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September 1978:
Von den Vertrauensleuten der Michelin Reifenwerke Karlsruhe der IG-Chemie erscheint vermutlich im September das Faltblatt: "Kostenfaktor Arbeiter." Einleitend heißt es dazu: "Dieses Heft soll die Hintergründe und den Ablauf der spontanen Arbeitsniederlegung vom 29. August bis 4. September 1978 bei den Michelin Reifenwerken in Karlsruhe aufzeigen."
Quelle: Vertrauensleute der Michelin Reifenwerke Karlsruhe: Kostenfaktor Arbeiter, Karlsruhe, o. J. (1978).
Dezember 1978:
Vermutlich zum Jahresende 1978, spätestens jedoch Anfang 1979, erscheint, von der "Verwaltungsstelle Karlsruhe der IG Chemie-Papier-Keramik" herausgegeben, die "Dokumentation zum Arbeitskonflikt im Michelin-Werk Karlsruhe vom 29.8.-2.9.1978."
In der Vorbemerkung heißt es u. a.: "Vom 29.8. bis zum 2.9.1978 ruhte im Michelin Werk Karlsruhe die Produktion. Ca. 1200 Produktionsarbeiter hatten spontan die Arbeit niedergelegt. Sie protestierten gegen die Verschärfung des Leistungsdrucks und gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, gegen den Abbau des Reallohns und der Sozialleistungen und gegen die fristlose Kündigung von fünf ihrer Interessenvertreter. Sie sahen keine andere Möglichkeit zur Vertretung ihrer Interessen, nachdem jahrelange Verhandlungen ergebnislos geblieben waren, sich die Arbeitsbedingungen sogar ständig verschlechtert hatten.
Die Micheliner haben diesen ersten Gang verloren. Sie mussten zurück an ihre Arbeitsplätze, ohne konkrete Zusagen zur Erfüllung ihrer Forderungen bekommen zu haben. Auch die Kündigungen wurden nicht zurückgenommen, die Arbeitsgerichte müssen entscheiden.
Niederlagen können jedoch helfen, Siege vorzubereiten, wenn man aus ihnen lernen kann. Der Konflikt bei Michelin Karlsruhe ist unserer Meinung nach ein Paradebeispiel für die Knebelung der Gewerkschaften durch reaktionäre, kapitalorientierte Arbeitskampfrechtssprechung und deren Folgen für die Kollegen und die Organisation.
Völlig undifferenziert wird durch die höchstrichterliche Rechtssprechung jede Arbeitsniederlegung, die nicht im Rannen einer gewerkschaftlichen Tarifbewegung geschieht, als 'illegal' oder als 'wilder Streik' diffamiert. Selbst die Notwehraktionen der Belegschaft von Seibel in Erwitte, die sich gegen aktenkundige und bewiesene Rechtsbrüche eines Unternehmers richten, waren nach neuesten richterlichen Erkenntnissen 'objektiv rechtswidrig'. Weil die IG Chemie den Zementwerkern, die durch Unternehmerwillkür in Not geraten waren, finanzielle Unterstützung zukommen ließ, muss laut Richterspruch aus Paderborn die IG Chemie an Herrn Seibel Schadensersatz bezahlen. Die ganze Rechtssprechung in Sachen spontaner Arbeitsniederlegung lässt sich verkürzt und dennoch richtig wie folgt beschreiben. 'Arbeitnehmer müssen alles hinnehmen, was den Unternehmern an Üblem einfällt. Kollektivaktionen, die nicht den selbstherrlich gesetzten Kampfregeln des BAG entsprechen, müssen unterdrückt werden. Die Gewerkschaften sollen unter Androhung von Schadensersatz gezwungen werden, als Hilfspolizisten der Unternehmer gegen ihre eigenen Mitglieder vorzugehen'. Die Gewerkschaften können diese 'Rechtslage' einfach nicht mehr länger hinnehmen."
Inhalt der Schrift ist:
- "Vorwort"
- "Gegen wen ging es - Informationen über einen Multi"
- "Der Geist des Hauses Michelin"
- "Kämpfe der Micheliner in Europa"
- "Die Personalbetreuer - Perfektes Instrument zur Überwachung der Belegschaft"
- "Ein undurchschaubares Lohnsystem"
- "Mit 35 zum alten Eisen"
- "Aktuelle Hintergründe des Karlsruher Konflikts"
- "Chronologie des Konflikts"
- "Die Forderungen …"
- "Recht hat immer der Stärkere"
- "Dokumente"
- "Das Michelin-Lied und das Michelin-Streiklied"
- "Publikationen der IG-Chemie, des DGB und des Solidaritätsausschusses"
- "Fluktuationen der Werksleitung Michelin Karlsruhe"
- "Solidaritätsadressen (Auswahl)"
- "Pressespiegel."
Q: Verwaltungsstelle Karlsruhe der IG Chemie-Papier-Keramik: Dokumentation zum Arbeitskonflikt im Michelin-Werk Karlsruhe vom 29.8.-2.9.1978, Karlsruhe 1978.
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