10 fehlen. Auf dem Titelbild hetzt F.J. Strauss einen Schäferhund auf. Die Auflage wird mit 630 Ex. angegeben. Als Mitglieder des Redaktionskollektives werden benannt vom Prälat Diehl Gymnasium (PDG): Gertrud Bischoff, Heiner Scherer, Harald Merz, Kl.-Jürgen Rücker, Dirk Treber, Norbert Schwappacher, Susi Himmel, Bernd Heyl, Wulf Rühl, Uschi Pietz und Angelika Reichstein, von der Kreisberufsschule Groß Gerau u.a.: Bernd Melchior, Wolfgang Gimbel, Klaus Gimbel und Burkhard Benz, andere Mitarbeiter sind Ernst Sperling, Gerda Meinelschmidt, Angelika Stork, Jürgen Goetz und Dagmar Dotzauer.

"In eigener Sache" wird erklärt:"
1. Als wir im Mai dieses Jahres die erste Ausgabe der Vesper herausbrachten, war es unser Ziel, die Schüler, die unsere Zeitung lesen, anzuregen kritisches Bewußtsein zu entwickeln. Weiter war es unsere Absicht 'allen Schülern die Möglichkeit zu bieten ihre Meinung zu Problemen, die für sie von Interesse sind, darzulegen' (Vesper 1). Damit die Schüler keine Angst vor Repressalien zu haben brauchen verzichten wir auf den Abdruck der Namen. Wir stellen noch einmal fest, daß wir alle uns zugesandten Artikel ohne Zensur drucken (Wenn Kürzungen wegen Platzmangel notwendig sind, werden wir den Verfasser bitten diese selbst vorzunehmen). Bisher erhielten wir lediglich eine Zuschrift; sie war von einem Pfarrer. Wir fordern a l l e Leser dazu auf mitzuarbeiten und kritisch Stellung zu nehmen.

2. Es ist unerträglich und schlicht als Schweinerei zu bezeichnen, wenn Lehrer Artikel von uns im Unterricht in diffamierender Weise besprechen und uns nicht die Möglichkeit zur Gegendarstellung bieten. Das ist Manipulation und Verdummung übelster Machart, und wir sind nicht gewillt das hinzunehmen. Wir fordern alle Schüler auf uns zu berichten wenn Lehrer unsere Zeitung im Unterricht besprechen und von dem betreffenden Lehrer zu verlangen, daß ein Mitglied des Redaktionskollektivs an der Besprechung teilnehmen kann.

3. Das Redaktionskollektiv hat sich seit der ersten Ausgabe stark vergrößert; trotzdem sind wir auch weiterhin an der Mitarbeit anderer Schüler interessiert. Auch das neuentstandene Redaktionskollektiv an der Berufsschule fordert die Schülerschaft zu verstärkter Mitarbeit auf."

Zur Bundestagswahl äußert sich "Wahlwittchen" frei nach den Brüdern Grimm. In "Phrasen, Schlagwörter, dummes Gewäsch, z.B.: Faschismus" heißt es u.a.:"
Uns geht es aber nicht darum, irgendwelche 'Traumtänzer' zum mitträumen zu gewinnen, sondern unser Ziel ist es vielmehr, dem Einzelnen aufzuzeigen, in welchem 'Scheißstaat' er eigentlich lebt, anders ausgedrückt: in einem spätkapitalistischen Staat mit faschistischen Tendenzen".

In "Über die Funktion der Betriebshierarchie" heißt es:"
Insgesamt ist zu erkenn, daß die autoritär hierarchische Gesellschaftsordnung Ursache für ständigen Unfrieden in der breiten Masse ist. Die Lohnabhängigen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß sie nicht in der Lage sind, die eigentlichen Ursachen, die für ihre jetzige, unbefriedigende Lage verantwortlich sind, zu erkennen. … Es ist jedoch auf jeden Fall notwendig, daß die Arbeiter i h r e Betriebe selbst leiten und die Betriebshierarchie durch ein System der Arbeiterselbstverwaltung ersetzt wird (Jugoslawien-Modell). … Jetzt ist noch die Frage zu klären, wie man die bestehenden Verhältnisse verändern kann. … Die Gewerkschaften können uns hier nicht viel helfen, sie sind bereits so mit der Betriebshierarchie verbunden, daß sie unfähig sind wirksame Kritik zu üben. Es ist daher dringend erforderlich, daß wir uns selbst organisieren." Eine Möglichkeit dazu sei der Arbeitskreis Betrieb Groß Gerau, der sich jeden Samstag im Schloß Dornberg trifft.

In "Die Stellung der Frau in Beruf, Familie, Politik und Sexualität" wird u.a. auf den Paragraphen 1356 BGB eingegangen.

In "Vom Parlamentarismus zur autoritären Demokratie" befaßt man sich mit Carl Schmitt und stellt fest:"
Manipulation hat ja nur dann langfristigen Erfolg, wenn sie auf die Bereitschaft stößt, sich manipulieren zu lassen, wenn ihr bestimmte Bedürfnisse der Masse entgegenkommen. Das ist ohne Zweifel in Deutschland zur Zeit der Fall."
Q: Vesper Nr. 5, Groß Gerau Nov. 1969

Gross_Gerau122

Gross_Gerau123

Gross_Gerau124

Gross_Gerau125

Gross_Gerau126

Gross_Gerau127

Gross_Gerau130

Gross_Gerau131

Gross_Gerau132

Gross_Gerau133

Gross_Gerau134

Gross_Gerau135

Gross_Gerau136

Gross_Gerau137



[ Zum Seitenanfang ]   [ vorige Ausgabe ]   [ nächste Ausgabe ]   [ Übersicht ]   [ MAO-Hauptseite ]