Berliner Extra-Dienst, 2. Jg., Nr. 31, West-Berlin, 16. April 1968

16.04.1968:
Der Berliner Extra-Dienst (BED) Nr. 31 erscheint mit der Extra-Dokumentation: "Vier Forderungen an den Senat".
Artikel der Ausgabe sind:
- "Eure Krise im Senat: Moch muss zurücktreten"
- "SPD-Landesausschuss: Schütz am Ende seiner Kraft"
- "SPD: Kritik an der Kirche: Diese Pfaffen…"
- "Anonyme Morddrohung gegen Mahler, Teufel und Extra-Dienst"
- "Albertz: Deutliche Distanz zu Neubauer und Springer"
- "Extra-Meinung"
- "Extra-Report"
- "Extra-Dokumentation"

Berichtet wird u. a. über die Krise des West-Berliner Senats, die der BED mit "schwerwiegenden Differenzen" bezeichnet, über anonyme Morddrohungen gegen Mahler, Teufel und den BED. Danach hat ein anonymer Anrufer der Extra-Dienst-Redaktion erklärt: "Wir machen dieses mal Schluss mit Euch". In der Extra-Meinung "Erste Bilanz" ist Carl L. Guggomos erschüttert über Ostern 1968. U. a. erklärt er: "Blutige Ostern sind zu Ende. Sie begannen in Westberlin mit einem sozusagen privaten Mordanschlag auf Rudi Dutschke und sie endeten mit offiziell angeordneten Polizeiüberfällen. Mehrfach wurde an diesen Ostertagen wahr, was man bisher gern ins Propaganda-Reich des 'Neuen Deutschland' verwiesen hatte: Brutale Polizeiüberfälle auf friedliche Demonstranten: So geschah es am Karfreitag vor dem Rathaus Schöneberg, so am Ostersonnabend in der Meinekestraße, so in der Sonntagnacht in der Friesenstraße. Es ist seit diesem Wochenende klar, dass es zwei Sorten von Gewalt gibt: Die von oben nach unten und die ist gut, und die von unten nach oben, und die ist verdammenswert. (…)

Am Freitag war noch offiziell geheuchelt worden. Schon am Sonntag aber war, beim Senat und in der Hetzpresse der Stadt, das Opfer der Schuldige. Spätestens nach der Lektüre der Sonntagszeitungen, ihrer Kommentare und ihrer Leserbriefe, musste auch den Osterspaziergängern klar geworden sein, wie krank diese Gesellschaft der Gewalt und der Gewalttätigkeit ist, wie verabscheuungswürdig; wie recht jene haben, die ihre radikale Neugestaltung wollen. Diese Einsicht hat sich verbreitert. An diesem Osterwochenende ist die Außerparlamentarische Opposition aus dem zu engen Anzug der nur-studentischen Protestbewegung herausgewachsen.

Deshalb muss sie der staatlich organisierten Gewalt und Unmoral nun auch eigene Organisationsformen entgegensetzen. Es reicht nicht mehr aus, den anti-institutionellen Fetisch hochzuhalten und sich den Institutionen damit hilflos auszuliefern. Die Aktionskomitees der Arbeiter, Angestellten, Studenten und Schüler können den Kampf um die Verbreiterung der demokratischen Basis nur führen, wenn sie erkennen, das antiautoritäres Denken auch revolutionäre Disziplin einschließt. (…) Den Gewalten und der durch sie manipulierten Öffentlichkeit muss die organisierte permanente Aufklärung über ein fest umrissenes Aktionsprogramm gegenübergestellt werden. Schnelligkeit ist erforderlich, aber kein Übereifer. Der lange Marsch, von dem Rudi Dutschke immer sprach, ist durch die Schüsse auf ihn nicht verkürzt worden. Aber es wurde vielen deutlich, dass sie ihn mitgehen werden und müssen."

Im Extra-Report von Martin Buchholz und Hannes Schwenger "Unvollständige Chronik, Gründonnerstag vor dem SDS-Zentrum" beschäftigen sich die Autoren in mehreren Artikeln mit den aktuellen Ereignissen rund um den Mordanschlag: "Vor dem SDS-Zentrum.

Karfreitag Nachmittag, Rathaus Schöneberg.
Freitag Nachmittag vor dem RIAS
Karfreitagabend, Technische Universität
Karfreitagnacht, im Rathaus Schöneberg
Karsamstag, Verkehrsruhe in der City
Karsamstag, Meinekestraße
Ostersonntagnachmittag, Kurfürstendamm
Ostersonntagnachmittag, Kurfürstendamm
Ostersonntagnacht, Friesenstraße".

In der Extra-Dokumentation wird darüber berichtet, dass die Verbände der APO folgende Forderungen an den West-Berliner Senat nach dem Mordanschlag auf Dutschke stellen: "Rücktritt des Senats und Bildung eines neuen Senats, der mit uns zusammen erste Schritte unternimmt, in Westberlin demokratische Verhältnisse zu schaffen. Unverzügliche Enteignung Springers und Schaffung eines Rates aus Arbeitern, Angestellten, Studenten und Schülern, der Pläne dafür ausarbeitet, wie die Produktionsmittel dieses Konzerns in den Dienst einer demokratischen Öffentlichkeit gestellt werden können. Dieser Rat hat ebenfalls Pläne zur Demokratisierung der Rundfunkanstalten zu erarbeiten. Für den RIAS fordern wir die sofortige Ablösung der amerikanischen Kontrolle durch ein gewähltes und jederzeit abwählbares Kontrollorgan; in den SFB sind sofort Vertreter der außerparlamentarischen Opposition in die Aufsichtsgremien hineinzuwählen unter der Bedingung, dass diese Gremien öffentlich tagen. Für die Zeit bis zum 1. Mai fordern wir täglich eine Stunde Sendezeit, um mit der arbeitenden Bevölkerung dieser Stadt über die wirtschaftliche und politische Lage Westberlins und Möglichkeiten ihrer Veränderung diskutieren zu können. Damit soll gewährleistet werden, dass die Bevölkerung entscheiden kann, ob ihre Teilnahme an der sogenannten Freiheitskundgebung auf dem Platz der Republik oder an einer sozialistischen Maidemonstration ihren wahren Interessen entspricht".
Q: Berliner Extra-Dienst, 2. Jg., Nr. 31, West-Berlin, 16. April 1968.

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