Jungarbeiter und Lehrlingspresse - Berufsschulzeitung der Revolutionären Jugend (Marxisten-Leninisten) für Frankfurt und Groß-Gerau, Jg. 2, Nr. 11/12, Feb. / März 1972

10.01.1972:
Vermutlich aus dieser Woche berichtet die RJ/ML des KAB/ML aus Frankfurt:"
NEBENAMTLICHE LEHRER ENTLASSEN

Mitte Januar verfügte der Regierungspräsident, daß die Zahl der in Frankfurt beschäftigten nebenamtlichen und nebenberuflichen Lehrer 'drastisch eingeschränkt' werden müsse. Zur Begründung wurde auf die leeren Kassen des Landes verweisen. Nicht genug damit, daß man uns den Wandertag und die damit verbundenen Zuschüsse streicht, nicht genug damit, daß gegen den katastrophalen Lehrermangel nichts unternommen wird, will man uns nun die von Eltern und Schülern gemeinsam erkämpften nebenamtlichen Lehrkräfte nehmen. Das ist der Gipfel der Unverschämtheit und entlarvt einmal mehr, wie sehr die sozialreaktionäre SPD-Regierung eine Dienerin des Kapitals ist. Die Jungsozialisten (Jusos, d.Vf.) und die DKP werden jetzt bedauernd feststellen: 'Ein gescheiterter Reformversuch'. Daß diese Angriffe auf unsere sowieso schon miserable Ausbildung kein Ausrutscher ist und - auch zum Bedauern unserer Freunde von der - nicht (nur) von der CDU kommt, schreibt sogar die SPD-treue Frankfurter Rundschau am 8.2.1972: 'Am Wortlaut der Verfügung wurde von den Landtagsabgeordneten kein Wort geändert.'
Durch den Abzug dieser nebenberuflichen Lehrer wird nicht nur unsere Stundenzahl sinken, sondern auch die Qualität des Unterrichts. In Zukunft werden wegen des Mangels an naturwissenschaftlichen Lehrkräften nämlich viele Deutschlehrer z.B. Mathematikunterricht geben. Zudem ist geplant, 'Fachkräfte aus der Industrie' ohne pädagogische Kenntnisse heranzuziehen. Für die Kapitalisten ist das ein zusätzliches Plus, weil sie sich eine Durchdringung der Schulen mit Unternehmerideologie davon erhoffen. Ein konkretes Beispiel für die Auswirkung an einer Schule gibt der Direktor der Helmholtzschule in einem Interview mit der FR: 1 425 Pflichtstunden müßten an dieser Schule gegeben werden. Die hauptamtlichen Lehrkräfte bewältigen aber nur 1 162. 171 Stunden bewältigen zusätzlich bisher noch die nebenamtlichen und nebenberuflichen Lehrer. Macht ein Minus von 93 Stunden. Durch die Kündigungen mußten noch 27 Stunden (bis jetzt!) gestrichen werden, so daß künftig insgesamt 120 PFLICHTSTUNDEN AUSFALLEN.

In ganz Frankfurt werden aber in diesem Jahr nur 15 (!) Junglehrer eingestellt. Welche Konsequenz kann ein Berufsschüler aus dieser Entwicklung ziehen? Wir können lernen, daß die Kapitalisten immer wieder versuchen, ihre Krise auf dem Rücken der Werktätigen abzuwälzen. Wir können lernen, daß Bildungsausgaben für den kapitalistischen Staat Investitionen sind, die sich kurzfristig nicht lohnen, und daß deshalb rationalisiert wird, wo's nur möglich ist. Wir können lernen, daß die Entwicklung des Kapitalismus dahin geht, die große Masse der lernenden und studierenden Jugend zu entqualifizieren und nur einer kleinen, privilegierten Minderheit eine gute, ja sehr gute, Ausbildung zukommen zu lassen. Und letztlich können wir lernen, daß in diesem System die jeweilige Regierung der geschäftsführende Ausschuß des Monopolkapitals ist und jede Illusion über die Rolle der SPD, wie sie die Jungsozialisten und die trotzkistische 'Junge Garde' (JG der IAK, d.Vf.) (deren objektive Aufgabe es ist, uns für die sozialreaktionäre SPD-Regierung einzufangen) sowie die SDAJ (Jugendorganisation der DKP) ständig zu wecken versuchen, uns auf den Holzweg der Klassenzusammenarbeit, also der Zusammenarbeit mit den Kapitalisten führt. Wohin diese Klassenzusammenarbeit führt, das zeigt uns am besten die Entwicklung der SPD, von einer revolutionären Partei der Arbeiter zu einer Dienerin des Monopolkapitals. (Es ist klar, daß wir hier nicht die vielen sozialdemokratischen Kollegen meinen, die sich durch die unverschämte Demagogie ihrer Führer haben täuschen lassen.)

Es gilt nun, da uns der ständige Verrat der sozialreaktionären SPD-Führer an unseren Interessen die Augen geöffnet hat (Lohndiktat von Schiller, Wehrkundeerlaß (WKE, d.Vf.) von Brandt, Militarisierung und Aufrüstung durch Schmidt) die Konsequenzen zu ziehen und den Aufbau eines revolutionären kommunistischen Jugendverbandes für Westdeutschland zu unterstützen. Die RJ(ML) ist sozusagen eine Keimzelle dieses Verbandes".
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 11/12, Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972, S. 2f

01.02.1972:
Die Ortsgruppen Frankfurt und Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML berichten aus Hessen:"
WANDERTAG GESTRICHEN

Anfang Februar startete der hessische Kultusminister einen weiteren Angriff gegen alle Schüler. Ab sofort ist der Wandertag gestrichen, und damit auch alle Zuschüsse für 'sozial schwache Familien'. Selbst den Lehrern wurde der Spesensatz empfindlich gekürzt. Zuschüsse gibt es noch für die Mauerbejammerungsfahrten nach Berlin. Dieser Entscheidung liegen natürlich keine 'pädagogischen Motive' zugrunde, sondern es geht hier einzig und allein darum, an uns zu sparen, während den Kapitalisten UNSERE Steuer'groschen' in den Rachen geworfen werden (Subventionen)."
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 11/12, Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972, S. 8

21.02.1972:
In dieser Woche finden in Frankfurt, laut der RJ/ML des KAB/ML, an mehreren Berufsschulen die halbjährlichen Schülervollversammlungen statt (vgl. 22.2.1972).
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 11/12, Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972, S. 1

22.02.1972:
Aus Frankfurt berichtet die RJ/ML des KAB/ML vermutlich von den heutigen oder morgigen Schülervollversammlungen der Berufsschulen Werner von Siemens und Philipp Holzmann:"
Während ihrer Versammlung entschlossen sich die Siemens-Schüler spontan, zu der Philipp Holzmann Schule zu marschieren und die Diskussion mit den Bauschülern fortzusetzen. So marschierten kurze Zeit später über 100 Lehrlinge los. Der Weg führte sie dabei an der Universität vorbei, wo gerade 300 Mann der Bereitschaftspolizei dabei waren, die Studenten zu verprügeln, weil diese sich im Streik gegen Prüfungswillkür befanden und in diesem Zusammenhang das Schreiben einer Klausur verhindern wollten. Als die Lehrlinge nun mit Spruchbändern und Sprechchören an der Uni vorbeizogen, sah die Polizei 'rot' im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hetzten gleich eine Hundertschaft hinter dem Demonstrationszug her. Mit diesen Einschüchterungsversuchen wollte sie die Solidarisierung der beiden Berufsschulen aufhalten. Doch die Jungarbeiter und Lehrlinge ließen sich nicht provozieren. In einem diszipliniertem Marsch setzten sie den mehrere Kilometer langen Weg fort. Die Ordnungshüter der Kapitalisten setzten die EinschüchterungsVERSUCHE fort, indem sie ihre in Frankfurt beliebte 'Sandwich-Taktik' anwendeten: Links und rechts sowie vorne und hinten marschierten Polizisten. Von außen hätte das dann ausgesehen wie eine Polizeidemonstration, wenn nicht ein Transparent mit der Parole: 'Für freie politische Betätigung' aus dem Zug herausgeragt hätte. Inzwischen lief in der Philipp Holzmann Schule die Vollversammlung weiter. Nachdem der Schulsprecher in seinem Rechenschaftsbericht für das letzte Vierteljahr den Betrugscharakter des 'Ausschusses für Zusammenarbeit' und des 'Vermittlungsausschussses' entlarvte und zu deren Boykott aufgefordert hatte (…) wurde der neue Tagessprecher gewählt. Die ordentliche Tagesordnung der Vollversammlung war schon beendet, als eine Delegation der Siemens-Schüler eintraf und berichtete, daß die Kollegen von der Siemensschule unterwegs seien. Das wurde mit großem Jubel zur Kenntnis genommen. Als die Philipp Holzmann Schüler allerdings von der 'Begleitung' erfuhren, herrschte natürlich Empörung. Der Entschluß stand fest: 'Die Bullen kommen hier nicht rein, auch nicht die Spitzel und Zivilbullen.' Ein Teil der Schüler rannte runter zum Hof, um die Siemenskollegen zu empfangen und den Polizisten eine Abfuhr zu erteilen. Der Schulsprecher lud die Siemens-Kollegen offiziell über Lautsprecher als Gäste der SV ein. Somit hatten die 'Grünen' kein Recht, diese am Betreten der Schule zu behindern. Nach langem Warten trafen die Kollegen - umringt von mindestens 100 Polizisten - bei uns, also der PHS, ein. Sie wurden begeistert begrüßt und gemeinsam zogen wir zur Aula. Die Polizisten mußten draußen bleiben, denn einmal waren sie nicht als Gäste der SV eingeladen und zum anderen wagten sie es nicht - angesichts unserer Überzahl - das Schultor zu versperren. Gemeinsam wurde die Vollversammlung fortgeführt. Einstimmig verurteilten wir das Vorgehen der Staatsgewalt gegen uns.

Was konnten wir an dieser Polizeiaktion erkennen? Nur eins: Bei Auseinandersetzungen mit dem kapitalistischen System steht der Staat und seine bewaffnete Macht auf der Seite der Kapitalisten. Das ist auch logisch, denn es ist IHR Staat. In der weiteren Diskussion wurde vor allem die Notwendigkeit der Solidarität zwischen den Berufsschülern dargelegt. Ein Kollegen nannte das Beispiel der Siemens-Schüler, die nach einem Streik Lehrer von anderen Schulen bekamen, die dort letzen Endes wieder fehlten. Um diesem Katz- und Mausspiel ein Ende zu bereiten, brauchen wir das EINHEITLICHE Vorgehen aller Frankfurter Berufsschüler. Alle Anwesenden waren sich darüber einig, daß diese gemeinsame Vollversammlung ein Anfang war, dem weitere Aktionen folgen werden. Am Ende der Veranstaltung wurde eine gemeinsame Resolution verfaßt und einstimmig angenommen, die die Verschlechterung unserer Ausbildungsbedingungen verurteilte und sich mit einer geplanten Demonstration der Lehrergewerkschaft gegen Lehrermangel und Berufsverbot (BV, d.Vf.) für Demokraten und Sozialisten solidarisch erklärte. Eins steht fest: Weder Bereitschaftspolizei noch politische Polizei (die sich zum Beispiel beim Direktor der Holzmann Schule über den Schulsprecher erkundigte) wird es verhindern können, daß wir Berufsschüler uns fester zusammenschließen."
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 11/12, Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972, S. 1f

27.02.1972:
Die RJ/ML des KAB/ML berichtet aus der Frankfurter IG BSE-Jugend:"
LEHRLINGE VERSCHAUKELT!

Heimlich, still und leise haben die Führer unserer Gewerkschaft Bau Steine Erden eine Erhöhung der Lehrlingsvergütung um 6, 4% ausgehandelt. Die Kapitalisten wollten uns noch weniger geben. Wir hätten aber mehr bekommen können, wenn uns die rechten Führer der BSE besser informiert hätten. Das stellten auch viele Lehrlinge am 27. Feb. auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der BSE-Jugend fest. Sehr schlecht ist zusätzlich noch, daß die 6, 4% nicht linear sind, d.h., daß nicht alle gleich viel mehr bekommen. Im Gegenteil: 6, 4% von 200 DM sind halt weniger als 6, 4% von 400 DM. So werden die Differenzen hier immer größer. Überhaupt, die gestaffelte Lehrlingsbezahlung nützt nur den Bossen, weil sie uns spaltet."
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 11/12, Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972, S. 5

März 1972:
Im März geben die Ortsgruppen Frankfurt und Groß Gerau der RJ/ML des KAB/ML die Nr. 11/12 ihrer Berufsschulzeitung 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' (vgl. 18.1.1972, Apr. 1972) mit 8 Seiten DIN A 4 sowie, zumindest bei unserem Exemplar, einer zweiseitigen Beilage heraus. Verantwortlich zeichnet J. Möcks in Frankfurt.
Erstmals wird eine Auflagenhöhe (4 000) angegeben und auch der Verbreitungsbereich benannt, bei dem es sich um die Kreisberufsschule Groß Gerau sowie in Frankfurt um die Berufsschulen Siemens, Gutenberg, Kleyer, Philipp Holzmann, Heinrich von Stephan und die Kaufmännische Berufsschule 4 handelt.
Im Leitartikel "Polizei gegen Berufsschüler" wird berichtet von der Siemens- und der Holzmann-Schule (vgl. 22.2.1972).
Eingegangen wird auch auf die Entlassung der nebenamtlichen Lehrer in Frankfurt (vgl. 10.1.1972).
Von der Philipp Holzmann Schule wird berichtet über Bundeswehr-Propaganda, von den Gebäudereinigern, der Fliesenlegeroberstufe, den Kunststoff-Lehrlingen und den Berufsfachschülern. Ebenfalls eingegangen wird auf die Bau-Lehrlingstarifrunde in Frankfurt (vgl. 27.2.1972) und die Streichung des Wandertages in Hessen (vgl. 31.1.1972). Von der Heinrich von Stephan Schule wird ein eigenes Flugblatt (vgl. 29.2.1972) nachgedruckt.

In "Die Funktion der SV" heißt es:"
Die SV wurde 1953 als SMV (Schülermitverwaltung) ins Leben gerufen. Sozusagen als Antwort auf eine damalige Bewegung unter den Schülern. Die SMV sollte den Schülern einen gewissen Bewegungsraum einräumen, der aber genau abgesteckt und dadurch jederzeit kontrollierbar war. Die SMV stand von Anfang an unter der Kontrolle des Kultusministers, der Schulleitung und des Vertrauenslehrers. Sie durfte die Pausenaufsicht führen und dem Schulhof das Papier aufheben. Im Laufe der Jahre, vor allem in den Jahren 66 - 69, erkämpften sich die Schüler einige zusätzliche Rechte. In Hessen sind das folgende: Das Recht, die SV-Sitzung während der Schulzeit abzuhalten. Das Recht der Berufsschüler, einmal im Monat ab 10 Uhr für die Tätigkeit in der SV von der Arbeit freigestellt zu werden. Das Recht auf eine Monatsstunde als Verfügungsstunde während des Unterrichts. Das Recht auf zwei Schülervollversammlungen im Jahr und die Möglichkeit, außerordentliche Vollversammlungen einzuberufen. Das Recht auf Verweigerung der Wahl des Verbindungslehrers.

Diese vorhandenen Rechte auszunützen und auszubauen ist die Pflicht jedes SV-Mitglieds, wenn es ein guter Interessenvertreter seiner Kollegen sein will. Diese vorhandenen Rechte sind an der überwiegenden Mehrheit der Frankfurter Berufsschulen nicht genutzt und dort oft unbekannt. Dort, wo sich die SV's darauf berufen, stoßen sie trotzdem noch auf Widerstand von Seiten der Schulleitungen. Den Schulleitungen stehen dabei mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Eine davon ist die, mit den Lehrern keine Stunden festzulegen, in denen die SV-Stunde abgehalten wird und so die SV-Mitglieder dazu zu zwingen, jeden einzelnen Lehrer zu kontrollieren.

Diese wenigen Rechte, die wir haben, sind aber geschickt mit einer Menge von Scheinrechten verflochten. Diese sind so abgefaßt, daß derjenige, der seine Rechte wahrnimmt, zwangsläufig auf die Zusammenarbeitspolitik hereinfällt. Selbst fortschrittliche SV-Mitglieder merken meistens erst nach längerer Zeit, was hier gespielt wird. Und dann müssen sie feststellen, daß es schwer ist, aus diesen Fesseln zu entkommen. Denn es gibt einen ZWANG zur Mitarbeit. Die Paragraphen 14 und 15 schreiben die Besetzung des 'Ausschusses für Zusammenarbeit' und des 'Vermittlungsausschusses' zwingend vor. Der Sinn dieser Ausschüsse wird erst klar, wenn man weiß, daß der Schulleiter oder der Kultusminister in Zweifelsfällen oder 'dringenden Fällen' das letzte Wort haben. Diese beiden Ausschüsse sind also nichts als Betrugsgremien, in denen sich die Schüler totdiskutieren sollen, während die Entscheidungen irgendwo anders fallen. Es ist deshalb wichtig, diese Gremien zu boykottieren - wie es schon viele Schulen machen - und darauf hinzuweisen, daß eine Zusammenarbeit nur FREIWILLIG sein kann. Einen weiteren Betrugseffekt stellt das 'Recht' der Schüler zur Teilnahme bei Konferenzen dar. Jede SV wird schon am eigenen Leib gespürt haben, was für ein Recht das ist: Die SV hat nämlich kein Stimmrecht und kann bei Zeugnis-, Versetzungs- und Personalangelegenheitenkonferenz ausgeschlossen werden. Über bestimmte Tagesordnungspunkte kann dann noch die Schweigepflicht verhängt werden. Fazit: Die SV gibt der Lehrerkonferenz ein demokratisches Mäntelchen und nützt den Schülern damit überhaupt nichts. Mit solchen Betrügereien geht es weiter in der SV-Satzung. Wir dürfen uns eine eigene Satzung geben - doch der Regierungspräsident muß sie genehmigen; wir dürfen Presseveröffentlichungen herausgeben - doch der Vermittlungsausschuß muß sie vorher kontrollieren. Weiterhin kann das Schwarze Brett zensiert, Veranstaltungen der SV verboten werden, der Schulleiter in die Schülerversammlungen eingreifen. Man sieht also: Die SV ist völlig abhängig und soll zur Mitarbeit gezwungen werden. Wir müssen deshalb für die Unabhängigkeit der SV kämpfen, die vorhandenen Rechte ausnutzen und ausbauen, aber die Betrugsgremien boykottieren!"

In der Beilage wird gefragt:"
WIE HEISS IST DAS 'HEISSE EISEN'?

Vor ca. 14 Tagen wurde an der Siemens-Schule eine 'Zeitung für die Werner von Siemens Schule' mit dem Namen 'Heißes Eisen' verteilt. Auf Seite 2 schreiben die Verfasser selbst von sich, daß sie 'verrückte Heinis' sind und die Zeitung zurechtgeschustert haben. Dann behaupten sie 25 Zeilen darunter: 'Das ist unsere Zeitung! Unsere Zeitung, die unsere Interessen vertritt an der Schule und auch, wo es sonst darauf ankommt.' Wir, die Redaktion der JUNGARBEITER UND LEHRLINGSPRESSE, haben die Sache untersucht. Warum? Weil seit nun über einem Jahr an der Siemensschule unsere Zeitung verteilen und darin immer wieder aufgefordert haben, bei uns mitzuarbeiten. Das haben einige Kollegen auch getan und deshalb konnten wir z.B. in unserer Nr. 8 (vgl. 25.10.1971, d.Vf.) aktuell über den Streik an der Siemensschule (vgl. 18.10.1971, d.Vf.) berichten. Die Herren, die nun das 'Heiße Eisen' herausgeben, haben sich aber nie blicken lassen. Und das hat auch seine Gründe. Diese Herren sind nämlich von der DKP und ihrer Jugendorganisation SDAJ. Das verschweigen sie aber wohlweislich in ihrer Zeitung. Und das hat auch seine Gründe. Sie sind sich nämlich im Klaren, daß sie dabei sind, die Arbeiterjugend zu spalten. Und da soll der Name DKP nicht so in den Vordergrund geschoben werden.

Wir erwarten gewiß nicht, daß die SDAJ vorbehaltlos bei der JUNGARBEITER UND LEHRLINGSPRESSE mitarbeitet. Aber wir erwarten, daß eine Gruppe, die behauptet kommunistisch zu sein, sich ideologisch mit anderen Gruppen auseinandersetzt. Die Herausgabe einer weiteren Lehrlingszeitung an der Siemens-Schule ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Heißes-Eisen-Leute sich vorher mit uns auseinandergesetzt hätten und nun sagen würden: 'Denen ist nicht mehr zu helfen. Die JLP vertritt nicht die Interessen der Arbeiterjugend'. Aber bis jetzt ist die SDAJ jeder Diskussion mit uns ausgewichen. Das hat auch gute Gründe. Denn wie kam das Heiße Eisen zustande. Die SDAJ samt DKP hat einen einzigen halbwegs aktiven Mann an der Siemens-Schule und der geht bewußt jeder Diskussion aus dem Weg. Auch weiß die SDAJ, daß sie auf keinen grünen Zweig kommt. So hatte sie z.B. eine Woche lang einen Bänkelsänger vor die Siemensschule gestellt um für eine Veranstaltung zu werben. Der Erfolg? Zu der DKP-Veranstaltung kam außer den Genossen der Revolutionären Jugend ein Kollege und der wurde von uns aufgefordert sich die Diskussion anzuhören. Diese Diskussion kam jedoch nicht zustande, weil die DKP-Studenten uns mit Androhung von Schlägen aus dem Saal werfen ließen. Was blieb für die SDAJ zu tun? Einige Mitglieder vom Landesvorstand versuchten den einen SDAJler 'aufzubauen'. Er bringt die Informationen, sie schreiben die Zeitung. Ein paar Fakten mit etwas Revisionismus gemischt und fertig ist 'unsere' Lehrlingszeitung. Schnell noch ein popiges Blatt hintendran geheftet mit Werbung für die Ratifizierung der Ostverträge, und nun braucht man nur noch auf Lehrlinge zu warten. Denkste!
Aber nicht genug damit, daß die Art und Weise verlogen ist, wie die SDAJ versucht, sich das Vertrauen der Lehrlinge zu erschleichen. Sie verbreitet in ihrem angeblich Heißem Eisen kalten Kaffee und abgestandene revisionistische Illusionen! So versprechen sie uns, daß wir dann, wenn wir eine solide Grundausbildung hätten, 'nicht mehr so stark der Willkür der Unternehmer ausgesetzt wären', und 'unsere Zukunft gesichert' wäre. Kein Wort vom Stufenplan, kein Wort, daß schon bald 70% von uns ohne Facharbeiterbrief aus der Lehre ausscheiden, wie heute schon bei Krupp. Statt ihre Aufgabe darin zu sehen, die Lehrlinge auf DAS vorzubereiten was sie erwartet, statt gemeinsam mit den Lehrlingen die nächsten Schritte zu beraten, stattdessen hängt sich die SDAJ an Rockzipfel der Bewegung, läßt sich treiben, von der spontanen Bewegung mitreißen. Dabei weckt sie am laufenden Band schlimme Illusionen bei den Lehrlingen, und liefert diese so den Angriffen der Bourgeoisie aus. Die Lehrlinge sind ihr dabei so egal, daß sie diese auch bedenkenlos zu spalten versucht, indem sie ihr Blättchen herausgibt. Ein weiteres Beispiel für die ideologische Verkommenheit dieser Leute ist der durch und durch falsche SV-Artikel. Die SV wird hier hochstilisiert und als DIE Kraft hingestellt, die die Arbeiterjugend aus der schlechten Lage rettet. Doch gerade das ist die SV nicht! Die SV kann den Kampf von uns Lehrlingen nur unterstützen, niemals führen. Die Satzung der SV ist ein geschickter Betrug, auf den konsequenterweise die SDAJ hereingefallen ist (…). Statt uns zu sagen: 'Vorsicht, Kollegen, dieses und jenes sind die Rechte, die euch die SV-Satzung zugesteht und das sind die Fesseln, die ihr dafür bekommen sollt', empfiehlt sie die SV PAUSCHAL als gute Interessenvertretung. Zum Schluß wird das Blatt noch anmaßend und verschimpft die Schüler, die nicht mitarbeiten wollen, als 'Karl Ottos'. Im arroganten Ton wird da uns Lehrlingen vorgeworfen, wir würden nur sehr wenig denken. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber all den Kollegen, die sich aus vielerlei Gründen noch nicht entschließen konnten in der SV mitzuarbeiten. Fassen wir zusammen:
1. Die SDAJ gibt ein Spalterblättchen heraus, ohne sich die Mühe zu machen, einer bereits vorhandenen Lehrlingszeitung nachzuweisen, daß sie eventuell ihre Berechtigung verloren hätte.
2. Die SDAJ ist zu feige ihren Namen zu nennen und versucht sich demagogisch in das Vertrauen der Lehrlinge einzuschleichen, indem sie Parteilosigkeit vorspielt und ihr Blatt 'unsere' Zeitung nennt.
3. Die SDAJ sieht sich zu dieser Politik gezwungen, weil sie endlich ihre schwache Ortsgruppe auch mal außerhalb der Gymnasien und Sozialarbeiterschule verankern will.
4. Die SDAJ 'baut' zu diesem Zweck ein neues Mitglied 'auf'. Der Lehrling, der jeder Diskussion aus dem Weg geht, bringt die Informationen, die Profis setzen diese dann um in illusionistische Theorie.
5. Die SDAJ ist nicht in der Lage, uns Lehrlingen eine Perspektive zu bieten. Deshalb hängt sie sich unserer Bewegung an den Rockzipfel um ihr nachzulaufen und bekannte Dinge zu wiederholen.

HEISSES EISEN GLEICH KALTER KAFFEE

Wir haben kein Interesse daran, weitere Spalten unserer Zeitung mit diesem Thema zu füllen, aber wir wollen das Problem lösen. Wir schlagen deshalb den Sprechern der Redaktion des 'Heißen Eisen' vor, zusammen mit den Sprechern der Redaktion unserer Zeitung eine öffentliche Diskussion zu veranstalten, an der alle Siemens-Schüler teilnehmen können, etwa im FLC. Die Tagesordnung legen wir gemeinsam fest. Die Sprecher müssen Lehrlinge sein.
Für die Einheit der Arbeiterklasse!"
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 11/12, Frankfurt/Groß Gerau Feb./März 1972

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