Jungarbeiter und Lehrlingspresse - Organ der Frankfurter und Groß Gerauer Jungarbeiter- und Lehrlingsgruppen der Revolutionären Jugend (ML), Jg. 1, Nr. 4/5, Mai / Juni 1971

30.04.1971:
In Frankfurt findet eine Demonstration der DGB-Jugend statt.
Auch die RJ/ML des KAB/ML rief zur Jugenddemo auf und berichtet:"
Am Vorabend des 1. Mai lud die DGB-Jugend Frankfurt zu einer Diskussion ein, bei der die Forderungen der Gewerkschaftsjugend behandelt werden sollten. Den Auftakt dazu sollte eine Demonstration vom Opernplatz zum Gewerkschaftshaus bilden. Am Opernplatz versammelten sich etwa 800 Jugendliche, darunter auch Mitglieder und Sympathisanten der RJ(ML) - Ortsgruppe Frankfurt. Doch einige trotzkistische Wirrköpfe und Spalter, meistens Schüler und Studenten, nutzten diese Situation zu einer chaotischen Aufführung ihrerseits aus. Es gelang ihnen den Demonstrationszug zu spalten und mit dem größten Teil zum Gebäude der Industrie- und Handelskammer zu ziehen. Dort konnten sie allerdings nicht viel erreichen, weil das Gebäude von der Polizei vollkommen abgeriegelt war. Während der andere Teil der Demonstranten sich in der Zwischenzeit im DGB-Haus eingefunden hatte, zogen die Spalter weiter durch Frankfurt, wobei sie solche, nach unserer Meinung vollkommen falsche Parolen, wie: 'Wer hat uns verraten - Gewerkschaftsbürokraten' riefen. Anschließend machten sie dann im DGB-Haus jegliche Diskussion, über die Ereignisse des Abends und die Forderungen der Arbeiterjugend unmöglich.

Wir meinen:
Es ist vollkommen klar, daß die rechte Gewerkschaftsführung die Arbeiterklasse durch ihre Arbeitsgemeinschaftspolitik mit den Kapitalisten verrät. Deshalb ist es notwendig in den einzelnen Gewerkschaften diese verräterische Politik anzuprangern und zu bekämpfen.
MACHEN WIR DIE GEWERKSCHAFTEN ZU UNSEREN KAMPFORGANISATIONEN!
Dies kann man aber nur durch harte Kleinarbeit erreichen, und nicht dadurch, indem man die Gewerkschaften vor den Augen der Kapitalisten spaltet und lächerlich macht. denn dadurch unterstützt man nur die Kapitalisten in ihrem Kampf gegen die Einheit der Arbeiterklasse."
Q: Der T&N-Arbeiter Nr. 2 und 3/4, Frankfurt Apr. 1971 bzw. Mai/Juni 1971, S. 7 bzw. S. 10; Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 4/5, Frankfurt/Groß Gerau Mai/Juni 1971, S. 6

01.05.1971:
Zum 1. Mai werden in Offenbach die Fahrpreise, laut RJ/ML des KAB/ML, um 40% erhöht:"
Die SPD und die Stadtverwaltung besaßen dabei noch die Frechheit zu behaupten: 'Wir fahren nicht teurer als bisher. Nur auf den ersten Blick wirkt es so teuer.' Werfen wir einen Blick auf die neuen Fahrpreise:
Einzelfahrschein: 0, 70 - vorher 0, 50 DM
Sammelfahrschein: 0, 50 - vorher 0, 33 DM
Monatsfahrkarte: 20, 00 - vorher 16, 00 DM
Wochenkarte: 4 - 5 DM - vorher 3 - 3, 50 DM
In Offenbach regiert die SPD, die Partei, die immer noch behauptet, die Interessen der Arbeiter und Angestellten zu vertreten. Mit dieser Behauptung konnte sie bisher - auch in Offenbach - die Bevölkerung hinhalten. Doch nun war das Maß voll. Auf Initiative von kommunistischen und fortschrittlichen demokratischen Gruppe wurde ein 'Aktionskomitee Roter Punkt' gegründet, in dem RJ/ML auch vertreten war" (vgl. 5.5.1971).
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 4/5, Frankfurt/Groß Gerau Mai/Juni 1971, S. 4

24.05.1971:
Vermutlich in dieser Woche gibt in Frankfurt und Groß Gerau die RJ/ML des KAB/ML die Nr. 4/5 ihrer 'Jungarbeiter und Lehrlingspresse' (JLP) für Mai/Juni (vgl. 12.4.1971, Sept. 1971) in einem Umfang von 8 Seiten DIN A 4 heraus. Die Verantwortung übernimmt Karl Napp, Kontakt geht über H. Schmidt in Frankfurt. Aus Frankfurt wird berichtet vom 1. Mai (vgl. auch 30.4.1971) und der Spaniendemonstration (vgl. 8.5.1971). Aus Groß Gerau wird berichtet aus der Kaufmännischen Berufsschule und von den KFZ-Lehrlingen bei der Firma März, die eher als Maurer beschäftigt sind. Aus Offenbach wird berichtet von den Fahrpreiserhöhungen (vgl. 1.5.1971) und der Aktion Roter Punkt (vgl. 4.5.1971).

Im Leitartikel "Für die Erweiterung unserer demokratischen Rechte" heißt es:"
DGB STELLT FORDERUNGEN ZUM 'JAHR DES JUNGEN ARBEITNEHMERS'

Das Jahr 1971 ist vom DGB zum 'Jahr des jungen Arbeitnehmers' erklärt worden. Dazu hat er Forderungen aufgestellt, die wir darauf untersuchen wollen, was wir von ihnen zu halten haben: Wie sind die Forderungen des DGB einzuschätzen und welche Ziele verfolgt der DGB damit? Im Ganzen betrachtet, hören sich diese Forderungen alle sehr gut an. Wenn es dem DGB jetzt darum geht, diese Forderungen wirklich durchzusetzen, würde das unseren Kampf um einige Schritte weiterbringen. Unsere demokratischen Rechte wären dann um einiges erweitert. Sehen wir uns aber die Begründung der Forderungen genauer an, wird uns klar, daß dort versucht werden soll, diesen an sich richtigen Forderungen eine falsche Zielrichtung zu geben.

MEHR RECHTE FÜR DIE JUGENDVERTRETUNG

Die erste der fünf Hauptforderungen ist: Mehr Rechte für die Jugendvertretung. Diese Forderung wird seit langem von der RJ(ML) vertreten. Um unser Interesse im Betrieb wirksam vertreten zu können, brauchen wir eine starke Jugendvertretung. Deshalb sind die Teilforderungen des DGB: Zahl der Jugendvertreter erhöhen, Kündigungsschutz für Jugendvertreter, Sprechstunden der Jugendvertretung, richtig.

Dann aber wird gefordert: 'Die Teilnahme an Betriebs- und Personalratssitzungen mit beratender Stimme bzw. bei Jugendfragen mit Stimmrecht.'
Was heißt das? - Das heißt nichts anderes, als daß die Jugendvertretung in allen Fragen - Jugendfragen ausgenommen - kein Stimmrecht hat. Diese Forderung der rechten Gewerkschaftsführung weicht um keinen Deut von dem arbeiterfeindlichen BVG-Entwurf der sozialreaktionären SPD/FDP-Regierung ab. Damit sollen die Spaltungsversuche der Kapitalistenklasse unterstützt und unsere Kampffront geschwächt werden, indem man uns weismachen will, daß wir andere Interessen hätten als unsere älteren Kollegen im Betrieb und wir somit nicht mitentscheiden könnten.

REFORM DES BERUFSBILDUNGSWESENS

Auch die zweite Forderung des DGB nach einer 'Reform des Berufsbildungswesens' ist eine Forderung, hinter die wir uns voll und ganz stellen. Allerdings können wir uns auch hier nicht mit der Begründung der rechten Gewerkschaftsführung zu der Forderung zufriedengeben, denn die Reformvorschläge sehen so aus, daß die 'Ausbildungsstätten rechtlich und betriebswirtschaftlich unabhängig sein müssen.' Anders ausgedrückt ist das die Forderung nach 'staatlichen Lehrwerkstätten'. Dort soll unsere Ausbildung aus den Händen der einzelnen Kapitalisten in die Hände des kapitalistischen Staates gelegt werden. Auch da würde sich an unserer Lage nicht viel ändern. Auch da müßten wir für die Produktion arbeiten, denn im Kapitalismus ist die Ausbildung immer den Profitinteressen der Kapitalisten untergeordnet. Außerdem werden wir durch solche 'staatlichen Lehrwerkstätten' völlig von unseren Kollegen im Betrieb getrennt. Dort die Kollegen im Betrieb, hier wir. Damit soll ein einheitliches und geschlossenes Vorgehen der Arbeiterklasse verhindert werden. Jahre werden wir isoliert in 'staatlichen Lehrwerkstätten' arbeiten und von einem 'Lehrlingsstipendium' leben, das dadurch finanziert werden soll, daß die Kapitalisten eine 'Ausbildungsabgabe' leisten. Diese Forderung stellt eine glatte Irreführung der Arbeiterjugend dar. Welcher Kapitalist schenkt uns schon eine Ausbildung? Ihr Interesse liegt doch nicht darin, daß wir gut ausgebildet werden. Ihr Interesse ist einzig und allein, daß wir nur so viel lernen, daß wir ihnen möglichst schnell, möglichst viel Profit erarbeiten. Denn sonst hätten sie sich ja nicht das Berufsbildungsgesetz geschaffen, in dem sie sich diese Rechte klar sichern. Diese Forderung nach staatlichen Lehrwerkstätten müssen wir also klar zurückweisen, denn sie ist nicht in unserem Interesse. Wir wissen, daß nur gemeinsames, geschlossenes Auftreten mit den älteren Kollegen uns wirklich Erfolge bringt. Deshalb können wir es nicht zulassen, daß unsere Einheit gespalten werden soll.

BILDUNGSURLAUB

Die dritte Hauptforderung ist: 3 Wochen Bildungsurlaub. Auch diese Forderung gilt es durchzusetzen. Der Arbeiterjugend wird Bildung vorenthalten. Wir müssen jetzt dafür sorgen, daß wir von den Kapitalisten freigestellt werden und für diese Zeit unseren vollen Lohn erhalten, weil wir nur so die Möglichkeit haben, uns größeres Wissen anzueignen.

REFORM DES JUGENDARBEITSSCHUTZES (JuArschG, d.Vf.)

Die vierte Hauptforderung stellt die 'Reform des Jugendarbeitsschutzes' dar. Diese Forderung müssen wir unterstützen, wenn man bedenkt, daß allein 1968 50 000 Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz registriert wurden, aber nur gegen knapp 5% etwas unternommen wurde. Wir müssen die tagtäglichen Verstöße der Kapitalisten gegen dieses Gesetz, d.h. ihre Angriffe gegen unsere Gesundheit und unser Lebensrecht aufdecken, anprangern und bekämpfen.

MIT 18 JAHREN VOLLJÄHRIG

Die letzte der fünf Forderungen ist: Volljährigkeit mit 18 Jahren. Diese Forderung ist durchaus richtig und wird seit langem von den Jugendlichen gestellt. Warum legt sie der DGB aber gerade erste heute vor? Die rechte Gewerkschaftsführung arbeitet mit der sozialreaktionären SPD-Regierung Hand in Hand. Die SPD verspricht sich gerade von den Jungwählern eine große Stimmenzahl und fordert schon seit einiger Zeit die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre. Mit dieser Forderung will die rechte Gewerkschaftsführung lediglich Schützenhilfe für die SPD leisten.

DIE FORDERUNGEN DURCHSETZEN

Wir haben gesehen, daß diese Forderungen zwei Seiten haben. Einerseits stellen diese Forderungen - wenn sie durchgeführt werden - eine wichtige Erweiterung unserer demokratischen Rechte dar. Andererseits begründet der DGB einen Teil dieser Forderungen mit irreführenden und arbeiterfeindlichen Argumenten. Für uns Lehrlinge und Jungarbeiter heißt das: Aktiv für die Durchsetzung dieser Forderungen kämpfen. Dabei wird es sich herausstellen, wie ernst es die Gewerkschaftsführung mit dem 'Jahr des jungen Arbeitnehmers' meint."
Q: Jungarbeiter und Lehrlingspresse Nr. 4/5, Frankfurt/Groß Gerau Mai/Juni 1971

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