Berlin-Moabit:
KWU Huttenstrasse: Koreaner

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 20.4.2013

Von den rund 50 bei der Kraftwerk Union (KWU) in Berlin-Moabit beschäftigten Arbeitern aus Südkorea können hier bisher nur wenige Hinweise erschlossen werden, aus denen hervorgeht, dass die koreanischen Kollegen einerseits "arbeiten wie die Soldaten", wie die KPD anläßlich der Vorbereitung des 1. Mai 1972 berichtet, und die andererseits aufgrund ihrer Unkenntnis ihrer Rechte sowie der üblichen Arbeitsleistungen und Vergütungen benachteiligt werden, wobei auch ein Abbruch der Ausbildung droht, was wiederum die Abschiebung nach Südkorea bedeuten würde, wie die KPD/ML-ZB berichtet (vgl. 10.9.1971).

Innerhalb der damals in der Westberliner Industrie beschäftigten koreanischen Migranten scheint die Gruppe bei der KWU die bedeutendste gewesen zu sein, zumindest lagen uns bisher aus den anderen Betrieben noch keine Berichte über die dort tätigen Koreaner vor (vgl. 14.2.1973).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

08.09.1971:
In Berlin gibt die KPD die Nr. 2 ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse Ausgabe KWU' (KAP - vgl. Aug. 1971, 13.10.1971) heraus. Ein Artikel beschäftigt sich mit den bei KWU seit einigen Wochen beschäftigten 42 Südkoreanern, was man zum Anlaß nimmt, deren Heimat unter die Lupe zu nehmen.
Quelle: Kommunistische Arbeiterpresse KWU Nr. 2, Berlin 8.9.1971, S. 6ff

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10.09.1971:
In der Nr. 11 ihrer Berliner KWU-Betriebszeitung 'Rote Turbine' (vgl. 19.8.1971, 30.9.1971) berichtet die KPD/ML-ZB Betriebsgruppe in "Solidarität mit den ausländischen Arbeitern" auch von den Koreanern (ca. 50), u.a. in der Dreherei im Betriebsteil 1. Geworben wird für die "Internationale Solidarität mit der koreanischen Revolution".
Q: Rote Turbine Nr. 11, Berlin 10.9.1971, S. 5f

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April 1972:
Die KPD (vgl. 17.5.1972) berichtet vermutlich aus dem April über die Arbeit des Maiausschusses KWU des Maikomitees (MK) oppositioneller Gewerkschafter:"
SOLIDARITÄT MIT DEN KOREANISCHEN ARBEITERN BEI DER KWU

In der KWU, Werk Berlin, werden Gasturbinen bis zu 80 Megawatt und Schiffsturbinen konventioneller Bauart hergestellt. Eine Produktion also, die so leicht nicht ins Ausland verlagert werden kann, um dort aus niedrigeren Löhnen Extraprofite herauszuschlagen.

Bei der Turbinenfertigung werden zum größten Teil Facharbeiter gebraucht. Im Berliner Werk sind zwar im letzten Jahr ziemlich viel neue Maschinen angeschafft worden, die Ausrüstung mit neuer Maschinerie ist hier aber nicht geeignet, in großem Umfang Arbeitskräfte einzusparen, wie die KWU-Kapitalisten das natürlich wollen. Um ihre Profite auch trotz der hohen Ausgaben für die neue Maschinerie zu sichern, greifen die Kapitalisten zu anderen Methoden: waren bislang in der Hauptsache neben den deutschen Arbeitern angelernte türkische und jugoslawische Arbeiter im Berliner Werk eingestellt - insgesamt ca. 250 Mann -, so kommen jetzt in großem Maße südkoreanische Facharbeiter. Nach Verhandlungen mit der faschistischen südkoreanischen Regierung haben Vertreter der Firmenleitung zuerst 50 - im letzten Jahr - und jetzt wieder 40 koreanische Arbeiter angeheuert, die alle ihren Wehrdienst in der faschistischen südkoreanischen Bürgerkriegsarmee hinter sich haben und dementsprechend antikommunistisch beeinflußt sind.

Diese koreanischen Kollegen arbeiten wie die Soldaten; und die Kapitalisten haben ihre Unterkünfte auch gleich wieder zu Kasernen gemacht.

Die Kollegen 'wohnen' in 4-Bett-Zimmern, die 12 qm groß sind. Die Miete beträgt 90 DM im Monat. Diese Kasernenwohnungen und der Umstand, daß die südkoreanischen Kollegen kein Wort Deutsch können, macht sie gefügig, jede geforderte Überstunde auch abzuleisten. So arbeiten sie regelmäßig am Sonnabend und sind auch darüberhinaus bereit, jeden tag 10 Stunden zu arbeiten.

Für die 90 koreanischen Arbeiter gibt es einen Dolmetscher, der von der Regierung gleich mitgeliefert worden ist - welche Aufgabe er hat, kann man sich denken! Er hat erklärt: Urlaub würden die koreanischen Arbeiter dieses Jahr nicht nehmen, sie hätten zuwenig Geld um nach Hause zu fahren und sie wüßten auch nicht, wie sie hier ihren Urlaub verbringen sollten.

Die Koreaner haben Dreijahresverträge bekommen; sie arbeiten hier für ein Vielfaches des Lohnes, den sie im eigenen Land bekommen würden. Ihre Löhne liegen aber um ca. 5 - 10 Prozent unter denen der deutschen Arbeiter. Damit bekommen die koreanischen Arbeiter von den Kapitalisten genau die Rolle vom Lohndrücker zudiktiert.

Denn über die Spaltung durch Lohngruppen hinaus wird in der KWU ein Punktsystem angewandt, nach dem jeder einzelne Arbeiter eingeschätzt wird. Wenn sich deutsche Arbeiter jetzt beschweren, sie bekämen zuwenig Lohn, wird ganz offen auf die Koreaner hingewiesen, die volle 8 Stunden wie besessen durcharbeiten und sich nicht 5 Minuten vor dem Mittagessen die Hände waschen und die das Werkzeug erst nach Schichtende in die Werkzeugausgabe zurückbringen. 'Leistet erst einmal soviel wie die Koreaner!' heißt es dann.

Auch setzt die Firmenleitung die koreanischen Arbeiter genau zwischen die Arbeitsplätze der deutschen Kollegen, um ihnen diese 'Arbeitssoldaten' den ganzen Tag vor Augen zu halten. Darüberhinaus sollen die koreanischen Arbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden. Sie stehen unter einem solchen Druck, daß die Kapitalisten annehmen, sie würden nie streiken. Denn wenn sie bei einem Streik mitmachen, müssen sie befürchten, wegen Vertragsverletzung sofort nach Hause geschickt zu werden, die Flugkosten bezahlen zu müssen und überdies ein Strafverfahren ihrer eigenen Regierung zu bekommen. Deshalb rechnet sich die Firmenleitung aus, daß kein Streik durchgeführt werden kann, weil die Koreaner in allen Abteilungen arbeiten und so die Produktion in einem gewissen Maß aufrecht erhalten werden kann.

Es ist klar, daß die deutschen Arbeiter nicht den koreanischen Kollegen die Schuld für die Spaltungsmanöver in die Schuhe schieben dürfen und sie etwa bekämpfen dürfen. Vielmehr muß entgegen allen Schwierigkeiten versucht werden, die koreanischen Arbeiter in den Abwehrkampf gegen die kapitalistischen Angriffe miteinzubeziehen.

Manchmal ist dazu sanfter Druck notwendig, so wenn zehn Kollegen um einen Koreaner herumstehen und auf ihre Uhr schauen, wenn dieser gleich beim Heulen der Sirene schon die Schleifmaschine glaubt laufen lassen zu müssen.

Aber erst der Kampf des koreanischen Volkes selbst gegen seine faschistischen Unterdrücker und um die revolutionäre Wiedervereinigung mit der Volksdemokratischen Republik Nordkorea (KVDR, d.Vf.) schafft die entscheidenden Grundlagen, daß diese Kollegen nicht mehr in ständiger Angst um sich und ihre Familien 10 000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt als Ausgebeutete und Spalter eingesetzt werden können.

Kämpfen wir gemeinsam gegen die Auswirkungen kapitalistischer Rationalisierung, gegen alle Lohnraubversuche und gegen den Imperialismus in aller Welt!"
Q: Rote Fahne Nr. 43, Dortmund 17.5.1972, S. 4

26.04.1972:
In der Berliner Technischen Fachhochschule will heute das Maikomitee oppositioneller Gewerkschafter der KPD seine Maiveranstaltung durchführen.

Aufgerufen wurde vom Maikomitee dazu mit einer Zeitung '1. Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse', in der u.a. von den Koreanern bei der KWU berichtet wird.
Q: 1. Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse, Berlin 1972, S. 3

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16.11.1972:
In Berlin gibt die KPD bei KWU die Nr. 18 ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (vgl. Okt. 1972, 12.12.1972) heraus. Vom eigenen Betrieb kümmert man sich auch um die Koreaner.
Q: Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe KWU Nr. 18, Berlin 16.11.1972, S. 2

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14.02.1973:
Die KPD gibt die Nr. 7 ihrer 'Roten Fahne' (vgl. 7.2.1973, 21.2.1973) heraus. Aus Berlin wird auch anläßlich des Besuchs des südkoreanischen Außenministers in der BRD (in Hamburg, Bonn und Berlin) auf die bei AEG, KWU, Osram und in der Krankenpflege beschäftigten Koreaner eingegangen.
Q: Rote Fahne Nr. 7, Dortmund 14.2.1973

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