Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 3, Extrablatt für die arbeitende Bevölkerung, 26. Jan. 1972

26.01.1972:
Der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg gibt ein Extrablatt seines 'Klassenkampf' (vgl. 26.1.1972, 18.2.1972) für die arbeitende Bevölkerung mit 4 Seiten DIN A 4 heraus. Dieses wird vermutlich nicht wie normalerweise nur vor den Betrieben, sondern auch in der Stadt verteilt:"
FAHRPREISERHÖHUNG
NEUER ANGRIFF AUF LÖHNE UND GEHÄLTER

Die Freiburger Stadtbürokratie und die bürgerlichen Parteien (CDU, FWV, FDP, SPD) planen nun auch in Freiburg, wie schon in fast allen größeren Städten der BRD eine ERHÖHUNG DER TARIFE IM ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHR um 20 - 30%. Für die Stadtbürokratie und die Parteien scheint dies abgemacht. Im Haushaltsplan für 1972 sind schon jetzt 2 Mio. DM Mehreinnahmen aus den Verkehrsbetrieben veranschlagt.

DIE PRIVATISIERUNG DER STADTWERKE soll gleich mit durchgezogen werden (…) (vgl. 21.1.1972, 17.2.1972, d.Vf.).

GEBÜHRENERHÖHUNG!!

In der Haushaltsdebatte 1972 beklagt OB Keidel wortreich die Finanzmisere der Städte und Evers (MdB) stellt nur noch 'Resignation' fest.

Bei der Durchsetzung der eigenen Interessen resigniert die Rathausclique allerdings nie, wie das Beispiel der Privatisierung der Stadtwerke zeigt. Wie sie die Lösung der Finanzmisere anzugehen gedenkt, eröffnet uns Stadtkämmerer Dr. Bernauer. Zu allererst sollen DIE GEBÜHREN FÜR VOLKS- UND FREIBÄDER, DIE KINDERGARTEN- UND ELTERNBEITRÄGE, DIE FRIEDHOFSGEBÜHREN USW. ERHÖHT WERDEN. Mit einem Wort nicht nur das Leben, sondern auch das Sterben soll teurer werden.

GEGEN VERSCHÄRFTE ANGRIFFE DER KAPITALISTEN…

Die geplanten Maßnahmen der Stadt reihen sich ein in eine Fülle von Maßnahmen der Kapitalistenklasse und ihres Staates, die alle darauf abzielen eine Senkung von Löhnen und Gehältern durchzusetzen.

Im Zentrum steht der direkte Angriff auf das Lohn- und Gehaltsniveau. Die Tarifabschlüsse bei Chemie, Metall und jetzt auch im Öffentlichen Dienst (ÖD, d.Vf.) zwischen 4und 6% netto bedeuten angesichts der Steigerung der Lebenshaltungskosten 1971 von 7% eine VERSCHLECHTERUNG UNSERER LEBNSSITUATION. Und jeden Tag lesen wir von neuen Preis-, Gebühren- und Steuererhöhungen (Post, Eisenbahn, Verbrauchssteuern usw.). Zudem wird durch die ständige Steigerung des Arbeitstempos, neue Arbeitsplatzbewertungsmethoden (wie jetzt bei Cumulus (IGM-Bereich, d.Vf.)) und Rationalisierungen ein direkter Angriff auf die Arbeitskraft jedes einzelnen Arbeiters und Angestellten unternommen. Die Konsequenz: ständige ERHÖHUNG DER ARBEITSUNFÄLLE UND EIN ANSTEIGEN DER FRÜHINDIVIDUALITÄT.

…UND IHRES STAATES

In einer Situation der herannahenden Krise (sinkende Produktion, wachsende Arbeitslosigkeit) in fast allen imperialistischen Staaten (BRD, USA, England (Großbritannien, d.Vf.), Italien) muß der Staat als Werkzeug der herrschenden Kapitalistenklasse einerseits verstärkt dafür sorgen, daß alle nicht unmittelbar den Kapitalisten zukommenden Mittel gekürzt werden (ein großer Teil der Gelder, die für die arbeitende Bevölkerung nötig wären, wie Mittel für Gesundheitsfürsorge, Bildung und Umweltschutz wurden gestrichen). Andererseits werden alle finanziellen Mittel im Interesse der Kapitalisten, für Investitionszuschüsse, Steuervergünstigungen und billige Kredite bereitgestellt. Gleichzeitg werden die Mittel zum Ausbau des staatlichen Gewaltapparates (Erhöhung des Wehretats, Ausbau der Bundesgrenzschutzes (BGS, d.Vf.) zur Bundespolizei, Militarisierung der Polizei) erhöht.

FÜR GESELLSCHAFTLICHE AUFGABEN IM INTERESSE DER ARBEITENDEN BEVÖLKERUNG: IMKAPITALISMUS IMMER WENIGER PLATZ!

Tatsache ist, daß die Verschuldung der Städte und Gemeinde rapide ansteigt. Die Verschuldung der Stadt Freiburg ist von 120 Mio. im Jahre 1965 auf 260 Mio. im Jahre 1972 angestiegen. Auf jeden Einwohner der Stadt Freiburg kommen über 1 200 DM Schulden! Die Finanzmisere der Städte hat ihre Ursache darin, daß die Interessen der herrschenden Monopolkapitalisten eine Erfüllung der sogenannten kommunalen Aufgaben (Schulen, Krankenhäuser, Nahverkehr, Kindergärten usw.) nicht zulassen. In einer Gesellschaft, in der alles darum geht, daß die Kapitalisten Profit machen, in der sich IMMER MEHR REICHTUM IN IMMER WENIGEREN HÄNDEN KONZENTRIERT, in der nicht die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen sondern die SICHERUNG DES PROFITS DER KAPITALISTEN INHALT DER POLITIK ist, ist FÜR DIE AUFGABEN DER STÄDTE IMMER WENIGER PLATZ, IMMER WENIGER GELD VORHANDEN. Lebenswichtige Bedürfnisse, wie ausreichende Gesundheitsfürsorge, ausreichende Bildungsstätten für alle, ausreichender öffentlicher Nahverkehr stehen im Widerspruch zu den Profitinteressen der Kapitalisten. Sie müssen ständig gegen deren Interessen erkämpft werden und vor allem dann, wenn das Kapital wie derzeit in eine Krise gerät. Erst wenn wir den Sozialismus erkämpft haben, wenn die Arbeiterklasse die politische Macht in Händen hat, kann der von allen arbeitenden Menschen geschaffene Reichtum zur Lösung aller gesellschaftlichen Aufgaben eingesetzt werden.

VERROTTUNG DES ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHRS

Die großen Städte und Ballungszentren drohen im Verkehrschaos und an der Verpestung der Luft zu ersticken. Auch in Freiburg sind einige Straßenzüge bereits heute nicht mehr bewohnbar. Die Lärmbelastung und Abgaskonzentration in der ESCHHOLZSTRASSE sind nachweislich höher als die 'Sachverständigen' festgelegten Grenzen, die - wie die Sachverständigen schreiben - 'Menschen aus unteren Schichten' zugemutet werden können. Aber statt den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs voranzutreiben, was die einzige Alternative wäre, werden Milliarden in den Ausbau des Straßennetzes verpulvert. Die Vertreter der Geneinden und die bürgerliche Presse jammern theatralisch über 'die Folgekosten unserer Industriegesellschaft'. Aber niemand sagt in wessen Interesse, zu wessen Nutzen das geschieht, WER DER GEGNER IST. Die Interessen der Autoindustrie, der Mineralölindustrie erzeugen dieses Chaos, schaffen diese Anarchie, lassen das Vernünftige nicht zu, weil dem das nackte Profitinteresse entgegensteht.

So kommt es, daß viele von uns gezwungen sind einen Großteil des monatlichen Verdienstes in einen PKW zu stecken, weil der miserable Zustand des öffentlichen Nahverkehrs uns überhaupt keine andere Wahl läßt. Dies wird sich noch verschlimmern, wenn die Stadt die Fahrpläne weiter verdünnt, was Bürgermeister Kiefer ankündigte. Städnige Tariferhöhungen und gleichzeitige Verdünnung der Fahrpläne dienen nur einem: DER AUTO- UND MINERALÖLINDUSTRIE.

DAS DEFIZIT DER VERKEHRSBETRIEBE

Die wachsenden Ausgaben für den Verkehr mit Privatwagen (Straßenbau, Parkhäuser usw.), die steigenden Kosten des öffentlichen Nahverkehrs führen dazu, daß sich die Finanzlage der städtischen Verkehrsbetriebe seit Anfang der 60er Jahre ununterbrochen verschlechterte, während gleichzeitig die Interessen der Monopole an einer Zentralisierung des Steueraufkommens beim Bund - DENN VOR ALLEM DORT KANN ES DEN MONOPOLINTERESSEN DIENSTBAR GEMACHT WERDEN - verhinderten, daß die Gemeinden diese wachsende Defizite decken konnten.

DESHALB STEIGEN DIE PREISE FÜR DIE ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTEL SEIT JAHREN ÜBERDURCHSCHNITTLICH.

In einer KRISE DER KAPITALISTISCHEN WIRTSCHAFT wie 1966/67, wo es viele Entlassungen und Kurzarbeit gab, verstärkt sich der Druck der Kapitalistenklasse über ihren Staat. Das ist auch der Grund für die jüngsten Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr in Bochum, Dortmund, Berlin, Hamburg, Heidelberg, Karlsruhe und in den letzten Tagen in Stuttgart (vgl. 10.11.1971, d.Vf.) und Frankfurt (vgl. Dez. 1971, d.Vf.).

GEGEN LOHNDRÜCKEREI UND PREISTREIBEREI…

Die Fahrpreiserhöhungen sind EINE der vielen Preiserhöhungen der Kapitalisten und ihres Staates, die derzeit auf die arbeitende Bevölkerung zukommen. SIE TREFFEN DIE ARBEITENDE UND DIE IN DER AUSBILDUNG STEHENDE BEVÖLKERUNG BESONDERS HART: die vielen Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge, die morgens in überfüllten Straßenbahnen und Bussen zur Arbeit und abends wieder heim oder zum Bahnhof fahren. Die Schüler deren Mehrausgaben auf die Eltern zurückfallen, die vielen Hausfrauen, die auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind und die Studenten, von denen ebenfalls viele mit den öffentlichen Verkehrsmittel fahren.

…DIE EINHEITLICHE FRONT DER ARBEITERKLASSE UND ALLER ÜBRIGEN WERKTÄTIGEN!

Klar ist, daß im Zentrum des Kampfes um unser Lebensniveau der Kampf um Löhne und Gehälter steht. Denn wir sind vor allem dort stark, wo wir als Klasse vereint sind, im Betrieb. Die Kapitalisten und ihre Presse versuchen uns ständig den Lohnkampf als sinnlos auszureden, indem sie uns das Märchen von der Lohnpreis-Spirale auftischen, uns die Schuld zuschieben, daß die Preise steigen. Als Allheilimittel bieten sie zuweilen den Lohn-Preisstop an, wobei natürlich immer nur der Lohnstop funktioniert, während die Preise munter weiter steigen (wie der jüngste 'Lohn-Preisstop' in den USA zeigt). Wir müssen im Betrieb gegen Lohndrückerei und verschärfte Arbeitshetze kämpfen. Wir müssen aber auch gemeinsam mit allen anderen davon betroffenen Gruppen der Bevölkerung gegen derart unverschämte Preistreibereien kämpfen wie die geplante 20 - 30ige Tariferhöhung bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben. Ebenso müssen wir uns zusammen mit den bei den Stadtwerken Beschäftigten gegen die geplante Privatisierung zur Wehr setzen.

Weil die geplanten Maßnahmen der Stadt nur ein TEIL der vielfältigen Angriffe der Kapitalisten und ihres Staates sind, müssen wir sie auch dementsprechend bekämpfen.

Anstatt eine bürgerliche Initiative mit vielen roten Punkten zu machen, müssen wir jeden Angriff der Kapitalisten und ihres Staates mit einer Stärkung der Arbeiterklasse und der gesamten übrigen werktätigen Bevölkerung beantworten. Wir müssen am Arbeitsplatz Möglichkeiten des Widerstands gegen derartige Maßnahmen besprechen. Wir müssen die betrieblichen Vertretungen auffordern, Abwehrmaßnahmen zu unterstützen und wir müssen uns in unseren Gewerkschaften dafür einsetzen, daß diese gegen derartige Preistreiberei unseren Widerstand setzen.

DGB-Chef Jorzig und Co, denen zum Teil fette Aufsichtsratsposten bei den Stadtwerken winken, werden versuchen gewerkschaftliche Abwehrmaßnahmen zu verhindern. Sie werden uns einreden wollen, daß die Tariferhöhungen unumgänglich und die Privatisierung für die Allgemeinheit von Vorteil ist.

Setzen wir dem entgegen:
GEGEN DIE ANGRIFFE DER KAPITALISTENKLASSE UND IHRES STAATES - DIE EINHEITLICHE KAMPFFRONT DER ARBEITERKLASSE

WEHREN WIR UNS GEGEN LOHNDRÜCKEREI UND PREISTREIBEREI

KEINE FAHRPREISERHÖHUNGEN - GEGEN VERDÜNNUNG DER FAHRPLÄNE

FÜR DEN AUFBAU DES ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHRS IN DIE WOHNVIERTEL DER ARBEITENDEN BEVÖLKERUNG

NEIN ZUR PRIVATISIERUNG DER STADTWERKE".
Q: Klassenkampf Extrablatt für die arbeitende Bevölkerung, Freiburg 26.1.1972

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