Schulkampf - Kommunistische Schülerzeitung, Jg. 2, Nr. 12, o. J. (1973)

02.07.1973:
Vermutlich Anfang dieser Woche gibt die Kommunistische Schülergruppe (KSG) Heidelberg / Mannheim / Wiesloch (ex KSG (NRF)) in Zusammenarbeit mit den Roten Zellen Karlsruher Schüler die Nr. 12 ihres 'Schulkampfs' (vgl. 16.5.1973, Okt. 1973) heraus mit folgendem Leitartikel:"
KEINE FAHRPREISERHÖHUNG BEI DER HSB

Wie wohl inzwischen Allen bekannt ist kostet die Benutzung der Straßenbahn und Busse ab ersten August wesentlich mehr. Die Stadtverwaltung, die 99% der Aktien der HSB-Aktiengesellschaft besitzt, beschloß dies auf einer Gemeinderatssitzung mit 24 : 4 Stimmen. Die Gegenstimmen sind jedoch nur eine Farce, wenn man sieht, daß die CDU-Stadträtin Zutt , die gegen die Fahrpreiserhöhungen gestimmt hätte sich schon wenig später auf einer Versammlung gegen eine Protestresolution wandte.
Die Fahrpreiserhöhungen bei der HSB sind nur ein Teil des 'Notprogramms' der HSB. Gleichzeitig werden immer mehr Linien zu den Außenbezirken eingestellt und auf dem Rücken der HSB-Belegschaft Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt. Trotz andauernder gegenteiliger Beteuerungen des sozialdemokratischen Stadtrats wird die Demontage des öffentlichen Nahverkehrs verstärkt vorangetrieben.
Viele Schiller meinen, man müsse jetzt etwas dagegen unternehmen und der HSB und der Stadt zeigen, daß wir nicht gewillt sind, die Maßnahmen Sie, denken dabei an die erfolgreiche Rote-Punkte-Aktion 69. Ist eine Rote-Punkte-Aktion im jetzigen Augenblick sinnvoll ?

DIE LETZTEN BEIDEN ROTE-PUNKT-AKTIONEN

Die jetzigen Fahrpreiserhöhungen und Fahrplanverdünnung stehen nicht allein. Sie sind die Fortsetzung der Politik des SPD-Stadtrats, den öffentlichen Nahverkehr schrittweise einzuschränken. Und das HSB-Unternehmen, das, wie fast ,alle Verkehrsbetriebe wenig Profit abwirft, dadurch zu einer Geldquelle zu machen, daß die Preise ins Ungeheure erhöht werden. Schon 69 traf diese Politik auf die breite Empörung fast der gesamten Bevölkerung von Heidelberg. Der Empörung wurde Ausdruck gegeben in der teilweise aktiven Beteiligung der Bevölkerung an der, von den fortschrittlichen Studenten ins Leben gerufenen Rote Punkte-Aktion. Sie führte zum Boykott der HSB, der durch die Ausweichungsmöglichkeiten auf Rote Punkt-Autos möglich wurde. Warum gelang es 69 durchzusetzen, daß die Fahrpreiserhöhungen zurückgenommen wurden? 69 war die Empörung sehr breit gewesen und hatte vor allem in den Betrieben ihre Basis. Der DGB mußte sich hinter die Arbeiter stellen und es war abzusehen, daß die Unruhe in den Betrieben wachsen würde, wenn die Stadtbürokratie nicht nachgeben sollte. Als sich nach Tagen zeigte, daß die breite Protestbewegung nicht abnahm, sondern sich ausweitete, gab es für die Sozialdemokraten im Stadtrat keine andere Wahl mehr: die Fahrpreiserhöhung mußte zurückgenommen werden.

Anders 71.Die Rote Punkte-Aktion wurde isoliert von Studenten und Schülern durchgeführt. Dem Kampf in den Betrieben wurde zu wenig Bedeutung zugemessen, es wurden keine Anstrengungen unternommen, die Bewegung von den Betrieben her zuentfalten. So konnten die Studenten in ihren Aktionen zwar auf die Sympathie der Arbeiter und Werktätigen rechnen, aber durch deren passive Haltung konnte der Kampf ohne sie, deren Kampf einzig und allein den nötigen Druck auf die Stadtbürokratie ausüben konnte nicht gewonnen werden. Das Fehlschlagen der Rote Punkt-Aktion 71 lag nicht an der mangelhaften Durchführung des Rote Punkt-Verkehrs, sondern an der Isolation der Aktionen der Studenten und Schüler.

UNSER NÄCHSTES VORGEHEN

Wie wir aus den letzten Rote Punkte-Aktionen gelernt haben, können nur dann die Politiker und der Stadtrat gezwungen werden, ihre massenfeindlichen Beschlüsse zurückzunehmen wenn sich die Arbeiter und die anderen Werktätigen organisiert zur Wehr setzen und die Fahrpreiserhöhungen durch Streiks und Demonstrationen bekämpfen. Damit ist schon begonnen worden.
Aus Betrieben, Stadtteilen, Schulen und Hochschulen kommen Resolutionen, von Lehrlings - und Jugendarbeitsgruppen werden Forderungen an die Gewerkschaftsführung laut. Demonstrationen während der Arbeitszeit durchzuführen. Wir, die Schüler, dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, anzunehmen, daß wir eine führende Rolle im Kampf gegen die HSB-Fahrpreiserhöhungen spielen können. Deshalb wäre es auch falsch, eine Planung von Schülerseite durchzuführen, wenn diese Planung nicht die aktuelle Lage in den Betrieben mit einbezieht und sie darauf abgestimmt wird.

Generell kann man sagen, daß es illusionär wäre, schon jetzt Aktionen, zB eine Blockade, zu planen, wenn noch gar nicht abzusehen ist, wie sich die Lage in den Betrieben entwickelt. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Schüler jeden Schritt des Kampfes der Arbeiter kopieren müßten. Die Schüler sollten auf jeden Fall so oft und so stark wie möglich ihrem Protest Ausdruck verleihen, So wie zB am Mittwoch, 26.6. als Schüler die Straßenbahn kurz blockierten, Flugblätter verteilten und mit den Fahrgästen diskutierten, sich aber zurückzogen, als sie den Verkehr wirklich blockierten. Denn dies war auch nicht der Sinn dieser Aktion.
Das erste Ziel jedoch, das immer für jeden gelten muß, ist, eine möglichst große Masse von Menschen zu mobilisieren. Dies muß auf allen denkbaren Wegen geschehen, über KSVs, VVs, Elternbeiratssitzungen usw. Dem Stadtrat muß am 5.7. mit einer großen Demonstration der Protest der Heidelberger Bevölkerung gezeigt werden.

Machen wir die Protestbewegung so stark wie möglich, festigen wir die Kampffront auf allen Gebieten, damit die Stadtbürokratie die radikale Ablehnung der Fahrpreiserhöhungen nicht überhören kann.

Daß dies momentan noch nicht der Fall ist, sah man eindeutig auf dem Bürgerforum am vergangenen Freitag, wo Zundel und Co sich recht unbehelligt zurückziehen konnte, als die Bürger nicht wollten, wie er.
2 Tage vor dem Bürgerforum fand eine Veranstaltung des Kommunistischen Bundes Westdeutschland statt, zu der über 650 Menschen kamen. Nach einer begeisternden Rede eines Genossen von Harvester über den Kampf gegen den Lohnabbau und einem Referat über die volksfeindlichen Maßnahmen der Stadtbürokratie, dargestellt am Beispiel der HSB-Fahrpreiserhöhung, wurde über folgende Resolution diskutiert und abgestimmt:
Resolution 'KEINE FAHRPREISERHÖHUNG BEI DER HSB

Ab 1. August sollen die Fahrpreise der Heidelberger Straßen- und Bergbahn AG wieder erhöht werden. Die beschlossenen Fährpreiserhöhungen gehen von 12,5% bei der Mehrfahrtenkarte (70 statt 62,5 pf.) bis zu 63,5% bei den Schüler- und Studentenmonatskarten. Am 14.6. hat der Gemeinderat diese Erhöhung mit 24 gegen 4 Stimmen beschlossen.
Die Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit dem vorgelegten Generalverkehrsplan.
Die Fahrpreiserhöhung trifft in einer Zeit allgemeiner Preissteigerung empfindlich die werktätige Bevölkerung, die zum größten Teil auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Auch diejenigen Familien sind betroffen, die über ein Kraftfahrzeug verfügen; denn die Familienmitglieder - Hausfrauen, Schüler, Lehrlinge, Rentner und Studenten - müssen die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.

Die HSB wird auf Kosten der Fahrgäste und der Belegschaft rationalisiert. Die Fahrpläne werden verdünnt. Immer seltener fahren die Straßenbahnen. Während der Hauptverkehrszeit sind die Wagen überfüllt. Für die Belegschaft bedeutet die Rationalisierung den drohenden Verlust der Arbeitsplätze und für die Weiterbeschäftigten verschärfte Arbeitshetze, z.B. wegen der schärferen Kalkulation der Fahrzeiten.

Die vom Gemeinderat beschlossene Fahrpreiserhöhung bedeutet einen weiteren Angriff auf die Lebensbedingungen der werktätigen Bevölkerung. überall steigen die Preise, der Preisanstieg liegt inzwischen bei 9% gegenüber dem Vorjahr. Die letzten Lohn- und Gehaltserhöhungen blieben nach Abzug der gestiegenen Steuer- und Sozialabgaben unter den allgemeinen Preissteigerungsraten für die Lebenshaltung. Während die Preise steigen, der Lohn real abgebaut wird, explodieren die Gewinne der Unternehmer. Die Arbeiter und Angestellten halten nicht mehr still. Das Haushaltsgeld wird immer knapper, gleichzeitig steigert sich ständig die Arbeitshetze in den Betrieben. Die Forderung nach sofortiger Lohnerhöhung erfasst immer breitere Teile der Werktätigen.

Das 'Stabilitätsprogramm' der SPD/FDP-Regierung und die staatliche Preistreiberei nützen nur den Kapitalisten und ihren Profiten. Für das Volk springen immer nur neue Belastungen heraus.

KAMPF DER AUSPLÜNDERUNG DES VOLKES DURCH DEN KAPITALISTISCHEN STAAT!
GEGEN STAATLICHE PREISTREIBEREI UND GEGEN LOHNABBAU!
FÜR EINE SOFORTIGE ERHÖHUNG DER LÖHNE, GEHÄLTEP UND RENTEN!
KEINE FAHRPREISERHÖHUNU BEI DER HSB!
SCHLUß MIT DER DEMONTAGE DES ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHRS!
ZAHLT DAS HSB-DEFIZIT AUS DEN UNTERNEHMER-PROFITEN!

ALLE ZUR ZENTRALEN DEMONSTRATION AM 5.7.'

Außerdem wurde beschlossen, daß diese Resolution auf dem Bürgerforum zur Diskussion gestellt werden sollte.

Dies führte zum totalen Untergang Zundels und seiner Komplicen au dem Bürgerforum, weil unter keinen Umständen zugelassen werden sollte, den momentan wichtigsten Punkt des Generalverkehrsplans, der das Thema der Zundel-Show war, zu behandeln, obwohl dies fast der gesamte Saal verlangte. Zundel & Co wurden zusehends nervöser, als aus allen Ecken der Stadthalle Forderungen nach der Resolution kamen, und mußte schließlich zeitweise die Mikrophone im Saal abschalten lassen.
Dies und der Zynismus der Veranstalter, mit dem sie die Forderungen der Teilnehmer übergingen, steigerte natürlich den Zorn der Bürger. So blieb Zundel & Co nach rund einer Stunde des Ausweichens und des Abwiegelns nichts anderes übrig, als die Veranstaltung zu schließen.

Da die meisten wußten, daß vor der Stadthalle Polizei stand, war es vernünftig, die Stadthalle zu verlassen, als Zundel die Teilnehmer dazu aufforderte. Der Reporter des Süddeutschen Rundfunks, der eine Übertragung des Bürgerforums machte, schloß traurig mit den Worten, daß hier eine kleine Minderheit es den am Generalverkehrsplan interessiert und nicht an der Straßenbahn interessierten Bürgern unmöglich gemacht habe, ihre Fragen zu diskutieren. Die lauten Sprechchöre der Teilnehmer wurden selbstverständlich vorher ausgeblendet…

Selbst denjenigen, die vorher noch etwas von Zundel gehalten hatten, wurde spätestens jetzt klar. daß die Bürgerforen nur eine Alibi-Funktion für Zundel und seine Pläne haben sollen und wirkliche Forderungen der Bürger eiskalt übergangen werden."

Berichtet wird vom Streikverbot für Schüler seitens des Oberschulamtes Nordbaden am 9.5.1973, aber auch in Bremen, wobei auch auf die Berufsschule Bezug genommen wird, von den Karlsruher Aktionen gegen das Hochschulgesetz (vgl. 17.5.1973) und der zentralen Demonstration zum selben Thema in Stuttgart (vgl. 7.6.1973).

Solidaritätserklärungen zu diesem Kampf hat man vom Kommunistischen Oberschülerbund (KOB) Bremen, dem Zentralen Gremium der Kommunistischen Schülergruppe (KSG) Wiesbaden und der Zentralen Leitung der Initiativgruppe zum Aufbau einer Kommunistischen Schülergruppe Frankfurt/Offenbach erhalten.

Vor ca. 3 Wochen habe man ein Fußballturnier durchgeführt, an dem Mannschaften der KSG Mannheim/Heidelberg, der Roten Zellen Karlsruher Schüler, des KAJB Wiesloch und der Schülerbasisgruppe Hockenheim teilnahmen. Diese Meldung steht zwar einerseits im Widerspruch zum Titel, wo die KSG ja KSG Mannheim/Heidelberg/Wiesloch heißt (eine Ortsgruppe Wiesloch wird erst später gebildet - vgl. 10.11.1973) und andererseits auch im Widerspruch zu der Meldung, daß vorletzte Woche erst die KSG Mannheim gegründet worden sei, was nach späteren Angaben im Juli stattfand.

Weitere Berichte des 'Schulkampf' behandeln die Gründung des KBW, Nordhorn-Range, den Fall Wienand bzw. Steiner, John Deere Mannheim und Harvester Heidelberg, VW Wolfsburg und die Wohnsituation der Italiener, die verhinderte Ausweisung der türkischen Familie Arsoy in Heidelberg, die Marineausstellung in Mannheim (vgl. 30.5.1973), die Verfolgung der Schülerbasisgruppe Miltenberg (vgl. 2.4.1973), die Basisgruppe Wiesloch, die die Nr.1 ihres Organs 'Gerbers Unruh' herausgab, das Heidelberger Bunsengymnasium ('Bunsenbrenner') und das Helmholtzgymnasium, wo es eine Basisgruppe ('Linkskurve') und ein Unterstufenkollektiv gibt sowie aus Heidelberg das Hölderlingymnasium, die Projektgruppe Kurfürst Friedrich Gymnasium und die Basisgruppe am Englischen Institut.

Aufgerufen wird: "Unterstützen wir Kambodscha!" und zu den portugiesischen Kolonien Angola, Mosambik und Guinea-Bissau sowie Azania und Namibia aufgefordert zur "Solidarität mit den Völkern des südlichen Afrika und Guinea-B. (Bissau,d.Vf.) in ihrem Kampf gegen Rassismus und Imperialismus". Berichtet wird auch über Albanien und Peru.
Q: Schulkampf Nr. 12, Heidelberg o.J. (1973)

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